SoleSurvivor » Mo 23. Sep 2013, 19:34 hat geschrieben:
Was für ein Unsinn. Alle rotrotgrünen Koalitionen, etwa kurzzeitig in Berlin oder als Tolerierung in Sachsen-Anhalt kamen nur durch etliche Zugeständnisse der Linken zustande. So wäre es auch in Hessen gewesen. Die SPD-Anhänger agieren hier mit Doppelstandards und merken es nicht mal.
Eh, genau das sagte ich und hat gerade erst Gysi verkündet: Die Linke muß sich kompromißbereit zeigen statt sich nur beleidigt in die Ecke zu stellen. Das heißt auch mal, daß manch Forderung im Koalitionsvertrag ausgeklammert wird. Oder man sich bei manchen Positionen in der Mitte trifft. Das ist, wie Du richtig sagst, nur möglich, wenn die Linken auch mal Zugeständnisse machen. Und das ist nicht unbedingt nur ein "Es sind auch 1.000 statt 1.050 Grundeinkommen erstmal ausreichend". Wenn Du Deine notorische "Alle toll außer SPD"-Haltung hier verkünden willst, bist Du bloß mit den regelmäßigen ad-hominem-Versuchen bei mir an falscher Stelle. Da hilft auch keine fünfte Andeutung, um die Tatsachen auszublenden bzw. von ihnen abzulenken.
Diesen Spielraum bietet die Linke jederzeit an und meistens gibt sie eher zuviel weg als zu wenig, siehe Berlin. Dasselbe Problem hatte zuletzt die FDP.
Dann soll sie halt weniger "geben" und nicht mitregieren. Liegt weiterhin in ihrer Hand. Nun hätte man im Bundestag eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Nutzen muß man sie natürlich nicht. Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün tun es auch. Ob die Stammwähler der Linken das besser für ihre Interessen finden, weiß ich nicht.
Die Euphorie mag etwas überraschen, wenn man das Ergebnis mit dem der Bundestagwahl von 2009 vergleicht. Damals hatte die Linke fast zwölf Prozent der Stimmen bekommen, ein Zuwachs von 3,2 Prozentpunkten gegenüber 2005. Rein zahlentechnisch geht sie aus dieser Wahl also als Verliererin hervor.
Allerdings würde das den historischen Kontext ausblenden. Denn zwischen 2009 und 2013 liegt eine beispiellose Parteikrise und der legendäre Parteitag von Göttingen. Beinahe hätten die verschiedenen Flügelkämpfe, die durch eine schwache Parteiführung noch befeuert wurden, die Linke in die Selbstvernichtung getrieben.
Wer dem eigenen parteipolitischen Tod ins Auge geblickt hat, wird dankbar für Dinge, die ihm zuvor selbstverständlich schienen. Für das Verbleiben im Bundestag etwa. Die Begeisterung der Linke-Anhänger am Wahlabend fiel deshalb noch größer aus als 2009.
Viel anfangen wird die Linke mit ihrer relativen Macht aber nicht können. Denn politisch bleibt sie weiterhin isoliert. Sowohl SPD als auch Grüne haben eine Koalition mit ihr genauso kategorisch ausgeschlossen wie eine Tolerierung durch sie. Welches Schicksal Wortbrüchigen in dieser Frage droht, hat der Fall der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti gezeigt. Dennoch erneuerte Gysi am Wahlabend sein Angebot: "Für Gespräche stehen wir zur Verfügung."
Aber auch ohne Druck von außen wird sich die Linke in den kommenden vier Jahren entscheiden müssen. Definiert sie sich weiter in der Fundamentalopposition, oder will sie im Bund irgendwann mitregieren? Im Wahlkampf hat die Partei unterschiedliche Signale ausgesandt. Mal dienten sich die beiden Parteichefs Bernd Riexinger und Katja Kipping offen bei der SPD als Koalitionspartner an.
Dann wieder betonten sie die Unverhandelbarkeit ihrer "Haltelinien", zu denen unter anderem die Forderung nach einer sofortigen Beendigung aller Militäreinsätze sowie ein Stopp von Privatisierungen zählen. Mit dieser Doppelstrategie bediente die Spitze ihre unterschiedlichen Zielgruppen, die ostdeutschen Pragmatiker genauso wie die westdeutschen Fundamentalisten. Doch eine weitere Legislatur wird diese Taktik nicht funktionieren.
Auf dem Parteitag im Juni in Dresden hat Gregor Gysi in seiner Rede anklingen lassen, welche Marschrichtung er für die Linke sieht. "Wir können jetzt noch einen Schritt weitergehen", sagte er damals und betonte, dass die Linke für eine linke Mehrheit kämpfe.
Der Fraktionschef wird versuchen, die Linke auf rot-rot-grüne Koalitionstauglichkeit zu trimmen. Hilfreich wird für ihn dabei sein, dass der Einfluss der Westverbände in der neuen Fraktion geringer sein wird als in der vergangenen. In ihr hatte die West-Linke durch das starke Wahlergebnis von 2009 einen überproportional großen Anteil ausgemacht.
http://www.welt.de/politik/wahl/bundest ... elden.html