Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Moderator: Moderatoren Forum 7

Benutzeravatar
Progressiver
Beiträge: 2656
Registriert: So 1. Apr 2012, 00:37
Wohnort: Baden-Württemberg

Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Progressiver »

Die Philosophen der Aufklärung hatten zwar tolle Werte. Spätestens seit Hitlers Machtübernahme und den darauffolgenden Barbareien sollte aber allen klar sein, daß deren Ideale so gut wie nicht überlebt bzw. sich durchgesetzt hatten. Die KZ-Wärter unter Himmler spielten zwar klassische Musik und waren scheinbar ganz feingeistig. Aber andererseits vergasten sie gleichzeitig Millionen von Menschen, während der Großteil der Deutschen aus strammen Mitläufern und Untertanen bestand, die niemals in Massen den offenen Aufstand gegen das System wagten, sondern stattdessen treu bis in den eigenen Tod für die Obrigkeit kämpfte.

Wenn man die Zeit weiter zurückdreht, wird dieser Geist schon viel früher sichtbar. Einerseits galt Deutschland als das Land der Dichter und Denker. Andererseits wird dieser Geist schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten treffend mit Heinrich Manns Roman "Der Untertan" beschrieben, in dem die Hauptperson, kurz gesagt, vor allem Obrigkeitshörigkeit statt Zivilcourage zeigt.

Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken. Und ließ man sich früher für Kaiser, Gott, Vaterland, den vergötterten Hitler einspannen, so glauben viele immer noch, daß die kirchliche wie weltliche Obrigkeit quasi heilig sei. Merkel ist sonderbar beliebt. Und anstatt sich eigene Gedanken zu machen und, wie Stephane Hessel es forderte, Widerstand gegen die Zustände zu leisten und alles, zumindest mal philosophisch betrachtet, in Frage zu stellen, bejubelt man lieber die Kanzlerin und zeigt fröhlich Kadavergehorsam.

Also: Woran also ist das "Sapere aude!" der Aufklärung in Deutschland gescheitert und wo liegen die Ursachen dafür?
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
Adam Smith
Beiträge: 38094
Registriert: Mi 18. Jan 2012, 21:57

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Adam Smith »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 18:38 hat geschrieben: Also: Woran also ist das "Sapere aude!" der Aufklärung in Deutschland gescheitert und wo liegen die Ursachen dafür?
Die Aufklärung ist am Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gescheitert.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
Benutzeravatar
Sri Aurobindo
Beiträge: 9079
Registriert: Do 14. Mär 2013, 21:02
user title: ॐ नमः शिवाय
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Sri Aurobindo »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 18:38 hat geschrieben: Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken.
wer soll denn demonstrieren?

Rentner?
oder die drei jungen Leute?
;)

Inzwischen formieren sich Massen im Internet!

Gerade das Internet hilft der Aufklärung zu neuer Kraft!
Benutzeravatar
ralphon
Beiträge: 2748
Registriert: Sa 7. Jun 2008, 00:15
user title: Bier predigen, Wasser saufen

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von ralphon »

Ich kann mich nicht daran erinnern dass jemand im Bekanntenkreis die Kanzlerin bejubelt hätte :|
Officer Barbrady
Beiträge: 816
Registriert: So 9. Sep 2012, 17:05

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Officer Barbrady »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 17:38 hat geschrieben:Die Philosophen der Aufklärung hatten zwar tolle Werte. Spätestens seit Hitlers Machtübernahme und den darauffolgenden Barbareien sollte aber allen klar sein, daß deren Ideale so gut wie nicht überlebt bzw. sich durchgesetzt hatten. Die KZ-Wärter unter Himmler spielten zwar klassische Musik und waren scheinbar ganz feingeistig. Aber andererseits vergasten sie gleichzeitig Millionen von Menschen, während der Großteil der Deutschen aus strammen Mitläufern und Untertanen bestand, die niemals in Massen den offenen Aufstand gegen das System wagten, sondern stattdessen treu bis in den eigenen Tod für die Obrigkeit kämpfte.

Wenn man die Zeit weiter zurückdreht, wird dieser Geist schon viel früher sichtbar. Einerseits galt Deutschland als das Land der Dichter und Denker. Andererseits wird dieser Geist schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten treffend mit Heinrich Manns Roman "Der Untertan" beschrieben, in dem die Hauptperson, kurz gesagt, vor allem Obrigkeitshörigkeit statt Zivilcourage zeigt.

Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken. Und ließ man sich früher für Kaiser, Gott, Vaterland, den vergötterten Hitler einspannen, so glauben viele immer noch, daß die kirchliche wie weltliche Obrigkeit quasi heilig sei. Merkel ist sonderbar beliebt. Und anstatt sich eigene Gedanken zu machen und, wie Stephane Hessel es forderte, Widerstand gegen die Zustände zu leisten und alles, zumindest mal philosophisch betrachtet, in Frage zu stellen, bejubelt man lieber die Kanzlerin und zeigt fröhlich Kadavergehorsam.

Also: Woran also ist das "Sapere aude!" der Aufklärung in Deutschland gescheitert und wo liegen die Ursachen dafür?
Du siehst das völlig falsch. Deutschland ist heute eine in sich ruhenden, friedliche Nation...

Man sollte das nicht als "obrigkeitsstaatliches Denken" diagnostizieren. So etwas wie ein "Deutsches Gen", das uns zu tumben Gefolgsleuten eines "Führers" macht, gibt es ohnehin nicht. Das würde jedes andere "Volk" brüsk zurückweisen...
Zuletzt geändert von Officer Barbrady am Fr 17. Mai 2013, 20:19, insgesamt 2-mal geändert.
Leute, hört auf das, was der kleine grüne Mann euch sagt!

http://m.youtube.com/watch?v=BQ4yd2W50No
Benutzeravatar
Cat with a whip
Beiträge: 13369
Registriert: Fr 4. Jul 2008, 21:49

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Cat with a whip »

Die Idee der Aufklärung hat die Nazibarbarei überlebt, genauso wie sie z.B. sonstigen heutigen Angriffen aus religiösen Kreisen besteht. Sie ist jeweils in dem Maße existent, wie sie bewahrt und verteidigt wird.

Gerade Merkel hatte ja einmal einen gescheiten Satz gesagt, der mancherorts bewusst falsch verstanden werden wollte: "Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit."
"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Die Aufklärung war doch so eine Art Modeerscheinung unter den Gelehrten. Mit dem Ottonormalbürger hatte dieser Hype nie wirklich was zu tun gehabt.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Adam Smith
Beiträge: 38094
Registriert: Mi 18. Jan 2012, 21:57

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Adam Smith »

Jekyll » Fr 17. Mai 2013, 21:06 hat geschrieben:Die Aufklärung war doch so eine Art Modeerscheinung unter den Gelehrten. Mit dem Ottonormalbürger hatte dieser Hype nie wirklich was zu tun gehabt.
Nö. Das ist richtig. Und in Bezug auf den Islam stimmt das schon mal gar nicht.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
Bukowski

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Bukowski »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 17:38 hat geschrieben:Die Philosophen der Aufklärung hatten zwar tolle Werte. Spätestens seit Hitlers Machtübernahme und den darauffolgenden Barbareien sollte aber allen klar sein, daß deren Ideale so gut wie nicht überlebt bzw. sich durchgesetzt hatten. Die KZ-Wärter unter Himmler spielten zwar klassische Musik und waren scheinbar ganz feingeistig. Aber andererseits vergasten sie gleichzeitig Millionen von Menschen, während der Großteil der Deutschen aus strammen Mitläufern und Untertanen bestand, die niemals in Massen den offenen Aufstand gegen das System wagten, sondern stattdessen treu bis in den eigenen Tod für die Obrigkeit kämpfte.

Wenn man die Zeit weiter zurückdreht, wird dieser Geist schon viel früher sichtbar. Einerseits galt Deutschland als das Land der Dichter und Denker. Andererseits wird dieser Geist schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten treffend mit Heinrich Manns Roman "Der Untertan" beschrieben, in dem die Hauptperson, kurz gesagt, vor allem Obrigkeitshörigkeit statt Zivilcourage zeigt.

Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken. Und ließ man sich früher für Kaiser, Gott, Vaterland, den vergötterten Hitler einspannen, so glauben viele immer noch, daß die kirchliche wie weltliche Obrigkeit quasi heilig sei. Merkel ist sonderbar beliebt. Und anstatt sich eigene Gedanken zu machen und, wie Stephane Hessel es forderte, Widerstand gegen die Zustände zu leisten und alles, zumindest mal philosophisch betrachtet, in Frage zu stellen, bejubelt man lieber die Kanzlerin und zeigt fröhlich Kadavergehorsam.

Also: Woran also ist das "Sapere aude!" der Aufklärung in Deutschland gescheitert und wo liegen die Ursachen dafür?
Quatsch mit Soße. - Die Aufklärung ist gerade in Deutschland in Höchstform, mal ganz wertfrei konstatiert, denn das ist auch ambivalent zu betrachten.
Benutzeravatar
Progressiver
Beiträge: 2656
Registriert: So 1. Apr 2012, 00:37
Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Progressiver »

Matthias Pochmann » Fr 17. Mai 2013, 17:44 hat geschrieben: wer soll denn demonstrieren?

