Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet VerfG

Moderator: Moderatoren Forum 3

Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

Helmuth_123 » Fr 25. Dez 2015, 23:00 hat geschrieben:
Jetzt fahr mal einen Gang zurück. Das klingt ja so, als wölle Polen morgen Deutschland und übermorgen Russland überfallen. In Polen gehts halt jetzt ein wenig konservativer zu, die Welt wird sich schon weiter drehen.
Da der Thread nun schon "Ungarisierung Polens ..." benannt ist. Verfassungsänderung und neues Mediengesetz in Ungarn ... das ist jetzt auch schon eine Weile her. Und dennoch ist Ungarn keine faschistische Diktatur geworden und hat auch nicht im Sinne der ganz rechten die "Schmach von Trianon" rückgängig zu machen versucht, indem es Rumänien, die Slowakei, Serbien und die Ukraine überfällt. Regierungschef Orbán ist noch immer in derselben EU-Parlamentsfraktion wie Merkels CDU. Es passiert etwas weit schlimmeres als solche formalen demokratiepolitischen Verfahrensfehler: Die Gesellschaften wandeln sich. Und in dieser Hinsicht sind erst Ungarn und dann Polen leider nur die europäischen Sollbruchstellen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Vizegott
Beiträge: 416
Registriert: Sa 20. Sep 2014, 11:12

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Vizegott »

DarkLightbringer » Do 24. Dez 2015, 14:04 hat geschrieben:Viele Polen setzen jetzt auf das "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" (KOD), die bewußt an die Keimzelle KOR und die Kraft der Solidarnosc erinnert.
"Ich schäme mich", sagte Arbeiterlegende Lech Walesa.

Ich bin zuversichtlich, dass die polnische Demokratie gewinnen wird.

Die aktuelle Regierung in Polen ist demokratisch legitimiert. Die Demokratie hat also schon gewonnen in Polen.

Die Polen sollten einfach tun was sie für richtig halten. Es ist schließlich ihr Land. Und von einem nicht souveränen besetzten Land wie der BRD, sollten die Polen keinen Rat annehmen.
Benutzeravatar
Helmuth_123
Beiträge: 8632
Registriert: Sa 31. Mär 2012, 19:51
Wohnort: Thüringen

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

schokoschendrezki » Fr 25. Dez 2015, 22:24 hat geschrieben:
Da der Thread nun schon "Ungarisierung Polens ..." benannt ist. Verfassungsänderung und neues Mediengesetz in Ungarn ... das ist jetzt auch schon eine Weile her. Und dennoch ist Ungarn keine faschistische Diktatur geworden und hat auch nicht im Sinne der ganz rechten die "Schmach von Trianon" rückgängig zu machen versucht, indem es Rumänien, die Slowakei, Serbien und die Ukraine überfällt. Regierungschef Orbán ist noch immer in derselben EU-Parlamentsfraktion wie Merkels CDU. Es passiert etwas weit schlimmeres als solche formalen demokratiepolitischen Verfahrensfehler: Die Gesellschaften wandeln sich. Und in dieser Hinsicht sind erst Ungarn und dann Polen leider nur die europäischen Sollbruchstellen.
Vielleicht erfasst dieser Wandel auch die deutsche Gesellschaft, ich fände es gut.
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47101
Registriert: Sa 4. Apr 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von frems »

Helmuth_123 » Fr 25. Dez 2015, 22:50 hat geschrieben:
Vielleicht erfasst dieser Wandel auch die deutsche Gesellschaft, ich fände es gut.
Würde das irgendetwas für Dich im Alltag ändern? :?:
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
Helmuth_123
Beiträge: 8632
Registriert: Sa 31. Mär 2012, 19:51
Wohnort: Thüringen

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

frems » Fr 25. Dez 2015, 22:56 hat geschrieben: Würde das irgendetwas für Dich im Alltag ändern? :?:
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Meine Glaskugel hat aber einen Sprung, deswegen fallen die Vorhersagen leider aus. :p
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47101
Registriert: Sa 4. Apr 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von frems »

Helmuth_123 » Fr 25. Dez 2015, 23:14 hat geschrieben:
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Meine Glaskugel hat aber einen Sprung, deswegen fallen die Vorhersagen leider aus. :p
Naja, wenn man sich eine bestimmte Entwicklung erhofft, verspricht man sich davon doch zumindest indirekt irgendwelche Verbesserungen. Ansonsten wär es ja willkürlich und frei jeder Grundlage.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

Selbst die kremltreuen Sputniknews kommentierten das Phänomen, dass sich Kostenexplosion, Korruption, Landschaftsverschandelung usw. bei der Vorbereitung der olympischen Winterspiele in Sotschi wundersamerweise in überwiegende Zustimmung der Art
Die wichtigste Mission der Stafette des olympischen Feuers ist, das gesamte unermessliche Land zu vereinen, gleichsam Russland für uns selbst wieder zu entdecken.
lapidar mit dem Satz "Je schlechter desto besser" :p :D Soviel Humor hätt ich denen gar nicht zugetraut.

Einem echten Patrioten darf man mit niederen Appellen an Ratio und Pragmatismus nicht kommen ....
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

Vizegott » Fr 25. Dez 2015, 22:40 hat geschrieben:Die aktuelle Regierung in Polen ist demokratisch legitimiert. Die Demokratie hat also schon gewonnen in Polen.

Die Polen sollten einfach tun was sie für richtig halten. Es ist schließlich ihr Land. Und von einem nicht souveränen besetzten Land wie der BRD, sollten die Polen keinen Rat annehmen.
ausgerechnet ein enkel des landes, das weiß wie ungereimt eine solche behauptung ist, sagt das.
bei euch wurde 1933 sofort »nazifiziert«. genau wie jetzt in polen auch alles, was nicht partei- und liniengetreu ist, entfernt wird.
darum übrigens finde ich die USA auch keine echte demokratie. denn dort wird im großen und ganzen auch dasselbe getan. ==> ein neuer präsident? ein wechsel von angestellten.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

Helmuth_123 » Fr 25. Dez 2015, 22:00 hat geschrieben:Jetzt fahr mal einen Gang zurück. Das klingt ja so, als wölle Polen morgen Deutschland und übermorgen Russland überfallen. In Polen gehts halt jetzt ein wenig konservativer zu, die Welt wird sich schon weiter drehen.
du WILLST die gefahr von solchen rechtsbrüchen nicht sehen. dann bist du auch nicht zu helfen.

ich erinnere dich an eine maßnahme von rußland, noch keine 14 tage alt das russische gericht entscheidet ob es ein urteil vom europäischen gericht negieren wird. von dürfen ist nicht einmal mehr rede, denn das ist per gesetz schon erlaubt.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

Nomen Nescio » Sa 26. Dez 2015, 07:20 hat geschrieben: ausgerechnet ein enkel des landes, das weiß wie ungereimt eine solche behauptung ist, sagt das.
bei euch wurde 1933 sofort »nazifiziert«. genau wie jetzt in polen auch alles, was nicht partei- und liniengetreu ist, entfernt wird.
darum übrigens finde ich die USA auch keine echte demokratie. denn dort wird im großen und ganzen auch dasselbe getan. ==> ein neuer präsident? ein wechsel von angestellten.
Mit einem Wisch eine Gleichsetzung von Nazideutschland, EU-Polen und USA ... ? Das ist sowas wie "Alle Zahlen sind gleich".
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Monteur

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Monteur »

schokoschendrezki » Sa 26. Dez 2015, 07:21 hat geschrieben:
Mit einem Wisch eine Gleichsetzung von Nazideutschland, EU-Polen und USA ... ? Das ist sowas wie "Alle Zahlen sind gleich".
Du willst nicht, dass man Parallelen zu geschichtlichen Ereignissen zieht und daraus lernt? Sollen die Menschen die selben Fehler noch einmal machen?
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio » 2015-12-26, 06:20 hat geschrieben: ...
... übrigens finde ich die USA auch keine echte demokratie.
denn dort wird im großen und ganzen auch dasselbe getan.
==> ein neuer präsident? ein wechsel von angestellten.
Diese Schlußfolgerung scheint mir auch reichlich übertrieben
zu sein!

