Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

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H2O
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von H2O »

Selina hat geschrieben:(31 Mar 2018, 17:17)

Danke für die ausführliche Antwort. Wobei ich nicht so sehr die "erstarrte Politik" meinte, sondern eher die Tatsache, dass es heute möglich ist, dass rechte Nationalisten so einen Einfluss gewinnen können. Wie konnte zum Beispiel so etwas wie die AfD bis in den Bundestag vordringen und damit in viele wichtige Gremien? Wo doch jeder weiß, dass es in dieser Partei auch Rechtsradikale gibt. Ich meine das eher politisch, nicht so sehr wahlrechtlich. Meine Frage zielt eher in die Richtung: Was tut die gesellschaftliche Mitte, damit der rechtsnationale Ungeist nicht noch mehr um sich greifen kann? Wo sind die Stimmen der Mitte?
Ich glaube nicht, daß die gesellschaftliche Mitte bereit ist, die Dummheiten und Fehler der dort verwurzelten Parteien weiter zu ertragen. Die Leute hören sich ganz einfach an, daß andere politische Kräfte ihr Problem aufgreifen und es abarbeiten wollen. Man kann sicher darüber streiten, ob das denn nicht eingebildete Probleme sind. Auch das haben die politischen Parteien der Mitte zu vermitteln versucht.

Ich denke zurück an die Umgangsweise mit den Ereignissen von Silvester 2015/2016, mit Falschmeldungen und Beschönigungen. Oder mit anderer Ausländerkriminalität, die aus gut nachvollziehbaren Gründen durch Nichtnennung der Herkunft der Täter verschleiert wurde. So oder so hat es eine Schere im Kopf der Leute gegeben, die den Mitbürgern gegenüber zur Wahrheit verpflichtet sind.

Die AfD hat solche Hemmungen sicher nicht, sondern nutzt diese Selbstzensur der übrigen Politik natürlich aus. Sie spricht die Dinge an, die die Mitbürger doch selbst sehen und erleben, und das gibt ihr den Vorteil, auch die verrücktesten politischen Problemlösungen glaubwürdig zu verkünden. Auf jeden Fall wirkt deren vorgeschlagene Vorgehensweise glaubwürdiger als "die volle Härte des Rechtsstaats", die eine hilflose und ideenlose Politik der Mitte von Zeit zu Zeit verkündet.

Wir Normalverbraucher spüren doch, daß unsere Gesetze und Verfahrensvorschriften inzwischen so ausgeufert sind, daß unsere Justiz sie nicht mehr abarbeiten kann, daß man als Gewerbetreibender Steuerberater braucht, um durch den Dschungel hindurch zu finden. So werden "legale" Betrügereien möglich, gehen Straftäter nach ausgiebiger Beschäftigung der Justiz ungeschoren frei. Hinzu kommt Behördenversagen von NSU bis zu "Gefährdern" und DITIB-Spitzeleien.

Wundert Sie vor dem Hintergrund, daß eine Partei, die dazu auch Lösungsvorschläge vorträgt, viel Zustimmung erhält? Die Vorschläge nehmen vermutlich wenig Rücksicht auf die Selbstblockaden unserer Rechtsvorschriften... aber das ist vielen Mitbürgern gleichgültig. Das Problem soll gelöst werden... wie auch immer. Und das paßt dann auch wieder ideal zu pöbelnden Schreihälsen.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

schokoschendrezki hat geschrieben:(26 Mar 2018, 11:38)

Die wichtigste Frage für mich: Findet hier eine Spaltung und damit Schwächung der europäischen Rechten statt? In ein sozusagen bürgerlich-akzeptables lager einerseits und in ein offen rechtsextremes Lager andererseits? Oder vielleicht nicht sogar eher eine Art Verdopplung. Indem zu solchen gemäßigt rechten und schon länger erfolgreichen Parteien wie FPÖ oder den skandinavischen Rechten nun sozusagen additiv eben noch extreme Rechte hinzukommen.
Zunächst einmal: die Rechte spaltet sich selbst ständig. Muss sie auch, weil sie viel zu sehr im Egoismus festhängt, der bei denen quasi Programm ist. Das bürgerlich-akzeptable Lager hat es im Falle der FPÖ schon immer gegeben, und der Erfolg nicht nur der FPÖ, sondern auch von Fidesz im Vergeich zu Jobbik, zeigt den immer grösser werdenden Widerspruch im rechten Lager zwischen Akzeptanz und Provokation. Akzeptanz ist einfach erfolgreicher.

Zudem: jedes Land in Europa ausser Deutschland kann sich eine CSU-ähnliche Partei fürs ganze Land leisten. Und CSU bundesweit wäre auch das, was viele rechte Wähler hierzulande wählen würden. Weil sie von ihren rechten Parteien auch nicht so begeistert sind (verständlich).