Rentner?
oder die drei jungen Leute?
;)

Inzwischen formieren sich Massen im Internet!
Nein, sie sitzen vereinzelt vor ihren Rechnern. Jeder für sich. Zumindest, was Deutschland betrifft. ;)

Wenn aber etwas passieren soll, müßten die Leute sich dort auch organisieren und gemeinsam auf die Straße gehen.
Gerade das Internet hilft der Aufklärung zu neuer Kraft!
Wer des Recherchierens mächtig ist, wird auch viele Informationen finden. Aber wieviele Leute informieren sich auch im Internet vor allem über BILD.de? Und wieviele hängen nicht auch irgendwelchen Verschwörungstheorien nach oder verblöden eher noch, weil sie nur irgendwelche Unterhaltungsvideos auf youtube angucken?
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
Benutzeravatar
Progressiver
Beiträge: 2656
Registriert: So 1. Apr 2012, 00:37
Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Progressiver »

Bukowski » Fr 17. Mai 2013, 20:47 hat geschrieben:
Quatsch mit Soße. - Die Aufklärung ist gerade in Deutschland in Höchstform, mal ganz wertfrei konstatiert, denn das ist auch ambivalent zu betrachten.
Wie meinst Du das speziell?
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
Benutzeravatar
GG146
Beiträge: 768
Registriert: Fr 23. Dez 2011, 22:31
Wohnort: Recklinghausen
Kontaktdaten:

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von GG146 »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 18:38 hat geschrieben:Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken.
Das kann man wohl sagen.

Ich habe hier auf dem Forum erst kürzlich zu lesen bekommen, dass auch Immanuel Kant ab und zu aus einem angeblichen Bauchgefühl heraus (in Metaphysik der Sitten!) daneben gelegen hätte und dass wir heute ja sowieso "auf den Schultern" der frühen Aufklärer stünden.

So einfach ist das, wenn der Diskussionspartner (bzw. -gegner) anderer Meinung ist als man selbst und zufällig einen I. Kant auf seiner Seite hat.

Da ist wirklich Hopfen und Malz verloren.
Benutzeravatar
Cerberus
Beiträge: 5777
Registriert: Do 29. Dez 2011, 16:11

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Cerberus »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 17:38 hat geschrieben:Die Philosophen der Aufklärung hatten zwar tolle Werte. Spätestens seit Hitlers Machtübernahme und den darauffolgenden Barbareien sollte aber allen klar sein, daß deren Ideale so gut wie nicht überlebt bzw. sich durchgesetzt hatten. Die KZ-Wärter unter Himmler spielten zwar klassische Musik und waren scheinbar ganz feingeistig. Aber andererseits vergasten sie gleichzeitig Millionen von Menschen, während der Großteil der Deutschen aus strammen Mitläufern und Untertanen bestand, die niemals in Massen den offenen Aufstand gegen das System wagten, sondern stattdessen treu bis in den eigenen Tod für die Obrigkeit kämpfte.

Wenn man die Zeit weiter zurückdreht, wird dieser Geist schon viel früher sichtbar. Einerseits galt Deutschland als das Land der Dichter und Denker. Andererseits wird dieser Geist schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten treffend mit Heinrich Manns Roman "Der Untertan" beschrieben, in dem die Hauptperson, kurz gesagt, vor allem Obrigkeitshörigkeit statt Zivilcourage zeigt.

Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken. Und ließ man sich früher für Kaiser, Gott, Vaterland, den vergötterten Hitler einspannen, so glauben viele immer noch, daß die kirchliche wie weltliche Obrigkeit quasi heilig sei. Merkel ist sonderbar beliebt. Und anstatt sich eigene Gedanken zu machen und, wie Stephane Hessel es forderte, Widerstand gegen die Zustände zu leisten und alles, zumindest mal philosophisch betrachtet, in Frage zu stellen, bejubelt man lieber die Kanzlerin und zeigt fröhlich Kadavergehorsam.

Also: Woran also ist das "Sapere aude!" der Aufklärung in Deutschland gescheitert und wo liegen die Ursachen dafür?
Aus Tradition. Man sollte dazu beachten, dass ein "Norm-Bürger" gleich welchen Staates, generell zunächst daran ausgerichtet ist, was ihn satt macht, dazu die Gruppendynamik - also, wozu man sich dann gerne zugehörig fühlen mag usw.. Bei uns entwickelte sich nun mal das Bild des stolzen Deutschen anhand von Fleiß, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Gehorsam. (Weiß nicht ob die Preußen hier den Hauptausschlag gaben) Man hatte jedenfalls mit bestimmten Dingen (bzw. Handlungen) als große Gemeinschaft Erfolg, etwas was auch von anderen erkannt und geachtet wurde - darauf baut folgend die Erziehung auf. So wird dem Deutschen von der Wiege an die "deutsche Art" vermittelt. Bei anderen Gemeinschaften setzten sich andere "Wesensarten" durch. So erkennt man leicht z.B. die Wesensart der alten Konquistadoren (Raubrittertum unter christlichen Flaggen) in vielen lateinamerikanischen Staaten wieder (eigentlich in allen). Eines aber haben alle Massen aller Staaten gemeinsam: Sie sind alle nicht aufgeklärt. Wenn anderswo die Menschen auf die Barrikaden gehen, dann sicher nicht, weil sie aufgeklärter wären, sondern eben schlicht deren Kultur so gestrickt ist. So wie wir von klein auf zum "Deutschen" geprägt werden, so die z.B. zum "Spanier" oder "Franzosen" oder wen auch immer. Echte Aufklärung, allerdings, die sehe ich in keinem Staat, in keiner Kultur. Dafür gibt es schlicht zu wenige "Sinnierende" und - naturbedingt - keine von denen in Machtfunktionen. Wie also bringt man Aufklärung an Kinder, wenn doch schon die Lehrer nicht aufgeklärt sind und wenn dort, wo die Macht sitzt, alles vorhanden ist, nur eben keinerlei Interesse an Aufklärung für das Volk? Vielleicht wird das Net dazu einmal führen (vielleicht auch nicht). Wenn, dann würde ich mal schätzen, gehen da noch etliche Generationen ins Land. Das Problem ist hier das gleiche: Kaum einer weiß wirklich was, kaum einer denkt wirklich selbst (behaupten tun es aber alle, während sie alle am nachplappern (am "MITREDEN") sind), wie die wilden Hühner; jeder für sich sucht seine Körner "seht mich, hört mich, ich bin dabei, ich gehöre hier zu dieser Gruppe und wir sind für folgendes...". Wie nun solle sich etwaige Bewusstheit einiger einzelner Exemplare gegenüber diverser Gruppenmeinungen durchsetzen? Also, ich sehe das mit der Aufklärung sehr sehr schwierig.
Dirk Müller zum Thema Ukraine/Krim: https://www.youtube.com/watch?v=K_YWdaQhRU4
Daylight

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Daylight »

@ Progressiver

1. An der Egozentrik, an der Eitelkeit und an der unstillbaren Gier der meisten Menschen.

2. Und ...last but not least, an fehlender Zivilcourage, an generationenübergreifendem Duckmäusertum, schiere Angst, das bequeme, sorglose Leben für höhere Werte zu gefährden oder gar aufgeben zu müssen.

Erkennen Sie die große Schnittmenge und die innere Kausalität beider Bereiche? :)
Zuletzt geändert von Daylight am Sa 18. Mai 2013, 01:35, insgesamt 2-mal geändert.
Benutzeravatar
Watchful_Eye
Beiträge: 3129
Registriert: Sa 7. Jun 2008, 12:13
Kontaktdaten:

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Watchful_Eye »

Bukowski » Fr 17. Mai 2013, 20:47 hat geschrieben: Quatsch mit Soße. - Die Aufklärung ist gerade in Deutschland in Höchstform, mal ganz wertfrei konstatiert, denn das ist auch ambivalent zu betrachten.
Besser hätte ichs nicht sagen können. :thumbup: Man muss in seinen Erwartungen auch mal ein bisschen realistisch bleiben.
"In a world where I feel so small, I can't stop thinking big." (Rush - Caravan)
odiug

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von odiug »

Also ich werde immer sehr skeptisch, wenn man die Auflkaerung gleichsetzt mit den moralischen Intentionen der Aufklaerer.
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Bukowski » Fr 17. Mai 2013, 20:47 hat geschrieben:
Quatsch mit Soße. - Die Aufklärung ist gerade in Deutschland in Höchstform, mal ganz wertfrei konstatiert, denn das ist auch ambivalent zu betrachten.
Ach ja? Dann erzähl mal, wie man diese angebliche Hochform-Aufklärung in Deutschland auch "ambivalent" betrachten kann. Und zwar schön wertfrei konstatiert, und ganz ohne ad hominem. Kriegst du das hin?
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Sir Porthos

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Sir Porthos »

Jekyll » Sa 18. Mai 2013, 04:53 hat geschrieben:Ach ja? Dann erzähl mal, wie man diese angebliche Hochform-Aufklärung in Deutschland auch "ambivalent" betrachten kann. Und zwar schön wertfrei konstatiert, und ganz ohne ad hominem. Kriegst du das hin?
Ad hominem lieben wir doch alle !

Da kann jeder mitlabern, ohne Ahnung von der Materie zu haben.
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Sir Porthos » Sa 18. Mai 2013, 04:58 hat geschrieben:
Ad hominem lieben wir doch alle !

Da kann jeder mitlabern, ohne Ahnung von der Materie zu haben.
Das liegt in der Natur von öffentlichen Foren. Hat auch was mit demokratischen Selbstverständnis zu tun.

Aber zurück zu meiner Frage - kannst du sie beanworten (solange Buki nicht zugegen ist)?
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Das Einzige, was in Deutchland "in Hochform" ist, ist die Wirtschaft (insgesamt betrachtet). Ob und inwieweit die Aufklärung in den Köpfen und Herzen der Menschen hierzulande immanent ist, ob das Ganze auch Substanz hat und nicht etwa schmückendes Beiwerk ist (a la "zuerst kommt das Fressen, dann die Moral"), wird sich herausstellen, wenn die Wirtschaft und sonstige materielle Rahmenbedingungen nicht mehr so optimal sind.

Obwohl...hatten wir in diesem Land diese Prüfung eigentlich nicht schon gehabt? Ich denke, die Analyse samt der Skepsis des Threaderstellers ist in diesem Punkt absolut zutreffend.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Sir Porthos

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Sir Porthos »

Jekyll » Sa 18. Mai 2013, 05:06 hat geschrieben:Das liegt in der Natur von öffentlichen Foren. Hat auch was mit demokratischen Selbstverständnis zu tun.

