17. Juni 1953

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zollagent
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17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Ein Datum, das lange Zeit für den Freiheitswillen der (Ost)-Deutschen stand, der lange den Tag der deutschen Einheit symbolisierte. Und das von Seiten des Regimes als "Konterrevolution" und "versuchte Einflußnahme des Westens" verteufelt wurde. Hier wäre ohne das Eingreifen der Sowjetmacht das sozialistische Experiment auf deutschem Boden schon zu Ende gewesen. Wer kennt noch die Ereignisse?
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Dingo
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Dingo »

Meine Eltern waren damals acht und neun Jahre alt. In unserem Geschichtsunterricht war dieser Tag eigentlich nie groß Thema. Wirklich viel weiß ich nicht. Es gab einen Arbeiteraufstand, weil die Zielvorgaben, die die Arbeiter in der Planwirtschaft erreichen sollten, erhöht worden waren. Der Aufstand wurde von Sowjet-Soldaten gewaltsam niedergeschlagen.

Wenn ich z. B. hier nachlese, ist das allerdings ausgesprochen vereinfacht. Am 17. Juni ging es nicht mehr nur um diese Zielvorgaben, auch wenn das der Auslöser gewesen sein mag.


Reinhard Mey singt in "Mein Berlin" darüber, wie er den Tag in Erinnerung hat:
"Dann der Juni-Tag, als der Potsdamer Platz in Flammen stand. Ich sah Menschen gegen Panzer kämpfen mit der bloßen Hand."

Sehr kurz, aber wenn man sich das bildlich vorstellt, ist man vielleicht gar nicht so weit weg von der Realität.


Mich hätte es nicht gestört, wenn der 17.06. weiterhin "Tag der Deutschen Einheit" geblieben wäre. Als "Gedenktag" geht er mittlerweile ziemlich unter.
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frems
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von frems »

'n dominierendes Thema war's bei uns in der Schule auch nicht, aber fiel nun auch nicht unter den Tisch. In Berlin scheint es -- nachvollziehbar -- etwas anders auszusehen. Da gibt's auch regelmäßig Ausstellung zum 17. Juni und es wurden ja auch Plätze und Straßen in prominenter Lage (z.B. durch den Tiergarten an Siegessäule und Schloß Bellevue vorbei bis zum Brandenburger Tor) nach diesem "Ereignis" benannt. Jedenfalls im Westen der Stadt. Von mir aus hätte man den Tag auch beibehalten können, ob nun als Tag der Deutschen Einheit (wobei es um die ja nur am Rande ging), als Tag der Freiheit oder sonsteinen Namen. Ich kann aber auch nachvollziehen, daß man sich bei der Wiedervereinigung dazu entschied ein Datum zu wählen, das nicht durch Ost oder West "vorbelastet" war.
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Ammianus
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Tja, wenn man sich das so vorstellt: Um die Mittagszeit des 17. Juni war die DDR de facto verschwunden. Ihre Regierung hatte sich nach Karlshorst hinter die Mauern sowjetischer Kasernen verkrümelt. Viele treu ergebene Genossen entledigten sich des Bonbons – des Abzeichens mit den beiden abgehackten Händen. Nur in einigen Städten hatte sich ein Rest Staatsmacht vor den andrängenden Demonstranten verschanzt. Aber selbst die hätten ohne die am Nachmittag aufziehenden russischen Panzer wohl spätestens am folgenden Tag aufgegeben.

Pech gehabt, es dauerte noch ein paar Jahrzehnte. Immerhin traten die Kommunisten dann ohne größere Gewaltanwendung zurück. Memoiren statt Laternen – eine weise Entscheidung.


Gibt ein ganz gutes Buch mit Zeitzeugenberichten aus den verschiedensten Städten der DDR über das Geschehen.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Dingo »

Ein 17jähriger aus der Heimatstadt meiner Mutter wurde im Schnellverfahren zum Tod verurteilt. :s Ein Gerichtsvollzieher hatte mehr Glück und saß nur wenige Tage ein.

Die Ereignisse dieses Tages dürfte bei vielen, die eigentlich mit dem System unzufrieden waren, eine tiefsitzende Angst erzeugt haben.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Ganz so harmlos war die Sache nicht. Es gab eine Menge Tote.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Dingo »

Interessanter Link. Demnach wurde der 17jährige, von dem ich eben schrieb, nicht erschossen. Er wurde verhaftet, am 07.07. aber wieder entlassen. Danach hat er die DDR verlassen.

Selbst für Historiker mit Zugang zu ganz anderen Quellen als der normale Internet-Nutzer, die außerdem sehr viel methodischer und mit mehr Zeit recherchieren, dürfte es schwierig sein, genau zu ermitteln, was damals in jedem Einzelfall geschehen ist.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Ändert nichts daran, daß sich hier ein autoritäres Regime mit purer Gewalt im Sattel gehalten hat.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Dingo »

zollagent » Mi 17. Jun 2015, 18:28 hat geschrieben:Ändert nichts daran, daß sich hier ein autoritäres Regime mit purer Gewalt im Sattel gehalten hat.
Hat auch niemand behauptet, glaube ich. Ohne die Sowjet-Panzer wäre das damals sehr wahrscheinlich anderes ausgegangen. Was am Ende draus geworden wäre, wird man nie wissen.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Dingo » Mi 17. Jun 2015, 17:43 hat geschrieben: Hat auch niemand behauptet, glaube ich. Ohne die Sowjet-Panzer wäre das damals sehr wahrscheinlich anderes ausgegangen. Was am Ende draus geworden wäre, wird man nie wissen.
Nun zumindest eine Tradition des Widerstandes gegen autoritäre Regimes wurde so begründet.
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Ammianus
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Die Vorgänge 1953 wie auch 56 in Ungarn, 68 in der Tschechoslowakei, später mehrmals in Polen wo auch jedes Mal Menschen ermordet wurden und am Ende 1989 haben immer eins gezeigt: Die Kommunisten hatten nie eine breite Machtbasis in der von ihnen beherrschten Bevölkerung. Immer wenn der Druck auch nur etwas nachließ kamen Prozesse in Bewegung die zu ihrer Entmachtung geführt hätten oder letztendlich eben auch haben. Herrschen konnten sie nur durch einen beständig aufrecht erhaltenen Druck, die Drohung mit brutalen Sanktionen bei nicht angepasstem Verhalten und in letzter Konsequenz mit offener Gewalt, dann aber meistens mit eigenem oder fremden Militär.