In anderen Ländern (etwa Italien) ist der Staat in einer Schar
von Beamten und Staatsangestellten so fest verankert, daß man
den Eindruck haben könnte, daß das Land ganz gut ohne
eine gewählte Regierung weiter funktionieren könnte... so recht
und schlecht eben. Mit über 50 Regierungswechseln seit dem
Ende der faschistischen Herrschaft hat das Land dennoch über-
lebt.

In den USA wechselt also das öffentliche Personal nach politischen
Wahlen: So genau weiß ich das gar nicht; den Ausspruch: "To the
victors belong the polls!" hatte ich in meiner Schulzeit vermittelt be-
kommen. Auch in diesem Konzept kann man einen Sinn erkennen.
So ist dann die gewählte Administration verantwortlich für alles, was
in dem Bereich daneben gelingt... oder gelingt. Eine "brutale Nummer"
ist das aber schon, wenn wirtschaftliche Existenzen daran hängen.

Vielleicht ist ein Mittelweg zwischen beiden Konzepten (Beispiele Italien
und USA) dem Gemeinwesen zuträglicher. Ich vermute, daß das in
unserem Staatswesen so ungefähr versucht wird.

Aber keinem der genannten Länder würde ich absprechen, wegen
dieser Verfahren nicht doch demokratisch regiert zu werden.

Ich bleibe standhaft dabei, daß man die Polen selbst entscheiden lassen
muß, wie weit die neue Regierung gehen sollte. Wenn die damit zu sehr
nervt, dann gibt es irgendwann eine heftige Abfuhr an den Wahlurnen.
Aber für die bis dahin angerichtete miese Stimmung trägt die PiS dann
auch die alleinige Verantwortung. Die wird sich entscheiden, wenn es mit
der Wirtschaft und der Verteilung der Früchte der Arbeit nicht mehr so
richtig klappen will.

Richtig ist aber auch, daß die EU als Gemeinschaft (Kommission und
Parlament) prüfen muß, ob das Vorgehen und die angesteuerten Ziele
der neuen polnischen Administration noch mit den geschlossenen
EU-Verträgen übereinstimmen, wenn dieser Verdacht sich aufdrängt. Dann
wird es ebenso selbstverständlich Gegenwind geben.
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki » Freitag 25. Dezember 2015, 22:24 hat geschrieben:
Da der Thread nun schon "Ungarisierung Polens ..." benannt ist. Verfassungsänderung und neues Mediengesetz in Ungarn ... das ist jetzt auch schon eine Weile her. Und dennoch ist Ungarn keine faschistische Diktatur geworden und hat auch nicht im Sinne der ganz rechten die "Schmach von Trianon" rückgängig zu machen versucht, indem es Rumänien, die Slowakei, Serbien und die Ukraine überfällt. Regierungschef Orbán ist noch immer in derselben EU-Parlamentsfraktion wie Merkels CDU. Es passiert etwas weit schlimmeres als solche formalen demokratiepolitischen Verfahrensfehler: Die Gesellschaften wandeln sich. Und in dieser Hinsicht sind erst Ungarn und dann Polen leider nur die europäischen Sollbruchstellen.
Zu dem Thema gesellschaftlicher Entwicklungen hat Johann Zajaczkowski einen Aufsatz geschrieben. Er kritisiert darin den Zerfall politischer Kommunikation, eine Politik, die sich als reine "Verwaltung" versteht und das Aufkommen rechtspopulistischer, "völkischer" Bewegungen.
Allerdings sieht Zajaczkowski diese beiden Komponenten nicht als alternativlos an, sondern macht just im Maidan eine "real existierende Utopie" aus.

Auszug:
Fast noch wichtiger war die eigentümliche Verschmelzung von Transzendenz und Immanenz, die sich im Zuge der Revolution herausbildete und dieser zu ihrer Einzigartigkeit verhalf. Was ist damit gemeint? Im Augenblick der Gewalterfahrung machte der Begriff der „Revolution der Würde“ die Runde, der weit über die Inbezugsetzung der Ukraine zu Europa hinausging – und stattdessen den idealtypischen Wesenskern einer Demokratie in den Blick nahm: die Würde und Selbstbestimmung eines jeden Menschen, die schon beim verzweifelten Akt der Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi den Ausschlag gegeben und den Arabischen Frühling ausgelöst hatte.
http://de.euromaidanpress.com/2015/11/2 ... aczkowski/
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

schokoschendrezki » Sa 26. Dez 2015, 07:21 hat geschrieben:
Mit einem Wisch eine Gleichsetzung von Nazideutschland, EU-Polen und USA ... ? Das ist sowas wie "Alle Zahlen sind gleich".
es geht hier nicht um die frage »mehr oder minder demokratisch«, sondern um die feststellung, dass man offensichtlich eine bestimmte politische richtung angehören muß.
ein freund von mir durfte in der ddr nicht studieren, weil er aktiv evangelisch war (und ist). oder man bekommt keine börse. oder eine kleine, schlechte wohnung. falls überhaupt. es hat sogar einen namen »nepotismus«.

das finde ICH nicht demokratisch. was das auf termin bedeuten könnte, kannst du dich ausmalen. oder nicht :?:
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben: Zu dem Thema gesellschaftlicher Entwicklungen hat Johann Zajaczkowski einen Aufsatz geschrieben. Er kritisiert darin den Zerfall politischer Kommunikation, eine Politik, die sich als reine "Verwaltung" versteht und das Aufkommen rechtspopulistischer, "völkischer" Bewegungen.
Allerdings sieht Zajaczkowski diese beiden Komponenten nicht als alternativlos an, sondern macht just im Maidan eine "real existierende Utopie" aus.
Da stellt sich allerdings die Frage, warum ausgerechnet Polen, das sich schon aus seiner russlandkritischen Position als solidarisch mit der Maidan-Ukraine versteht ... warum ausgerechnet dort in unmittelbarer geographischer Nähe zu Kiew der Demokratie-Impuls des Maidan nicht nur nicht übergreift sondern es zu einer gewissen Entdemokratisierung kommt (die ich allerdings nicht so dramatisch sehe wie einige User hier). Weil es eben "nur" eine Utopie ist?
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki » Samstag 26. Dezember 2015, 14:06 hat geschrieben: Da stellt sich allerdings die Frage, warum ausgerechnet Polen, das sich schon aus seiner russlandkritischen Position als solidarisch mit der Maidan-Ukraine versteht ... warum ausgerechnet dort in unmittelbarer geographischer Nähe zu Kiew der Demokratie-Impuls des Maidan nicht nur nicht übergreift sondern es zu einer gewissen Entdemokratisierung kommt (die ich allerdings nicht so dramatisch sehe wie einige User hier). Weil es eben "nur" eine Utopie ist?
Warum nicht Polen, warum Tuvalu? Der genannte Aufsatz deutet es ja bereits an, ein Teil der Leute hat die ergraute Politik der Technokraten satt, man möchte vielleicht wieder eine kraftvollere Symbolik. Das ist ja das, was die Populisten stets im Gepäck haben - nichts Sinnvolles zwar, aber mit Farbtiefe vollmundig betont.
Die andere Kandidatin war blass, die Verkündung eines höheren Renteneinstiegsalters mag mathematisch galant sein, aber schlecht für einen Wahlkampf. Hinzu kam dann noch die Tintenfisch-Affäre.
Aber, haben die Leute den schleichenden Staatsstreich gewählt oder einfach nur den frischeren Wahlkampf honoriert?
Und, hat sich der andere Teil der Polen vielleicht in Luft aufgelöst?

Die "real existierende Utopie" ist da. Ob sie sich Bahn bricht, hängt von der Kreativität und Robustheit einer Gesellschaft ab. Ob in Polen oder in Tuvalu.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

DarkLightbringer » Sa 26. Dez 2015, 15:26 hat geschrieben: Warum nicht Polen, warum Tuvalu? Der genannte Aufsatz deutet es ja bereits an, ein Teil der Leute hat die ergraute Politik der Technokraten satt, man möchte vielleicht wieder eine kraftvollere Symbolik. Das ist ja das, was die Populisten stets im Gepäck haben - nichts Sinnvolles zwar, aber mit Farbtiefe vollmundig betont.
Die andere Kandidatin war blass, die Verkündung eines höheren Renteneinstiegsalters mag mathematisch galant sein, aber schlecht für einen Wahlkampf. Hinzu kam dann noch die Tintenfisch-Affäre.
Aber, haben die Leute den schleichenden Staatsstreich gewählt oder einfach nur den frischeren Wahlkampf honoriert?
Und, hat sich der andere Teil der Polen vielleicht in Luft aufgelöst?