Aber zurück zu meiner Frage - kannst du sie beanworten (solange Buki nicht zugegen ist)?
Ich bin kein Geisteswissenschaftler.

Und ich gebe zu, dass mir die Schriften von Kant in vielen Teilen etwas zu "hoch" sind.

Ich kann mir kein gerechtes Urteil mangels Wissen über sein Wirken erlauben.
odiug

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von odiug »

Jekyll » Sa 18. Mai 2013, 05:18 hat geschrieben:Das Einzige, was in Deutchland "in Hochform" ist, ist die Wirtschaft (insgesamt betrachtet). Ob und inwieweit die Aufklärung in den Köpfen und Herzen der Menschen hierzulande immanent ist, ob das Ganze auch Substanz hat und nicht etwa schmückendes Beiwerk ist (a la "zuerst kommt das Fressen, dann die Moral"), wird sich herausstellen, wenn die Wirtschaft und sonstige materielle Rahmenbedingungen nicht mehr so optimal sind.

Obwohl...hatten wir in diesem Land diese Prüfung eigentlich nicht schon gehabt? Ich denke, die Analyse samt der Skepsis des Threaderstellers ist in diesem Punkt absolut zutreffend.
Aber die Aufklaerung ist neben ihrer moralischen Intention hauptsaechlich ein oekonomisches Projekt.
Sie kommt aus dem Buergertum und das definiert sich aus seiner oekonomischen Macht!
Die Gefahr in der Aufklaerung liegt eben darin, dass der oekonmische Zwang die moralische Intention ueberlagert.
Insofern steht der Faschismus und der Nationalsozialismus eben nicht im Widerspruch zur Aufklaerung, sondern er begruendet sich in Dominanz des oekonomischen Zwangs ueber die moralische Intention.
Zuletzt geändert von odiug am Sa 18. Mai 2013, 09:51, insgesamt 1-mal geändert.
Bukowski

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Bukowski »

Jekyll » Sa 18. Mai 2013, 04:53 hat geschrieben:Ach ja? Dann erzähl mal, wie man diese angebliche Hochform-Aufklärung in Deutschland auch "ambivalent" betrachten kann. Und zwar schön wertfrei konstatiert, und ganz ohne ad hominem. Kriegst du das hin?
Na, zum Beispiel die Beschneidungsdebatte. -

Wenn die Ideen der Aufklärung totalitär werden
In der Beschneidungsdebatte ist ein antireligiöser Furor spürbar, eine Tendenz des Verbietens und Reglementierens. Er erinnert stark an das kirchliche Verbieten und Reglementieren aus früheren Zeiten.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/besc ... 90350.html










(Was ad hominin betrifft, so solltest Du mal auf "Eigene Beiträge" klicken
und dann hierdrauf:)

http://de.wikipedia.org/wiki/Projektion ... analyse%29
Zuletzt geändert von Bukowski am Sa 18. Mai 2013, 15:25, insgesamt 3-mal geändert.
Benutzeravatar
Progressiver
Beiträge: 2656
Registriert: So 1. Apr 2012, 00:37
Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Progressiver »

Jekyll » Sa 18. Mai 2013, 05:18 hat geschrieben:Das Einzige, was in Deutchland "in Hochform" ist, ist die Wirtschaft (insgesamt betrachtet). Ob und inwieweit die Aufklärung in den Köpfen und Herzen der Menschen hierzulande immanent ist, ob das Ganze auch Substanz hat und nicht etwa schmückendes Beiwerk ist (a la "zuerst kommt das Fressen, dann die Moral"), wird sich herausstellen, wenn die Wirtschaft und sonstige materielle Rahmenbedingungen nicht mehr so optimal sind.
Da ist etwas wahres dran. Wenn die Umverteilung des Volksvermögens von unten nach oben so weitergeht, dann kriegen wir irgendwann eine Situation, in der eine Masse von Armen einer kleinen Minderheit von Superreichen gegenübersteht. Und dann kommt es zu sozialen Spannungen, die die dünne Decke der Zivilisation bald wegfegen wird. Dennoch sehe ich da mehrere Alternativen. In Ländern wie Spanien organisieren sich die Leute und bilden solidarische Bündnisse. In anderen Ländern wie England oder den USA, in denen der Egokult vorherrscht, sind die Menschen eher unfähig, gemeinsam und friedlich für ein soziales Miteinander zu kämpfen. Selbst im Zerfall sieht die Situation dort so aus, daß irgendwie mehr ein Kampf jeder gegen jeden vorherrscht. Ich denke, uns bleibt also als Gesellschaft die Wahl, entweder uns miteinander zu solidarisieren oder uns derart zerstören zu lassen, daß alles in Gewalt und Kriminalität versinkt, wie man es bei den Unruhen beispielsweise in England sehen konnte.
Obwohl...hatten wir in diesem Land diese Prüfung eigentlich nicht schon gehabt? Ich denke, die Analyse samt der Skepsis des Threaderstellers ist in diesem Punkt absolut zutreffend.
Danke.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
Benutzeravatar
Progressiver
Beiträge: 2656
Registriert: So 1. Apr 2012, 00:37
Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Progressiver »

odiug » Sa 18. Mai 2013, 08:46 hat geschrieben: Aber die Aufklaerung ist neben ihrer moralischen Intention hauptsaechlich ein oekonomisches Projekt.
Sie kommt aus dem Buergertum und das definiert sich aus seiner oekonomischen Macht!
Die Gefahr in der Aufklaerung liegt eben darin, dass der oekonmische Zwang die moralische Intention ueberlagert.
Insofern steht der Faschismus und der Nationalsozialismus eben nicht im Widerspruch zur Aufklaerung, sondern er begruendet sich in Dominanz des oekonomischen Zwangs ueber die moralische Intention.
Als eine wichtige Errungenschaft der Aufklärung sehe ich die Erklärung der Menschenrechte. Ebenso die Aufforderung des "Sauere aude", welches ich so verstehe, daß jeder Mensch aufgefordert wird, selbstständig zu denken, anstatt sich von einer Obrigkeit -also König, Papst, Führer- oder aber auch der Werbeindustrie sowie des ökonomischen Zwangs der Alternativlosigkeit bevormunden zu lassen. Faschismus und Neoliberalismus sehe ich eher als antiaufklärerisch an. Wie soll das bitte mit dem von Dir gesagten zusammenpassen?
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
Benutzeravatar
Progressiver
Beiträge: 2656
Registriert: So 1. Apr 2012, 00:37
Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Progressiver »

Bukowski » Sa 18. Mai 2013, 13:29 hat geschrieben:
Na, zum Beispiel die Beschneidungsdebatte. -

Wenn die Ideen der Aufklärung totalitär werden
In der Beschneidungsdebatte ist ein antireligiöser Furor spürbar, eine Tendenz des Verbietens und Reglementierens. Er erinnert stark an das kirchliche Verbieten und Reglementieren aus früheren Zeiten.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/besc ... 90350.html










(Was ad hominin betrifft, so solltest Du mal auf "Eigene Beiträge" klicken
und dann hierdrauf:)

http://de.wikipedia.org/wiki/Projektion ... analyse%29
Zu Punkt eins: Natürlich kann auch die Aufklärung totalitäre Züge kriegen. Aber -mal abgesehen von Gewaltexzessen wie der französischen Revolution- werden dabei eigentlich keine Gegner getötet, sondern höchstens in ihren Bräuchen reglementiert. Was den Zeitungsartikel betrifft: Den habe ich aus Zeitgründen leider nicht ganz lesen können. Konzentrationslager als Beispiele zu bringen für Religionsgegner, finde ich aber in diesem Zusammenhang unpassend, da die Nazis nicht gerade als Aufklärer und Verteidiger individueller Menschenrechte verschrieen waren. Und auch die Erfinder der Gulags verstoßen mit ihren Arbeitslagern gegen die Idee dieser individuellen Menschenrechte. Natürlich gibt es aber schon auch bei den Aufklärern einen gewissen inneren Konflikt, ob der totale Anspruch der Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit z.B. eines Säuglings -ob nun Junge oder Mädchen- nicht mit solchen Werten wie Toleranz kollidiert. Aber natürlich sollte immer das Kindeswohl im Vordergrund stehen.

Was "ad hominem" betrifft: Da verstehe ich leider nicht, was Du damit meinst.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
Benutzeravatar
d'Artagnan
Beiträge: 3134
Registriert: Mo 23. Jan 2012, 11:21
user title: Superintendent Lookout
Wohnort: Packfreies Europa

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von d'Artagnan »

Bukowski hat geschrieben:
Na, zum Beispiel die Beschneidungsdebatte. -

Wenn die Ideen der Aufklärung totalitär werden
In der Beschneidungsdebatte ist ein antireligiöser Furor spürbar, eine Tendenz des Verbietens und Reglementierens. Er erinnert stark an das kirchliche Verbieten und Reglementieren aus früheren Zeiten.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/besc ... 90350.html
Das ist aber ein denkbar schlechtes Beispiel, da die Forderung nach einem Verbot sich auf die irreversible Verletzung anderer Individuen bezieht. Im Kern ist die Intention der Gegner von Beschneidungen an Babies also darauf ausgerichtet eine solch weitreichende Entscheidung dem Individuum selbst zu überlassen, wenn es alt genug ist. Wer das als "totalitär" betrachtet, hat schon ein seltsam verdrehtes Weltbild!
Ein Standpunkt dazu von Gideon Böss:
http://boess.welt.de/2012/07/15/gott-un ... icht-koln/

Es spricht auch nicht für die religiöse Seite, dem „Gegner“ ausschließlich die schlimmsten Motive zu unterstellen. Da hält man sich gar nicht lange mit der Frage auf, ob es der Mehrheit unter Umständen wirklich um so etwas banales wie Kinderschutz oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit gehen könnte. Nein, es muss gleich eine atheistische Verschwörung sein und eine geistige Nähe zu den Nazis und den Taliban besteht sowieso. Was etwas unfair ist, denn man kann den Taliban ja viel nachsagen, aber gegen die Beschneidung haben sie noch nie gewettert.

