Ist die Türkei noch eine Demokratie?

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SirToby
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Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von SirToby »

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016 ... bgeordnete

"Immunität wird im Probe-Voting aufgehoben
Im Parlament erhielt der Vorstoß von Präsident Erdoğan eine Mehrheit. Europaparlamentarier fordern die Türkei auf, die Immunität von Abgeordneten nicht aufzuheben.

Das türkische Parlament stimmte am Dienstagabend in einer ersten Runde mit breiter Mehrheit für die geplante Aufhebung der Immunität von Abgeordneten. Die nötige Zweidrittelmehrheit für eine direkte Verfassungsänderung zu diesem Zweck wurde am Dienstagabend in Ankara jedoch nicht erreicht, wie der Sender CNN Türk berichtete. Die entscheidende Abstimmung folgt am Freitag. Stimmen dann zwei Drittel – also 367 Abgeordnete – für die Änderung, wird die Immunität von 138 Abgeordneten einmalig aufgehoben. Wird diese Marke nicht erreicht, ist bei mindestens 330 Stimmen noch der Umweg über ein Referendum möglich.
Zur Aufhebung der Immunität der HDP-Abgeordneten hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan aufgerufen. Bereits seit Längerem betreibt Erdoğan eine Kampagne gegen die linksliberale, prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP). Er wirft den Oppositionspolitikern vor, der "verlängerte Arm" der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Parlament zu sein. Die HDP weist das zurück. Im März hatte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu vorgeschlagen, zahlreichen Abgeordneten die parlamentarische Immunität zu entziehen. Davon betroffen wären 50 der 59 HDP-Abgeordneten. Die türkische Justiz könnte die HDP-Politiker anschließend vor Gericht bringen."

Die Frage, die sich stellt, ist ob die Türkei überhaupt noch eine Demokratie ist? Willkür und ein Abbau des Rechtsstaats halten Einzug. Es gibt noch kritische Stimmen, aber diese werden zunehmet zum Schweigen gebracht.
Daniel Patrick Moynihan: "Sie haben ein Recht auf ihre eigene Meinung! Sie haben kein Recht auf ihre eigenen Fakten!"
Wasteland
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Es ist auf jeden Fall grenzwertig was da abläuft. Geht in Richtung Russland.
Aber wenn so viele Türken die die AKP wählen keinen Wert auf Freiheit oder Demokratie legen, dann sollen sie das bekommen.
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Flat
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Flat »

SirToby hat geschrieben:(19 May 2016, 11:54)

Die Frage, die sich stellt, ist ob die Türkei überhaupt noch eine Demokratie ist? Willkür und ein Abbau des Rechtsstaats halten Einzug. Es gibt noch kritische Stimmen, aber diese werden zunehmet zum Schweigen gebracht.
Kommt drauf an, was man zum Maßstab nimmt.

Weltweit gesehen dürfte sie noch als normale Demokratie durchgehen.

Nach EU-Standard ist es hingegen mehr als kritisch.
_______
wer Rechtsradikales sagt und tut, ist rechtsradikal. Das hat nichts mit Nazikeule zu tun.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/inte ... 62231.html
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Gutmensch1
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Gutmensch1 »

Die Türkei ist eine Demokratie aber Erdogan arbeitet daran die Demokratie in eine islamische Diktatur umzuwandeln. Die Kemalisten und das Bildungsbürgertum gehen durch schwerer Zeiten.
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Kardux
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

Die Türkei war NIEMALS in seiner Geschichte eine Demokratie. Wie definieren hier einige User eigentlich Demokratie? Kann man die Türkei als Demokratie bezeichnen nur weil sie liberaler und freier ist als Saudi Arabien oder Nordkorea? Der Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs, welcher den ersten großen Völkermord im 20.Jahrhundert zu verantworten hat, und sich dieser Verantwortung nicht stellt ist keine Demokratie. Die "Entchristisierung Kleinasiens" wurde sogar nach den Weltkriegen weiter forciert. Darüber hinaus hat man völkerrechtswidrig bis zum heutigen Tag einen Teil Zyperns besetzt. Religiöse Minderheiten wie die Aleviten erfuhren immer wieder staatlich motivierte Gewalt, mit dem traurigen Höhepunkt des Sivas- Massakers. Ein Paradebeispiel der Demokratie ? Das Land hat drei Militärputsche hinter sich und Erdogan hat quasi "friedlich" geputscht. Er hat die Gewaltenteilung (das macht die Türkei noch zu keiner Demokratie) aufgebrochen, wer sich ihm in den weg stellt muss früher oder später den Hut ziehen, das gilt auch für Freunde aus der eigenen Partei - ein absoluter Machtmensch regiert die Türkei. Aber wie demokratisch war denn eigentlich die Türkei vor Erdogan? Da sollte man sich vielleicht mit der Geschichte der Türkei in den 90er Jahren befassen. Kurzum, eine Vertreibungspolitik im ganz großen Stil (3000 Dörfer vernichtet) wurde betrieben und täglich fand man die Leichen von unliebsamen Menschen auf Müllhalden oder dann später auch in Wasserbrunnen. Die Existenz von 20 % der Gesamtbevölkerung (=Kurden) wurde bei der Republiksgründung geleugnet. In den 80er Jahren, also nach dem Putsch von Kenan Evren verschärften sich die Gesetze gegen die Kurden und bis zum heutigen Tag werden die Kurden konstitutionell geleugnet. Atatürk baute diese "Demokratie" auf rassistischen Werten auf, er forcierte Sprachpurismus, weil die Osmanen aufgrund dem eher geringen türkischen Wortschatz die türkische Sprache dem Arabischen und Persischen gegenüber als minderwertig betrachteten, er hatte den Versuch unternommen den Islam zu türkisieren (Muezzin auf Türkisch :D ), und sprach dauernd von reinem Blut, der edlen türkischen Rasse welche als überlegen gil. In der sogenannten Sonnensprachtheorie die von Atatürk als Staatsdoktrin durchgepeitscht wurde wurde behauptet das die gesamte Menschheit von der türkischen Rasse abstammt. Die "moderne" Türkei könnte zu Beginn (die ersten drei Jahrzehnte) als ein gewöhnlicher faschistischer Staat durchgehen und daran hat sich bis heute grundsätzlich nichts geänderts. Mordende Lynchmobs waren ein starkes Merkmal faschistischer Gesellschaftsstrukturen, und das haben wir in den letzten Jahren auch wieder in der Türkei erlebt. Es hat sich nichts verändert. Genauso wie in den 90er Jahren kurdische Abgeordnete wie Leyla Zana inhaftiert wurden, wird auch heute, im Jahr 2016 derselbe Versuch unternommen. Alles wie gehabt in der Türkei - der Vorzeigedemokratie. De-facto Gewaltenteilung, Laizismus (in einer religiösen Gesellschaft), und die Wahrung von Frauenrechten, machen noch keine Demokratie aus, das muss man schon differenzierter analyisieren.
Wasteland hat geschrieben:Es ist auf jeden Fall grenzwertig was da abläuft. Geht in Richtung Russland.
Aber wenn so viele Türken die die AKP wählen keinen Wert auf Freiheit oder Demokratie legen, dann sollen sie das bekommen.
Und die Kurden haben jedes Recht der Welt sich gegen solch eine Gesellschaft zu widersetzen welche eben nicht viel Wert auf Freiheit oder Demokratie legt. Die Mehrheit der türkischen Gesellschaft hat sich für den Führerkult entschieden, für die Diktatur. Sie hatten die Möglichkeit Erdogan daran zu erinnern das eine Ein-Mann-Diktatur niemals in der Geschichte von Erfolg gekrönt war - und dann wählen die tatsächlich mehrheitlich für den coming- dictator. Es sagt sehr viel aus über diese Gesellschaft.
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Julian
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Julian »

So, die Immunität eines Viertels der Abgeordneten ist tatsächlich aufgehoben worden. Der Weg in den autoritären Staat beschleunigt sich. Was für eine üble Entwicklung! Wer hätte das noch vor fünf oder zehn Jahren für möglich gehalten.
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pikant
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von pikant »

Flat hat geschrieben:(19 May 2016, 13:18)

Kommt drauf an, was man zum Maßstab nimmt.