Es findet also eine Umwandlung bei den Rechten statt. Fundamentalegoismus, das dämmert einen grossen Teil immer mehr, funktioniert auf Dauer nicht. Die Rechten werden also stärker und wählbarer, dafür weniger extrem.
Und dann: Wie muss sich die Strategie der Entgegnung ändern. In den Köpfen vieler Linker - glaube ich zumindest - sind Rechtsextreme typischerweise angetrunkene Nazigröhler und nicht akademisch gebildete Personen. Dieses einseitige Bild wird sich nicht halten lassen.
Die Linke hierzulande muss sich langsam mal wieder dem Nationalismus stellen, und sich dabei mal wieder auf die linken Wurzeln des Nationalismus besinnen. Sonst nimmt ihnen die Rechte dieses Thema komplett weg. Und das kostet nicht wenige Stimmen.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von imp »

Die Linke würde einen schweren Fehler machen, sich auf eine nationalistische Spielart von Sozialdemokratie zu kaprizieren. Damit ist schon die PCF gescheitert.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(02 Apr 2018, 12:44)

Die Linke würde einen schweren Fehler machen, sich auf eine nationalistische Spielart von Sozialdemokratie zu kaprizieren. Damit ist schon die PCF gescheitert.
Was soll sie sonst machen? Auf Kosmopolitismus setzen? Damit wird sie langfristig noch mehr verlieren. Aber vielleicht tuts ja ein Euro-Nationalismus. Wäre ja auch was.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von imp »

Woppadaq hat geschrieben:(02 Apr 2018, 20:15)

Was soll sie sonst machen? Auf Kosmopolitismus setzen? Damit wird sie langfristig noch mehr verlieren. Aber vielleicht tuts ja ein Euro-Nationalismus. Wäre ja auch was.
Damit wäre sie in Deutschland schlecht beraten. Euronationalismus in der - nach der Deklassierung Frankreichs, dem Ausscheiden der Briten und dem Verhindern der Türkei - unbestrittenen Führungsnation der EU wäre einfach nur Nationalsozialismus in "groß" während die NPD/AfD dasselbe in kleinlich-doof darstellt.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(02 Apr 2018, 21:10)

Damit wäre sie in Deutschland schlecht beraten. Euronationalismus in der - nach der Deklassierung Frankreichs, dem Ausscheiden der Briten und dem Verhindern der Türkei - unbestrittenen Führungsnation der EU wäre einfach nur Nationalsozialismus in "groß" während die NPD/AfD dasselbe in kleinlich-doof darstellt.
Das wäre der Fall, wenn man inklusiven und exklusiven Nationalismus nicht trennen könnte. Ich glaub aber, das kann man. In Europa noch eher als im unbeweglichen Deutschland.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von imp »

Woppadaq hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:13)

Das wäre der Fall, wenn man inklusiven und exklusiven Nationalismus nicht trennen könnte. Ich glaub aber, das kann man.
Ja, inklusiver Nationalismus schließt die Minderheiten in Lager ein, exklusiver schließt sie an Grenzzäunen aus und guckt zu, wie sie zugrunde gehen. Das lässt sich gut trennen. Das Gerede ist letztlich nur eine Unterscheidung in Bekenntnis (das man im Zweifel pauschal nicht glaubt) und Biologismus. Beides ist Müll. Niemand, auch der hier geborene, ist für die Zwecke einer Abstraktion wie Nation da. Alle wollen sie vorrangig (gut) leben.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:15)

Ja, inklusiver Nationalismus schließt die Minderheiten in Lager ein...
Sorry, aber das war jetzt wirklich völlig daneben. Wo schliessen die Amis denn ihre Minderheiten in Lager ?
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von imp »

Woppadaq hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:18)

Sorry, aber das war jetzt wirklich völlig daneben. Wo schliessen die Amis denn ihre Minderheiten in Lager ?
Ich kann dir gerade nicht folgen. Es ging um Rechte in Europa und darum, ob Europas und speziell Deutschlands Linke hier in Sachen Nationalismus anbiedern oder lieber abgrenzen soll. Was willst du da mit Amerika?
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:22)

Ich kann dir gerade nicht folgen.
Ja, weil du scheinbar nicht weisst, was inklusiver Nationalismus ist. Der amerikanische Nationalismus ist aber ein gutes Beispiel für inklusiven Nationalismus. Genauso der norwegische.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von imp »

Woppadaq hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:25)

Ja, weil du scheinbar nicht weisst, was inklusiver Nationalismus ist. Der amerikanische Nationalismus ist aber ein gutes Beispiel für inklusiven Nationalismus. Genauso der norwegische.
Die Norweger werfen gerade raus, was sich nicht wehren kann. In Deutschland hatten wir inklusiven Nationalismus bis 1945. War nicht so toll.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:31)
In Deutschland hatten wir inklusiven Nationalismus bis 1945.
Wie ich schon sagte: du hast keine Ahnung, was inklusiver Nationalismus ist. Zu deiner Entlastung: das geht vielen so. Damit bleibt der exklusive Nationalismus der AfD der einzige, der alle Nationalisten ohne Unterschied anzieht. Und ihr habt NICHTS, was ihr dem entgegensetzen könnt. Und das nur, weils euch nicht interessiert.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von imp »