Kopftuch- oder Kruzifixverbotsdebatte wären IMHO bessere Beispiele gewesen.
“Most men would rather deny a hard truth than face it.”
(Ser Barristan)
Bitku ne dobiva mač u ruci, već srce u grudima junaka.
odiug

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von odiug »

Progressiver » Sa 18. Mai 2013, 17:24 hat geschrieben:
Als eine wichtige Errungenschaft der Aufklärung sehe ich die Erklärung der Menschenrechte. Ebenso die Aufforderung des "Sauere aude", welches ich so verstehe, daß jeder Mensch aufgefordert wird, selbstständig zu denken, anstatt sich von einer Obrigkeit -also König, Papst, Führer- oder aber auch der Werbeindustrie sowie des ökonomischen Zwangs der Alternativlosigkeit bevormunden zu lassen. Faschismus und Neoliberalismus sehe ich eher als antiaufklärerisch an. Wie soll das bitte mit dem von Dir gesagten zusammenpassen?
Du gehst davon aus, dass die Aufklaerung mit Hegel ihren Abschluss fand, wie Hegel mit der franzoesischen Revolution das Ende der Geschichte proklamierte.
Dem ist aber nicht so.
Weder endete die Geschichte noch die Aufklaerung.
Der Beleg, dass die moralischen Postulate der klassischen Aufklaerung zwingend sich aus der Vernunft ergeben wurde ja von der Aufklaerung selbst widerlegt.
Die Relativierung der reinen Vernunft durch die praktische Vernunft haelt der Wucht der reinen Vernunft nicht stand.
Die Moral laesst sich weder aus der Empirie noch aus der Logik ableiten und sie bleibt auch in der Aufklaerung eine Setzung.
Nun gebe ich dir schon recht, wenn du sagst, dass sowohl der Faschismus wie auch der Nationalsozialismus sich dem moralischen Anspruch der Aufklaerung widersetzen.
Aber ich halte es fuer falsch die Aufklaerung auf die moralische Intention der Aufklaerer zu reduzieren.
Die Aufklaerung ist kein monolithisches System des Denken, sondern in sich selbst mit Widerspruechen durchzogen.
Man muss das auch nicht allein auf den Faschismus reduzieren.
Der Kommunismus ist ebenso ein Kind der Aufklaerung und die moralischen Grundsaetze sind denen der buergerlich, demokratischen Aufklaerung in vielem diametral entgegengesetzt.

Und selbst die moralischen Forderungen der Aufklaerung wie Freiheit und Gleichheit begruenden sich ja aus dem oekonomischen Kampf des aufstrebenden Buergertums gegen die Privilegien des Adels und der Kirche.
Und genau dieser oekonomischer Zwang ueberlagert die moralischen Forderungen der Aufklaerung.
Und aus diesem Widerspruch erklaert sich der Faschismus, der Nationalsozialismus und auch der Kommunismus.
Zuletzt geändert von odiug am Sa 18. Mai 2013, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
d'Artagnan
Beiträge: 3134
Registriert: Mo 23. Jan 2012, 11:21
user title: Superintendent Lookout
Wohnort: Packfreies Europa

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von d'Artagnan »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 18:38 hat geschrieben:
Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken. Und ließ man sich früher für Kaiser, Gott, Vaterland, den vergötterten Hitler einspannen, so glauben viele immer noch, daß die kirchliche wie weltliche Obrigkeit quasi heilig sei. Merkel ist sonderbar beliebt. Und anstatt sich eigene Gedanken zu machen und, wie Stephane Hessel es forderte, Widerstand gegen die Zustände zu leisten und alles, zumindest mal philosophisch betrachtet, in Frage zu stellen, bejubelt man lieber die Kanzlerin und zeigt fröhlich Kadavergehorsam.

Also: Woran also ist das "Sapere aude!" der Aufklärung in Deutschland gescheitert und wo liegen die Ursachen dafür?
Darwin schrieb damals vom "Survival of the fittest" was faschistoide "Denker" wie auch Nietzsche (ein Atheist, btw) dann fälschlicherweise als "Überleben der Stärksten" übersetzten und verstanden.
Ist Quatsch, es müsste heißen: "Überleben der Angepasstesten".
Haben wir eine Kanzlerin, welche eine Vorkämpferin für bürgerliche Freiheiten in der Revolution 1989 gewesen ist?
Nö, wir haben eine Kanzlerin, welche bestens im DDR-System auskam und während des Mauerfalls gemütlich im Kino saß.
Wir sehen:
Die Opportunisten und Mitläufer leben am besten und am längsten.
Und das nicht nur in Deutschland.
Siehe die Folgezeit der aufklärerischen Revolution schlechthin, 1789, und das Schicksal seiner Anführer Robbespierre und Danton. (Und was dann kam ...)
Eine kantianische Fähigkeit zur Selbstkritik aber ist für diesen "Modus des Mitlaufens" reichlich unzweckmäßig.
Ich fürchte, das kriecherische Mitlaufen ist im Betriebssystem der Mehrheit der Menschen implementiert. Ein Potential für die Schaffung eines totalitären Regimes dürfte daher bei allen Ländern mit größeren Bevölkerungszahlen gegeben sein.
Aber vielleicht bin ich auch zu pessimistisch...
Zuletzt geändert von d'Artagnan am Sa 18. Mai 2013, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.
“Most men would rather deny a hard truth than face it.”
(Ser Barristan)
Bitku ne dobiva mač u ruci, već srce u grudima junaka.
Officer Barbrady
Beiträge: 816
Registriert: So 9. Sep 2012, 17:05

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Officer Barbrady »

Das mag sein, allerdings...ist eine Diktatur inklusive Überwachungs- und Unterdrückungsapparat erstmal implementiert, dann ist es ziemlich schwer Widerstand zu leisten. Man kann vom einfachen Mann nicht verlangen, dass er dafür seine Freiheit und sein Leben aufs Spiel setzt. Der wird sich aus reinem Selbstschutz anpasserisch verhalten. Was keine Rechtfertigung sein soll für diejenigen die es potenziell könnten, weil sie in geeigneter Position sind.
Zuletzt geändert von Officer Barbrady am Sa 18. Mai 2013, 20:13, insgesamt 6-mal geändert.
Leute, hört auf das, was der kleine grüne Mann euch sagt!

http://m.youtube.com/watch?v=BQ4yd2W50No
Officer Barbrady
Beiträge: 816
Registriert: So 9. Sep 2012, 17:05

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Officer Barbrady »

Progressiver » Sa 18. Mai 2013, 17:24 hat geschrieben:
Als eine wichtige Errungenschaft der Aufklärung sehe ich die Erklärung der Menschenrechte. Ebenso die Aufforderung des "Sauere aude", welches ich so verstehe, daß jeder Mensch aufgefordert wird, selbstständig zu denken, anstatt sich von einer Obrigkeit -also König, Papst, Führer- oder aber auch der Werbeindustrie sowie des ökonomischen Zwangs der Alternativlosigkeit bevormunden zu lassen.
Seinen Verstand zu gebrauchen halte ich in jeder Situation für ratsam, allerdings -- ohne mich genauer mit Kant auszukennen -- ist die Vorstellung, dass es da so etwas wie einen Verstand gibt, der völlig unabhängig von der Gefühlsebene arbeitet, nicht haltbar. Es ist schlicht nicht möglich rein "verstandesbasierte" Entscheidungen zu treffen. Das ist so eine romantische Vorstellung der Aufklärung.
Leute, hört auf das, was der kleine grüne Mann euch sagt!

http://m.youtube.com/watch?v=BQ4yd2W50No
Benutzeravatar
Cat with a whip
Beiträge: 13369
Registriert: Fr 4. Jul 2008, 21:49

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Cat with a whip »

d'Artagnan » Sa 18. Mai 2013, 19:41 hat geschrieben: Darwin schrieb damals vom "Survival of the fittest" was faschistoide "Denker" wie auch Nietzsche (ein Atheist, btw) dann fälschlicherweise als "Überleben der Stärksten" übersetzten und verstanden.
Ist Quatsch, es müsste heißen: "Überleben der Angepasstesten".
...
Das sollte man so nicht stehen lassen.

Das war Spencer. Spencer las Darwins Origin of Species und prägte die Phrase für Darwins natural selection. Darwin gefiel dieser Audruck gut und übernahm ihn sodann.

Die grandioser Denk-Fehlleistung begangen eher die Sozialdarwinisten, zu denen Nietzsche sicher nicht gehörte.
Diagnose: Projektion eigener vulgärer Vorstellungen auf wissenschaftliche Theorien zur vermeintlichen Rechtfertigung der Richtigkeit der eignen Vorstellung durch Wissenschaft.
Problem: Termini haben oft einen anderen und komplexeren Bedeutungsinhalt als in der Allgemeinsprache.

Man kann Nietzsche nicht als Darwinisten hinstellen. Nitzsche war Anti-Darwinist. Insbesondere den vulgären Sozialdarwinismus wie ihn später die Faschisten in ihrem Wahnbild tradierten lehnte er ab, denn er lehnte jede Übertragung darwinscher Prämissen auf den Menschen ab. Hier auch Nietzsche in einem Aufwasch mit dem Faschismus zu erwähnen und dann noch das Attribut Atheist als sonstiges erklärendes Wesenmerkmal hinterherschieben zu müssen, ist schräg. :rolleyes:
"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum
Benutzeravatar
d'Artagnan
Beiträge: 3134
Registriert: Mo 23. Jan 2012, 11:21
user title: Superintendent Lookout
Wohnort: Packfreies Europa

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von d'Artagnan »

Cat with a whip hat geschrieben:
...