Weltweit gesehen dürfte sie noch als normale Demokratie durchgehen.

Nach EU-Standard ist es hingegen mehr als kritisch.
na ja,
in Frankreich hat man gestern die Notstandsgesetze um weitere 2 Monate verlaengert und man regiert dort am Parlament vorbeit indem man einen Paragrafen benuetzt, der eine Regierung erlaubt ohne Zustimmung des Parlamentes Gesetze zu verabschieden.

das ist EU-Standard pur und so weit von der Tuerkei nicht entfernt nach meiner Meinung.
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Kardux
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

Julian hat geschrieben:(20 May 2016, 11:27)

So, die Immunität eines Viertels der Abgeordneten ist tatsächlich aufgehoben worden. Der Weg in den autoritären Staat beschleunigt sich. Was für eine üble Entwicklung! Wer hätte das noch vor fünf oder zehn Jahren für möglich gehalten.
Ich hatte es schon sehr lange voraus gesagt (auch in diesem Forum). Genauso auch den aufkeimenden Bürgerkrieg im Südosten. Und ich behaupte auch das sich die Entwicklung in der Türkei noch drastisch verschlimmern wird. Wer so dumm ist und denkt eine militärische Lösung vorantreiben zu müssen, anstatt einer Minderheit (das bereit ist jeden Preis zu zahlen) Autonomie zu gewähren der wird eines Tages die Rechnung serviert bekommen. Indem man die Kurden in der Türkei von der Politik ausschliesst schafft man sich seine eigenen Totengräber an. Die PKK wird einen Zuwachs bekommen, so viel steht fest. Die moderate Schicht der Kurden, die ausschliesslich auf eine politische Lösung drängte steht nun schlecht gegenüber den Radikalen da. Das Problem der türkischen Gesellschaft und Politikern ist ihr tiefgreifender Rassismus gegenüber den Kurden, anders kann man das Beharren auf der "militärischen Lösung" nicht begründen. Man will Krieg und Totschlag und wird ihn bekommen. Während die EU mit Erdogan über Visafreiheit und einen möglichen EU- Beitritt verhandelt vernichtet die türkische Armee im Südosten wieder die gesamte Infrastruktur der Kurden. Dann braucht sich aber auch niemand wundern wenn sich viele Kurden radikalisieren und sich terroristischen Gruppen wie der TAK anschliessen. Das ist eine logische Schlussfolgerung.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von steve1974 »

-
138 Leute trifft es nun..
http://www.tagesschau.de/ausland/tuerke ... t-107.html

Die Frage ist nicht mehr ob, sondern nur noch wie lange sie im Knast verschwinden.
Und ob diesmal der Westen etwas davon erfährt.-
-
Wasteland
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Kardux hat geschrieben:(20 May 2016, 11:27)
Und die Kurden haben jedes Recht der Welt sich gegen solch eine Gesellschaft zu widersetzen welche eben nicht viel Wert auf Freiheit oder Demokratie legt. Die Mehrheit der türkischen Gesellschaft hat sich für den Führerkult entschieden, für die Diktatur. Sie hatten die Möglichkeit Erdogan daran zu erinnern das eine Ein-Mann-Diktatur niemals in der Geschichte von Erfolg gekrönt war - und dann wählen die tatsächlich mehrheitlich für den coming- dictator. Es sagt sehr viel aus über diese Gesellschaft.
Nur, die Methoden der PKK werden keinen Erfolg bringen. Bombenanschläge werden die Lage nur verschlechtern. Was es in der Türkei braucht ist eine handlungsfähige Opposition, mit einem geeigneten Anführer.
Warum vereinen sich die CHP und die HDP eigentlich nicht?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Guter Artikel zum Thema.

"Die Türkei ist ein zweites Russland geworden"

http://www.n-tv.de/politik/Die-Tuerkei- ... 41491.html
n-tv.de: Das türkische Parlament hat für die Aufhebung der Immunität von 138 der 550 Abgeordneten gestimmt. Was steckt hinter der Entscheidung?

Udo Steinbach: Dahinter steckt der Wille des Staatspräsidenten Erdogan, ein Parlament zu formen, über das er sein Ziel erreichen kann. Nach Möglichkeit will er mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit eine neue Verfassung schaffen, die ihm die absolute Machtfülle im politischen System der Türkei gibt.

Gegen die betroffenen Abgeordneten werden Terrorvorwürfe oder Anschuldigungen wie Amtsmissbrauch erhoben. Sind die Vorwürfe berechtigt?

Die Vorwürfe sind nicht stichhaltig und rechtfertigen nicht die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten. Sie sind Teil einer Kampagne Erdogans. Ihn hat es gestört, dass die HDP bei den Wahlen im Juni vergangenen Jahres 13 Prozent geholt hat. Damit hatte er im Parlament nicht die nötige Mehrheit für seine Verfassungspläne. Deswegen hat Erdogan in der zweiten Jahreshälfte 2015 den Konflikt mit den Kurden angezettelt. Mit dem Ergebnis, dass die HDP bei den folgenden Wahlen im November geschwächt wurde. Um sie ganz zu eliminieren, ist das inszeniert worden, was wir jetzt erleben.

[...]

Ist das das faktische Ende der parlamentarischen Demokratie in der Türkei?


Ja. Es ist erstaunlich, dass so viele Parlamentarier ihr eigenes Ende beziehungsweise das Ende des Parlamentarismus in der Türkei herbeistimmen. Mit Blick auf die Gefolgschaft von Herrn Erdogan in der AKP wundert einen das nicht, im Falle von CHP oder MHP schon. Damit vollendet sich eine Entwicklung, die wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben: eine zunehmende Verwässerung der Grenzen zwischen den verschiedenen Machtorganen.

Warum einige CHP-Abgeordnete so dumm waren da mitzumachen erschliesst sich mir nicht.
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Kardux
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

Wasteland hat geschrieben:Warum einige CHP-Abgeordnete so dumm waren da mitzumachen erschliesst sich mir nicht.
Die Antwort liegt doch auf der Hand. Die Unterjochung der Kurden eint die türkische Gesellschaft, egal ob links, rechts, islamistisch, kemalistisch - das macht absolut keinen Unterschied.

Die Kurden in Südostanatolien haben nur eine einzige Wahl, sie müssen konsequent die Sezession vorantreiben - ein friedliches Zusammenleben ist nicht möglich.
Wasteland hat geschrieben:Nur, die Methoden der PKK werden keinen Erfolg bringen. Bombenanschläge werden die Lage nur verschlechtern. Was es in der Türkei braucht ist eine handlungsfähige Opposition, mit einem geeigneten Anführer.
Warum vereinen sich die CHP und die HDP eigentlich nicht?
Die Kurden sind kein Teil der Türkei, dementsprechend brauchen sie sich auch keiner Opposition anschliessen, die CHP war den Kurden sowohl in der Vergangenheit als auch Gegenwart nicht minder feindlich gesinnt als die derzeitige AKP- Regierung.