Das hat sich in all den Jahrzehnten ihrer Herrschaft nicht geändert. Die DDR implodierte 89 regelrecht in dem Moment, als die Kommunisten nicht mehr bereit und fähig waren, etwas für ihren Machterhalt zu riskieren. Aber wollten sie das jemals? 1953 tauchten Moskaus deutsche Vasallen ab und überließen den Russen die Dreckarbeit. In Ungarn gab Imre Nagy auf und lenkte das Land getreu dem Mehrheitswillen seiner Bürger auf einen Kurs in Richtung Westen. Dafür wurden er und andere von Stalins Nachfolger und deren einheimischen Dienern ermordet. Im Ergebnis wäre es auch in der CSSR zur Gründung unabhängiger Parteien, freien Wahlen und dem Ende der kommunistischen Herrschaft gekommen. Die Panzerkohorten des Warschauer Pakts feierten auf ihre Art den 30. Jahrestag der Besetzung der „Resttschechei” durch Hitler. Ulbricht war traurig, dass seine Helden an der Grenze halt machen mussten.

Ist der Deckel erst einmal geöffnet und wird Meinungsfreiheit gewährt kommt das Ende automatisch. Schließlich kann man dann lautes Nachdenken über unabhängige Bewegungen und freie Wahlen nicht mehr mit Gefängnis und anderen Terrormaßnahmen sanktionieren.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Cat with a whip »

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Hat ja nicht ganz geklappt, hatten sich wohl nicht genug Totschläger auf den Straßen zusammengerottet.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Dingo »

Cat with a whip » Mi 17. Jun 2015, 21:18 hat geschrieben:
Hat ja nicht ganz geklappt, hatten sich wohl nicht genug Totschläger auf den Straßen zusammengerottet.
Die Russen waren unfair und kamen mit Panzern. Da sind dann Mauersteine als Wurfgeschosse auch nicht wirksamer als Wattebäusche.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Cat with a whip » Mi 17. Jun 2015, 20:18 hat geschrieben:
Hat ja nicht ganz geklappt, hatten sich wohl nicht genug Totschläger auf den Straßen zusammengerottet.
Wer hat dieses skandiert? Wohl nicht wirklich die Mehrheit der Aufständischen, oder? Die wollten doch eher die Rücknahme überhöhter Arbeitsnormen.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Cat with a whip »

Dingo » Mi 17. Jun 2015, 20:37 hat geschrieben: Die Russen waren unfair und kamen mit Panzern. Da sind dann Mauersteine als Wurfgeschosse auch nicht wirksamer als Wattebäusche.
Mauersteine brauchten die doch nicht, die wollten alle Russen totschlagen.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Cat with a whip » Mi 17. Jun 2015, 21:01 hat geschrieben: Mauersteine brauchten die doch nicht, die wollten alle Russen totschlagen.
Und wer waren "die, die Russen totschlagen wollten"?
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Cat with a whip » Mi 17. Jun 2015, 20:18 hat geschrieben:
Hat ja nicht ganz geklappt, hatten sich wohl nicht genug Totschläger auf den Straßen zusammengerottet.
Von den unterschiedlichsten Parolen, die am 17. Juni auf Transparenten erschienen oder von der Menge skandiert wurden hast du dir gerade diese ausgesucht. Warum?
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo zollagent.
zollagent hat geschrieben:Ein Datum, das lange Zeit für den Freiheitswillen der (Ost)-Deutschen stand, der lange den Tag der deutschen Einheit symbolisierte. [...] Wer kennt noch die Ereignisse?
Wenn ich mich richtig erinnere, ging es in erster Linie um die sogenannte "Normenerhöhung" - sprich: die Erhöhung der Arbeitsnormen ... von Einigungswillen war wohl weniger die Rede.
  • (wie auch 1989 anfangs skandiert wurde: "Wir sind das Volk!" - "Wir sind ein Volk!", dieser Ausspruch kam erst später hinzu!)
Der 17. Juni, als Feiertag, war im Grunde genommen ein Relikt des Kalten Krieges ... dessen Sinn wohl schnell vergeßen war. Wobei ich mich immer gefragt habe, was da zu feiern gibt, wenn Menschen gestorben sind?

Für viele war es zudem ein schöner, zusätzlicher Feiertag ... ein zusätzlicher Urlaubstag - mehr nicht.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Der Neandertaler » Fr 19. Jun 2015, 11:52 hat geschrieben:Hallo zollagent.Wenn ich mich richtig erinnere, ging es in erster Linie um die sogenannte "Normenerhöhung" - sprich: die Erhöhung der Arbeitsnormen ... von Einigungswillen war wohl weniger die Rede.
  • (wie auch 1989 anfangs skandiert wurde: "Wir sind das Volk!" - "Wir sind ein Volk!", dieser Ausspruch kam erst später hinzu!)
Der 17. Juni, als Feiertag, war im Grunde genommen ein Relikt des Kalten Krieges ... dessen Sinn wohl schnell vergeßen war. Wobei ich mich immer gefragt habe, was da zu feiern gibt, wenn Menschen gestorben sind?