Woppadaq hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:37)

Wie ich schon sagte: du hast keine Ahnung, was inklusiver Nationalismus ist. Zu deiner Entlastung: das geht vielen so. Damit bleibt der exklusive Nationalismus der AfD der einzige, der alle Nationalisten ohne Unterschied anzieht. Und ihr habt NICHTS, was ihr dem entgegensetzen könnt. Und das nur, weils euch nicht interessiert.
Ich bin kein Marktschreier, der den wenig originellen Personen, die auf Nationalismus setzen, einen billigeren oder schöneren Nationalismus anpreist. Ich bin keine Partei. Mag die SPD in dem Versuch verrecken, da anzudocken wie ihre italienische, österreichische und französische Partnerschaft.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:41)

Ich bin kein Marktschreier, der den wenig originellen Personen, die auf Nationalismus setzen, einen billigeren oder schöneren Nationalismus anpreist.
Ja sicher, dann lieber die volle SPD-Dröhnung a la Sarrazin.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von imp »

Woppadaq hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:48)

Ja sicher, dann lieber die volle SPD-Dröhnung a la Sarrazin.
Ich bin da indifferent. Sarrazin, Spahn oder Frank Franz, das ist eine Frage der Nuancen.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(02 Apr 2018, 22:56)

Ich bin da indifferent. Sarrazin, Spahn oder Frank Franz, das ist eine Frage der Nuancen.
Ich weiss nicht, wo Spahn überhaupt nationalistisch in Erscheinung getreten ist. Und sowohl Sarrazin wie Franz betreiben exklusiven Nationalismus, auch wenn Sarrazin sich da gut rausredet.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Skeptiker »

Senexx hat geschrieben:(26 Mar 2018, 12:35)
Die Linke erschafft sich ihre Gegner durch ihre Maßlosigkeit und Intoleranz. Auf Dauer kann man die demokratische Meinungsbildung nicht einschränken. Diese Lektion müssen die Linken erst noch lernen.
Dem kann man fast nichts hinzufügen.

Auch ich sehe in erster Linie eine Linke die sich in den letzten Jahrzehnten "zu Tode siegt" wenn es um gesellschaftspolitische Themen geht. Auf der anderen Seite hat man seine klassische Klientel, die Arbeiterschicht, total im Stich gelassen und sich stattdessen mit Wirtschaftsliberalen angefreundet.

So wächst die Wirtschaft, die unteren Lohngruppen verlieren den Anschluss, aber wenn man die Klappe aufmacht wird man nasal zurechtgewiesen. Aus jeder Kleinigkeit wird eine Moralfrage konstruiert und in für sie so wahrgenommenen Gerechtigkeitsthemen geht jede Scheu verloren mit unlauteren Mitteln zu kämpfen (z.B. permanenter Einsatz des Absoluten Gender Pay Gaps anstatt des bereinigten -> pure Propaganda -> das Ziel bestimmt die Mittel)

Das ist eben für viele Menschen nicht mehr die Idealvorstellung einer Gesellschaft. Man hat sich so an die Vorstellung von Meinungsfreiheit (kulturell, nicht nur legal) gewöhnt, dann möchte man sie auch wahrnehmen. Instrumentalisierung von Medien und Brandmarkung von Demonstranten als Pöbel tun dann ihr übriges um eine auch intellektuell fundierte Gegenbewegung ans Laufen zu bekommen.

Ja, das ist eine neue Qualität - weil nun einer langanhaltende Linksbewegung etwas entgegengesetzt wird. Anders als reflexhaft dargestellt ist die aber nicht im Kern undemokratisch, sondern im Kern das demokratische Korrektiv einer linken Bewegung, die an gesellschaftlichen Rückhalt verliert, weil sie den Realitäten entschwebt.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Excellero »

Villeicht haben einfach immer mehr Leute von Linken die Nase voll. Und machen wir uns nichts vor... in jedem europäischen Land sind die "Konservativen" doch auch schon über die Linie nach links gerutscht. Die Leute sehen wohin das führt und wenden sich ab. Und je größer die Abneigung um so härter wird der Gegenkurs eingeschlagen. Und das ist auch völlig richtig!
Um fremden Wert willig und frei anzuerkennen, muß man eigenen haben.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Skeptiker hat geschrieben:(03 Apr 2018, 00:19)

Dem kann man fast nichts hinzufügen.

Auch ich sehe in erster Linie eine Linke die sich in den letzten Jahrzehnten "zu Tode siegt" wenn es um gesellschaftspolitische Themen geht. Auf der anderen Seite hat man seine klassische Klientel, die Arbeiterschicht, total im Stich gelassen und sich stattdessen mit Wirtschaftsliberalen angefreundet.

So wächst die Wirtschaft, die unteren Lohngruppen verlieren den Anschluss, aber wenn man die Klappe aufmacht wird man nasal zurechtgewiesen.
Das ist mir ja mal was ganz neues, das sich die Rechten zum Sprachrohr der Armen und Entrechteten machen, geschweige denn ihnen Lösungen anbieten, ja überhaupt nur den Anschein wahren, so etwas wie Hartz4 zurückzunehmen.