PS: Die Bombenanschläge werden nicht von der PKK verübt sondern von der TAK. Nichtsdestotrotz wird sich der Konflikt weiter ausdehnen, extremistische Gruppen werden Zulauf gewinnen, auch die PKK.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Kardux hat geschrieben:(20 May 2016, 19:58)

Die Antwort liegt doch auf der Hand. Die Unterjochung der Kurden eint die türkische Gesellschaft, egal ob links, rechts, islamistisch, kemalistisch - das macht absolut keinen Unterschied.

Die Kurden in Südostanatolien haben nur eine einzige Wahl, sie müssen konsequent die Sezession vorantreiben - ein friedliches Zusammenleben ist nicht möglich.

Naja, das ist mir etwas zu pauschal. Viele Türken haben auch keine Probleme mit den Kurden. Ich kennen sowohl Kinder aus Mischehen, wie auch Türken deren besten Freunde Kurden sind. Es kommt da ganz drauf an. Was die rechte Mischpoke in der Türkei angeht hast du vermutlich grösstenteils recht. Die fangen an zu sabbern wenn sie das Wort Kurden hören, ausser sie sind islamistisch oder heissen Saladin.

Kardux hat geschrieben:(20 May 2016, 19:58)
Die Kurden sind kein Teil der Türkei, dementsprechend brauchen sie sich auch keiner Opposition anschliessen, die CHP war den Kurden sowohl in der Vergangenheit als auch Gegenwart nicht minder feindlich gesinnt als die derzeitige AKP- Regierung.

PS: Die Bombenanschläge werden nicht von der PKK verübt sondern von der TAK. Nichtsdestotrotz wird sich der Konflikt weiter ausdehnen, extremistische Gruppen werden Zulauf gewinnen, auch die PKK.
Das glaube ich auch. Aber Erdogan wird diesen Machtpoker gewinnen. Ich muss ihm das lassen, er ist extrem gerissen. Er hat den bewaffneten Konflikt mit den Kurden gezielt angezettelt um langfristig die HDP aus dem Parlament zu werfen. Das ist ihm gelungen, von langer Hand geplant.
Der Friedensprozess war ihm von Anfang an völlig egal, er wollte nur die Stimmen der islamischen Kurden, um seine Mehrheiten zu garantieren.
Wie bereits oben beschrieben, die parlamentarische Demokratie in der Türkei steht vor ihrem Ende, wenn er damit durchkommt.
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DarkLightbringer
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DarkLightbringer »

Das sieht nach einer Selbstentmachtung des Parlamentes aus.
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schokoschendrezki
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von schokoschendrezki »

Unabhängig von der Frage "noch eine Demokratie" (oder nicht) - ich glaub ja eher nicht, dass das einfach binär entscheidbar ist ... ich halte es für sehr sehr wichtig, nicht einfach den Kontakt zu verweigern, ob nun nach Istanbul, Moskau, Kiew, Warschau oder Budapest. Ich kenne solche Ansichten. SIe sind destruktiv. Progressive Menschen in tendenziell oder faktisch autoritären Systemen müssen auf unsere Solidarität und Kontaktbereitschaft rechnen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DieBananeGrillt »

Das war es !
Nie wieder Türkei Urlaub und das Regime noch weiter unterstützen.
Alternativ dazu zum Boykott türkischer Produkte aufrufen.
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Die Türkei ist natürlich eine Demokratie....Genauso wie Nordkorea, China, Saudi-Arabien oder der Iran.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

DieBananeGrillt hat geschrieben:(20 May 2016, 23:16)

Das war es !
Nie wieder Türkei Urlaub und das Regime noch weiter unterstützen.
Alternativ dazu zum Boykott türkischer Produkte aufrufen.
Machst du das bei Produkten aus allen Ländern wo sich die Herrscher autoritär aufführen?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Adam Smith »

Gutmensch1 hat geschrieben:(19 May 2016, 15:45)

Die Türkei ist eine Demokratie aber Erdogan arbeitet daran die Demokratie in eine islamische Diktatur umzuwandeln. Die Kemalisten und das Bildungsbürgertum gehen durch schwerer Zeiten.
Südkorea ist eine Demokratie. Die Türkei ist keine Demokratie.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DieBananeGrillt »

Wasteland hat geschrieben:(20 May 2016, 23:21)

Machst du das bei Produkten aus allen Ländern wo sich die Herrscher autoritär aufführen?
Leider gibt es wenig Produkte aus Nordkorea im Angebot die man boykottieren könnte.
Welche Länder könnte es noch geben ?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

DieBananeGrillt hat geschrieben:(20 May 2016, 23:39)

Leider gibt es wenig Produkte aus Nordkorea im Angebot die man boykottieren könnte.
Welche Länder könnte es noch geben ?
Russland, Polen, Ungarn, Indien, Japan.

Abe, Modi und Putin sind Erdogan-Kopien. Obwohl, eher umgekehrt.

Hartgesottener Hindu-Nationalist
Narendra Modi – Indiens Erlöser?

http://www.nzz.ch/narendra-modi--indien ... 1.18296503
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DieBananeGrillt »

Hm..., Gasboykott ist schwierig, auf ungarische Salami kann man verzichten, polnische Krakauer können durch Wiener Würstchen ersetzt werden aber Indien und Japan ?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

DieBananeGrillt hat geschrieben:(20 May 2016, 23:47)

Hm..., Gasboykott ist schwierig, auf ungarische Salami kann man verzichten, polnische Krakauer können durch Wiener Würstchen ersetzt werden aber Indien und Japan ?
Ich meine ja nur. Wenn du deine Haltung zur Türkei konsequent durchziehst, dann wird es ziemlich schwierig. Es gibt im Moment scheinbar so einen weltweiten Trend zu autoritären Dampfschwätzern.
Und ich sehe jetzt nicht warum ein Islamist schlimmer sein sollte als ein Hindu-Nationalist (dasselbe, nur die Hindu-Variante) oder ein russischer oder japanischer Nationalist, die allesamt an ihren Verfassungen herumschustern, gegen Minderheiten hetzen oder militärisch Säbel rasseln.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DieBananeGrillt »

Aber es ist nicht der gemeine Bürger, sondern jemand der als einzige Person eine derartige Machtposition versprüht, die alles Andere lahmlegt.
So wie das aussieht fehlt so etwas in Deutschland und somit ergibt sich eine Hassliebe auf Personen wie Erdogan.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

DieBananeGrillt hat geschrieben:(21 May 2016, 00:04)

Aber es ist nicht der gemeine Bürger, sondern jemand der als einzige Person eine derartige Machtposition versprüht, die alles Andere lahmlegt.
So wie das aussieht fehlt so etwas in Deutschland und somit ergibt sich eine Hassliebe auf Personen wie Erdogan.
Wie kommst du auf Hassliebe?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Eigentlich ist es völlig irrelevant ob die Türkei noch eine Demokratie ist oder nicht. Dort gerade etwas ähnliches vor sich wie in den 90ern zwischen Kroaten und Serben. 20 Millionen Kurden werden nicht mit sich das machen lassen, was die nationalistischen Türken mit den Armeniern gemacht haben.
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Jekyll
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Jekyll »

Was für eine absurde Frage...natürlich ist sie das.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Jekyll »

Wasteland hat geschrieben:(19 May 2016, 12:57)

Es ist auf jeden Fall grenzwertig was da abläuft. Geht in Richtung Russland.
Aber wenn so viele Türken die die AKP wählen keinen Wert auf Freiheit oder Demokratie legen, dann sollen sie das bekommen.
Fan von Paradoxien?
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Adam Smith »

Jekyll hat geschrieben:(21 May 2016, 13:15)