Die "real existierende Utopie" ist da. Ob sie sich Bahn bricht, hängt von der Kreativität und Robustheit einer Gesellschaft ab. Ob in Polen oder in Tuvalu.
Ich bezweifel, dass ein verstandesbegabter Bürger beim Besuch einer Behörde von den Beamten lieber karnevalistische Einlagen statt vorschriftsgemäße Vorgangsbearbeitung erwartet. Auch der rational denkende Wähler wird sich nicht an einer Politik, die berechenbar im Rahmen des Machbaren, Erlaubten, Angekündigten und auch sachlich Sinnvollen agiert, stören. Wer aber Heldengeschichten erzählt haben und glanzvolle Reden hören will, der ist im Theater besser aufgehoben als anderswo. Dieses "Technokratie ist doof" ist doch genauso ein unüberlegtes Bashing wie "Beamte sind faul".

Übrigens ist eine sich vom Rechtsstaat verselbstständigte "Demokratie" nichts weiter als eine Diktatur oder Pöbelherrschaft.
Zuletzt geändert von Atheist am Sa 26. Dez 2015, 14:57, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von DarkLightbringer »

Atheist » Samstag 26. Dezember 2015, 14:50 hat geschrieben:
Ich bezweifel, dass ein verstandesbegabter Bürger beim Besuch einer Behörde von den Beamten lieber karnevalistische Einlagen statt vorschriftsgemäße Vorgangsbearbeitung erwartet. Auch der rational denkende Wähler wird sich nicht an einer Politik, die berechenbar im Rahmen des Machbaren, Erlaubten und Angekündigten agiert, stören. Wer aber Heldengeschichten erzählt haben und glanzvolle Reden hören will, der ist im Theater besser aufgehoben als anderswo. Dieses "Technokratie ist doof" ist doch genauso ein unüberlegtes Bashing wie "Beamte sind faul".
Natürlich braucht man Beamte. Aber eben auch Konfetti.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

DarkLightbringer » Sa 26. Dez 2015, 15:56 hat geschrieben: Natürlich braucht man Beamte. Aber eben auch Konfetti.
Dann setz dir doch eine rote Pappnase auf und behänge dich mit Lametta, wenn du "Konfetti" brauchst. Nimm bitte aber nicht an, dass andere Bürger und Wähler ähnlich gepolt sind. :?
Benutzeravatar
DarkLightbringer
Beiträge: 48077
Registriert: Mo 19. Dez 2011, 16:49
user title: Vive la Liberté !

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von DarkLightbringer »

Atheist » Samstag 26. Dezember 2015, 14:58 hat geschrieben:
Dann setz dir doch eine rote Pappnase auf und behänge dich mit Lametta, wenn du "Konfetti" brauchst. Nimm bitte aber nicht an, dass andere Bürger und Wähler ähnlich gepolt sind. :?
Ich stehe derzeit nicht zur Verfügung. ;)

Gerade in diesem Strang geht es doch um den Wahlerfolg von Pappnasen. Das muss man auch mal realistisch sehen.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
Benutzeravatar
Wolverine
Beiträge: 11655
Registriert: So 7. Jul 2013, 20:19
user title: Scouts

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Wolverine »

Helmuth_123 » Do 24. Dez 2015, 16:57 hat geschrieben:
Hat denn die neue polnische Regierung Gesetze gebrochen oder gar gegen die Verfassung verstoßen? Ich glaube ja, dass diese Frage am besten ein polnischer Staats- oder Verfassungsrechtler, Jurist, Politikwissenschaftler o.ä. beantworten könnte. Die kennen ja ihre Gesetze und wie diese umgesetzt werden.
Das ist beim ersten Lesen richtig. Allerdings wissen wir alle, wohin die Appeasement - Policy letztendlich führt. Da wäre mir noch Hitler in Erinnerung, der auch damit anfing, die ehemals teils demokratischen Strukturen gezielt zu zerschlagen. Und es war nicht so, dass nach dem WWI nicht jede Menge Reporter aus aller Welt in Deutschland zugange gewesen wären. Die Staatschefs von GB, Frankreich, Polen und SU waren jederzeit über die neueste Entwicklung informiert. Einfach zuschauen, wenn ein EU-Mitglied von den Werten und Vereinbarungen verabschiedet, für die sie mal unterschrieben haben, ist heute nicht mehr drin. Dafür war die Vergangenheit zu lehrreich. :cool:
schokoschendrezki hat geschrieben: Da stellt sich allerdings die Frage, warum ausgerechnet Polen, das sich schon aus seiner russlandkritischen Position als solidarisch mit der Maidan-Ukraine versteht ... warum ausgerechnet dort in unmittelbarer geographischer Nähe zu Kiew der Demokratie-Impuls des Maidan nicht nur nicht übergreift sondern es zu einer gewissen Entdemokratisierung kommt (die ich allerdings nicht so dramatisch sehe wie einige User hier). Weil es eben "nur" eine Utopie ist?
Ja, exakt das treibt mich auch um.
If Israel were to put down its arms there would be no more Israel.
If the Arabs were to put down their arms there would be no more war.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

Wolverine » Sa 26. Dez 2015, 16:58 hat geschrieben: Das ist beim ersten Lesen richtig. Allerdings wissen wir alle, wohin die Appeasement - Policy letztendlich führt. Da wäre mir noch Hitler in Erinnerung, der auch damit anfing, die ehemals teils demokratischen Strukturen gezielt zu zerschlagen. Und es war nicht so, dass nach dem WWI nicht jede Menge Reporter aus aller Welt in Deutschland zugange gewesen wären. Die Staatschefs von GB, Frankreich, Polen und SU waren jederzeit über die neueste Entwicklung informiert. Einfach zuschauen, wenn ein EU-Mitglied von den Werten und Vereinbarungen verabschiedet, für die sie mal unterschrieben haben, ist heute nicht mehr drin. Dafür war die Vergangenheit zu lehrreich. :cool:



Ja, exakt das treibt mich auch um.
Die Enttäuschung wird allerdings durch die unmittelbar einsetzenden Bürgerproteste sowie die rapid sinkende Popularität der PiS auch wieder relativiert. Bzw. es kann vielleicht eben doch ein gewisser Einfluss der Maidan-Proteste konstatiert werden. Einfache Aussagen gibts da nicht. Seit Jahren ist die Rede davon, dass in Polen ein Generationswechsel stattfindet: Von der ländlich-katholisch-rückschrittlichen älteren Generation hin zur weltoffenen jüngeren "Generation Erasmus". Und tatsächlich. Bin ich in einer der größeren polnischen Städte, gibts überhaupt kein Problem, jüngere Leute auf Englisch nach einer Straße oder ähnlichem zu fragen. Nun haben aber, glaubt man den Wahlanalysen, gerade die Jungen für den Wahlerfolg der PiS gesorgt. Man könnte sagen, o.k. die wollen halt mal was anderes probieren, die Weichen umstellen, beim nächsten Mal sind sie klüger. Genau deshalb, vermutlich, versucht die PiS ähnlich wie die Fidesz in Ungarn in aller Eile, den Umbau der Gesellschaft zumindest in Teilen unumkehrbar zu machen.

Der andere eklatante Widerspruch besteht darin, dass es auf der einen Seite in den letzten 10, 20 Jahren einen ganz erstaunlichen und sehr positiven Wandel in Polen hinsichtlich des Verhältnisses zum Judentum und zu Israel gab. Wiedererrichtete oder erneuerte Synagogen und jüdische Kulturzentren, das neu eröfffnete jüdische Museum in Warschau, sehr kritische Bücher und Filme zur ambivalenten Rolle Polens in dieser Frage in der Vergangenheit. Das nun ausgerechnet der Bruder des verstorbenen Lech Kaczynski, der sich wie kaum jemand in Polen um ein gutes Verhältnis zu Israel bemühte, im Wahlkampf mit dem Sender Radio Maryja zusammentut, der für seine vereinzelten antisemitischen Hetzen bekannt ist, sowie einen antisemitischen Verschwörungstheoretiker zum Minister ernennt, auf der anderen Seite jedoch immer wieder seine enge Bindung an den verstorbenen Bruder betont ... nicht ganz einfach nachvollziehbar.