Aber bei der Wahrheit zu bleiben war für die Rechten schon immer ein Problem.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Excellero hat geschrieben:(03 Apr 2018, 00:29)

Villeicht haben einfach immer mehr Leute von Linken die Nase voll. Und machen wir uns nichts vor... in jedem europäischen Land sind die "Konservativen" doch auch schon über die Linie nach links gerutscht. Die Leute sehen wohin das führt ...!
Ja, Es führt dazu, dass die Leute egoistischer werden und rechts wählen. Das Original quasi...
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(02 Apr 2018, 00:18)
Die Linke hierzulande muss sich langsam mal wieder dem Nationalismus stellen, und sich dabei mal wieder auf die linken Wurzeln des Nationalismus besinnen. Sonst nimmt ihnen die Rechte dieses Thema komplett weg. Und das kostet nicht wenige Stimmen.
Die "Wurzeln des (europäischen) Nationalismus" liegen in den Bewegungen der Epoche von der französischen Revolution 1789 und dem Jakobinismus über den Vormärz bis hin und vor allem zu den Ereignissen 1848/49. Das was man allgemein so als "Völkerfrühling" bezeichnet. Als Beispiel dafür, dass diese Wurzeln des Nationalismus sich weder eindeutig links noch eindeutig rechts verorten lassen, nenne ich nur mal den Namen Ernst-Moritz Arndt. Ganz klar ein Völkerfrühlings-Patriot und Kämpfer gegen Napoleons Vorherrschaft und auf der anderen Seite ein extremer Reaktionär, Antisemit und völkisch gesinnter Franzosenhasser. So einfach geht das nicht. In der Marxschen Auffassung wird der Begriff der "Nation" weitgehend aus der ökonomischen Perspektive heraus gefasst. Und da vor allem aus der Perspektive sozialer Klassen. Der Arbeiter "habe kein Vaterland" ist eine der bekanntesten Thesen diesbzüglich aus dem Kommunistischen Manifest. "Linksnationalismen" sind nach meinem Verständnis sehr viel später entstanden. DIe Regimes in Venezuela der letzten Jahrzehnte würde ich als "linksnationalistisch" sehen. In der Beurteilung solcher Phänomene, da stimme ich zu, müssen sich die als "links" sehenden Kräfte in Deutschland tatsächlich eine realistischere Weltsicht erarbeiten.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Excellero hat geschrieben:(03 Apr 2018, 00:29)

Villeicht haben einfach immer mehr Leute von Linken die Nase voll. Und machen wir uns nichts vor... in jedem europäischen Land sind die "Konservativen" doch auch schon über die Linie nach links gerutscht. Die Leute sehen wohin das führt und wenden sich ab. Und je größer die Abneigung um so härter wird der Gegenkurs eingeschlagen. Und das ist auch völlig richtig!
Das ist wieder eine dieser Gegenbalance-Argumente. Das halte ich für falsch. Dass rechte Bewegungen entstehen, weil klassisch-konservative Parteien angeblich immer mehr nach links driften. In Ungarn driftet die Fidesz-Partei (als EVP-Mitglied noch immer klassisch, bürgerlich, konservativ) immer weiter nach rechts, ohne dass das eine nennenswerte Auswirkung auf die Popularität der eindeutig rechtsextremen Partei Jobbik hätte. Jobbik ist auch tatsächlich das Musterbeispiel für die Art von politischen Tendenzen, um die es mir hier geht. Sie ist ganz klar im akademischen, und zwar vorwiegend geisteswissenschaftlichen, studentischen Millieu entstanden. Sie geht nach Untersuchungen weit effektiver mit neuen Medien, Internet usw. um als alle anderen ungarischen Parteien. Also: jünger, gebildeter, smarter, offen rassistischer, extremer.

Weiter oben wurde in einem Beitrag die AfD als eine Partei geschildert, die sich zwischen bürgerlich-sehr-rechts und offen rassistisch noch nicht entschieden hat. Ja. Das sehe ich ganz genauso.

Was mir ein ziemliches Rätsel ist und bleibt, ist der (eigentlich schon sehr lange dauernde) Aufstieg der Rechtsextremen in Skandinavien.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von BlueMonday »

Ein Problem dabei ist m.E. die völlige Verwässerung von Begriffen im Politischen.

Was ist denn radikal rechts? Personalismus statt Kollektivismus bspw. "Rassismus" ist dabei ein durch und durch kollektivtistisches Konzept, das individuelle Unterschiede negiert und praktisch eine riesige plumpe Schublade aufschiebt.
Rechts sieht und betont hingegen die Differenz. Links droht der Egalitarismus, die Nivellierung, das Hinwegsehen und Verleugnen von Unterschieden. Auf radikal rechter Seite gibt es nichts Identisches und keine Identität abgesehen von einzelnen Personen. Kollektive Identität ist ein linkes Konzept. Rechts schaut immer vom Einzelnen her. Natürlich kann sich ein Einzelnes auch mit anderen vereinen, oder überhaupt einen Bezug zu anderen Einzelnen und Teilen herstellen. Das ist sogar wahrscheinlich. Man schöpft aber eben nicht aus einem Kollektivmythos (Volk, Gesellschaft, Klasse, Rasse etc.) wie die Linken. Die Quelle ist der einzigartige Einzelne, man selbst.
So gesehen gibt es sehr wenige Rechte. Kuehnelt-Leddihn war vielleicht in diesem Sinne ein Rechter. Oder jemand wie Ernst Jünger.