Was für eine absurde Frage...natürlich ist sie das.
Nordkorea ist für einige auch eine Demokratie. Eine Volksdemokratie mit einem Typen an der Spitze der auch allergisch auf Kritik reagiert.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Jekyll hat geschrieben:(21 May 2016, 13:18)

Fan von Paradoxien?
Die Türkei wäre ja nicht das erste Land das die parlamentarische Demokratie über Mehrheitsvotum abschafft.
Gestern hat sie einen grossen Schritt in diese Richtung gemacht.
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Julian
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Julian »

Wasteland hat geschrieben:(21 May 2016, 14:03)

Die Türkei wäre ja nicht das erste Land das die parlamentarische Demokratie über Mehrheitsvotum abschafft.
Gestern hat sie einen grossen Schritt in diese Richtung gemacht.
Ja eben, das ist das wohlbekannte Paradoxon der Demokratie. Deswegen sollten wir auch Demokratie nicht als die Herrschaft der Mehrheit definieren, sondern ganz nach Karl Popper als ein System, das über Wahlen einen unblutigen Regierungswechsel ermöglicht. Erdogan tut momentan alles dafür, seine Stellung zu stärken und so zu zementieren, dass eine Abwahl immer schwieriger wird. Er ist dabei, die Demokratie in der Türkei zu zerstören, unabhängig davon, ob ihm darin eine Mehrheit der Abgeordneten oder der Wähler folgen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Julian hat geschrieben:(21 May 2016, 14:38)

Ja eben, das ist das wohlbekannte Paradoxon der Demokratie. Deswegen sollten wir auch Demokratie nicht als die Herrschaft der Mehrheit definieren, sondern ganz nach Karl Popper als ein System, das über Wahlen einen unblutigen Regierungswechsel ermöglicht. Erdogan tut momentan alles dafür, seine Stellung zu stärken und so zu zementieren, dass eine Abwahl immer schwieriger wird. Er ist dabei, die Demokratie in der Türkei zu zerstören, unabhängig davon, ob ihm darin eine Mehrheit der Abgeordneten oder der Wähler folgen.
Man muss dazu sagen, dass die Türkei auch vorher schon keine richtige Demokratie war, mit dem Militär, das praktisch ausserhalb der Verfassung stand.
Aus demokratischer Sicht war der Schritt Erdogans das Militär zu entmachten also richtig. Nur hat er das alles offensichtlich getan um sich und seinen Clan dort stattdessen zu installieren.
Mit der de facto Entfernung der HDP aus dem Parlament wird er seine One Man Show bekommen und die Türkei in ein zweites Russland verwandeln.
Aber wenn das seine Wähler so wollen, dann bitte. Sie sollen dann nur nicht klagen wenn sie mal die Schattenseiten eines solchen Systems zu spüren bekommen und das wird passieren.
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Julian
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Julian »

Wasteland hat geschrieben:(21 May 2016, 14:46)

Man muss dazu sagen, dass die Türkei auch vorher schon keine richtige Demokratie war, mit dem Militär, das praktisch ausserhalb der Verfassung stand.
Aus demokratischer Sicht war der Schritt Erdogans das Militär zu entmachten also richtig.
Ich habe die Anfangsjahre der AKP-Regierung auch sehr positiv gesehen. Ich war zwar kritisch wegen möglicher islamistischer Tendenzen, sah diese aber nicht bestätigt. Auch die Kurdenfrage schien einer friedlichen Lösung entgegenzugehen. Außenpolitisch schien die Türkei auch einen stabilen Kurs zu verfolgen.

Irgendwann hat sich das dann geändert. Inzwischen hat die Türkei schlechte Beziehungen zu fast allen Ländern in der Region: mit dem Assad-Regime in Syrien und in dessen Gefolge auch mit dem Iran; mit Israel; mit Griechenland und Zypern ohnehin; und nun auch noch mit Russland.

Innenpolitisch scheint sich der berühmte Ausspruchs Erdogans von den Minaretten, Moscheen und Gläubigen zu bewahrheiten. War alles nur Show? Man muss fast annehmen, dass der Zug der Demokratie nur genutzt wurde, um ein ganz anderes Regime durchzusetzen.

Mal sehen, wie das westlich orientierte, städtische Bürgertum reagiert. Ich kann nicht glauben, dass die so etwas mit sich machen lassen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Die Frage ist auch, ob auch Erdogans Immunität im Zuge einer Korruptionsanklage betreffend diverser Schuhkartons aufgehoben wird.
Nein, war eine rhetorische Frage, das ist alles halb so wild. :D

Der größte Korruptionsskandal in der Geschichte der Türkei wird juristisch nicht aufgearbeitet. Die türkische Regierungspartei AKP hat die Anklagen gegen Regierungsmitglieder verhindert.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Jekyll »

Wasteland hat geschrieben:(21 May 2016, 14:03)

Die Türkei wäre ja nicht das erste Land das die parlamentarische Demokratie über Mehrheitsvotum abschafft.
Du hattest dich eben sehr pauschal ausgedrückt, indem du den vielen wählenden Türken eine völlige Geringschätzung gegenüber Freiheit und Demokratie attestiert hast ("Aber wenn so viele Türken die die AKP wählen keinen Wert auf Freiheit oder Demokratie legen, dann sollen sie das bekommen"). Abgesehen davon, dass so ein Urteil von dir sehr anmaßend ist, basiert dieser ungünstigerweise auch noch auf ein Paradoxon; wenn so viele Türken mit so hoher Wahlbeteiligung von ihrem Recht auf freie und demokratische Wahlen Gebrauch machen, können sie wohl nicht zugleich eine dermaßen distanzierte Haltung zur Freiheit und Demokratie haben, wie du sie ihnen unterstellt hast. Auch auf rein technischer Ebene gäbe es das Paradoxon (Wählbarkeit/Abwählbarkeit ungleich Diktatur).

Das Problem ist hier weniger das Demokratieverständnis der Türken, sondern vielmehr das Resultat eines demokratischen Prozesses, mit dem der gemeine Deutsche sich einfach nicht anfreunden kann (Erdogan-Effekt). Dummerweise wurde die AKP gewählt, nicht etwa eine Partei, die den Erdoganophobikern genehmer wäre. Was ist das eigentlich für ein Demokratieverständis? (Und was für ein Menschenbild?)
Gestern hat sie einen grossen Schritt in diese Richtung gemacht.
Ja, die historische Vorbelastung des gemeinen Deutschen kommt noch hinzu (zusätzlich zum Erdogan-Effekt).
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Wasteland
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Jekyll hat geschrieben:(21 May 2016, 16:17)