Man kann Nietzsche nicht als Darwinisten hinstellen. Nitzsche war Anti-Darwinist. Insbesondere den vulgären Sozialdarwinismus wie ihn später die Faschisten in ihrem Wahnbild tradierten lehnte er ab, denn er lehnte jede Übertragung darwinscher Prämissen auf den Menschen ab. Hier auch Nietzsche in einem Aufwasch mit dem Faschismus zu erwähnen und dann noch das Attribut Atheist als sonstiges erklärendes Wesenmerkmal hinterherschieben zu müssen, ist schräg.
Ok. Mag sein, dass ich Nietzsche böse Unrecht tat. Ich widerrufe.
An meiner "Mitläuferthese" ändert das aber nichts.
“Most men would rather deny a hard truth than face it.”
(Ser Barristan)
Bitku ne dobiva mač u ruci, već srce u grudima junaka.
Bukowski

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Bukowski »

d'Artagnan » Sa 18. Mai 2013, 18:41 hat geschrieben: Darwin schrieb damals vom "Survival of the fittest" was faschistoide "Denker" wie auch Nietzsche (ein Atheist, btw) dann fälschlicherweise als "Überleben der Stärksten" übersetzten und verstanden.
Ist Quatsch, es müsste heißen: "Überleben der Angepasstesten".
Haben wir eine Kanzlerin, welche eine Vorkämpferin für bürgerliche Freiheiten in der Revolution 1989 gewesen ist?
Nö, wir haben eine Kanzlerin, welche bestens im DDR-System auskam und während des Mauerfalls gemütlich im Kino saß.
Wir sehen:
Die Opportunisten und Mitläufer leben am besten und am längsten.
Und das nicht nur in Deutschland.
Siehe die Folgezeit der aufklärerischen Revolution schlechthin, 1789, und das Schicksal seiner Anführer Robbespierre und Danton. (Und was dann kam ...)
Eine kantianische Fähigkeit zur Selbstkritik aber ist für diesen "Modus des Mitlaufens" reichlich unzweckmäßig.
Ich fürchte, das kriecherische Mitlaufen ist im Betriebssystem der Mehrheit der Menschen implementiert. Ein Potential für die Schaffung eines totalitären Regimes dürfte daher bei allen Ländern mit größeren Bevölkerungszahlen gegeben sein..
Die Beschneidungsdebatte ist das ALLERBESTE Beispiel (Toleranz gegen das Kopftuch wäre noch aufzuführen)
und hier sind halt möglicherweise "kriecherische Mitläufer" der Aufklärung unterwegs. Das IST doch gerade das Thema. die AMBIVALENZ - was jene natürlich naturgemäß (Stichwort Selbstkritik) nicht sehen können.

:| Dein Robespierre war ein terroristischer Eiferer und ein weiteres Beispiel für das totalitäre Element in der Aufklärung:
LIES: http://www.br.de/radio/bayern2/sendunge ... re100.html

_______________________________


„Aufklärung war der Wunsch danach, dass menschliche Angelegenheiten von der Vernunft geleitet werden, anstatt durch Religion, Aberglauben oder Offenbarung; und der Glaube an die Kraft der menschlichen Vernunft die Gesellschaft zu verändern und das Individuum von den Fesseln der Tradition oder der willkürlichen Autorität zu befreien. All dies gestützt durch eine Weltanschauung, die zunehmend durch die Wissenschaft anstatt durch Religion oder Tradition validiert wird.“



Zum Programm der historischen europäisch-nordamerikanischen Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert gehört die Berufung auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz.... Viele Vordenker der Aufklärung hegten einen ausgeprägten Zukunfts- und Fortschrittsoptimismus. Sie folgten der Vorstellung, dass sich die wesentlichen Probleme des menschlichen Zusammenlebens in einer vernunftorientierten Gesellschaft schrittweise lösen würden. Andererseits setzten sich seit den 1750er Jahren wichtige Vertreter aufklärerischen Denkens wie Voltaire und Diderot mit dieser Erwartung zum Teil satirisch-kritisch auseinander.

So interpretierten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrer Arbeit Dialektik der Aufklärung Entwicklungen des 20. Jahrhunderts als konsequente Spätfolgen der Optionen der Aufklärung: Der Mensch wird als „Herr“ einer entzauberten Welt installiert; Wahrheit wird als System begriffen; Vernunft wird Instrument und durch Apparate verwaltete Ideologie; Zivilisation schlägt um in die Barbarei des Faschismus; zivilisierende Effekte der Aufklärung schlagen um in ihr Gegenteil; und genau dies entspreche der in sich problematischen Struktur des Aufklärungsdenkens.

http://de.wikipedia.org/wiki/Aufkl%C3%A4rung
Zuletzt geändert von Bukowski am So 19. Mai 2013, 13:05, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Also, ich halte mich da an die Definition der Aufklärung, wie sie von I. Kant formuliert wurde. Und nur diese erscheint mir plausibel und sinnvoll:

"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung."

Nach meinem Verständnis geht es hier nicht darum, ob man sich für eine bestimmte, konkrete Weltsicht entscheiden soll, etwa für eine rationale oder religiöse, um eine rein pragmatische oder eher moralische etc., sondern darum, dass man seine Entscheidungen auf einer selbständigen Art und Weise treffen soll. Es geht hier um eine rein persönliche, individuelle Qualität von höchster Priorität, nicht um irgendwelche Weltbilder.

In welchem Lebensbereich man diese Art des mündigen Umgangs mit der Materie dann auch realisiert, spielt da keine Rolle. Es geht halt einfach nur darum, dass der eigene Verstand vorgesetzte Inhalte - egal ob von geistlichen oder weltlichen Autoritäten - nicht unreflektiert hin- und übernehmen soll. Das gilt natürlich auch für den "Mainstream", der Druck, der von der Gesellschaft ausgeht (siehe Mitläufertum im Dritten Reich).
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Benutzeravatar
Sri Aurobindo
Beiträge: 9079
Registriert: Do 14. Mär 2013, 21:02
user title: ॐ नमः शिवाय
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Sri Aurobindo »

Jekyll » So 19. Mai 2013, 14:00 hat geschrieben:Also, ich halte mich da an die Definition der Aufklärung, wie sie von I. Kant formuliert wurde. Und nur diese erscheint mir plausibel und sinnvoll:

"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung."

Nach meinem Verständnis geht es hier nicht darum, ob man sich für eine bestimmte, konkrete Weltsicht entscheiden soll, etwa für eine rationale oder religiöse, um eine rein pragmatische oder eher moralische etc., sondern darum, dass man seine Entscheidungen auf einer selbständigen Art und Weise treffen soll. Es geht hier um eine rein persönliche, individuelle Qualität von höchster Priorität, nicht um irgendwelche Weltbilder.

In welchem Lebensbereich man diese Art des mündigen Umgangs mit der Materie dann auch realisiert, spielt da keine Rolle. Es geht halt einfach nur darum, dass der eigene Verstand vorgesetzte Inhalte - egal ob von geistlichen oder weltlichen Autoritäten - nicht unreflektiert hin- und übernehmen soll. Das gilt natürlich auch für den "Mainstream", der Druck, der von der Gesellschaft ausgeht (siehe Mitläufertum im Dritten Reich).
Also bitte - wenn man Kant zitiert, dann bitte ihn nicht derart missdeuten!

Kants erkenntnistheoretisches Hauptwerk heißt
"Kritik der reinen Vernunft!" (Die Frage: Was können wir wissen?)

Und in seiner Moralphilosophie untersucht er, wie moralisches Handeln durch ein Prinzip reiner Vernunft begründet werden kann!

Also was sagt die Vernunft?
Was ist moralisch richtiges Handeln?

Kant entwickelt ohne Rückgriff auf Empirie den kategorischen Imperativ als moralisches Entscheidungskriterium!
Der KI gilt für endliche Vernunftwesen per se und ist daher auch insofern allgemein, als er alle Menschen unter allen Bedingungen in die Pflicht nimmt, bzw. die universelle Form der Pflicht überhaupt beschreibt. Dies wird unter anderem in der folgenden Formel des kategorischen Imperativs deutlich:

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
– Immanuel Kant: AA IV, 421[3]
d.h. es gibt ein universell für alle vernünftige Wesen geltendes Gesetz der Moral!

Deshalb bedarf es keiner Kirche als moralische Instanz - das ist eine der Ideen der Aufklärung!
--> Jedes vernünftige Wesen kann aus sich heraus mit apodiktischer Gewissheit entscheiden, welche Handlung moralisch richtig ist oder nicht!
Zuletzt geändert von Sri Aurobindo am So 19. Mai 2013, 14:35, insgesamt 2-mal geändert.
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Matthias Pochmann » So 19. Mai 2013, 13:32 hat geschrieben:Also bitte - wenn man Kant zitiert, dann bitte ihn nicht derart missdeuten!
So gefällt es mir halt besser. :) (Habe den Mut, eigene Interpretationen anzustellen.)

Im ernst, es ist mir egal, wo er noch was über Aufklärung geschrieben haben könnte, diese eine Definition trifft für mich den Nagel genau auf den Kopf! Und da ist die Botschaft klipp und klar - bei der Idee der Aufklärujng geht es um eine rein persönliche Eigenschaft, nämlich wie man sich zu verhalten hat gegenüber Inhalten, die von der Umwelt uns vorgesetzt werden. Hier geht es weder um Moral noch um Rationalismus oder sowas, sondern schlicht und ergreifend um Selbständigkeit.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Benutzeravatar
Sri Aurobindo
Beiträge: 9079
Registriert: Do 14. Mär 2013, 21:02
user title: ॐ नमः शिवाय
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Sri Aurobindo »

Jekyll » So 19. Mai 2013, 14:40 hat geschrieben:So gefällt es mir halt besser. :) (Habe den Mut, eigene Interpretationen anzustellen.)