Mal ein weiteres Beispiel zu Illustration: in seinem Roman "Eumeswil" unterscheidet Jünger zwischen Autoritätsgläubigkeit und Autoritätsbedürftigkeit. Also man kann durchaus bedürftig sein, sich nach einer Autorität sehnen, Führung bedürfen. Aber als Bedürftiger erzeugt man die Autorität durch die bezweckte, selbstgewählte und beendbare Unterordnung. Man kann jederzeit aus diesem Bezug aussteigen. Man ist die Quelle der Autorität. Der Linke/Gläubige hingegen glaubt an eine Macht über ihn, er ist ein Getriebener, Abhängiger, allenfalls rebelliert er gegen die Autorität, will sie entmachten, ersetzen, zerschlagen, alles einebnen und versteht dabei die eigentliche Quelle der Autorität nicht.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(03 Apr 2018, 13:27)

Ein Problem dabei ist m.E. die völlige Verwässerung von Begriffen im Politischen.

Was ist denn radikal rechts? Personalismus statt Kollektivismus bspw. "Rassismus" ist dabei ein durch und durch kollektivtistisches Konzept, das individuelle Unterschiede negiert und praktisch eine riesige plumpe Schublade aufschiebt.
Rechts sieht und betont hingegen die Differenz. Links droht der Egalitarismus, die Nivellierung, das Hinwegsehen und Verleugnen von Unterschieden. Auf radikal rechter Seite gibt es nichts Identisches und keine Identität abgesehen von einzelnen Personen. Kollektive Identität ist ein linkes Konzept. Rechts schaut immer vom Einzelnen her. Natürlich kann sich ein Einzelnes auch mit anderen vereinen, oder überhaupt einen Bezug zu anderen Einzelnen und Teilen herstellen. Das ist sogar wahrscheinlich. Man schöpft aber eben nicht aus einem Kollektivmythos (Volk, Gesellschaft, Klasse, Rasse etc.) wie die Linken. Die Quelle ist der einzigartige Einzelne, man selbst.
So gesehen gibt es sehr wenige Rechte. Kuehnelt-Leddihn war vielleicht in diesem Sinne ein Rechter. Oder jemand wie Ernst Jünger.
Irgendwie hab' ich schon nach einigen Zeilen dieses Beitrags geahnt, dass der Name Ernst Jünger fallen wird ...
Ich habe aber einen Einwand: "Rechts" steht nicht einfach irgendwie für "Unterschiede" sondern für gesellschaftlich vertikale Unterschiede. Für ein hier oben und ein dort unten. Ein politisches Konzept, dass sozusagen horizontale Unterschiede nicht negieren sondern sogar betonen will, würde ich eher als Liberalismus ansehen. (Wie im entsprechenden Wikipedia-Eintrag vermerkt) "neben Konservatismus" (eher rechts) und Sozialismus (eher links) die dritte der drei großen politischen Strömungen, die im 17. und 18. Jahrhundert entstanden sind. Und so gesehen eigentlich nicht direkt ins links-rechts-Schema einzuordnen. Rechts schaut nicht nur "vom einzelnen" sondern vor allem auch "von oben" her. Jüngers wohl bekanntestes Buch "In Stahlgewittern" trägt nicht umsonst den Nebentitel "Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers". Botho Strauß könnte man ja auch als herausragendes Beispiel für einen rechtskonservativen Intellektuellen nennen. Und seine Ansichten sind ebenfalls nicht einfach von einem Pro für geistige Vielfalt und Kontra Kollektivismus sondern einem ausgesprochenen geistigen Elitarismus geprägt. Er spricht ganz explizit von der Notwendigkeit der Heausbiildung "einer nationalen Elite".
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Und damit noch einmal zurück zum Kernthema und auch hier möchte ich einen Schriftsteller zitieren (György Konrád im Interview mit der SZ):
Konrád: Die stärkste Kraft der Jobbik besteht in den Studenten. Natürlich gibt es bei der Jobbik viele Wirrköpfe. Aber mir erzählen Professoren von Studenten, die so artikuliert sprachen, dass man sie der Mitte oder der Linken hätte zuordnen können. Aber nein, es waren Jobbik-Sympathisanten. Hier beginnt etwas Neues. Kann sein, dass diese extreme Rechte eine intellektuelle Elite haben wird - anders als damals die Pfeilkreuzler. Diese jungen Leute sind informiert und mit Computern vertraut, im Gegensatz zu den Fidesz-Leuten. Viktor Orbán kann nicht mal mit dem PC umgehen.
http://www.sueddeutsche.de/politik/unga ... en-1.24896
(Die "Pfeilkreuzler" waren eine Mischung aus faschistischer Kampfgruppe und Partei in Ungarn).