Du hattest dich eben sehr pauschal ausgedrückt, indem du den vielen wählenden Türken eine völlige Geringschätzung gegenüber Freiheit und Demokratie attestiert hast ("Aber wenn so viele Türken die die AKP wählen keinen Wert auf Freiheit oder Demokratie legen, dann sollen sie das bekommen"). Abgesehen davon, dass so ein Urteil von dir sehr anmaßend ist, basiert dieser ungünstigerweise auch noch auf ein Paradoxon; wenn so viele Türken mit so hoher Wahlbeteiligung von ihrem Recht auf freie und demokratische Wahlen Gebrauch machen, können sie wohl nicht zugleich eine dermaßen distanzierte Haltung zur Freiheit und Demokratie haben, wie du sie ihnen unterstellt hast. Auch auf rein technischer Ebene gäbe es das Paradoxon (Wählbarkeit/Abwählbarkeit ungleich Diktatur).
Das ist kein Paradoxon. Die Türken sind ja wie gesagt nicht die ersten in der Weltgeschichte die Freiheit und Demokratie abwählen. Und ganz im Gegenteil, ich traue auch dem letzten Hinterwäldler in der Türkei zu, das er versteht was da gerade abläuft. Da gibt es auch nicht mehr viel Spielraum für Interpretationen. Daher komme ich nicht umhin daraus zu schlussfolgern was ich bereits sagte.
Freiheit und Demokratie scheinen unter den meisten AKP Wählern keine Priorität zu geniessen. Eine andere Erklärung gibt es nicht.
Wer nicht versteht was der letzte Schachzug Erdogans bedeutet, der ist entweder unterbelichtet, hat Tomaten auf den Augen oder dem gefällt diese Neuauflage des Ermächtigungsgesetzes das sich da anbahnt. Und ja, wir haben das schon durch, da hast du ganz recht.
Man kann ja aus historischen Fehlern auch mal lernen. Muss man aber nicht, man kann natürlich auch in Nibelungentreue alles einfach blind verteidigen und dann aus eigenen Fehlern lernen. Solche Leute braucht die Türkei, die AKP. Und davon haben sie ja auch genug.
Jekyll hat geschrieben:(21 May 2016, 16:17)
Das Problem ist hier weniger das Demokratieverständnis der Türken, sondern vielmehr das Resultat eines demokratischen Prozesses, mit dem der gemeine Deutsche sich einfach nicht anfreunden kann (Erdogan-Effekt). Dummerweise wurde die AKP gewählt, nicht etwa eine Partei, die den Erdoganophobikern genehmer wäre. Was ist das eigentlich für ein Demokratieverständis? (Und was für ein Menschenbild?)

Ja, die historische Vorbelastung des gemeinen Deutschen kommt noch hinzu (zusätzlich zum Erdogan-Effekt).
Du veranschaulichst hier sehr schön was ich gerade schrieb. Es gibt hier eine ganz klare Kritik an einem spezifischen Schritt Erdogans der offensichtlich zur Beschneidung der Demokratie dient. Du vermengst alle möglichen deiner Vorurteile und blinden Schnappreflexe und machst daraus einen Kampf der Kulturen. Bitte, wenn du nicht reflektiert sein kannst oder willst, dann ist das dein gutes Recht. Mir ist diese Schiene ja ein wenig zu infantil.

Das erinnert mich immer ein wenig an diesen Artikel:

Erdogan – der Kalif, der aus der Volksneurose kam

"Wie können die ihn immer noch wählen?" Das Erfolgrezept Erdoğans lautet Verfolgungswahn, Hybris und Fanatisierung seiner Anhänger. Zugeschnitten auf die Untiefen der türkischen Seele.

http://www.welt.de/debatte/kommentare/a ... e-kam.html

Und an diese Dame hier

[youtube][/youtube]

So sehen sich scheinbar einige seiner Wähler. Als die Haare an seinem Arsch. Das erklärt vieles.
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Billabong
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Billabong »

Die Türken wollen einen starken Mann, der sie an den Eiern packt und dessen Schwanz sie lutschen können. Mit Demokratie können die offensichtlich nicht viel anfangen.
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Kardux
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

Wasteland hat geschrieben:(20 May 2016, 22:40)

Naja, das ist mir etwas zu pauschal. Viele Türken haben auch keine Probleme mit den Kurden. Ich kennen sowohl Kinder aus Mischehen, wie auch Türken deren besten Freunde Kurden sind. Es kommt da ganz drauf an. Was die rechte Mischpoke in der Türkei angeht hast du vermutlich grösstenteils recht. Die fangen an zu sabbern wenn sie das Wort Kurden hören, ausser sie sind islamistisch oder heissen Saladin.

Das glaube ich auch. Aber Erdogan wird diesen Machtpoker gewinnen. Ich muss ihm das lassen, er ist extrem gerissen. Er hat den bewaffneten Konflikt mit den Kurden gezielt angezettelt um langfristig die HDP aus dem Parlament zu werfen. Das ist ihm gelungen, von langer Hand geplant.
Der Friedensprozess war ihm von Anfang an völlig egal, er wollte nur die Stimmen der islamischen Kurden, um seine Mehrheiten zu garantieren.
Wie bereits oben beschrieben, die parlamentarische Demokratie in der Türkei steht vor ihrem Ende, wenn er damit durchkommt.
Hier geht es um das Schicksal einer Volksgemeinschaft und nicht um einzelne Familiengeschichten. Natürlich gibt es die Mischehen, natürlich gibt es interkulturelle Freundschaften, und bestimmt auch eine Verbundenheit, wie sollte es das auch nicht geben nach 1000 Jahren Kolonisierung und Zusammenleben. Oftmals lebt es sich als Kurde in der Türkei auch gar nicht so schlecht, es sei denn man betont nicht seine kurdische Identität und vermeidet politische Diskussionen. Wenn man sich fügt und sich als Teil der "edlen türkischen Rasse" betrachtet kann man als Kurde Karriere machen und aufsteigen. Aber soll das etwa ein Indiz für die tolerante türkische Gesellschaft sein? Ich kritisiere hier nicht explizit die "rechte Mischpoke in der Türkei", sondern die gesamte türkische Gesellschaft! 90 % der Türken befürworten und unterstützen die kurdische Unterdrückung, und wenn es darauf ankommt sind alle Mittel erlaubt! Wo waren die kritischen Stimmen aus den kurdisch- türkischen Mischehen, aus den kurdisch- türkischen Freundschaften als Atatürk die Existenz der Kurden negierte ? Wo waren die kritischen Stimmen als man in Dêrsim zehntausende Kurden massakrierte ? Wo waren die türkischen Intellektuellen als schon der Begriff Kurde oder gar Kurdistan ein Tabu war, und das bis in die späten 1970er Jahre (noch bevor die PKK existierte!!)? Hat sich die türkische Gesellschaft nicht gefragt was aus dem Volk der Kurden geschah?
Nein, hat es nicht. Genausowenig interessierte oder interessiert es die türkische Gesellschaft was aus 1,5 Millionen Armeniern geschehen ist!

Wenn 90 % der Türken das Wort Kurdistan bzw. kurdische Selbstständigkeit hören fangen sie an zu sabbern! Das ist eine Realität. Das Argument der "Pauschalisierung" zieht nicht, die Fakten liegen auf den Tisch. Die überwältigende Mehrheit aller Türken, sowohl im Inland als auch im Ausland hat kein Verständnis dafür das Kurden vor den Türken Südostanatolien besiedelt haben und dieses Land nicht aufgeben! Sie geben weder ihr Land, noch ihre Sprache oder Kultur auf - weder für Türken, Araber, noch Perser, und wenn man wieder 1000 Jahre dafür kämpfen muss. Der türkische Mainstream kann sich zwar für das Selbstbestimmungsrecht von Uiyguren, Tschetschenen, Azeris, Turkmenen, Palästinensern, Kosovaren, etc. begeistern, nicht jedoch für die Kurden! Da hört es mit dem Spaß auf, und da hören auch Freundschaften auf, und sogar die Toleranz innerhalb einer gemischten Familie - dann gibt es nur mehr Schwarz-weiß-denken - entweder mit der edlen türkischen Rasse oder gegen sie.