Im ernst, es ist mir egal, wo er noch was über Aufklärung geschrieben haben könnte, diese eine Definition trifft für mich den Nagel genau auf den Kopf! Und da ist die Botschaft klipp und klar - bei der Idee der Aufklärujng geht es um eine rein persönliche Eigenschaft, nämlich wie man sich zu verhalten hat gegenüber Inhalten, die von der Umwelt uns vorgesetzt werden. Hier geht es weder um Moral noch um Rationalismus oder sowas, sondern schlicht und ergreifend um Selbständigkeit.
Das hat aber nur wenig mit Aufklärung zu tun und es hat auch nicht viel mit dem zu tun, was Kant mit diesen Worten ausdrückt!

Interpretation (http://de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik) ist der Versuch zu verstehen, was ein Autor mit einem Text ausdrücken will!

Und Kant sagt etwas anderes in diesem Zitat, als das, was Du daraus machst!

Es geht in der Tat um persönliche Entscheidungen
... aber um jene Art von Entscheidungen, die auf dem basieren, was bei allen Personen gleich ist
... also basierend auf dem gleichen Prinzip, warum wir auch nicht darüber diskutieren, dass 2+2=4 ist!
(Vernunft)
Zuletzt geändert von Sri Aurobindo am So 19. Mai 2013, 14:59, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
d'Artagnan
Beiträge: 3134
Registriert: Mo 23. Jan 2012, 11:21
user title: Superintendent Lookout
Wohnort: Packfreies Europa

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von d'Artagnan »

Bukowski hat geschrieben:
:| Dein Robespierre war ein terroristischer Eiferer und ein weiteres Beispiel für das totalitäre Element in der Aufklärung:
LIES: http://www.br.de/radio/bayern2/sendunge ... re100.html
Richtig, Frau Lehrerin. :x Aber auch dessen Hals machte eines Tages Bekanntschaft mit der Guillotine, zu der er zuvor viele andere verurteilen ließ.
Genau deshalb hab ich Robbespierre ja aufgeführt: Revolutionäre und Vorkämpfer leben i.a.R. nicht so lang wie die in der Masse schwimmenden Mitläufer, weswegen das unreflektierte Mitlaufen für den einzelnen zunächst mal eine recht effektive Überlebensstrategie zu sein scheint.
Mehr wollte ich damit nicht sagen.
Dahinter steckt zunächstmal auch keine Wertung - es war rein analytisch gemeint.
(Auch wenn das Adjektiv "kriecherisch" etwas später meine Meinung zum Mitläufertum verrät. Ich kann halt schlecht mit meiner Meinung hinterm Berg halten. Gut dass wir nicht mehr 1789 haben und in Frankreich leben.^^)

In Sachen Ambivalenz gehe ich mit Dir prinzipiell d'accord. Es ist halt nur die Frage ob die Masse der Befürworter oder die der Gegner zu der totalitären oder zu der besonnen-rationalen Fraktion gehören. Und da haben wir beide vermutlich unterschiedliche Ansichten, was wiederum an unseren unterschiedlichen Postionen in dieser Debatte liegen wird.
;)
“Most men would rather deny a hard truth than face it.”
(Ser Barristan)
Bitku ne dobiva mač u ruci, već srce u grudima junaka.
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Robespierre hat mit den Werten der Aufklärung genauso viel zu tun wie der Vatikan inkl. Papsttum mit Jesu Lehre. :cool:

Nicht alles ist Gold, was glänzt.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Benutzeravatar
Cerberus
Beiträge: 5777
Registriert: Do 29. Dez 2011, 16:11

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Cerberus »

Jekyll » So 19. Mai 2013, 13:00 hat geschrieben: Nach meinem Verständnis geht es hier nicht darum, ob man sich für eine bestimmte, konkrete Weltsicht entscheiden soll, etwa für eine rationale oder religiöse, um eine rein pragmatische oder eher moralische etc., sondern darum, dass man seine Entscheidungen auf einer selbständigen Art und Weise treffen soll.
Wo der gute Onkel Kant nur leider nicht mehr durchblicken konnte, war, dass sich das Individuum nicht (ohne weiteres?) aussuchen kann, "selbstständig" zu sein, oder nicht. Man bestellt sich auch nicht mal eben einen etwaig mangelnden Mut und hat den dann. Obendrein: Gerade hinter dieser Unselbständigkeit der Vielen steckt das Erfolgsgeheimnis des Menschen - in der Nachahmung (hier: im Nachplappern, Anhängen, "Mitlaufen", Eigenverantwortung Abgeben). Ich habe es wohl schon an anderen Stellen einige Male erwähnt: Bei mehreren Studien mit Affen und Menschen fand man einen entscheidenden Unterschied. Während, bei Problemstellungen, Affen mehrheitlich (ca. 9 von 10), jeder für sich, nach einer eigenen Lösung suchen, kopieren Menschen (ca. 9 von 10) eine einmal vorgemachte Lösungsstrategie - auch dann, wenn sie völlig unlogisch ist! Nur wird bei den Menschen auf diese Weise Wissen gespeichert und weitergegeben, auf welches dann immer wieder einer der wenigen selbstständigen Menschen aufbauen kann, was folgend von den anderen übernommen werden kann - richtiges, wie falsches. Da aber die Masse immer brav einem Leader folgt, kann sie sich langfristig darauf verlassen, dass es "vorwärts" geht, da die Denkenden immer wieder auch vorhandene Fehler (vor allem die Fehler anderer Denker) erkennen und korrigieren (leider - so ist's Natürchen nun mal - ist ein Denkender im Grunde nur an seinem eigenen Wohl interessiert und kann nur in so weit für die Masse denken und handeln, als dass es immer ein Vorteil für ihn ist.)

Wo wir schon dabei sind... wenn man nun eine große Masse führen will, dann muss man schauen, auf welchen Wegen andere Leader versuchen ihre Schäfchen an sich zu binden. Dann sieht man einen der singt ein A vor, einer, der es mit einem B versucht und einer mit einem C. Dann muss man immer wieder mal beim A mit einstimmen, dann mal beim B und dann mal beim C - anschließend kann man in aller Ruhe Z machen. Also, die Herde teilen, nach links, rechts, oben, unten, vor, zurück laufen lassen, bis ein ordentliches Durcheinander herrscht, dann einen Schlag führen, der die ganze Herde kurz aufschreckt und zu einer einzigen Richtung führt, ohne dass die, während des Laufens dorthin, überhaupt begreifen, wohin sie denn nun laufen. Dann rasten und wieder von neuem alle möglichen Richtungen vorschlagen (lassen), um abermals alles in Uneinigkeit zu versetzen, um den nächsten Schlag zu führen - wieder in die eine Richtung, die dann nicht begriffen wird. Und auch wenn bei diesen Richtungen immer wieder Teile der Herde verraten werden (sagte man ihnen nicht ihr A (oder B, C) zu?), werden sie - durch die gezielten Schläge mitten ins Wirrwar - immer wieder auf's neue in die EINE Richtung geführt, in die sie die Mächtigsten traben lassen wollen (zumal die "Herdentierchen" ja ohnehin NIE eine eigene Meinung zu was hatten, sondern sich einer "Meinung" anhängten - so wird wiederum das Gemeinschaftsgefühl der einzelnen enttäuschten Grüppchen gestärkt; nichts fügt mehr zusammen, als gemeinsames "Leid". So kann nun schön gemotzt werden, von den A's auf die B's und C's und auf alle gegenseitig. Darin muss dann nur noch hie und da etwas Würze (Zuspruch, oder Mithetze gegen die "Anderen") beigegeben werden, mal für jene, mal für diese... und schon ist die ganze Herde servierfertig für den nächsten Schlag.)


:)
Zuletzt geändert von Cerberus am So 19. Mai 2013, 18:55, insgesamt 1-mal geändert.
Dirk Müller zum Thema Ukraine/Krim: https://www.youtube.com/watch?v=K_YWdaQhRU4
Benutzeravatar
Helmuth_123
Beiträge: 8632
Registriert: Sa 31. Mär 2012, 19:51
Wohnort: Thüringen

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Helmuth_123 »

Progressiver » Fr 17. Mai 2013, 18:38 hat geschrieben:Die Philosophen der Aufklärung hatten zwar tolle Werte. Spätestens seit Hitlers Machtübernahme und den darauffolgenden Barbareien sollte aber allen klar sein, daß deren Ideale so gut wie nicht überlebt bzw. sich durchgesetzt hatten. Die KZ-Wärter unter Himmler spielten zwar klassische Musik und waren scheinbar ganz feingeistig. Aber andererseits vergasten sie gleichzeitig Millionen von Menschen, während der Großteil der Deutschen aus strammen Mitläufern und Untertanen bestand, die niemals in Massen den offenen Aufstand gegen das System wagten, sondern stattdessen treu bis in den eigenen Tod für die Obrigkeit kämpfte.

Wenn man die Zeit weiter zurückdreht, wird dieser Geist schon viel früher sichtbar. Einerseits galt Deutschland als das Land der Dichter und Denker. Andererseits wird dieser Geist schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten treffend mit Heinrich Manns Roman "Der Untertan" beschrieben, in dem die Hauptperson, kurz gesagt, vor allem Obrigkeitshörigkeit statt Zivilcourage zeigt.

Aber auch heute noch hat man nicht gerade den Eindruck, als ob die Aufklärung und ihre Werte und Tugenden viel Erfolg gehabt hätten, denn der "deutsche Michel" ist immer noch obrigkeitshörig, anstatt Zivilcourage zu zeigen und für seine eigenen Interessen zu kämpfen bzw. in Massen zu demonstrieren oder zu streiken. Und ließ man sich früher für Kaiser, Gott, Vaterland, den vergötterten Hitler einspannen, so glauben viele immer noch, daß die kirchliche wie weltliche Obrigkeit quasi heilig sei. Merkel ist sonderbar beliebt. Und anstatt sich eigene Gedanken zu machen und, wie Stephane Hessel es forderte, Widerstand gegen die Zustände zu leisten und alles, zumindest mal philosophisch betrachtet, in Frage zu stellen, bejubelt man lieber die Kanzlerin und zeigt fröhlich Kadavergehorsam.