Anders als in den Beiträgen zur Frage rechts/links gehts hier gar nicht so sehr um politische Philosophie sondern offenbar eher um einen soziologischen Millieuwandel. Um die Frage: Woher kommen eigentlich die Sympathisanten der neuen rechten Parteien in Europa?
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

schokoschendrezki hat geschrieben:(03 Apr 2018, 10:47)

Die "Wurzeln des (europäischen) Nationalismus" liegen in den Bewegungen der Epoche von der französischen Revolution 1789 und dem Jakobinismus über den Vormärz bis hin und vor allem zu den Ereignissen 1848/49. Das was man allgemein so als "Völkerfrühling" bezeichnet. Als Beispiel dafür, dass diese Wurzeln des Nationalismus sich weder eindeutig links noch eindeutig rechts verorten lassen, nenne ich nur mal den Namen Ernst-Moritz Arndt. Ganz klar ein Völkerfrühlings-Patriot und Kämpfer gegen Napoleons Vorherrschaft und auf der anderen Seite ein extremer Reaktionär, Antisemit und völkisch gesinnter Franzosenhasser. So einfach geht das nicht.
Ach Mensch, Schoko, wenn ich dir eins zugute halten muss, dann dass ich bei deinen Beiträgen richtig zu tun habe und immer erst mal nachdenken muss, bevor ich was schreibe. Ich bin zwar nicht immer deiner Meinung, aber ich nehm dir als so ziemlich einzigen hier ab, dass du keine Agenda hast.

Zur-Rechts-Links-Verortung des Nationalismus: den Begriff Links und Rechts gab es lange vor Marx, es gab ihn im Prinzip sogar schon vor 1789, die französische Generalversammlung hatte sich ja ihr Sitzschema vom britischen Unterhaus abgeguckt, wo die Regierungspartei rechts und die Opposition links vom Sprecher sass. Aber diese Generalversammlung hat diese Sitzordnungen erst zu Richtungen gemacht, denn rechts sassen die Befürworter eines absoluten Vetorechts für den französischen König, die Aristokraten, während die linke Seite für eine zeitlich begrenzte Monarchie (also quasi ein Präsidentschaftssystem) eintrat. Diese Linken, die für sich in Anspruch nahm, den Volkswillen zu stärken, nannten sich selbst "Patrioten". Der von ihnen propagierte Nationalismus war also ein Kontrapunkt gegen die absolute Monarchie. Diese damalige Aufteilung - links die eher kollektivistische, progressive, antielitäre, demokratische Strömung, rechts die eher konservative, um nicht zu sagen retroaktive, elitäre, zu Authoritäten neigende, in ihren Extremen im Grunde egoistische Strömung - hat sich in ihrer Bedeutung im Grunde bis heute gehalten.

Der Nationalismus selbst ist in meinen Augen, genau so wie der Fundamentalismus, ein eher administrativer Faktor, also etwas, was erst durch die Ideologie die ihm entsprechende, spezielle Form annimmt. Der Nationalismus eines Napoleon, der überall in Europa die bestehenden aristokratischen Strukturen abschaffen und durch seinen code civil ersetzen wollte, war ein anderer (eher linker) Nationalismus als der von Ernst-Moritz Arndt, der zwar viel weiter rechts steht, aber nicht eindeutig rechts ist. Beide Nationalismen spiegeln die Gedanken und Haltungen ihrer Nation wieder, und da eine Nation nie eindeutig links oder rechts ist, ist auch der Nationalismus selbst nie eine eindeutige Angelegenheit. Es sei denn, er wird explizit einer Ideologie unterworfen, so wie das beim Nationalsozialismus der Fall war.
In der Marxschen Auffassung wird der Begriff der "Nation" weitgehend aus der ökonomischen Perspektive heraus gefasst. Und da vor allem aus der Perspektive sozialer Klassen. Der Arbeiter "habe kein Vaterland" ist eine der bekanntesten Thesen diesbzüglich aus dem Kommunistischen Manifest.
Der Kosmopolitanismus der Kommunisten war zur damaligen Zeit vollkommen richtig, schliesslich ging es darum, dass sich Nationen zur Stärkung ihrer Wirtschaft nicht gegenseitig einen Wettlauf in Billiglöhnen und sozialen Einschnitten liefern. In diesem Sinne war Marx anti-nationalistisch, und die marxistische Linke ( da zähl ich die SPD auch dazu ) wird wohl auch immer eher zum Kosmopolitanismus tendieren. Bliebe halt die Frage, inwiefern andere linke Strömungen das genauso tun. Wie links ist zum Beispiel China, die einen sehr starken Nationalismus haben?
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

BlueMonday hat geschrieben:(03 Apr 2018, 13:27)