Für viele war es zudem ein schöner, zusätzlicher Feiertag ... ein zusätzlicher Urlaubstag - mehr nicht.
Die Normerhöhungen waren nur der allererste Auslöser. Am 17. ging schon nicht mehr darum - und auch nicht darum, die Russen totzuschlagen. Vielerorts wurde extra darauf geachtet, die Besatzer gerade nicht zu provozieren.
Es ging dann vorrangig um freie Wahlen, Meinungsfreiheit, die Absetzung der SED-Regierung. "Spitzbart, Bauch und Brille, das ist nicht unser Wille!” war eine der maßgebenden Parolen, und dann natürlich um das Ende der unnatürlichen Teilung.

Dazu soll laut Gromyko Berija auf einer Sitzung des Präsidium des sowjetischen Ministerrats am 27. Mai 1953 gesagt haben:

„Wir brauchen nur ein friedliches Deutschland. Aber ob es dort den Sozialismus gibt oder nicht, ist uns ganz gleich … Die DDR? Was ist sie wert, die DDR? Sie ist ja noch nicht einmal ein richtiger Staat. Sie wird nur durch sowjetische Truppen am Leben erhalten, selbst wenn wir sie mit Deutsche Demokratische Republik betiteln.”

(S. 247 der folgenden Empfehlung)

Kleine Literaturempfehlung: Stefan Wolle, Der große Plan. Alltag und Herrschaft in der DDR 1949-1961.
Lohnt sich wirklich. Sehr informativ und dazu gut und spannend geschrieben. Kein trockenes Geschichtsbuch. Jede Menge Zitate und Vollzitate. So auch Liedtexte wie „Die Partei hat immer recht” und dessen Entstehungs- und Wirkungsgeschichte usw.

(Datum des Berija-Zitats vergessen und nachträglich eingefügt)
Zuletzt geändert von Ammianus am Fr 19. Jun 2015, 16:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Teeernte »

Dingo » Mi 17. Jun 2015, 21:37 hat geschrieben: Die Russen waren unfair und kamen mit Panzern. Da sind dann Mauersteine als Wurfgeschosse auch nicht wirksamer als Wattebäusche.
Es haben auch Deutsche im Panzer gesessen.... nur - "normal" durften sie das nicht - deshalb in Russen Uniform....

Aber ja - der Sieger schreibt in JEDEM Fall die Geschichte.

Seine. - wie er sie gern hätte.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Ammianus.
Ammianus hat geschrieben:Die Normerhöhungen waren nur der allererste Auslöser. Am 17. ging schon nicht mehr darum - und auch nicht darum, die Russen totzuschlagen. Vielerorts wurde extra darauf geachtet, die Besatzer gerade nicht zu provozieren.
Es ging dann vorrangig um freie Wahlen, Meinungsfreiheit, die Absetzung der SED-Regierung. "Spitzbart, Bauch und Brille, das ist nicht unser Wille!” war eine der maßgebenden Parolen, und dann natürlich um das Ende der unnatürlichen Teilung.

Dazu soll laut Gromyko Berija auf einer Sitzung des Präsidium des sowjetischen Ministerrats am 27. Mai 1953 gesagt haben:

„Wir brauchen nur ein friedliches Deutschland. Aber ob es dort den Sozialismus gibt oder nicht, ist uns ganz gleich … Die DDR? Was ist sie wert, die DDR? Sie ist ja noch nicht einmal ein richtiger Staat. Sie wird nur durch sowjetische Truppen am Leben erhalten, selbst wenn wir sie mit Deutsche Demokratische Republik betiteln.”

(S. 247 der folgenden Empfehlung)

Kleine Literaturempfehlung: Stefan Wolle, Der große Plan. Alltag und Herrschaft in der DDR 1949-1961.
Lohnt sich wirklich. Sehr informativ und dazu gut und spannend geschrieben. Kein trockenes Geschichtsbuch. Jede Menge Zitate und Vollzitate. So auch Liedtexte wie „Die Partei hat immer recht” und dessen Entstehungs- und Wirkungsgeschichte usw.

(Datum des Berija-Zitats vergessen und nachträglich eingefügt)
Dem will ich nicht wiedersprechen - warum auch und wie?
  • (ich kann nur das sagen, was mein Vater erzählt hat - er war beruflich sehr oft in West-Berlin ... dort erzählte man dies so.)
Trotzdem: Danke für den Literatur-Tip!
Was ich aber wirklich mit meinem Gebrabbel sagen wollte: Dieser Feiertag war kein Gedenktag wie er im Buche steht - schon garnicht sollte er das beinhalten, was sein Name verspricht - die Einheit! Diese, wie viele nachträglich eingefügte "Versprechen", waren nichts als Lügen - es mußte nur gegen den "Klassenfeind" gerichtet sein.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Der Neandertaler » Fr 19. Jun 2015, 15:51 hat geschrieben:Hallo Ammianus.Dem will ich nicht wiedersprechen - warum auch und wie?
  • (ich kann nur das sagen, was mein Vater erzählt hat - er war beruflich sehr oft in West-Berlin ... dort erzählte man dies so.)
Trotzdem: Danke für den Literatur-Tip!
Was ich aber wirklich mit meinem Gebrabbel sagen wollte: Dieser Feiertag war kein Gedenktag wie er im Buche steht - schon garnicht sollte er das beinhalten, was sein Name verspricht - die Einheit! Diese, wie viele nachträglich eingefügte "Versprechen", waren nichts als Lügen - es mußte nur gegen den "Klassenfeind" gerichtet sein.
Dem widerum muß ich widersprechen. Ich habe diesen Tag immer als Gedenktag für ein einiges Deutschland erlebt. Was jedesmal wütende Reaktionen bei den auf Abgrenzung bedachten DDR-Funktionären auslöste. Nach deren Lesart war ja der Aufstand vom Westen initiiert. Übrigens eine interessante Parallele zu den Ereignissen in der Ukraine. Und derselbe, der Panzer rollen läßt, um seine vermeintlichen Ansprüche zu zementieren.