Ich denke, man sollte die Probleme und die Kritik offen benennen, aber unter keinen Umständen die Brücken zu unserem östlichen Nachbarn abbrechen oder zumachen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Ich meine auch, daß man nicht ständig auf der schrecklichen
Fehlentwicklung zum Nationalsozialismus herumreiten sollte.

Den Polen traue ich heute zu, daß sie sich übertriebenen
Machtgelüsten der mit absoluter Mehrheit gewählten neuen
Regierung energisch widersetzen werden... besonders dann,
wenn die Wirtschaft nicht die Früchte tragen sollte, die die PiS so
gern und reichlich verteilen möchte.

Da liegt auch der Ansatzpunkt, solchen Übertreibungen ent-
gegen zu wirken, wenn Polen sich in der EU aufführen sollte,
als sei sie ihr alles das schuldig, was diese Regierung meint,
was ihr die EU zu liefern hat. Polens errungener kleiner Wohl-
stand beruht auf dem Fleiß und Können seiner Bürger, aber eben
auch auf dem guten Willen zur gedeihlichen Zusammenarbeit mit
seinen westlichen Nachbarn und auf Entwicklungsfonds der EU.
Wenn die polnische Regierung sich einen Rest Verstand bewahrt
hat, dann wird sie diese Quellen nicht zuschütten.
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O » So 27. Dez 2015, 10:02 hat geschrieben:Ich meine auch, daß man nicht ständig auf der schrecklichen
Fehlentwicklung zum Nationalsozialismus herumreiten sollte.
ich HOFFE, daß ich falsch liege und nicht du...
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio » 2015-12-27, 10:29 hat geschrieben: ich HOFFE, daß ich falsch liege und nicht du...
Das hoffe ich auch; immerhin hoffe ich
das nicht ganz unbegründet!
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

Die letzte "Kontroll"instanz wurde nun auch passiert:
Duda winkt Reform des Verfassungsgerichts durch

Allen Appellen von EU, Opposition und Menschenrechtlern zum Trotz: Polens Präsident hat das Reformgesetz für das Verfassungsgericht in Kraft gesetzt – und gerechtfertigt.



Der polnische Präsident Andrzej Duda hat ein neues Gesetz in Kraft gesetzt, mit dem nach Ansicht von Kritikern das Verfassungsgericht dauerhaft blockiert werden könnte. Das Gesetz der neuen nationalkonservativen Regierung trat am Montagmorgen trotz internationaler Proteste in Kraft. Die zuvor schon von beiden Parlamentskammern gebilligte Neuregelung beschränkt die Kompetenzen der Richter.

Er glaube, dass es die Position und Autorität des Gerichts steigern werde, da unter anderem nunmehr eine größere Zahl an Richterstimmen benötigt werde, um über Urteile Einigkeit zu erzielen, sagte Duda. Zudem bat er um "Wahrheit und keine Manipulation" in der Debatte, weil man auch im Ausland die Worte höre, die in Polen gesagt würden, sagte Duda.

Das Parlament, in dem die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Mehrheit der Sitze inne hat, hatte den Gesetzentwurf vor Weihnachten im Eilverfahren durchgebracht. Die EU hatte vergeblich appelliert, das Gesetz nicht in Kraft zu setzen, ohne vorher die Auswirkungen auf die Unabhängigkeit und die Funktionsweise des Gerichts geprüft zu haben.

Auch der oberste Gerichtshof Polens sowie Menschenrechtsorganisationen hatten das Vorhaben kritisiert. Das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen zeigte sich besorgt. Der frühere polnische Präsident Lech Wałęsa verurteilte das Gesetz und forderte ein Referendum über vorgezogene Neuwahlen.

Laut der Neuregelung soll für alle Entscheidungen des Verfassungsgerichts künftig eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein statt wie bisher eine einfache Mehrheit. Zudem müssen bei wichtigen Entscheidungen künftig mindestens 13 der 15 Verfassungsrichter anwesend sein, um ein Urteil fällen zu können, bisher reichten neun Richter.

Da zwei Drittel der Richterstimmen in den meisten Fällen als nicht erreichbar gelten, dürfte das höchste polnische Gericht aus Sicht von Kritikern als Kontrollinstanz der rechtskonservativen Regierung weitgehend ausfallen. Bürgerrechtsgruppen befürchten außerdem, dass sich das Gericht künftig mit viel weniger Fällen befassen könne.

Die PiS hatte bei der Parlamentswahl im Oktober die absolute Mehrheit der Sitze gewonnen. Seit ihrem Amtsantritt nutzt die Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydło ihre Macht, um kritische Medien und das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle zu bringen.

Bereits kurz nach ihrem Wahlsieg hatte die PiS auf der Grundlage eines von ihr verabschiedeten Gesetzes fünf ihr nahe stehende neue Verfassungsrichter bestimmt und damit eine Welle der Kritik von Opposition, Medien und ausländischen Politikern ausgelöst. Das Verfassungsgericht stufte das Gesetz später als verfassungswidrig ein. Staatschef Duda hatte die fünf Verfassungsrichter allerdings bereits vereidigt.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015 ... ngsgericht

Polens Verfassungsgericht wird fortan weniger Fälle bearbeiten können und ist bei besonders strittigen Fragen nicht nur Dank der verfassungswidrigen Bestellung handverlesener Richter handlungsunfähig. So macht das nationalkonservative Durchregieren richtig und viel Spaß - jedenfalls für die Regierenden.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O » So 27. Dez 2015, 11:02 hat geschrieben:Ich meine auch, daß man nicht ständig auf der schrecklichen
Fehlentwicklung zum Nationalsozialismus herumreiten sollte.

Den Polen traue ich heute zu, daß sie sich übertriebenen
Machtgelüsten der mit absoluter Mehrheit gewählten neuen
Regierung energisch widersetzen werden... besonders dann,
wenn die Wirtschaft nicht die Früchte tragen sollte, die die PiS so
gern und reichlich verteilen möchte.
Verteilen wollen sie vielleicht ... aber eines muss man im Hinterkopf haben: Jaroslaw Kaczynski interessiert sich definitiv nicht für Wirtschaftsfragen. Das überlässt er entsprechenden Fachleuten oder solchen, die er dafür hält. Er interessiert sich für Macht- und Symbolpolitik.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki » 2015-12-29, 09:24 hat geschrieben: ...
... Er interessiert sich für Macht- und Symbolpolitik.
Na prima; solche Wirtschaftsführer braucht
das Land. Macht- und Symbolpolitik greift
doch gern in die Wirtschaft ein, damit sie ihr
dienstbar ist.
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

Atheist » Di 29. Dez 2015, 02:28 hat geschrieben:http://www.zeit.de/politik/ausland/2015 ... ngsgericht

Polens Verfassungsgericht wird fortan weniger Fälle bearbeiten können und ist bei besonders strittigen Fragen nicht nur Dank der verfassungswidrigen Bestellung handverlesener Richter handlungsunfähig. So macht das nationalkonservative Durchregieren richtig und viel Spaß - jedenfalls für die Regierenden.
mein problem ist vor allem ob diese neue gesetze wohl auf die verfassung gestützt sind. und die konsequenzen davon.

ich führe noch regelmäßig diskussionen mit »kommaficker«, die behaupten »wo keine klage kein unrecht« über die handlungen der nazis. denn das ganze nazigetöse begann mit dem reichstagsbrand. goering erklärte das quorum anwesend. obwohl durch die nazis sowohl kommunisten wie sozialisten verhaftet waren oder aber untergetaucht. oder AH, der sich zum nachfolger hindenburgs ernannte. usw usf.

wenn alles beginnt mit unrecht, sind alle folgen denn auch unrechtmäßig wenn sie zurückzuführen sind auf unrecht?
also nicht wenn ein normales gesetz angenommen wird, sondern ein umstrittenes gesetz. wobei evt die verfassungsrichter um ein urteil gefragt wird.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O » Di 29. Dez 2015, 09:37 hat geschrieben:Na prima; solche Wirtschaftsführer braucht
das Land. Macht- und Symbolpolitik greift
doch gern in die Wirtschaft ein, damit sie ihr
dienstbar ist.
schönstes beispiel: chrutsjew, die baumwollekultur und der aralsee.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