PS: Wer meine Beiträge in den letzten Jahren verfolgt hat, wird wissen das ich diesen sogenannten Machtpoker von Erdogan voraus gesagt habe. Ich hatte voraus gesagt das er den bewaffneten Konflikt mit den Kurden sucht, gerade nach der erfolgreichen Wahl der HDP als sie 13 % der Stimmen einfuhr. Das war zu viel des Guten. Noch länger konnte Erdogan sein wahres Gesicht auch gar nicht verstecken. Nun, wie konnte ich das voraus sagen? Ganz einfach, wer sich intensiv mit kurdischer Geschichte befasst hat kann nur pessimistisch im Bezug auf der türkischen Lösung der Kurdenfrage reagieren. Dieser Konflikt ist ein ethnischer Konflikt - die PKK ist lediglich ein Protagonist, und nicht der Grund für diesen Konflikt. Die Geschichte der Menschheit hat uns gelehrt das Unterdrückte am Ende immer ihr Ziel erreichen, sofern man wirklich bereit ist jeden Preis zu zahlen. Das haben die Kurden eindrucksvoll bewiesen. Und der Widerstand wird weitergehen und das nicht nur in der "Südosttürkei", sondern auch im Iran und den beiden arabischen failed states...
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DarkLightbringer »

Die Selbstentmachtung des türkischen Parlamentes ist ohne Frage ein Anlass zur Sorge, das macht aber terroristische Organisationen wie die PKK nicht besser.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Julian »

DarkLightbringer hat geschrieben:(22 May 2016, 20:11)

Die Selbstentmachtung des türkischen Parlamentes ist ohne Frage ein Anlass zur Sorge, das macht aber terroristische Organisationen wie die PKK nicht besser.
Selbstverständlich ist Terrorismus abzulehnen. Dennoch: Es sind gerade Erdogan und seine Gefolgsleute, die die Kurden zur Gewalt antreiben. Der PKK-Terrorismus hatte sich schon fast erledigt, aber nun flammt der Konflikt natürlich wieder auf.

Die Wahl Yildirims heute war ja wohl an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Es ging nur darum, wer Erdogan am tiefsten in den Arsch kriecht. Jetzt kommt das Präsidialsystem als Sargnagel der Demokratie in der Türkei.

Offenbar aber wollen viele Türken ein autoritäres System und eine Reislamisierung; in den türkischen Medien wird die Angelegenheit ganz anders als im Westen beurteilt. Die Frauen der AKP-Politiker tragen ja alle auch brav ihr Kopftuch als Ausdruck ihrer Gesinnung. Da kann man wohl nicht mehr helfen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DarkLightbringer »

Die Kritik an der türkischen Regierung, der AKP und der Parlamentsentmachtung ist zu teilen und natürlich sollten die Kurden in der Türkei einen gleichberechtigten Platz einnehmen.

Aber Terroristen müssen auch ein Stück selbstverantwortlich gemacht werden, ob ihre Motive nun getrieben oder gehemmt werden. Ableger der PKK kollaborieren teils in Syrien mit Assads Blutregime, von ethnischen Säuberungen ist berichtet worden und die Terroristen akzeptieren keine andersmeinende Kurden.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

DarkLightbringer hat geschrieben:(22 May 2016, 20:57)

Die Kritik an der türkischen Regierung, der AKP und der Parlamentsentmachtung ist zu teilen und natürlich sollten die Kurden in der Türkei einen gleichberechtigten Platz einnehmen.

Aber Terroristen müssen auch ein Stück selbstverantwortlich gemacht werden, ob ihre Motive nun getrieben oder gehemmt werden. Ableger der PKK kollaborieren teils in Syrien mit Assads Blutregime, von ethnischen Säuberungen ist berichtet worden und die Terroristen akzeptieren keine andersmeinende Kurden.
Den kurdisch- türkischen Konflikt auf die Existenz einer Partei zu reduzieren die faktisch erst seit 1984 existiert deutet auf zwei Sachen hin:

Entweder man ist ein 0815- Türke oder man hat keine Ahnung von Geschichte.

PS: Die Kurden in Syrien werden mit dem Assad- Regime und mit dem Teufel höchstpersönlich kollaborieren, wenn das die einzige Möglichkeit ist ihr Überleben zu garantieren. Das Sie weiterhin die Relation der Gewalt ausblenden zeigt welch Geisteskind Sie sind. Das der IS und andere Jihadisten Kurden, Christen, Schiitischen, und auch Teile der Sunniten gnadenlos abschlachten ist für Sie nicht erwähnenswert, aber wenn eine handvoll IS- Terrornester abgeriegelt werden und dabei die Menschen nicht abgeschlachtet werden, sondern nur daran gehindert werden den IS nicht weiterhin zu unterstützen, kreischen solche Anti- Assad- Geister wie Sie auf. Abgesehen davon sind das keine ethnischen Säuberungen, aber das hatten wir schon. Sunnitisch- arabische Stämme (u.a. die Shammar) die sich gegen den IS gestellt haben, kämpfen auf der Seite von Kurden und Christen. In diesem Konflikt geht es nicht mehr darum Assad zu stürzen, sondern auch darum sein Überleben zu sichern und nicht am Ende von ausländischen Jihadisten regiert zu werden.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DarkLightbringer »

Dann nehme ich als Deutscher den "0815-Türken", wenn Sie mögen. ;)

Die Situation in der Türkei ist besorgniserregend, weshalb es auch ein wichtiges Signal ist, wenn die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch als erstes Vertreter der Zivilgesellschaft trifft und keine Regierungsvertreter.

PS
Die PKK/PYD repräsentiert nicht die Kurden, so wenig wie IS die Sunniten. Der Kurdische Nationalrat in Syrien beispielsweise ist sich mit der Opposition darin einig, dass es ein pluralistisches System geben müsse, mit gleichen Rechten für alle. Also nicht die Kurden kollaborieren mit Assads Blutregime, sondern Terroristen. Sicher gibt es noch andere, IS, Nusra, Hisbollah, usw., aber eine Schwächung der türkischen Zivilgesellschaft sollte einen Pakt mit Terroristen nicht attraktiver erscheinen lassen. Da würde unsere Bundesregierung ohnehin auch nicht mitmachen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

DarkLightbringer hat geschrieben:Die PKK/PYD repräsentiert nicht die Kurden, so wenig wie IS die Sunniten. Der Kurdische Nationalrat in Syrien beispielsweise ist sich mit der Opposition darin einig, dass es ein pluralistisches System geben müsse, mit gleichen Rechten für alle. Also nicht die Kurden kollaborieren mit Assads Blutregime, sondern Terroristen. Sicher gibt es noch andere, IS, Nusra, Hisbollah, usw., aber eine Schwächung der türkischen Zivilgesellschaft sollte einen Pakt mit Terroristen nicht attraktiver erscheinen lassen. Da würde unsere Bundesregierung ohnehin auch nicht mitmachen.
Für einen Deutschen argumentieren Sie aber äußerst tendenziös. Immerhin hat kein westlicher Staat der Welt die PYD als Terrororganisation bezeichnet. Sie tun es aber trotzdem. :D

Die kurdischen "Terroristen" kollaborieren zwar mit dem Assad- Regime, werden aber von den USA unterstützt. Erst letztens gabs wieder einen Besuch von Uncle Sam:
Top US general secretly visits northern Syria
Kurdistan Region—The United States’ top military commander in the Middle East made a brief visit to Syria on Saturday to meet with Kurdish and Arab allies.
http://rudaw.net/english/middleeast/syria/21052016

Na, was sagen Sie dazu?

Und vor Ihrer Kompetenz bin ich wirklich überwältigt, wer den IS mit der PKK hat sich wirklich intensiv mit dem Nahen Osten beschäftigt.

Natürlich repräsentiert die PKK das kurdische Volk, immerhin kämpfen sie in der Türkei seit Jahrzehnten für das weitere Fortbestehen der kurdischen Existenz. In Syrien hat man das kurdische Volk vor der Vernichtung bewahrt. Der Kurdische Nationalrat in Syrien hat sich in Kobanê nicht mit 300 Kämpfern gegen tausende IS- Terroristen gestellt, so viel steht nunmal fest. Das soll nicht heißen das der Kurdische Nationalrat nicht die Kurden repräsentieren würde, aber die PYD tut es genauso.