Interessant auch, wie dieser Tag jeweils begangen wurde: Im Osten habe ich oft Paraden militärischer Art gesehen, mit denen demonstriert werden sollte, daß die Reaktion die Gleiche wäre wie 1953, im Westen eher Volksfeststimmung und Feierlaune. Garniert natürlich mit Reden von auch im Westen vorhandenen kalten Kriegern. Nur, wer nahm die zur Kenntnis?
Zuletzt geändert von zollagent am Sa 20. Jun 2015, 12:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo zollagent.
zollagent hat geschrieben:Dem widerum muß ich widersprechen. Ich habe diesen Tag immer als Gedenktag für ein einiges Deutschland erlebt.
Dein Empfinden in allen Ehren - es war aber auch mein Ansicht, es ändert aber nichts an der Tatsache, daß andere dies nicht so gewollt oder derart gedacht haben. Ich meine mich an eine seinerzeitige Reportage des RIAS-Berlin zu erinnern, in der es eben um diese Frage nach dem Sinn und Zeck dieses Tages ging ... nach den Erinnerungen, was diesem Tage zugrunde liegt.
Die Antworten waren haarsträubend ... eine Umfrage in (West-) Berlin! Kurz und nicht gut - es kam genauso: Viele sahen in diesem Tag lediglich eine zusätzlichen Urlaubstag. Hintergrund? Nix - ničevo - nada!
Nach DDR-Lesart war die Mauer ja auch um des Friedenswillen errichtet worden. Trotzdem war dieser 17. Juni und die Assoziation mit der Wiedervereinigung eine Metapher ... eine "Erfindung" des Kalten Krieges.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von kammps »

zollagent » Sa 20. Jun 2015, 12:36 hat geschrieben: Ich habe diesen Tag immer als Gedenktag für ein einiges Deutschland erlebt. Was jedesmal wütende Reaktionen bei den auf Abgrenzung bedachten DDR-Funktionären auslöste.
Deine Empfindungen und Dein Erleben haben Reaktionen bei DDR-Funktionären ausgelöst? :D :D
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Nichtwähler »

kammps » 20.06.2015, 15:09 hat geschrieben: Deine Empfindungen und Dein Erleben haben Reaktionen bei DDR-Funktionären ausgelöst? :D :D
Wenn man die vielen DDR Funktionäre persönlich - so per DU kennt - so what ......... :D :D :D
Zuletzt geändert von Nichtwähler am Sa 20. Jun 2015, 17:27, insgesamt 1-mal geändert.
Tatsachen hören nicht auf zu existieren, nur weil sie ignoriert werden.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

kammps » Sa 20. Jun 2015, 14:09 hat geschrieben: Deine Empfindungen und Dein Erleben haben Reaktionen bei DDR-Funktionären ausgelöst? :D :D
Die Gedenktage für ein einiges Deutschland ganz sicher. Ob meine persönlichen, wohl nur, wenn ich gerade in dieser Zeit (war ja Ferienzeit) bei meinem Großonkel war. Ein kleines Dorf bei Magedburg, in dem sich die Vertreter der Partei nie wirklich wohl fühlten...... :D
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Teeernte »

zollagent » So 21. Jun 2015, 01:21 hat geschrieben: Die Gedenktage für ein einiges Deutschland ganz sicher. Ob meine persönlichen, wohl nur, wenn ich gerade in dieser Zeit (war ja Ferienzeit) bei meinem Großonkel war. Ein kleines Dorf bei Magedburg, in dem sich die Vertreter der Partei nie wirklich wohl fühlten...... :D
`53 + "Ferienzeit" - du bist 72 Jahre alt ?

Das Dorf MUSS in der ehemaligen Abluftfahne von Fahlberg liegen..... :D (..in dem sich die Vertreter der Partei nie wirklich wohl fühlten.)

Nebenbei :
Die publizistische Hilfe des Rias zugunsten der Aufbegehrenden trug dem Sender später die Ehre ein, als "Drahtzieher der Erhebung" in die Geschichte einzugehen. Bei der SED geriet der damals 31-jährige Bahr sofort in Misskredit, machte man ihn in Ost-Berlin doch für den "faschistischen Putschversuch der USA" mit verantwortlich.
EX-MINISTER EGON BAHR ERINNERT SICH AN DEN 17. JUNI 1953.....http://www.handelsblatt.com/politik/deu ... 52630.html
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Oh ja, der RIAS. Unvergesslich "Rock over RIAS” irgendwann in längst vergangenen Zeiten, kurz nachdem im Alten Reich die Pyramiden gebaut wurden und das letzte Mammut im späteren Sibirien starb. Eine Woche lang Punk und New Wave als das alles noch wirklich neu war und elektrisierend. Spätabends von der Zwangsarbeit im VEB Elektromotorenwerk auf die Zelle gekommen, mit dem selbstgebauten Tauchsieder einen frischen, illegal eingeschmuggelten Tee gebrüht. Stilvoll in ein Glas gefüllt, dass aus einer leeren Sirupflasche hergestellt. Dann den Transi, dieses Wunderwerk der Technik, klein wie eine Streichholzschachtel im sauber und geschmackvoll bearbeiteten Plastikgehäuse. Drei Transistoren verstärkten in ihm das Mittelwellensignal aus dem Amerikanischen Sektor Berlins, dass die Kommunisten seit neuestem nicht mehr störten. Die Kopfhörer, hergestellt aus den Schraubdeckeln von Obstgläsern, mit einem Gummiband am Kopf fixiert und hin und wieder ein Pfeifchen mit „Schwarzem Krauser” gestopft. Was für herrliche Nächte, die einen all das rote Elend für ein paar Stunden vergessen ließen.