Also: Woran also ist das "Sapere aude!" der Aufklärung in Deutschland gescheitert und wo liegen die Ursachen dafür?
Ich halte mich da an Bismarck, der einmal gesagt hat: "Ich bin weder Reaktionär noch Absolutist, ich halte den Absolutismus für eine unmögliche Sache; aber ich halte mich an unsere geschriebenen Verfassungen, die wir in Deutschland und in Preußen besitzen [...]."
Praia61
Beiträge: 11630
Registriert: Fr 13. Jan 2012, 15:45

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Praia61 »

Jekyll » So 19. Mai 2013, 17:32 hat geschrieben:Robespierre hat mit den Werten der Aufklärung genauso viel zu tun wie der Vatikan inkl. Papsttum mit Jesu Lehre. :cool:

Nicht alles ist Gold, was glänzt.
In deiner Aufzählung fehlt Mohammed ;)
Ignorierte Person/en : Schnitter
Benutzeravatar
Cerberus
Beiträge: 5777
Registriert: Do 29. Dez 2011, 16:11

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Cerberus »

Praia61 » Di 21. Mai 2013, 10:49 hat geschrieben: In deiner Aufzählung fehlt Mohammed ;)
Das war keine Aufzählung, sondern ein Vergleich. Und in diesem Vergleich hatte Mohammed nun mal überhaupt nix zu suchen.
Dirk Müller zum Thema Ukraine/Krim: https://www.youtube.com/watch?v=K_YWdaQhRU4
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Jekyll »

Cerberus » So 19. Mai 2013, 17:52 hat geschrieben:Wo der gute Onkel Kant nur leider nicht mehr durchblicken konnte, war, dass sich das Individuum nicht (ohne weiteres?) aussuchen kann, "selbstständig" zu sein, oder nicht. Man bestellt sich auch nicht mal eben einen etwaig mangelnden Mut und hat den dann. Obendrein: Gerade hinter dieser Unselbständigkeit der Vielen steckt das Erfolgsgeheimnis des Menschen - in der Nachahmung (hier: im Nachplappern, Anhängen, "Mitlaufen", Eigenverantwortung Abgeben). Ich habe es wohl schon an anderen Stellen einige Male erwähnt: Bei mehreren Studien mit Affen und Menschen fand man einen entscheidenden Unterschied. Während, bei Problemstellungen, Affen mehrheitlich (ca. 9 von 10), jeder für sich, nach einer eigenen Lösung suchen, kopieren Menschen (ca. 9 von 10) eine einmal vorgemachte Lösungsstrategie - auch dann, wenn sie völlig unlogisch ist! Nur wird bei den Menschen auf diese Weise Wissen gespeichert und weitergegeben, auf welches dann immer wieder einer der wenigen selbstständigen Menschen aufbauen kann, was folgend von den anderen übernommen werden kann - richtiges, wie falsches. Da aber die Masse immer brav einem Leader folgt, kann sie sich langfristig darauf verlassen, dass es "vorwärts" geht, da die Denkenden immer wieder auch vorhandene Fehler (vor allem die Fehler anderer Denker) erkennen und korrigieren (leider - so ist's Natürchen nun mal - ist ein Denkender im Grunde nur an seinem eigenen Wohl interessiert und kann nur in so weit für die Masse denken und handeln, als dass es immer ein Vorteil für ihn ist.)

Wo wir schon dabei sind... wenn man nun eine große Masse führen will, dann muss man schauen, auf welchen Wegen andere Leader versuchen ihre Schäfchen an sich zu binden. Dann sieht man einen der singt ein A vor, einer, der es mit einem B versucht und einer mit einem C. Dann muss man immer wieder mal beim A mit einstimmen, dann mal beim B und dann mal beim C - anschließend kann man in aller Ruhe Z machen. Also, die Herde teilen, nach links, rechts, oben, unten, vor, zurück laufen lassen, bis ein ordentliches Durcheinander herrscht, dann einen Schlag führen, der die ganze Herde kurz aufschreckt und zu einer einzigen Richtung führt, ohne dass die, während des Laufens dorthin, überhaupt begreifen, wohin sie denn nun laufen. Dann rasten und wieder von neuem alle möglichen Richtungen vorschlagen (lassen), um abermals alles in Uneinigkeit zu versetzen, um den nächsten Schlag zu führen - wieder in die eine Richtung, die dann nicht begriffen wird. Und auch wenn bei diesen Richtungen immer wieder Teile der Herde verraten werden (sagte man ihnen nicht ihr A (oder B, C) zu?), werden sie - durch die gezielten Schläge mitten ins Wirrwar - immer wieder auf's neue in die EINE Richtung geführt, in die sie die Mächtigsten traben lassen wollen (zumal die "Herdentierchen" ja ohnehin NIE eine eigene Meinung zu was hatten, sondern sich einer "Meinung" anhängten - so wird wiederum das Gemeinschaftsgefühl der einzelnen enttäuschten Grüppchen gestärkt; nichts fügt mehr zusammen, als gemeinsames "Leid". So kann nun schön gemotzt werden, von den A's auf die B's und C's und auf alle gegenseitig. Darin muss dann nur noch hie und da etwas Würze (Zuspruch, oder Mithetze gegen die "Anderen") beigegeben werden, mal für jene, mal für diese... und schon ist die ganze Herde servierfertig für den nächsten Schlag.)


:)
Zusammengefasst also:
1. Kollektives Verhalten ist eine Überlebensstrategie, die an sich sinnvoll ist.
2. Nichtsdestotrotz kann diese in bestimmten Fällen auch missbraucht werden.

Punkt 2 rechtfertigt die aufklärerische Aufforderung nach Selbstständigkeit. Aber nicht nur wegen der Möglichkeit eines Missbrauchs, sondern auch deshalb, dass das Altbewährte irgendwann nicht mehr gültig sein kann und die blinde Befolgung des Althergebrachten keinerlei Sinn mehr hat oder sogar schädlich ist.

Zu Punkt 1 fällt mir ein, dass eher Schwachen zur Gruppenbildung neigen und dazu tendieren, die Sicherheit der Gruppe zu suchen. Und das muss nicht unbedingt die optimale Lösung sein.

Dass das Gruppenverhalten ("Mitläufertum") eine rein menschiche Überlebensstrategie sein soll (worauf dein Beispiel mit den Affen hindeutet), halte ich für nicht plausibel. Einerseits kann man solche Unterschiede im Verhalten darauf zurückführen, dass der Affe im Vergleich zum Menschen in seinen empathischen, kommunikativen und kognitiven Fähigkeiten stark begrenzt ist (d. h. der Affe ist nicht etwa ein Individualist, der eine "eigene Meinung" vertritt, sondern er ist in seinen Möglichkeiten einfach nur beschränkt), andererseits gibt es aber auch Beobachtungen, wo auch bei Affen ein Nachahmungsverhalten festgestellt wurde (wie etwa das, wo einer aus dem Rudel rein zufällig entdeckt, dass gewaschene Nahrungsmittel besser zum kauen sind, und bald macht es die ganze Herde ihm nach). Ich denke, jede Spezies realisiert das Erfolgskonzept, sich an das Bewährte zu halten und sich Gruppen anzuschließen, auf ihre Art und Weise (der Mensch eher auf kultureller Ebene durch Sprache und soziale Intelligenz, das Tier dagegen eher auf instinktiver Ebene).
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Benutzeravatar
Cerberus
Beiträge: 5777
Registriert: Do 29. Dez 2011, 16:11

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Cerberus »

Jekyll » Mi 22. Mai 2013, 05:37 hat geschrieben:Zusammengefasst also:
1. Kollektives Verhalten ist eine Überlebensstrategie, die an sich sinnvoll ist.
2. Nichtsdestotrotz kann diese in bestimmten Fällen auch missbraucht werden.

Punkt 2 rechtfertigt die aufklärerische Aufforderung nach Selbstständigkeit. Aber nicht nur wegen der Möglichkeit eines Missbrauchs, sondern auch deshalb, dass das Altbewährte irgendwann nicht mehr gültig sein kann und die blinde Befolgung des Althergebrachten keinerlei Sinn mehr hat oder sogar schädlich ist.

Zu Punkt 1 fällt mir ein, dass eher Schwachen zur Gruppenbildung neigen und dazu tendieren, die Sicherheit der Gruppe zu suchen. Und das muss nicht unbedingt die optimale Lösung sein.
Das können Sie eben so gut gegen eine Wand reden. Die Selbstständigkeit und die Aufklärung, die Sie fordern (wie ich Depp übrigens auch), ist kaum zu bewerkstelligen - eben, weil nicht alle "Selbstständig" sind, sondern, zu Massen, Mitläufer. Denen können Sie jahrelang die Selbstständigkeit vorkauen - die werden dann (wenn Sie, als "Lehrer", von denen akzeptiert werden) schlicht sagen und machen, was Sie denen aufgebluppert haben.
Jekyll » Mi 22. Mai 2013, 05:37 hat geschrieben: Dass das Gruppenverhalten ("Mitläufertum") eine rein menschiche Überlebensstrategie sein soll (worauf dein Beispiel mit den Affen hindeutet), halte ich für nicht plausibel.
Dann denken Sie vielleicht mal drüber nach. ;) Davon ab habe ich nirgends zum Thema gemacht, warum die Affen sich nun so verhalten - das wollte ich eigentlich nicht auch noch (gleich mit) durchkauen. Ansonsten - ich weiß nicht woher Sie so nun Ihre Kenntnisse des Verhaltens von Affen haben - ist es nicht so, dass die mal eben locker alle das nachmachen, was ihnen ein anderer vormacht - also ganz im Gegenteil - eben, kaum mehr als einer von zehn. Auch geht es um den Sinn dazu. D.h., wenn man einem Affen vormacht, was er alles machen soll, um an eine Nuss zu kommen, dann - ja - wenn er selbst nichts anderes sieht - dann macht der das. Nur, sobald er selbst einen Weg erkennt, nimmt der diesen, statt das Vorgemachte nachzumachen; und genau das tun die meisten Menschen nicht! Egal ob es irgendwie logisch erscheint, oder nicht, das einmal Vorgemachte wird stumpf kopiert! Und das ist der erstaunliche Aspekt: Affen zeigen deutlich mehr Eigenständigkeit bei der Lösung von Problemen (so weit sie ihre Logik und Erkenntnis trägt).