Nomen Nescio » Di 29. Dez 2015, 10:50 hat geschrieben:mein problem ist vor allem ob diese neue gesetze wohl auf die verfassung gestützt sind. und die konsequenzen davon.

ich führe noch regelmäßig diskussionen mit »kommaficker«, die behaupten »wo keine klage kein unrecht« über die handlungen der nazis. denn das ganze nazigetöse begann mit dem reichstagsbrand. goering erklärte das quorum anwesend. obwohl durch die nazis sowohl kommunisten wie sozialisten verhaftet waren oder aber untergetaucht. oder AH, der sich zum nachfolger hindenburgs ernannte. usw usf.

wenn alles beginnt mit unrecht, sind alle folgen denn auch unrechtmäßig wenn sie zurückzuführen sind auf unrecht?
also nicht wenn ein normales gesetz angenommen wird, sondern ein umstrittenes gesetz. wobei evt die verfassungsrichter um ein urteil gefragt wird.
Nun ja, streng genommen hat auch Hitler seine Gesetze auf die Weimarer Verfassung gestützt. Sowohl die Reichstgsbrandverordnung als auch das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" (bei der Namensfindung waren die Nazis durchaus kreativ... :rolleyes:) waren verfassungsgemäß und dienten der formell nicht zu beanstandenden Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat. Deshalb wurde z.B. in Deutschland das Bundesverfassungsgericht als neue Kontrollinstanz institutionalisiert und mit Mitteln ausgestattet, die u.a. Teil der wehrhaften Demokratie sind (z.B. Parteiverbote). In Polen ist das Verfassungsgericht nun in Windeseile entmachtet worden. Dabei ist "Windeseile" wortwörtlich gemeint!

Außerdem gibt es in Polen neben den Strukturänderungen des Verfassungsgerichts (die ja verfassungsgemäß erfolgen können) noch einen weiteren Punkt, der ausdrücklich ungesetzlich ist: Die Bestellung von (offenbar parteihörigen) Richtern. Duda weigerte sich, die eigentlichen rechtmäßigen Kandidaten zu vereidigen, stattdessen wurden Günstlinge handverlesen. Das speziell zu deren Bestellung beschlossene Gesetz wurde jedoch für verfassungswidrig erklärt.
Zuletzt geändert von Atheist am Di 29. Dez 2015, 10:24, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio » 2015-12-29, 09:50 hat geschrieben:mein problem ist vor allem ob diese neue gesetze wohl auf die verfassung gestützt sind. und die konsequenzen davon.

ich führe noch regelmäßig diskussionen mit »kommaficker«, die behaupten »wo keine klage kein unrecht« über die handlungen der nazis. denn das ganze nazigetöse begann mit dem reichstagsbrand. goering erklärte das quorum anwesend. obwohl durch die nazis sowohl kommunisten wie sozialisten verhaftet waren oder aber untergetaucht. oder AH, der sich zum nachfolger hindenburgs ernannte. usw usf.

wenn alles beginnt mit unrecht, sind alle folgen denn auch unrechtmäßig wenn sie zurückzuführen sind auf unrecht?
also nicht wenn ein normales gesetz angenommen wird, sondern ein umstrittenes gesetz. wobei evt die verfassungsrichter um ein urteil gefragt wird.
Aus deutschem Geblüt stammend meine ich, ähnlich
wie unsere Juden auch, daß man die Einmaligkeit der
Naziherrschaft nicht wieder und wieder in die Niederungen
der Alltäglichkeit ziehen sollte. Sie muß diese Herrschaft
doch tief beeindruckt haben, obwohl sie sie nur aus Er-
zählungen von Zeitzeugen kennen.

Ich bin noch einige Jahre älter als Sie; kann mich noch
ganz gut an das Elend des Untergangs erinnern... natürlich
nicht an das vorausgegangene Grauen.

Bestimmte Erscheinungsformen der Machtpolitik ähneln
zweifellos auch solchen aus der Nazizeit. Und dennoch
kann man das Gesamtbild nicht übertragen. Dann stellt sich
sehr bald Überdruß ein.
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Di 29. Dez 2015, 11:24 hat geschrieben:
Aus deutschem Geblüt stammend meine ich, ähnlich
wie unsere Juden auch, daß man die Einmaligkeit der
Naziherrschaft nicht wieder und wieder in die Niederungen
der Alltäglichkeit ziehen sollte. Sie muß diese Herrschaft
doch tief beeindruckt haben, obwohl sie sie nur aus Er-
zählungen von Zeitzeugen kennen.

Ich bin noch einige Jahre älter als Sie; kann mich noch
ganz gut an das Elend des Untergangs erinnern... natürlich
nicht an das vorausgegangene Grauen.

Bestimmte Erscheinungsformen der Machtpolitik ähneln
zweifellos auch solchen aus der Nazizeit. Und dennoch
kann man das Gesamtbild nicht übertragen. Dann stellt sich
sehr bald Überdruß ein.
Wichtig ist, Muster zu erkennen. Die sind bei den allermeisten Diktaturen gleich. Da ist es nachteilig, in "Ehrfurcht" vor der "Einmaligkeit" der NS-Diktatur zu verfallen und sich in der falschen Sicherheit zu wiegen, dass eine (NS-)Diktatur sich schon als solche offen und deutlich vorstellte, bevor sie erneut nach der Macht greifen würde. Der nächste Diktator muss weder einen Oberlippenbart wie Hitler haben noch eine Hornbrille wie Honecker tragen, er muss nicht mal männlich sein.
Zuletzt geändert von Atheist am Di 29. Dez 2015, 10:39, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-29, 10:21 hat geschrieben: ...
Die Bestellung von (offenbar parteihörigen) Richtern. Duda
weigerte sich, die eigentlichen rechtmäßigen Kandidaten zu
vereidigen, stattdessen wurden Günstlinge handverlesen. Das
speziell zu deren Bestellung beschlossene Gesetz wurde jedoch
für verfassungswidrig erklärt.
Ich habe mir die Mühe gemacht und habe die
Anmerkungen von Präsident Duda zu verstehen
versucht. Der sagte sinngemäß, daß auch die
von ihm nicht vereidigten Richter handver-
lesen waren, in Ihren Worten also Günstlinge der
abgewählten Regierung, die so einen Teil ihrer
verlorenene Macht gegen die neue Regierung
retten wollte.

So knapp vor der Wahl derart wichtige Positionen
neu zu besetzen, das riecht wirklich nicht besonders
gut.

Deshalb meine ich auch, daß man die Polen selbst
über den Umgang mit der neuen Regierung entscheiden
lassen sollte... was sie ja auch tun. Je nach Regierungs-
gelüsten wird die KOD mehr und mehr Zulauf bekommen,
bis die Sache dort brenzlich wird.

Hinzu kommt auch der Umgang mit der EU, die selbst-
verständlich ein Recht hat, sehr kritisch über Polens
Regierung zu urteilen, wenn EU-Verträge mißachtet
werden, um dann auch Strafmaßnahmen ein zu leiten.
Ist das aber so? Rein sachlich-inhaltlich?
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Di 29. Dez 2015, 11:39 hat geschrieben:
Ich habe mir die Mühe gemacht und habe die
Anmerkungen von Präsident Duda zu verstehen
versucht. Der sagte sinngemäß, daß auch die
von ihm nicht vereidigten Richter handver-
lesen waren, in Ihren Worten also Günstlinge der
abgewählten Regierung, die so einen Teil ihrer
verlorenene Macht gegen die neue Regierung
retten wollte.

So knapp vor der Wahl derart wichtige Positionen
neu zu besetzen, das riecht wirklich nicht besonders
gut.

Deshalb meine ich auch, daß man die Polen selbst
über den Umgang mit der neuen Regierung entscheiden
lassen sollte... was sie ja auch tun. Je nach Regierungs-
gelüsten wird die KOD mehr und mehr Zulauf bekommen,
bis die Sache dort brenzlich wird.