Danke Radio Im Amerikanischen Sektor. Danke. Danke. Danke.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von kammps »

zollagent » So 21. Jun 2015, 01:21 hat geschrieben: Ob meine persönlichen, wohl nur, wenn ich gerade in dieser Zeit (war ja Ferienzeit) bei meinem Großonkel war. Ein kleines Dorf bei Magedburg,
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Zuletzt geändert von Dark Angel am Fr 26. Jun 2015, 10:55, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

kammps » So 21. Jun 2015, 19:07 hat geschrieben: ...
Es gab Reaktionen bei DDR-Funktionären, wann und wo immer die Rede auf den Volksaufstand kam. Das weißt du auch, aber das Thema ist unangenehm für dich, deswegen versuchst du es zu zerreden. Damals war's schon absehbar und heute wissen wir es: Der Kommunismus ist tot.
Zuletzt geändert von Dark Angel am Fr 26. Jun 2015, 10:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von kammps »

zollagent » So 21. Jun 2015, 23:55 hat geschrieben: Es gab Reaktionen bei DDR-Funktionären, wann und wo immer die Rede auf den Volksaufstand kam.
ad personam Spam entfernt. Mod.
Zuletzt geändert von Dark Angel am Mo 22. Jun 2015, 08:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Cat with a whip »

Ammianus » Do 18. Jun 2015, 12:46 hat geschrieben:
Von den unterschiedlichsten Parolen, die am 17. Juni auf Transparenten erschienen oder von der Menge skandiert wurden hast du dir gerade diese ausgesucht. Warum?
Weil dieser Slogan zum Gesamtbild gehört. Wenn man diese Willensbekundungen erst nimmt ist eine gewalttätige Niederschlagung durch die Staatsmacht verständlich, begründbar und sogar geboten. Ob einem das persönlich schmeckt oder politisch opportun ist, ist dabei zunächst unerheblich. Er zeigt zudem die moralischen Niederungen und alten Reflexe auf, auf die sich der Aufstand zum Teil gründet. Dass dieser Slogan nicht ins Bild der edlen Freiheitskämpfer passt, ist ja verständlich und gerade deswegen habe ich ihn gesondert zitiert. Wer sich dran stößt hat offenbar ein Problem damit. Da sollte er mal klären.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Cat with a whip » Mo 22. Jun 2015, 14:15 hat geschrieben:Weil dieser Slogan zum Gesamtbild gehört. Wenn man diese Willensbekundungen erst nimmt ist eine gewalttätige Niederschlagung durch die Staatsmacht verständlich, begründbar und sogar geboten. Ob einem das persönlich schmeckt oder politisch opportun ist, ist dabei zunächst unerheblich. Er zeigt zudem die moralischen Niederungen und alten Reflexe auf, auf die sich der Aufstand zum Teil gründet. Dass dieser Slogan nicht ins Bild der edlen Freiheitskämpfer passt, ist ja verständlich und gerade deswegen habe ich ihn gesondert zitiert. Wer sich dran stößt hat offenbar ein Problem damit. Da sollte er mal klären.
Die gewalttätige Niederschlagung durch die Staatsmacht war aber nicht in solchen Aussprüchen begründet, zumal die ganz offenbar nur von wenigen skandiert wurden. Das ist nichts weiter als das Feigenblatt, mit dem der gewaltsame Erhalt eines Repressionsregimes getarnt werden sollte.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Cat with a whip » Mo 22. Jun 2015, 14:15 hat geschrieben:Weil dieser Slogan zum Gesamtbild gehört. Wenn man diese Willensbekundungen erst nimmt ist eine gewalttätige Niederschlagung durch die Staatsmacht verständlich, begründbar und sogar geboten. Ob einem das persönlich schmeckt oder politisch opportun ist, ist dabei zunächst unerheblich. Er zeigt zudem die moralischen Niederungen und alten Reflexe auf, auf die sich der Aufstand zum Teil gründet. Dass dieser Slogan nicht ins Bild der edlen Freiheitskämpfer passt, ist ja verständlich und gerade deswegen habe ich ihn gesondert zitiert. Wer sich dran stößt hat offenbar ein Problem damit. Da sollte er mal klären.
Den von dir zitierte Satz habe ich jetzt in voller Länge bei Google eingegeben. Dabei stellt sich heraus, das er nur in wohl 3 Netzquellen, die auch immer nur den gleichen Text bringen, vorkommt. Dazu auch noch einige französische Texte, die mangels Sprachkenntnis von mir nicht einzuordnen sind.

Bei dieser Quellenlage verbietet es sich von selbst, diesen Satz auch nur als einen unter vielen zu bringen. Ihn aber sogar noch in den Vordergrund zu stellen und sogar als Grundlage für ein Relativierung kommunistischer Gewaltherrschaft zu nutzen hat dann schon etwas disqualifizierendes.

Seine Authentizität zu überprüfen wäre nun eher Aufgabe für eine Übung in einem historischen Studiengang an einer Universität, jedenfalls aber doch mit einem beträchtlichen Arbeitsaufwand verbunden. Stutzig macht zwar die verquaste Sprache der Losung. Das kann aber zeitbedingt sein oder, falls er sich tatsächlich auf einem Transparent befunden haben sollte, an der „Formulierungskunst” des Verfassers gelegen haben.

