Hallo H2O.
Entschuldige die verzögerte Antwort!
H2O hat geschrieben:Der Weg dieser Richtlinie/dieses Gesetzes bleibt sicher weiterhin EU-Ministerrat -> EU-Kommission -> Partnerstaaten.
So inetwa - JA!
H2O hat geschrieben:Nach dem soeben Gelernten würde ein Fluggast die Fluggesellschaft beklagen, fände zu Hause beim bummeligen Gesetzgeber kein Gesetz dieser Art vor, und dann würde die EU diesen Partnerstaat "zur Brust" nehmen. Richtig?
D'accord! Meist, wenn knifflige Fragen zu klären sind, die auf EU-Richtlinien oder EU-Verordnungen zurückgehen, ... dann legen, wie in diesem Fall, nationale Gerichte diese dem EuGh zur Vorabklärung vor.
H2O hat geschrieben:Aber den Fall, daß eine nationale Regierung sagt: ...
Ich hatte gesagt, daß kein EU-Staat gezwungen werden kann, eine EU-Verordnung zu ratifizieren.
Kurz und ehrlich gesagt: solch eine Richtlinie wird es wohl
nie geben - theoretisch wäre dies zwar unter Umständen denkbar, aber eben nur theoretisch. Zur Beurteilung dessen, müssen wir erstmal den Aufbau der EU betrachten und deren formale Kompetenzen berücksichtigen.
Fangen wir mit dem
Europäischen Parlament an. Es ist bekanntlich das einzig direkt und demokratisch gewählte EU-Organ. Ihm wurde anfangs lediglich ein Anhörungsrecht zu gebilligt. Mit Einführung der
Einheitlichen Europäische Akte von 1986, sowie den Verträge von Maastricht, Amsterdam, Nizza und Lissabon wurden sukzessive die Befugnisse des Parlaments erweitert und angepaßt. So wurde ihm etwa laut Vertrag von Maastrich eine Mitentscheidung zugestanden. Seit dem Vertrag von Lissabon besitzt das EU-Parlament ein EU-Beschlußfassungssystem: das
ordentliche Legislativverfahren - die Mitentscheidung: Parlament und Rat sind dabei gleichberechtigt, und das
besondere Legislativverfahren - damit kommt dem Parlament nach wie vor nur eine konsultative Rolle zu. Seither besitzt es (zeitweise) also ein Vetorecht - es kann daher einen Gesetzgebungsvorschlag billigen, ablehnen und/oder Änderungen dazu vorschlagen ... es ist somit eines der beiden gesetzgebenden Gremien innerhalb der EU. Mittlerweile hat das Parlament auch ein politisches Initiativrecht. Das heißt: es kann die
Kommission auffordern, ihm einen
"Gesetzesvorschlag" zu unterbreiten. Was das EU-Parlament aber nach wie vor nicht kann und darf, es darf keine
"Gesetze" eigenhändig und alleine ausarbeiten - alles muß also seinen gewohnten Gang gehen:
- Die Gesetzgebungsinitiative liegt aber immer noch bei der Kommission.
Kommen wir zum
Europäischen Rat! Dieser besteht aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer, sowie dem Präsident der Europäischen Kommission und dem Hohe Vertreter bzw.: der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Dem EU-Rat obliegt die Bestimmung der allgemeinen politischen Zielvorstellungen und der Prioritäten der Europäischen Union – ohne aber direkt für die Erlassung von Rechtsvorschriften befugt zu sein. Zusätzlich befaßt er sich mit komplexen oder sensiblen Themen, die auf einer niedrigeren Ebene der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit nicht geklärt werden können.
Und damit sind wir beim
Rat der Europäischen Union ... dem
Ministerrat. Er koordiniert Politikbereiche, diskutiert, ändert und nimmt Rechtsvorschriften an. Die anwesenden Minister sind befugt,
"für die Regierungen der von ihnen vertretenen Mitgliedstaaten verbindlich zu handeln". Zusammen mit dem Europäischen Parlament ist der Rat der Europäischen Union also das Hauptbeschlußorgan der EU - auf Grundlage von Vorschlägen der EU-Kommission verabschiedet er gemeinsam mit dem Europäischen Parlament EU-Rechtsvorschriften. Wie Du recht gut beschrieben hast, würde allerdings kein Minister entscheiden und
"Gesetze" erlassen, ohne dies nicht vorher mit seiner nationalen Regierung abgestimmt zu haben.
- ... es sei denn, ... er oder sie hat kein Interesse an persönlicher Karriere.
- ... oder, wie im Fall Glyphosat, eine (negative) Entscheidung hätte keine Auswirkung auf dessen Karriere.
Fazit:
- bevor ein EU-Mitgliedsland durch eine EU-Richtlinie unter Druck gerät ... es also zuletzt überstimmt wird, wird solange weiterverhandelt, bis alle glücklich sind. Was geschieht, wenn dieses nicht eingehalten wird ... wenn also mit dem Mehrheitsprinzip abgestimmt wird, haben wir zuletzt beim EU-Flüchtlings-Verteilungsplan gesehen. Die Visegrad-Staaten sind mit Mehrheit überstimmt worden - Flüchtlinge nehmen sie trotzdem keine auf.
Denk mal an die Feinstaubrichtlinie ... bzw.: die CO²- und NOx-Grenzwerte! Alle anderen EU-Mitgliedsländer wollten recht strenge und eindeutige Grenzwerte - Merkel ... Deutschland wollte diese nicht. Sodann wurde solange verhandelt, bis alle mit diesem erzielten Kompromiss leben konnten.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)