Was ist denn radikal rechts? Personalismus statt Kollektivismus bspw. "Rassismus" ist dabei ein durch und durch kollektivtistisches Konzept, das individuelle Unterschiede negiert und praktisch eine riesige plumpe Schublade aufschiebt.
Rechts sieht und betont hingegen die Differenz. Links droht der Egalitarismus, die Nivellierung, das Hinwegsehen und Verleugnen von Unterschieden. Auf radikal rechter Seite gibt es nichts Identisches und keine Identität abgesehen von einzelnen Personen. Kollektive Identität ist ein linkes Konzept. Rechts schaut immer vom Einzelnen her. Natürlich kann sich ein Einzelnes auch mit anderen vereinen, oder überhaupt einen Bezug zu anderen Einzelnen und Teilen herstellen. Das ist sogar wahrscheinlich. Man schöpft aber eben nicht aus einem Kollektivmythos (Volk, Gesellschaft, Klasse, Rasse etc.) wie die Linken. Die Quelle ist der einzigartige Einzelne, man selbst.
So gesehen gibt es sehr wenige Rechte. Kuehnelt-Leddihn war vielleicht in diesem Sinne ein Rechter. Oder jemand wie Ernst Jünger.
Ich glaube, du machst dir da was vor.

Was ich auch sehe, ist dass Rechts das Gegenteil von Kollektivismus ist, dass es die Differenz betont, und dass eine der radikalsten rechten Seiten nur die Identität von einzelnen Personen kennt. Du nennst das Personalismus, man kann es auch Ich-Ismus nennen. Bekannter ist aber das Wort Egoismus.

Die Sache mit dem Egoismus ist die, dass da am radikalsten Ende die einzelne Person steht, die alle anderen als Feind oder minderwertig betrachtet und bekämpft und nur sich selbst bevorzugt. Am radikalen linken, kollektivistischen Ende stehen Alle für Alle. Dazwischen schwankt die Grösse der Gruppierung, die das tut, sich danach ausrichtet, was der Egoist sonst für sich selbst tut. Und von der Mitte der Gesellschaft aus betrachtet, was entweder für Nation oder Mehrheit der Bevölkerung steht, da ist der Rassismus WEITAUS egoistischer als alles, was sich im linken Sprektrum befindet.

Ein Egoismus, der Eliten schaffen und das Individuelle betonen möchte, ist ein Egoismus, der von vielen durchaus oft positiv gesehen wird. Rassismus ist hingegen die Sorte Egoismus, die selbst der Mitte der Gesellschaft oft zu weit geht.
Der Linke/Gläubige hingegen glaubt an eine Macht über ihn, er ist ein Getriebener, Abhängiger, allenfalls rebelliert er gegen die Autorität, will sie entmachten, ersetzen, zerschlagen, alles einebnen und versteht dabei die eigentliche Quelle der Autorität nicht.
Das ist eine Art, den Linken (den es ebensowenig gibt wie den Rechten) zu sehen. Eine andere Art wäre die Erkenntnis, dass man nichts auf dieser Welt ganz allein schafft, dass man die Gesellschaft braucht - und die Gesellschaft einen braucht. Und dass irgendeiner führen muss. Der Egoist widerspricht dem allem nicht - es ist ihm bloss egal, weil er nur an sich denkt.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

schokoschendrezki hat geschrieben:(03 Apr 2018, 11:10)

Was mir ein ziemliches Rätsel ist und bleibt, ist der (eigentlich schon sehr lange dauernde) Aufstieg der Rechtsextremen in Skandinavien.
Inwiefern steigen die denn auf?
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(03 Apr 2018, 23:26)

Inwiefern steigen die denn auf?
Na. Nur mal drei Beispiele: Norwegen. Fremskrittspartiet. 2009 22,9 Prozent Stimmen bei Parlamentswahl. Das ist europaweit (!) der absolute Spitzenwert für Rechtspopulisten in jüngerer Zeit. Dänemark. Europaweit längste Tradition der Mitgliedschaft einer rechtspopulistischen Partei im Parlament. Erst Fremskridtspartiet (Frp) seit 1973, dann ab 95 Dansk Folkeparti (DF) sogar mit Regierungsbeteiligung. Finnland: Bekanntermaßen die "Wahren Finnen". Das sind natürlich alles Beispiele für eher sich "bürgerlich" gebende Rechtsaußenparteien.