Möglich wäre ein solcher Satz allerdings. Dabei könnte alter von den Nazis eingeimpfter Russenhass genau so Pate gestanden haben wie durch eigenes Erleben in der Nachkriegszeit entstandener, selbstverständlich auch eine Kombination von beidem. Andererseits widerspricht dem die in anderen Quellen oft geschilderte Tendenz unter den Demonstrationsteilnehmer, jegliche Provokation der Besatzer zu vermeiden, da man wusste, gegen diese keine Chance zu haben.

Fazit: So lange keine gesicherten Quellen für diese Parole vorliegen, ist es unmöglich darüber zu diskutieren, jede weitere Verwendung wäre absolut unseriös.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Cat with a whip »

Die Quelle (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg) stammt nicht von mir, sondern wurde vom TO selbst im Eingangsposting benannt. Nun könnten wir alles was uns nicht gefällt aufgrund Instantrecherche bei google als "absolut unseriös" oder "ungesichert" zurückweisen, weil keine häufigen Treffer angezeigt werden. Aber so gehts leider auch irgendwie nicht.
Zuletzt geändert von Cat with a whip am Mo 22. Jun 2015, 18:31, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Cat with a whip » Mo 22. Jun 2015, 17:28 hat geschrieben:Die Quelle (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg) stammt nicht von mir, sondern wurde vom TO selbst im Eingangsposting benannt. Nun könnten wir alles was uns nicht gefällt aufgrund Instantrecherche bei google als "absolut unseriös" oder "ungesichert" zurückweisen, weil keine häufigen Treffer angezeigt werden. Aber so gehts leider auch irgendwie nicht.
Einen Begriff herausgreifen und den als Grund für die Niederschlagung hinstellen zu wollen, dürfte schon den Tatbestand der Geschichtsklitterung erfüllen. Er war Teil einer Reihe von Parolen. Du aber formulierst das so, als sei dieser Spruch das Einzige. War er nicht. Wichtiger war die Infragestellung der Macht des Regimes. Den fraglichen Textbestandteil mal hier:


"Freie Wahlen",
"Abzug der Russen",
"Nieder mit Walter Ulbricht",
"Wir wollen nicht nur haben Brot, sondern wir schlagen alle Russen tot",
"Wir fordern den Generalstreik",
"Nieder mit der deutsch-sowjetischen Freundschaft",
"Wir brauchen keine SED",
"Wir brauchen keine Volksarmee",
"Nieder mit der Regierung Grotewohl".
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Cat with a whip » Mo 22. Jun 2015, 17:28 hat geschrieben:Die Quelle (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg) stammt nicht von mir, sondern wurde vom TO selbst im Eingangsposting benannt. Nun könnten wir alles was uns nicht gefällt aufgrund Instantrecherche bei google als "absolut unseriös" oder "ungesichert" zurückweisen, weil keine häufigen Treffer angezeigt werden. Aber so gehts leider auch irgendwie nicht.
Ich bin dem Link des Strangerstellers nicht gefolgt, weil ich selbst relativ gut über die Ereignisse des 17. Juni informiert bin. Ein Buch zur DDR-Geschichte habe ich ja auch erwähnt. Wie auch immer, die entsprechende Parole war mir unbekannt. Im Netz findet sie sich nur in dieser einen Quelle. Bekannt war mir eine Parole wie: "Gebt uns Freiheit, Geld und Brot sonst schlagen wir die Bonzen tot!"

Was ich von der Parole halte habe ich erörtert. Dein Hinweis auf "alles was uns nicht gefällt" hättest du dir sparen können, wenn du diese Erörterungen in denen ich auch auf die Möglichkeit der Existenz verwies gelesen oder, falls du sie gelesen, verstanden hättest.

Doch wie auch immer, mit dieser dünnen Quellenlage wird jemand mit auch nur einem Ansatz von Selbstachtung nicht derart verfahren, dass er sie in den Mittelpunkt seiner Argumentation stellt. Jedenfalls würde ich das nicht tun bzw. wenn ich es getan habe und man mich auf diesen Umstand verweist das fragwürdige meiner Argumentation erkennen, korrigieren und zu einem derartigen Fehler stehen.
Aber jedem das Seine.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Cat with a whip »

falls du sie gelesen
Diesen Absatz nicht. Nicht böse sein. Übrigens machte ich den Slogan nicht zum zentralen Argument, sondern hatte ihn in den Konjunktiv gesetzt.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Cat with a whip »

Die Spontaneität der Erhebung war bereits ihr Scheitern. Es fehlte die übergreifende Koordination. Die Parole des "Russen totschlagens" mag dazu nur noch einen sinnbildlichen Charakter haben, denn er zeigt wie anarchisch sich die Revolution vollzog.
Die verschiedenen Streikleitungen bemühten sich, Sachbeschädigungen und Gewalt gegen Personen zu verhindern, wobei sie meist wenig Einfluss auf die Geschehnisse außerhalb ihrer Betriebe hatten. Sie waren außerdem auf die strikte Einhaltung demokratischer Regeln bedacht und vermieden antisowjetische Losungen, da ihnen bewusst war, dass gegen die Sowjetunion keine gesellschaftliche Veränderung in der DDR erreicht wird. In einigen Städten (z. B. Leipzig, Schkeuditz, Görlitz) bildeten sich während des Aufstandes überbetriebliche Organisationsstrukturen heraus, die die bereits spontan entstandenen Massendemonstrationen koordinierten. In anderen Städten (z. B. Dresden, Halle) entwickelten sich die Massendemonstrationen eigendynamisch und unabhängig von den Streikleitungen. Der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder war in den Streikleitungen – im Gegensatz zu der späteren SED-Propaganda – sehr gering. Die meisten Streikaktivisten waren parteilos, wobei sich unter ihnen viele ausgeschlossene SED-Mitglieder, darunter häufig ehemalige Sozialdemokraten, befanden. Führende Akteure in den Streikleitungen waren oft ältere Arbeiter, technische oder kaufmännische Angestellte, die auf ihre Erfahrungen im politischen und gewerkschaftlichen Kampf vor 1933 zurückgreifen konnten.