Hinzu kommt auch der Umgang mit der EU, die selbst-
verständlich ein Recht hat, sehr kritisch über Polens
Regierung zu urteilen, wenn EU-Verträge mißachtet
werden, um dann auch Strafmaßnahmen ein zu leiten.
Ist das aber so? Rein sachlich-inhaltlich?
Wenn die 9-jährige Amtszeit der polnischen Verfassungsrichter endet, dann endet sie eben und es muss Ersatz her - völlig unabhängig davon, ob und wo im Land gerade Wahlen anstehen.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-29, 10:38 hat geschrieben: ...
Wichtig ist, Muster zu erkennen.
...
Die Sache mit der Einmaligkeit gehört zu unserer deutschen
Geschichte; ich meine, daß sie in dieser Ausprägung einmalig
ist. Sie gehört sicher in das damals entstandene "Weltklima"
von Diktaturen nach den Verheerungen des 1. Weltkriegs; aller-
dings mit furchtbarem Vernichtungswillen gegen Menschen, die
ihren "Mangel" durch Geburt nicht abstreifen konnten.

Na dann einige "Muster":

Gibt es KZs für Unbotmäßige in Polen?
Wird die deutsche Minderheit in Schlesien von Staats wegen schikaniert?
Gibt es Schlägertrupps nach dem Muster der SA oder SS?
Gibt es Mordanschläge auf abgewählte Politiker?
Gibt es eine Gestapo oder eine Stasi?

Wenn es das alles gar nicht gibt, dann verbieten sich
Vergleiche mit der Naziherrschaft.

Wir sollten unsere Bedenken wirklich sachlicher vortragen!
Dazu fallen mir gleich mehrere Dinge ein, auch als
Europäer!
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-29, 10:44 hat geschrieben:
Wenn die 9-jährige Amtszeit der polnischen Verfassungsrichter endet, dann endet sie eben und es muss Ersatz her - völlig unabhängig davon, ob und wo im Land gerade Wahlen anstehen.
Das hat Präsident Duda anders entschieden. Auch der
wurde mit klarer Mehrheit unmittelbar in sein Amt gewählt.
Er wurde gewählt von Wählern, nicht von gewählten Volks-
vertretern: Um zu entscheiden doch wohl!

Die KOD wird die Sache schon bewegen, wenn den Polen
diese Vorgehensweise dauerhaft mißfällt.
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O » Di 29. Dez 2015, 10:24 hat geschrieben:Aus deutschem Geblüt stammend meine ich, ähnlich
wie unsere Juden auch, daß man die Einmaligkeit der
Naziherrschaft nicht wieder und wieder in die Niederungen
der Alltäglichkeit ziehen sollte. Sie muß diese Herrschaft
doch tief beeindruckt haben, obwohl sie sie nur aus Er-
zählungen von Zeitzeugen kennen.

Ich bin noch einige Jahre älter als Sie; kann mich noch
ganz gut an das Elend des Untergangs erinnern... natürlich
nicht an das vorausgegangene Grauen.
ich wurde während WK II geboren, und erinnere mich ganz gut an die folgen. sehe in gedanken 1947 rotterdam, zerbombt und verwüstet. erinnere mich noch lebhaft die distribution und das aussuchen der bestimmten distributionspunkte. habe danach in indonesien soviel schießerei erlebt, daß ich sogar heute albträume davon habe. nur einmal war es preis und wurden meinen stiefvater und jüngste schwester getroffen.


ich habe durch meine familie erfahren, was es bedeutet extreme politische ansichten zu haben. u.a. mein pate fiel im krieg. ich kann nicht genug gegen die ein solches benehmen warnen. es geht so schleichend. die gefahr ist das gleitend verändern der norme. zuerst wird eine gruppe stigmatisiert. danach sind bestimmte maßnahmen eine logische folge wie ghettoisierung. und schon ist die isolation begonnen.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Di 29. Dez 2015, 12:45 hat geschrieben: Die Sache mit der Einmaligkeit gehört zu unserer deutschen
Geschichte; ich meine, daß sie in dieser Ausprägung einmalig
ist. Sie gehört sicher in das damals entstandene "Weltklima"
von Diktaturen nach den Verheerungen des 1. Weltkriegs; aller-
dings mit furchtbarem Vernichtungswillen gegen Menschen, die
ihren "Mangel" durch Geburt nicht abstreifen konnten.

Na dann einige "Muster":

Gibt es KZs für Unbotmäßige in Polen?
Wird die deutsche Minderheit in Schlesien von Staats wegen schikaniert?
Gibt es Schlägertrupps nach dem Muster der SA oder SS?
Gibt es Mordanschläge auf abgewählte Politiker?
Gibt es eine Gestapo oder eine Stasi?

Wenn es das alles gar nicht gibt, dann verbieten sich
Vergleiche mit der Naziherrschaft.

Wir sollten unsere Bedenken wirklich sachlicher vortragen!
Dazu fallen mir gleich mehrere Dinge ein, auch als
Europäer!
Ach je, da habe ich wieder einen Nebenschauplatz eröffnet, den ich eigentlich gar nicht eröffnen wollte. :D Deine Ausführungen zur Bewertung der bisherigen Diktatur auf gesamtdeutschem Boden finde ich schlüssig, die Fakten sind auch soweit richtig. Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass im Ostteil Deutschlands demgegenüber eine fast schon gegensätzlich aufgestellte Diktatur ein halbes Jahrhundert lang herrschte. Sie war weder aggressiv-expansionistisch, noch hat sie Teile der Bevölkerung "ökonomisch verwertet", bis hin zu deren Ermordung, nachdem sie nicht mehr von Nutzen waren, sie bediente sich keiner mythologisch-rassistischen Nationalfolklore und sie kooperierte auch nicht mit Freischärlern, um den Staat totalitaristisch umzugestalten und alle erheblichen Bereiche gleichzuschalten. Letztgenanntes hatte sie auch gar nicht nötig, denn sie war von Anfang an als eine Parteiendiktatur verfasst, die weder Gewaltenteilung noch universale Menschenrechte oder überhaupt tatsächlich justiziable Bürgerrechte kannte. Konsequenterweise wurden politische Feinde, ja sogar schon Kritiker verfolgt.

Hinsichtlich Stasi/Gestapo würde ich da bezogen auf die die Absichten der PiS lieber größte Skepsis walten lassen. Immerhin hat sie bereits nach wenigen Tagen in Regierungsverantwortung internationales Aufsehen erregt, indem sie durch einen fragwürdigen Einsatz der Militärpolizei in eine NATO-Einrichtung der Spionageabwehr eingedrungen ist.

Polen mag zwar noch weit davon entfernt sein, wie die NS-Diktatur über Rivalen und schwächere Minderheiten herzufallen, gewisse Gleichschaltungstendenzen einhergehend mit einer Aushöhlung der Staatsfundamentalprinzipien, oder, wie Du es schreibst, dass "bestimmte Erscheinungsformen der Machtpolitik [sich] ähneln", sind aber zu erkennen. Die PiS ist allerdings noch dabei, ihre Grenzen auszutesten; und wie sie durch das Beispiel Ungarn wohl wissen wird, ist Vieles möglich in einer Gemeinschaft, die sich als ein lockeres Wirtschaftsbündnis versteht oder einfach nur keinen Mut aufzubringen vermag, um als eine Werte- und Schicksalsgemeinschaft zu sich selbst zu stehen. Letztgenanntes ist aber keine isolierte Sache der einzelnen Bevölkerungen oder Nationalrehierungen der EU, sonder jene aller EU-Bürger! Deshalb genügt es keinesfalls nur zuzuschauen und zu hoffen, dass "die Polen" es schon lösen werden. Es käme doch auch niemand auf die Idee zu hoffen, dass "die Bayern" es schon lösen würden, falls die CSU mal durchdrehen sollte.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio » 2015-12-29, 12:06 hat geschrieben: ich wurde während WK II geboren, und erinnere mich ganz gut an die folgen. sehe in gedanken 1947 rotterdam, zerbombt und verwüstet. erinnere mich noch lebhaft die distribution und das aussuchen der bestimmten distributionspunkte. habe danach in indonesien soviel schießerei erlebt, daß ich sogar heute albträume davon habe. nur einmal war es preis und wurden meinen stiefvater und jüngste schwester getroffen.


ich habe durch meine familie erfahren, was es bedeutet extreme politische ansichten zu haben. u.a. mein pate fiel im krieg. ich kann nicht genug gegen die ein solches benehmen warnen. es geht so schleichend. die gefahr ist das gleitend verändern der norme. zuerst wird eine gruppe stigmatisiert. danach sind bestimmte maßnahmen eine logische folge wie ghettoisierung. und schon ist die isolation begonnen.
Das ist sicher eine bewegte Vergangenheit, die
Sie durchlebt haben, kein Zweifel! Dennoch warne
ich davor, die Naziherrschaft wieder und wieder
herauf zu beschwören, wenn bestimmte Muster
einen Wiedererkennungswert erreichen. Solche
Hinweise nutzen sich ab, wirken maßlos. Die Nazi-
Barbarei war einmalig, und sie bleibt es hoffentlich
auch!