Und nochmal: Es nutzt ja nix, wenn einige wenige (nehmen wir halt mal 10% an) Selbstständige denken und mehr oder weniger erkennen und begreifen, so eben nur diese 10%. Und die können - für sich - noch 100 und 1 mal erkennen, wie fein es doch wäre, wenn diese Art der Eigenständigkeit von der Masse angenommen würde - die Masse wird es nicht tun, weil sie es nicht kann! Und selbst wenn man unterstellte, dass alle Menschen dieses Potential hätten - bitte wie sollte (auf demokratischen Wegen) je dafür gesorgt werden können, dass, von Kindesbeinen an, eine entsprechende Prägung (Kita, Schule, Uni) vorgenommen würde? Ist ja gar nicht drin! Ca. 90% der Lehrer, Profs, oder auch schon an der Spitze, der Politiker, die sehen überhaupt nicht, was ein solches Thema darstellen solle! Es ist also ziemlich ausgeschlossen, mit irgendwelchen "Plänen" vorzugehen und zu glauben man könne etwas bewirken; man würde immer an den (gewaltigen) Mehrheiten scheitern. So können sich gerne etwaig Denkende z.B. mit div. Studien die Zeit vertreiben, dabei offenbaren, wie es mit den lieben, klugen Menschen so bestellt ist - und nichts wird sich (aus diesem) ändern. Allein nach dem Milgram-Experiment hätte es (wenn es eben eine denkende Masse geben würde) Alarm läuten müssen, bis dass die Ötzis aus dem Eis erwachten.... aber nix.
Zuletzt geändert von Cerberus am Mi 22. Mai 2013, 08:24, insgesamt 1-mal geändert.
Dirk Müller zum Thema Ukraine/Krim: https://www.youtube.com/watch?v=K_YWdaQhRU4
SLclem
Beiträge: 2028
Registriert: Do 14. Feb 2013, 12:20
user title: Insubordinator II. Verwarn.: 3
Wohnort: Realität.

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von SLclem »

Cerberus » Mi 22. Mai 2013, 08:11 hat geschrieben:Und nochmal: Es nutzt ja nix, wenn einige wenige (nehmen wir halt mal 10% an) Selbstständige denken und mehr oder weniger erkennen und begreifen, so eben nur diese 10%. Und die können - für sich - noch 100 und 1 mal erkennen, wie fein es doch wäre, wenn diese Art der Eigenständigkeit von der Masse angenommen würde - die Masse wird es nicht tun, weil sie es nicht kann! Und selbst wenn man unterstellte, dass alle Menschen dieses Potential hätten - bitte wie sollte (auf demokratischen Wegen) je dafür gesorgt werden können, dass, von Kindesbeinen an, eine entsprechende Prägung (Kita, Schule, Uni) vorgenommen würde? Ist ja gar nicht drin! Ca. 90% der Lehrer, Profs, oder auch schon an der Spitze, der Politiker, die sehen überhaupt nicht, was ein solches Thema darstellen solle! Es ist also ziemlich ausgeschlossen, mit irgendwelchen "Plänen" vorzugehen und zu glauben man könne etwas bewirken; man würde immer an den (gewaltigen) Mehrheiten scheitern. So können sich gerne etwaig Denkende z.B. mit div. Studien die Zeit vertreiben, dabei offenbaren, wie es mit den lieben, klugen Menschen so bestellt ist - und nichts wird sich (aus diesem) ändern. Allein nach dem Milgram-Experiment hätte es (wenn es eben eine denkende Masse geben würde) Alarm läuten müssen, bis dass die Ötzis aus dem Eis erwachten.... aber nix.
Ich möchte mich hier nicht in Eure Kant-Zitiererei/Interpretierungen einmischen (und könnte das auch gar nicht), wollte aber doch kurz anmerken, dass es nicht Ziel eines aufgeklärten Menschen sein muss –nein: DARF!– alle anderen Menschen zur individuellen Aufgeklärtheit zu zwingen!
Selbstverständlich ist es ein hehres Ziel; aber man sollte auch nicht übersehen, was sich im ganz Alltäglichen seit den Zeiten von Despoten geändert hat:

heutzutage gibt es Bürgerinitiativen, daraus immer wieder Partei-Neugründungen, "Wutbürger", NGOs, Flash-Mobs und, und, und …
Vor hunderten Jahren wären das alles "Revolutionen" gewesen und die "Anstifter" hätten mindestens mit Kerkerhaft zu rechnen gehabt!

Aufklärung ist nichts für "jeden". Sich selbst für "aufgeklärt" Haltende würde ich im Idealfall eher als Vorbilder, Anstifter, meinetwegen als Journalisten/Glossisten und unter Politikern erhoffen.
Gegen Aufklärung sprechen u.a.: Faulheit, prekäre Lebensverhältnisse, Genuss-Sucht, politische Enttäuschung, usw., usw. …
Moshe Zuckermann zu Israel-Palästina: https://www.youtube.com/watch?v=ROe_T4MQorM
Benutzeravatar
Sri Aurobindo
Beiträge: 9079
Registriert: Do 14. Mär 2013, 21:02
user title: ॐ नमः शिवाय
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Sri Aurobindo »

Cerberus » So 19. Mai 2013, 18:52 hat geschrieben:Wo der gute Onkel Kant nur leider nicht mehr durchblicken konnte, war, dass sich das Individuum nicht (ohne weiteres?) aussuchen kann, "selbstständig" zu sein, oder nicht. Man bestellt sich auch nicht mal eben einen etwaig mangelnden Mut und hat den dann. Obendrein: Gerade hinter dieser Unselbständigkeit der Vielen steckt das Erfolgsgeheimnis des Menschen - in der Nachahmung (hier: im Nachplappern, Anhängen, "Mitlaufen", Eigenverantwortung Abgeben). Ich habe es wohl schon an anderen Stellen einige Male erwähnt: Bei mehreren Studien mit Affen und Menschen fand man einen entscheidenden Unterschied. Während, bei Problemstellungen, Affen mehrheitlich (ca. 9 von 10), jeder für sich, nach einer eigenen Lösung suchen, kopieren Menschen (ca. 9 von 10) eine einmal vorgemachte Lösungsstrategie - auch dann, wenn sie völlig unlogisch ist! Nur wird bei den Menschen auf diese Weise Wissen gespeichert und weitergegeben, auf welches dann immer wieder einer der wenigen selbstständigen Menschen aufbauen kann, was folgend von den anderen übernommen werden kann - richtiges, wie falsches. Da aber die Masse immer brav einem Leader folgt, kann sie sich langfristig darauf verlassen, dass es "vorwärts" geht, da die Denkenden immer wieder auch vorhandene Fehler (vor allem die Fehler anderer Denker) erkennen und korrigieren (leider - so ist's Natürchen nun mal - ist ein Denkender im Grunde nur an seinem eigenen Wohl interessiert und kann nur in so weit für die Masse denken und handeln, als dass es immer ein Vorteil für ihn ist.)
Ich denke Kant spricht vor allem Jene an, die auch seine Worte verstehen!

Zu seiner Zeit fehlte es eben auch diesen Menschen an Mut sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen - und das obwohl sie dazu fähig waren!

Und man muss doch feststellen - seine Aufmunterung zur Aufklärung hat ja doch einiges in Gang gesetzt!

Genau deshalb irrt Marx auch mit seiner Aussage:
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“
Karl Marx (Werk: 11. These über Feuerbach)
Die Philosophen haben mit ihren verschiedenen Interpretationen der Welt natürlich diese Welt auch immer verändert!

Ohne Platon wäre diese Welt eine andere!
Zuletzt geändert von Sri Aurobindo am Mi 22. Mai 2013, 09:53, insgesamt 3-mal geändert.
Benutzeravatar
Cerberus
Beiträge: 5777
Registriert: Do 29. Dez 2011, 16:11

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Cerberus »

Matthias Pochmann » Mi 22. Mai 2013, 08:50 hat geschrieben: Ohne Platon wäre diese Welt eine andere!
Ohne die Mücke, die ich vorgestern totgeschlagen habe, auch.
Dirk Müller zum Thema Ukraine/Krim: https://www.youtube.com/watch?v=K_YWdaQhRU4
Benutzeravatar
Sri Aurobindo
Beiträge: 9079
Registriert: Do 14. Mär 2013, 21:02
user title: ॐ नमः शिवाय
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Woran scheiterte die Aufklärung in Deutschland?

Beitrag von Sri Aurobindo »

Cerberus » Mi 22. Mai 2013, 17:56 hat geschrieben: Ohne die Mücke, die ich vorgestern totgeschlagen habe, auch.
Und welche Auswirkung wird die tote Mücke noch haben?

Und hätte eine zusätzliche tot geschlagene Mücke zu Platons Zeiten die Geschichte der Menschheit wirklich dramatisch verändert?
Zuletzt geändert von Sri Aurobindo am Mi 22. Mai 2013, 18:13, insgesamt 2-mal geändert.
Antworten