Allerdings konnten sich herausragende Akteure des Aufstands, wie der Berliner Brigadier Alfred Metzdorf, der Görlitzer Rentner Max Latt, der selbständige Fotograf Lothar Markwirth und der Karosseriebauer Erich Maroske aus Niesky oder die Streikführer des VEB ABUS Dresden Wilhelm Grothaus und Fritz Saalfrank nicht als Führungspersönlichkeiten des gesamten Aufstands profilieren. Der Aufstand des 17. Juni war eine spontane Massenerhebung bzw. eine kollektive Volksbewegung ohne zentrale Führung und ohne einheitliche Strategie. Einige Historiker sehen hierin eine Ursache für das Scheitern des Aufstands.[47]
https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_ ... rachtungen
Zuletzt geändert von Cat with a whip am Mo 22. Jun 2015, 21:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von zollagent »

Cat with a whip » Mo 22. Jun 2015, 20:24 hat geschrieben:Die Spontaneität der Erhebung war bereits ihr Scheitern. Es fehlte die übergreifende Koordination. Die Parole des "Russen totschlagens" mag dazu nur noch einen sinnbildlichen Charakter haben, denn er zeigt wie anarchisch sich die Revolution vollzog.


https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_ ... rachtungen
Aber diese Parole dann als Aufhänger für eine Argumentation herzunehmen, die eine militärische Niederschlagung einer Protestbewegung begründen soll, erscheint mir dann als höchst fragwürdig.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Vizegott »

zollagent hat geschrieben:(17 Jun 2015, 13:13)

Ein Datum, das lange Zeit für den Freiheitswillen der (Ost)-Deutschen stand, der lange den Tag der deutschen Einheit symbolisierte. Und das von Seiten des Regimes als "Konterrevolution" und "versuchte Einflußnahme des Westens" verteufelt wurde. Hier wäre ohne das Eingreifen der Sowjetmacht das sozialistische Experiment auf deutschem Boden schon zu Ende gewesen. Wer kennt noch die Ereignisse?

Wir wissen eben nicht wir die westlichen besatzungsmächte bei ähnlichen vorfällen regieren würden.

Beim massaker von paris 61 oder oder 72 der blutsonntag in Nordirland zeigt doch das auch westliche Staaten nicht eben zimperlich waren.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Helmuth_123 »

Vizegott hat geschrieben:(29 Apr 2017, 02:55)

Wir wissen eben nicht wir die westlichen besatzungsmächte bei ähnlichen vorfällen regieren würden.

Beim massaker von paris 61 oder oder 72 der blutsonntag in Nordirland zeigt doch das auch westliche Staaten nicht eben zimperlich waren.
Die westlichen Siegermächte waren so klug, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, dass es zu einem Volksaufstand kommt.
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Ammianus
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Ammianus »

Vizegott hat geschrieben:(29 Apr 2017, 02:55)

Wir wissen eben nicht wir die westlichen besatzungsmächte bei ähnlichen vorfällen regieren würden.

Beim massaker von paris 61 oder oder 72 der blutsonntag in Nordirland zeigt doch das auch westliche Staaten nicht eben zimperlich waren.
Warum hätte die westdeutsche Bevölkerung sich erheben sollen? Der Bundestag war von fast 80 Prozent der Bevölkerung gewählt, 70 Prozent stimmten für CDU, SPD, FDP.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von odiug »

Vizegott hat geschrieben:(29 Apr 2017, 02:55)

Wir wissen eben nicht wir die westlichen besatzungsmächte bei ähnlichen vorfällen regieren würden.

Beim massaker von paris 61 oder oder 72 der blutsonntag in Nordirland zeigt doch das auch westliche Staaten nicht eben zimperlich waren.
68 und RAF Terror ... da war weit und breit kein amerikanischer Panzer auf den Strassen West-Deutschlands zu sehen.
Also wir wissen sehrwohl, wie die Westmaechte reagierten.
Ausserdem konnten West-Deutsche streiken, ohne dass auf sie geschossen wurde.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von H2O »

Vizegott hat geschrieben:(29 Apr 2017, 02:55)

Wir wissen eben nicht wir die westlichen besatzungsmächte bei ähnlichen vorfällen regieren würden.

Beim massaker von paris 61 oder oder 72 der blutsonntag in Nordirland zeigt doch das auch westliche Staaten nicht eben zimperlich waren.
"Die Westmächte" haben sich aber nicht zu irgendwelchen Handlungen hinreißen lassen, seit die Bundesrepublik 1949 gegründet worden war bis zur Wiedererlangung der vollen Handlungsfähigkeit Deutschlands in den Verträgen zur Wiedervereinigung. Dadurch, daß sie in dem Sinne nichts getan haben, ist also die Möglichkeit geblieben, daß sie es hätten tun können. :) Mannomann, das humpelt jetzt aber gewaltig. Die Sowjetunion wollte eben ihre Kriegsbeute behalten, hat sie mit Klauen und Zähnen verteidigt.