Der IS hingegen repräsentiert weder Sunniten noch Araber. Er repräsentiert nur Terror und Gewalt. Der IS hat die Sunniten vor keiner Vernichtung bewahrt (es gab schon die FSA) sondern sich in ein Nest gesetzt, mit seinen ausländischen Jihadisten werden Minderheiten verfolgt und die sunnitisch- arabische Zivilbevölkerung terrorisiert.
DarkLightbringer hat geschrieben:Dann nehme ich als Deutscher den "0815-Türken", wenn Sie mögen. ;)

Die Situation in der Türkei ist besorgniserregend, weshalb es auch ein wichtiges Signal ist, wenn die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch als erstes Vertreter der Zivilgesellschaft trifft und keine Regierungsvertreter.
Wie wäre es wenn man ein Buch in die Hand nimmt, sich ein wenig mit dem Konflikt auseinander setzt, bevor man voreilig Schlüße zieht ? Die PKK existiert erst seit 1984, schon morgen kann sich diese Partei auflösen. Solche Parteien, Bewegungen, Führer, sind oftmals gekommen und gegangen, was bleibt ist der Wille nach Freiheit gegen die Unterdrückung.

PS: Von welchem pluralistischen System sprechen Sie eigentlich ? Syrien ist ein failed state ! Ein Produkt des britisch- französischen Imperialismus.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von DarkLightbringer »

Die Vorgänge in der Türkei polarisieren, spalten und schwächen die Zivilgesellschaft, insbesondere ist das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit sowie auf oppositionelle Betätigung stark gefährdet und angegriffen.

Der Bundestag wird demnächst eine Resolution beschließen, in der die Gräueltaten gegen Armenier vor 100 Jahren voraussichtlich als Völkermord eingestuft werden. Das ist ein wichtiges Signal, ebenso wie die Forderung nach Aufklärung der von Human Rights Watch erhobenen Vorwürfe, derzufolge Grenzbeamte auf Flüchtlinge geschossen hätten.

Kardux hat geschrieben:(23 May 2016, 11:41)
Für einen Deutschen argumentieren Sie aber äußerst tendenziös. Immerhin hat kein westlicher Staat der Welt die PYD als Terrororganisation bezeichnet. Sie tun es aber trotzdem. :D
Die Hisbollah ist auch erst vor wenigen Jahren auf die EU-Liste der Terror-Organisationen gelangt. Entscheidend wird doch sein, wie sich die PYD bzw. YPG weiter verhält, ob sie im Verbund mit anderen Terroristen gegen die Zivilbevölkerung vorgeht und auch weiterhin kurdische Oppositionelle unterdrückt oder sich an ethnischen Säuberungen beteiligt. Ich bin sicher, die westlichen Staaten werden diese Dinge auch zur Kenntnis nehmen.
Die kurdischen "Terroristen" kollaborieren zwar mit dem Assad- Regime, werden aber von den USA unterstützt. Erst letztens gabs wieder einen Besuch von Uncle Sam:
http://rudaw.net/english/middleeast/syria/21052016
Na, was sagen Sie dazu?

Die us-geführte Anti-Terror-Koalition versucht, auf alle gemäßigten Kräfte Einfluß zu nehmen, würde ich sagen. Eine Kollaboration mit dem Assad-Regime und iranisch geführten Terroristen spricht aus meiner Sicht allerdings nicht für eine Mäßigung, sondern ganz gegenteilig für eine Radikalisierung.
Und vor Ihrer Kompetenz bin ich wirklich überwältigt, wer den IS mit der PKK hat sich wirklich intensiv mit dem Nahen Osten beschäftigt.
Ihrer Berufung als Nahost-Experte steht nichts im Wege. Es ist auch nicht meine Aufgabe, Experten zu berufen oder zu demissionieren.
Natürlich repräsentiert die PKK das kurdische Volk, immerhin kämpfen sie in der Türkei seit Jahrzehnten für das weitere Fortbestehen der kurdischen Existenz. In Syrien hat man das kurdische Volk vor der Vernichtung bewahrt. Der Kurdische Nationalrat in Syrien hat sich in Kobanê nicht mit 300 Kämpfern gegen tausende IS- Terroristen gestellt, so viel steht nunmal fest. Das soll nicht heißen das der Kurdische Nationalrat nicht die Kurden repräsentieren würde, aber die PYD tut es genauso.
Terroristische Organisationen repräsentieren Gewalt und Schrecken mit totalitärem Anspruch. Just die hier genannte PYD ging mit Gewalt gegen kurdische Demonstranten vor, auch von politischen Morden ist die Rede.
Der IS hingegen repräsentiert weder Sunniten noch Araber. Er repräsentiert nur Terror und Gewalt. Der IS hat die Sunniten vor keiner Vernichtung bewahrt (es gab schon die FSA) sondern sich in ein Nest gesetzt, mit seinen ausländischen Jihadisten werden Minderheiten verfolgt und die sunnitisch- arabische Zivilbevölkerung terrorisiert.
Genau.
Wie wäre es wenn man ein Buch in die Hand nimmt, sich ein wenig mit dem Konflikt auseinander setzt, bevor man voreilig Schlüße zieht ? Die PKK existiert erst seit 1984, schon morgen kann sich diese Partei auflösen. Solche Parteien, Bewegungen, Führer, sind oftmals gekommen und gegangen, was bleibt ist der Wille nach Freiheit gegen die Unterdrückung.
Gegen eine Auflösung spräche freilich nichts, das ist im Moment aber eine Fiktion. Freiheit kann niemals auf Terror beruhen, das ist ja ein Widerspruch in sich, wie auch das Assad-Regime zeigt.
PS: Von welchem pluralistischen System sprechen Sie eigentlich ? Syrien ist ein failed state ! Ein Produkt des britisch- französischen Imperialismus.
...ein failed state, in dem Krieg und Terror gedeihen, nicht zuletzt als Produkt des destruktiven iranischen Einflusses. Es ist also wichtig, eine Veränderung zu erreichen. Die Opposition hat dazu eine Reihe von Vorschlägen, die den internationalen Bemühungen um eine Friedenslösung nahe kommen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