Ghettobildung kann man sicher anweisen; meist jedoch
ergeben sie sich aus wirtschaftlichen oder landsmann-
schaftlichen Beweggründen... etwa ein altes Stadtviertel
mit ungepflegtem Wohnungsbestand zu geringer Miete
oder Neubauten für eine bestimmte Zielgruppe, die sich
"normale" Wohnungen nicht leisten können, oder aber eine
geplante Durchmischung, die sich ganz schnell auflöst,
weil es dort zu ungemütlich zu wohnen ist... Suff, Müll,
Schmierereien, Lärm, Schlägereien, eingetretene Türen,
asoziale Typen...

Nur führt das alles doch zu weit weg von der "Ungarisierung"
Polens, meine ich.
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Di 29. Dez 2015, 12:55 hat geschrieben:
Das hat Präsident Duda anders entschieden. Auch der
wurde mit klarer Mehrheit unmittelbar in sein Amt gewählt.
Er wurde gewählt von Wählern, nicht von gewählten Volks-
vertretern: Um zu entscheiden doch wohl!

Die KOD wird die Sache schon bewegen, wenn den Polen
diese Vorgehensweise dauerhaft mißfällt.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle klarstellen, dass ich eine Demokratie nicht als eine Willkürherrschaft des Parlamentes oder des Volkes verstehe. Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz sowie effektiver Schutz universaler subjektiver Rechte gegen übergriffiges Staatshandeln sind für mich entscheidende Bestandteile einer Demokratie und zugleich Hauptunterscheidungsmerkmale zu allen anderen degenerierten Formen der Demokratie (z.B. Ochlokratie, sozialistische Volksdemokratie oder autoritär-gelenkte Demokratie).
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-29, 13:27 hat geschrieben: ...
... Immerhin hat sie bereits nach wenigen Tagen in Regierungs-
verantwortung internationales Aufsehen erregt, indem sie durch
einen fragwürdigen Einsatz der Militärpolizei in eine NATO-
Einrichtung der Spionageabwehr eingedrungen ist.

... Vieles möglich in einer Gemeinschaft, die sich als ein lockeres
Wirtschaftsbündnis versteht oder einfach nur keinen Mut aufzubringen
vermag, um als eine Werte- und Schicksalsgemeinschaft zu sich selbst
zu stehen.
...nur zuzuschauen und zu hoffen, dass "die Polen" es schon lösen
werden.
Sicher hat es der polnische Verteidigungsminister
arg übertrieben mit dem nächtlichen Vorgehen und
mit der Militärpolizei beim Personaltausch in der
militärischen Abwehrstelle. Aber eine NATO-Stelle war
das nicht, sondern ein polnisch-slowakischer Dienst, der
auch der NATO zuarbeitete. Das Kommando lag ein-
deutig bei den polnischen Streitkräften, und die unter-
stehen nun einmal in Friedenszeiten dem Minister.
Schlechter Stil übrigens auch von der "Gegenseite", die
die örtliche Polizei rief, um gegen die Militärpolizei vor
zu gehen... da waren zuvor wohl schon etliche Siche-
rungen durchgeknallt! Die örtliche Polizei erklärte sich
am Einsatzort für nicht zuständig... und das war's dann.

Klar, ich meine auch, daß die EU

1.
prüfen muß, wie weit bestimmte Veränderungen die beim
Eintritt in die EU vereinbarten Verträge verletzen... das ist
die Aufgabe der EU-Kommission! Die Verträge enthalten ja nicht
nur wirtschaftlich bedeutsame Abschnitte, sondern auch solche,
die den Staatsaufbau betreffen... der EU-Grundvertrag gilt..
dank unserer Kanzlerin, die damals nicht die Geduld verloren
hatte!

2.
ganz selbstverständlich auch diese Vorgänge politisch
bewerten darf; denn das EU-Parlament wird ja auch von
Parteien getragen, die andere politische Vorstellungen
haben sollen und dürfen. Da "Entschuldigungen" ein zu
fordern, das ist schon kindisch, zeigt aber auch eine vorhan-
dene Fehleinschätzung der europäischen Einigung durch
eine überzogen nationale Regierungspartei. Als Bundes-
republik ist uns die Einrede aus Bundesländern mit anderen
Regierungsparteien vertraut. Diese Möglichkeiten muß die
Regierung Polens eben noch einüben.

3.
mit dem EU-Ministerrat sich eine Plattform geschaffen hat,
wo solche Merkwürdigkeiten offen angesprochen werden
können und sollten... wo auch schon einmal die Fetzen
fliegen dürfen, wenn erträgliche Grenzen überschritten
werden. Man weiß ja, daß man einer Gemeinschaft Gleicher
beigetreten ist, daß Beschleichen des Gegners im Bereich
von grobem Unfug liegt!
Benutzeravatar
Nomen Nescio
Beiträge: 13100
Registriert: So 1. Feb 2015, 19:29

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O » Di 29. Dez 2015, 11:45 hat geschrieben:Na dann einige "Muster":

Gibt es KZs für Unbotmäßige in Polen?
Wird die deutsche Minderheit in Schlesien von Staats wegen schikaniert?
Gibt es Schlägertrupps nach dem Muster der SA oder SS?
Gibt es Mordanschläge auf abgewählte Politiker?
Gibt es eine Gestapo oder eine Stasi?

Wenn es das alles gar nicht gibt, dann verbieten sich
Vergleiche mit der Naziherrschaft.

Wir sollten unsere Bedenken wirklich sachlicher vortragen!
Dazu fallen mir gleich mehrere Dinge ein, auch als
Europäer!
bedenke, daß das wegschicken von jüdischen professoren und beamten durch die nazis erst der anfang war!! du willst doch hoffentlich nicht verneinen, daß in polen auch gesäubert wird? etwas, was übrigens ziemlich normal scheint, denn bei den kommunisten wurden auch nicht-kommunisten eine karriere fast unmöglich gemacht.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-29, 13:44 hat geschrieben: ...
... Demokratie nicht als eine Willkürherrschaft des Parlamentes
oder des Volkes verstehe.
...
Das ist doch klar! Nur halte ich auch nichts von einer
Verhinderung politischer Maßnahmen mit Hilfe trick-
reich angewandter Geschäftsordnungen.

Damit hatte die Ernennung / Nichtvereidigung
der Verfassungsrichter sicher auch zu tun.

Die KOD wird in Polen schon den Zorn enttäuschter
Bürger in geeignete Bahnen lenken, und die EU wird
sicher auch ihre Anmerkungen machen und erforder-
liche Maßnahmen einleiten. Noch ist Polen nicht
verloren!

Nur eins mache ich mir jedenfalls zu eigen: Von deutscher
Seite sollten wir uns auf eine Beobachterrolle beschränken,
die Ereignisse auch gern kommentieren... aber jegliche
Gegenmaßnahme nur über die EU in Betracht ziehen.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio » 2015-12-29, 14:01 hat geschrieben: bedenke, daß das wegschicken von jüdischen professoren und beamten durch die nazis erst der anfang war!! du willst doch hoffentlich nicht verneinen, daß in polen auch gesäubert wird? etwas, was übrigens ziemlich normal scheint, denn bei den kommunisten wurden auch nicht-kommunisten eine karriere fast unmöglich gemacht.
Verflixt noch einmal, können Sie nicht endlich
einmal diese Nazi-Vergleiche unterlassen, wenn
politische Machtwechsel aufgrund demokratisch
einwandfrei durchgeführter Wahlen zu Personalwechseln
in staatlichen Machtstrukturen führen? Jüdische
Professoren saßen nicht an Schaltstellen der
staatlichen Macht, wenn wir die Vergabe von
Examensnoten und Promotionen einmal vernach-
lässigen. Die verloren ihre Stellungen im Staatsdienst
aus rassischen Gründen, nicht wegen einer politischen
Gesinnung!