Der 17. Juni 1953 war in der Bundesrepublik Deutschland als nationaler Feiertag zum Sommeranfang ein sehr unglücklicher Zeitpunkt. Allen Leuten war im Abstand einiger Jahrzehnte eher nach Würstchengrillen und Radtour zu Mute, und dann kommt da im Kalender ein ernster Feiertag, an dem jedermann Betroffenheit zeigen sollte. Wirklich nicht schön, aber wohl menschlich, wenn der Abstand zum schrecklichen Geschehen wächst.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von Misterfritz »

H2O hat geschrieben:(30 Apr 2017, 08:11)Der 17. Juni 1953 war in der Bundesrepublik Deutschland als nationaler Feiertag zum Sommeranfang ein sehr unglücklicher Zeitpunkt. Allen Leuten war im Abstand einiger Jahrzehnte eher nach Würstchengrillen und Radtour zu Mute, und dann kommt da im Kalender ein ernster Feiertag, an dem jedermann Betroffenheit zeigen sollte. Wirklich nicht schön, aber wohl menschlich, wenn der Abstand zum schrecklichen Geschehen wächst.
Das halte ich aber für lächerlich, schliesslich kann man nicht erwarten, dass solche Ereignisse auf den "passenden" Tag gelegt werden.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von H2O »

Misterfritz hat geschrieben:(30 Apr 2017, 09:06)

Das halte ich aber für lächerlich, schliesslich kann man nicht erwarten, dass solche Ereignisse auf den "passenden" Tag gelegt werden.
Wo Sie Recht haben, da haben Sie Recht!

Königin Elizabeth II feiert ihren Geburtstag mit Parade und in jüngeren Jahren hoch zu Roß im Juni, weil dann in GB das Wetter meist sehr gut ist. Man hätte den Gedenktag zum 17. Juni 1953 in den November legen sollen... dann ist ohnehin alles grau in grau, und kaum jemand versündigt sich mit Freizeitbeschäftigungen. Am Ende haben auch nur noch wenige Unerschütterliche an die Deutsche Einheit geglaubt. 45 Jahre Teilung sind doch eine lange Zeit!

Ich meine, man hätte den 17. Juni 1953 im Westen Jahrzehnte lang mit schlechtem Gewissen als Freizeit genutzt. Denn am 17. Juni 1953 sind ja etliche Leute ermordet worden und andere in den Knast nach DDR-Muster gesteckt worden. Da paßt der Grillspaß im Freien nicht so richtig...
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von busse »

H2O hat geschrieben:(30 Apr 2017, 11:26)

Wo Sie Recht haben, da haben Sie Recht!

Königin Elizabeth II feiert ihren Geburtstag mit Parade und in jüngeren Jahren hoch zu Roß im Juni, weil dann in GB das Wetter meist sehr gut ist. Man hätte den Gedenktag zum 17. Juni 1953 in den November legen sollen... dann ist ohnehin alles grau in grau, und kaum jemand versündigt sich mit Freizeitbeschäftigungen. Am Ende haben auch nur noch wenige Unerschütterliche an die Deutsche Einheit geglaubt. 45 Jahre Teilung sind doch eine lange Zeit!

Ich meine, man hätte den 17. Juni 1953 im Westen Jahrzehnte lang mit schlechtem Gewissen als Freizeit genutzt. Denn am 17. Juni 1953 sind ja etliche Leute ermordet worden und andere in den Knast nach DDR-Muster gesteckt worden. Da paßt der Grillspaß im Freien nicht so richtig...
Knast wäre ja noch schön, die meisten kamen in Arbeitslager z.B. Klotzsche (Flughafenbau) Tagebaue oder Wismut in Aue und Gera bei Wassersuppe mit ein Stück Brot und Sonntags Fleisch bei Normerfüllung (Vergütung bei 110 % Normerfüllung 0,11 Pfg /Std ).
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von H2O »

busse hat geschrieben:(03 May 2017, 17:25)

Knast wäre ja noch schön, die meisten kamen in Arbeitslager z.B. Klotzsche (Flughafenbau) Tagebaue oder Wismut in Aue und Gera bei Wassersuppe mit ein Stück Brot und Sonntags Fleisch bei Normerfüllung (Vergütung bei 110 % Normerfüllung 0,11 Pfg /Std ).
busse
Dieser Rachevollzug war für uns im Westen Deutschlands sehr weit weg; mag sein, daß sogar solche Berichte und Tatsachen gelegentlich hier auftauchten... aber das Leben geht weiter, und das Leben wird gefeiert von jenen, die gerade einmal nicht höchstselbst gequält werden. Nach entsprechend mahnenden Sonntagsreden dann eben mit einem schlechten Gewissen.

Insofern ist es richtig, daß dieser Gedenktag nicht mehr als gesetzlicher Feiertag zu leichtfüßiger Freizeitbeschäftigung veranlaßt.
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Re: 17. Juni 1953

Beitrag von busse »

H2O hat geschrieben:(03 May 2017, 17:41)

Dieser Rachevollzug war für uns im Westen Deutschlands sehr weit weg; mag sein, daß sogar solche Berichte und Tatsachen gelegentlich hier auftauchten... aber das Leben geht weiter, und das Leben wird gefeiert von jenen, die gerade einmal nicht höchstselbst gequält werden. Nach entsprechend mahnenden Sonntagsreden dann eben mit einem schlechten Gewissen.

Insofern ist es richtig, daß dieser Gedenktag nicht mehr als gesetzlicher Feiertag zu leichtfüßiger Freizeitbeschäftigung veranlaßt.
Das kann ich nachvollziehen, nur stellt sich mir eine Frage, die Haftbedingungen wurden in der Zeit des Kalten Krieges sehr thematisiert (Medien), die Erfassungsstelle Salzgitter hat jedes Jahr Berichte herausgegeben. Die Selbsterkenntnis der Bundesbürger zum 17. Juni ist hinsichtlich eines Aspektes nicht uninteressant, nämlich die Selbstgerechten die auf die Nazizeit verweisen das ja alles vom damaligen Volk mitgetragen weil bewußt in Kauf genommen und man deshalb eine Kollektivschuld ableitete.
Dieselben gingen dann "leichtfüßig" in die Freizeitbeschäftigung.....natürlich mit schlechten Gewissen.
busse
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