DarkLightbringer hat geschrieben:Die Hisbollah ist auch erst vor wenigen Jahren auf die EU-Liste der Terror-Organisationen gelangt. Entscheidend wird doch sein, wie sich die PYD bzw. YPG weiter verhält, ob sie im Verbund mit anderen Terroristen gegen die Zivilbevölkerung vorgeht und auch weiterhin kurdische Oppositionelle unterdrückt oder sich an ethnischen Säuberungen beteiligt. Ich bin sicher, die westlichen Staaten werden diese Dinge auch zur Kenntnis nehmen.
Ihre Argumentation ist ganz nett, aber das könnte man auch einfach umdrehen, indem man behauptet das in der Vergangenheit viele Bewegungen als Terrororganisationen angefangen haben und dann international anerkannt wurden. Nelson Mandela oder Yassir Arafat haben auch als Terroristen angefangen. Deshalb ist es wichtig zu analysieren wofür solch eine Bewegung kämpft und ob es Rückhalt aus der Bevölkerung besitzt. Wie gesagt, die PYD, wird offiziell nicht als terroristische Organisation eingestuft, auch nicht von ihrer Bundesregierung! Zu den ethnischen Säuberungen wurde schon viel gesagt, Ihre Borniertheit ist schon fast amüsant. Ich kaufe Ihnen einfach Ihre tendenziöse Argumentation nicht ab. Sie nehmen die Vernichtung von orientalischen Christen, Kurden, und Schiiten in Kauf. Sie bauschen die Evakuierung von IS- Terrornestern zu ethnischen Säuberungen auf. Mehr muss man wohl nicht sagen. Sie positionieren sich klar und deutlich gegen Bashar Assad und für Jabhat al Nusra, Ahrar al Sham, und natürlich dem IS. Und wer auch nur im Ansatz versucht sein Überleben zu garantieren, und sich gegen Jihadisten und Jihadistenunterstützer stellt, der wird von Ihnen als Terrorist abgestempelt. Da kann ich nur müde lächeln...
DarkLightbringer hat geschrieben:Die us-geführte Anti-Terror-Koalition versucht, auf alle gemäßigten Kräfte Einfluß zu nehmen, würde ich sagen. Eine Kollaboration mit dem Assad-Regime und iranisch geführten Terroristen spricht aus meiner Sicht allerdings nicht für eine Mäßigung, sondern ganz gegenteilig für eine Radikalisierung.
Welche gemäßigten Kräfte gibt es eigentlich in Syrien ausser den Kurden und ihre Verbündeten ?? :D Ahrar al Sham ? Jaysh al Islam ? Oder doch die Jabhat al Nusra Heilsarmee ? Wogegen kämpft denn eigentlich Ihrer Meinung nach die US- geführte Anti- Terrorkoalition ? Und wieso wird die PYD von Ihnen erst als Terrororganisation bezeichnet mit denen man nicht zusammen arbeiten darf, aber dann werden sie wiederum zu gemäßigten Kräften ? Komisch.
DarkLightbringer hat geschrieben:Ihrer Berufung als Nahost-Experte steht nichts im Wege. Es ist auch nicht meine Aufgabe, Experten zu berufen oder zu demissionieren.
Ich bin kein Nahost-Experte, aber ich lasse gewisse Aussagen nicht einfach unkommentiert so stehen, speziell wenn es um das kurdische Volk geht. Wer schon den kurdischen Freiheitskampf diskreditieren will und auf eine Partei reduzieren möchte, die erst seit 30 Jahren existiert, muss seine Fakten und Argumente vorlegen. Und wer die PKK mit dem IS gleichsetzen möchte muss dies begründen. Sie benötigen ja auch gar keine Experten, Sie spielen sich doch als einer auf.
DarkLightbringer hat geschrieben:Terroristische Organisationen repräsentieren Gewalt und Schrecken mit totalitärem Anspruch. Just die hier genannte PYD ging mit Gewalt gegen kurdische Demonstranten vor, auch von politischen Morden ist die Rede.
Wenn das Ihre Definition von Terrorismus ist, müssten Sie aber konsequenterweise jeden einzelnen Staat im Nahen Osten als Terrorstaat klassifizieren, miteinbegriffen natürlich auch die Türkei (vor und nach Erdogan!).
DarkLightbringer hat geschrieben:Freiheit kann niemals auf Terror beruhen, das ist ja ein Widerspruch in sich, wie auch das Assad-Regime zeigt.
Dann lesen Sie mal Geschichte. Es kommt immer nur darauf an wie man Terror definiert. DIe diversen Widerstandsgruppen während dem Dritten Reich hatten auch mittels Terror versucht für ihre Freiheit zu kämpfen. Die Freiheit der Israelis hätte ohne den "Terror" (je nach Blickwinkel, kann man es auch als Widerstand bezeichnen) der Hagana oder Irgun nicht realisiert werden. Es gibt viele weitere Beispiele.
DarkLightbringer hat geschrieben:ein failed state, in dem Krieg und Terror gedeihen, nicht zuletzt als Produkt des destruktiven iranischen Einflusses. Es ist also wichtig, eine Veränderung zu erreichen. Die Opposition hat dazu eine Reihe von Vorschlägen, die den internationalen Bemühungen um eine Friedenslösung nahe kommen.
Der Iran ist also dafür verantwortlich das Syrien ein failed state ? Anscheinend wissen Sie etwas, was ich nicht weiß. Hat der Iran etwa künstlich zusammen gewürfelte Staaten wie den Irak, Syrien, Jordanien, Saudi Arabien, usw. geschaffen ? Die Unterdrückung in Syrien gab es schon bevor der Iran den schiitischen Halbmond ins Leben gerufen hat. Genauso auch im Irak. Der Iran hat zwar die Balance im Nahen Osten empfindlich gestört, aber das konnte der Iran auch nur, weil die Imperialisten Tatsachen geschaffen hatten, schwache failed states geschaffen hatten, die niemals in ihrer Geschichte stabil waren oder ein wirkliches gemeinsames Nationalbewusstsein aufgebaut hatten.
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Stephan
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Was ist eigentlich Demokratie?

Beitrag von Stephan »

Die gesamte Diskussion zum Thema "Demokratie oder nicht in der Türkei" und anderen Ortes krankt leider daran, dass Demokratie keine übergreifend definierte politische Kategorie ist. Es gib noch andere der Art Beliebigkeit wie beispielsweise Terrorismus, Freiheit, ... oder Recht. Politisch ist das gewollt und erzwungen, zu Viele machen mit und das nicht nur hier im Forum. Auch darum wird es hier, in der Gesellschaft der BRD und im politischen System insgesamt weder ein konstuktives Ergebnis der Diskussion darüber noch eine wirkliche Entwicklung in dem Sinne geben. Im Gegenteil. Worüber Ihr nachdenkt sind tatsächlich nichts anderes als sich in destruktiver Konkurrenz befindende verschiedene Erscheinungsformen der Diktatur privater Kapitaleffizienz, der privaten Gier, ihres Staates und seiner Religonen über alle sonstigen Erfordernisse der Gesellschaften, der Zivilisation insgesamt und die ihrer Mitglieder. Was die Ökonomie dominiert, bestimmt auch das sonstige Denken und Handeln der Gesellschaften!

Übrigens wären reale Demokratie oder Freiheit auch kein statischer Zustand einer Gesellschaft, wie vom System dümmlich behauptet und von den Bürgern nachgebetet, sondern ein dauernder Prozess der Annäherung und daher ein praktisch nur annäherungsweise erreichbarer Zustand einer Gesellschaft in den Sinne. Voraussetzung wäre allerdings eine vor allem auf Gemeinnützigkeit ausgerichtet Gesellschaft und nicht eine wie oben dargestellte, institutionalisierte Diktatur des Parasitentums.
HugoBettauer

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von HugoBettauer »

Hallo Stephan, das ist in meinen Augen ein Denkfehler, die Kapitale als Diktatur hinzustellen. Es gibt keine nennenswerte Opposition und auch keine eigenständige Durchsetzungsmacht der Kapitale gegen die Menschen. Die Menschen wollen das so, deshalb gibt es diese Ordnung.

Zur Demokratie aber, die ist in der Türkei klar gegeben.
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Fuerst_48
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Fuerst_48 »

Zu Ata Türks Zeiten war sie vermutlich eher ein demokratisch anmutendes Staatswesen. Heute?? Am Weg ins Gegenteil...leider !!
Atheist

Re: Was ist eigentlich Demokratie?

Beitrag von Atheist »

Stephan hat geschrieben:(09 Aug 2016, 09:32)

Die gesamte Diskussion zum Thema "Demokratie oder nicht in der Türkei" und anderen Ortes krankt leider daran, dass Demokratie keine übergreifend definierte politische Kategorie ist.
Es gibt keine Weltinstitution, die für die Formulierung einer solchen übergreifenden Definition befugt wäre. Die Demokratieforschung hat jedoch Kriterien herausgearbeitet, an denen sich eine demokratische Gesellschaftsordnung erkennen lässt.
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