Da werden hohe Beamte und Gewährsleute
einer abgewählten Partei ersetzt; nach meinem
Geschmack zu tief angesetzt und viel zu hemds-
ärmelig betrieben, was sicherlich den Zusam-
menhalt der politischen Klasse nicht gerade
fördert, sondern eher noch Gelüste nach Ver-
geltung weckt. Aber damit müssen die Polen um-
gehen, nicht wir, und schon gar nicht mit Naziver-
gleichen!
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Di 29. Dez 2015, 15:00 hat geschrieben:
Sicher hat es der polnische Verteidigungsminister
arg übertrieben mit dem nächtlichen Vorgehen und
mit der Militärpolizei beim Personaltausch in der
militärischen Abwehrstelle. Aber eine NATO-Stelle war
das nicht, sondern ein polnisch-slowakischer Dienst, der
auch der NATO zuarbeitete. Das Kommando lag ein-
deutig bei den polnischen Streitkräften, und die unter-
stehen nun einmal in Friedenszeiten dem Minister.
Schlechter Stil übrigens auch von der "Gegenseite", die
die örtliche Polizei rief, um gegen die Militärpolizei vor
zu gehen... da waren zuvor wohl schon etliche Siche-
rungen durchgeknallt! Die örtliche Polizei erklärte sich
am Einsatzort für nicht zuständig... und das war's dann.

Klar, ich meine auch, daß die EU

1.
prüfen muß, wie weit bestimmte Veränderungen die beim
Eintritt in die EU vereinbarten Verträge verletzen... das ist
die Aufgabe der EU-Kommission! Die Verträge enthalten ja nicht
nur wirtschaftlich bedeutsame Abschnitte, sondern auch solche,
die den Staatsaufbau betreffen... der EU-Grundvertrag gilt..
dank unserer Kanzlerin, die damals nicht die Geduld verloren
hatte!

2.
ganz selbstverständlich auch diese Vorgänge politisch
bewerten darf; denn das EU-Parlament wird ja auch von
Parteien getragen, die andere politische Vorstellungen
haben sollen und dürfen. Da "Entschuldigungen" ein zu
fordern, das ist schon kindisch, zeigt aber auch eine vorhan-
dene Fehleinschätzung der europäischen Einigung durch
eine überzogen nationale Regierungspartei. Als Bundes-
republik ist uns die Einrede aus Bundesländern mit anderen
Regierungsparteien vertraut. Diese Möglichkeiten muß die
Regierung Polens eben noch einüben.

3.
mit dem EU-Ministerrat sich eine Plattform geschaffen hat,
wo solche Merkwürdigkeiten offen angesprochen werden
können und sollten... wo auch schon einmal die Fetzen
fliegen dürfen, wenn erträgliche Grenzen überschritten
werden. Man weiß ja, daß man einer Gemeinschaft Gleicher
beigetreten ist, daß Beschleichen des Gegners im Bereich
von grobem Unfug liegt!
Was mich persönlich, abseits des juristisch Möglichem und tatsächlich Realisiertem, in allergrößte Verwunderung bringen würde, wären (Re-)aktionen von europäischen Aktivisten wie z.B. Protesten vor der polnischen Botschaft, Boykott von "gleichgeschalteten" Kulturveranstaltungen sowie Aufkündigung der Zusammenarbeit mit den Veranstaltern etc. Leider sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die EU keine Themen, die linke Aktivisten emotional bewegen; und auch die Rechten kriegt man nicht aus dem Haus, sofern es nicht um Ausländer geht (die sich jedoch auf deutschem Boden befinden). Deshalb ist es wichtig, dass auch europäische Medien ihren drangsalierten polnischen Kollegen besitehen, indem sie ausführlichst über diese "Nacht-und-Nebel-Aktionen" gegen Demokratie und Pluralismus (sowie militärische Abwehrstellen) berichten. Es ist auch wichtig, dass sie auf die Resonanz in den sozialen Medien Bezug nehmen, um sowohl demokratisch gesinnten Polen das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein, aber auch der PiS-Regierung die Illusion zu nehmen, sich mit ihren Angriffen auf das Wertefundament dieser Gemeinschaft auf "der Höhe der Zeit" zu befinden. Im privaten Umfeld wird es ohnehin für viele ein Thema sein.
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Di 29. Dez 2015, 15:11 hat geschrieben:
Das ist doch klar! Nur halte ich auch nichts von einer
Verhinderung politischer Maßnahmen mit Hilfe trick-
reich angewandter Geschäftsordnungen.

Damit hatte die Ernennung / Nichtvereidigung
der Verfassungsrichter sicher auch zu tun.
Die Richter passierten ein rechtlich nicht zu beanstandendes Verfahren, an dessen formalen Ende jedoch 5 andere Richter in ausdrücklich verfassungswidriger Weise bestellt und vereidigt wurden. Da gibt es auch nichts zu erklären, weil es Tatsachen sind. Stell Dir einfach vor, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Gesetz für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt, sein Urteil aber ignoriert wird. Da gibt es nichts mehr zu erklären!
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

H2O » 2015-12-29, 14:24 hat geschrieben:
Verflixt noch einmal, können Sie nicht endlich
einmal diese Nazi-Vergleiche unterlassen, wenn
politische Machtwechsel aufgrund demokratisch
einwandfrei durchgeführter Wahlen zu Personalwechseln
in staatlichen Machtstrukturen führen? Jüdische
Professoren saßen nicht an Schaltstellen der
staatlichen Macht, wenn wir die Vergabe von
Examensnoten und Promotionen einmal vernach-
lässigen. Die verloren ihre Stellungen im Staatsdienst
aus rassischen Gründen, nicht wegen einer politischen
Gesinnung!

Da werden hohe Beamte und Gewährsleute
einer abgewählten Partei ersetzt; nach meinem
Geschmack zu tief angesetzt und viel zu hemds-
ärmelig betrieben, was sicherlich den Zusam-
menhalt der politischen Klasse nicht gerade
fördert, sondern eher noch Gelüste nach Ver-
geltung weckt. Aber damit müssen die Polen um-
gehen, nicht wir, und schon gar nicht mit Naziver-
gleichen!
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47052
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-29, 14:49 hat geschrieben: ...
... Da gibt es nichts mehr zu erklären!
Sie müssen nichts erklären! Die Polen werden selbst
diese Abläufe beurteilen und ihre Schlüsse daraus
ziehen... oder auch nicht. Das ist ihr Land und ihre
Politik... leider auch ihr politischer Stil.

In Polen leben genügend viele Leute mit guter Bildung
und Allgemeinbildung; die werden sich äußern und sich
auch in Stellung bringen, wie das bürgerliche Bündnis
KOD (Komitet Obrony Demokracji) schon zeigt.

Nun ist allerdings die EU am Zuge, mit den ihr eigenen
politischen Filtermechanismen.
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Di 29. Dez 2015, 16:21 hat geschrieben:
Sie müssen nichts erklären! Die Polen werden selbst
diese Abläufe beurteilen und ihre Schlüsse daraus
ziehen... oder auch nicht. Das ist ihr Land und ihre
Politik... leider auch ihr politischer Stil.

In Polen leben genügend viele Leute mit guter Bildung
und Allgemeinbildung; die werden sich äußern und sich
auch in Stellung bringen, wie das bürgerliche Bündnis
KOD (Komitet Obrony Demokracji) schon zeigt.

Nun ist allerdings die EU am Zuge, mit den ihr eigenen
politischen Filtermechanismen.
Eine solche Einstellung, die auf Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten setzt, habe auch ich gegenüber Staaten, mit denen wir entweder gar keine Beziehungen haben oder sich diese auf Handel und Wirtschaft beschränken. Gegenüber einem EU-Mitglied, das Teil der europäischen Gesetzgebung ist, die auch mich verpflichtet, kann ich jedoch nicht in gleicher Weise eingestellt sein. Das wäre so, als würde ich als Berliner die Nichteinmischung in die Politik Brandenburgs fordern und tatenlos sowie stumm dabei zusehen, wie Brandenburg z.B. entgegen dem Grundsatz der Bundestreue gegen den Bund arbeitet oder verfassungsrechtlich bedenkliche Strukturen schafft.

Noch haben wir eine EU der Vaterländer nicht; die EU ist auch noch keine reine Freihandelszone - und das ist auch gut so!
Antworten