Bei den Schwedendemokraten sieht das schon anders aus. Die stellen mit Björn Söder einen der Parlamentsvizepräsidenten und in dieser Rolle äußerte er kürzlich ebendort im Parlament Samen, Kurden und Juden könnten niemals "richtige Schweden" werden. Das geht sehr deutlich in Richtung Rassismus. Und die neue Ausgründung aus den ohnehin schon sehr rechten "Schwedendemokraten", die "Alternative für Schweden" sieht sich selbst nochmals einen Zacken rassistischer. Also ich weiß nicht ...
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(03 Apr 2018, 22:55)
Zur-Rechts-Links-Verortung des Nationalismus: den Begriff Links und Rechts gab es lange vor Marx, es gab ihn im Prinzip sogar schon vor 1789, die französische Generalversammlung hatte sich ja ihr Sitzschema vom britischen Unterhaus abgeguckt, wo die Regierungspartei rechts und die Opposition links vom Sprecher sass. Aber diese Generalversammlung hat diese Sitzordnungen erst zu Richtungen gemacht, denn rechts sassen die Befürworter eines absoluten Vetorechts für den französischen König, die Aristokraten, während die linke Seite für eine zeitlich begrenzte Monarchie (also quasi ein Präsidentschaftssystem) eintrat. Diese Linken, die für sich in Anspruch nahm, den Volkswillen zu stärken, nannten sich selbst "Patrioten". Der von ihnen propagierte Nationalismus war also ein Kontrapunkt gegen die absolute Monarchie. Diese damalige Aufteilung - links die eher kollektivistische, progressive, antielitäre, demokratische Strömung, rechts die eher konservative, um nicht zu sagen retroaktive, elitäre, zu Authoritäten neigende, in ihren Extremen im Grunde egoistische Strömung - hat sich in ihrer Bedeutung im Grunde bis heute gehalten.

Der Nationalismus selbst ist in meinen Augen, genau so wie der Fundamentalismus, ein eher administrativer Faktor, also etwas, was erst durch die Ideologie die ihm entsprechende, spezielle Form annimmt. Der Nationalismus eines Napoleon, der überall in Europa die bestehenden aristokratischen Strukturen abschaffen und durch seinen code civil ersetzen wollte, war ein anderer (eher linker) Nationalismus als der von Ernst-Moritz Arndt, der zwar viel weiter rechts steht, aber nicht eindeutig rechts ist. Beide Nationalismen spiegeln die Gedanken und Haltungen ihrer Nation wieder, und da eine Nation nie eindeutig links oder rechts ist, ist auch der Nationalismus selbst nie eine eindeutige Angelegenheit. Es sei denn, er wird explizit einer Ideologie unterworfen, so wie das beim Nationalsozialismus der Fall war.
Gut. Es bleibt aber dennoch als Quintessenz, dass diese Fokussierung auf die Nation (egal ob von rechts oder links) ihren Höhepunkt Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatte. Und erst dann diese Zusammenfügung von Staat und Nation sich als politische Richtung etablierte. Auch wenn der Begriff selbst viel älter ist.
Der Kosmopolitanismus der Kommunisten war zur damaligen Zeit vollkommen richtig, schliesslich ging es darum, dass sich Nationen zur Stärkung ihrer Wirtschaft nicht gegenseitig einen Wettlauf in Billiglöhnen und sozialen Einschnitten liefern. In diesem Sinne war Marx anti-nationalistisch, und die marxistische Linke ( da zähl ich die SPD auch dazu ) wird wohl auch immer eher zum Kosmopolitanismus tendieren. Bliebe halt die Frage, inwiefern andere linke Strömungen das genauso tun. Wie links ist zum Beispiel China, die einen sehr starken Nationalismus haben?
Der chinesische Nationalismus der dortigen KP wäre sicher einen eigenen Thread wert.

Wenn ich es hier nochmal auf den Kern bringen darf (also "neue Rechte in Europa", aktuelle Entwicklungen). Offener Rassismus wird eher durch verschiedene Auslegungen des "Kultur"-Begriffs ersetzt. Es findet allgemein eine Art von Kulturalisierung, Kulturalismus statt. Begleitet häufig von einem starken Geschichtsbezug. Für die Neuen Rechten in Ungarn ist der aus ihrer Sicht verheerende Vertrag von Trianon 1920 absolut essenziell. Für die serbischen Neuen Rechten die Schlacht af dem Amselfeld vor zig hundert Jahren. Nur als Beispiele. Solche Standpunkte sind ohne einen gewissen formalen Bildungsgrad gar nicht zu haben. Mir gehts wirklich um das Verstehen der Veränderungen der sozialen Milleus, in denen rechtes Gedankengut heute entsteht und gepflegt wird. Weniger um Ideologie oder Rechts-Links-Einordnung.

Ich würd'in dem Zusammenhang auch gern mal wissen, ob und wenn ja in welchem Maße es einen neuen Zulauf bei studentischen Verbindungen gibt.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Provokateur »

Ich frage mich die ganze Zeit, wie ich das "rassistischer" im Titel verstehen darf. Rassistisch ist man, oder man ist es nicht. Wenn man zwei Rassisten nebeneinander stellt, gibt es kein Score, nach dem man sagen könnte "der ist jetzt aber rassistischer als der andere".
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Apr 2018, 08:01)

Na. Nur mal drei Beispiele: Norwegen. Fremskrittspartiet. 2009 22,9 Prozent Stimmen bei Parlamentswahl. Das ist europaweit (!) der absolute Spitzenwert für Rechtspopulisten in jüngerer Zeit. Dänemark. Europaweit längste Tradition der Mitgliedschaft einer rechtspopulistischen Partei im Parlament. Erst Fremskridtspartiet (Frp) seit 1973, dann ab 95 Dansk Folkeparti (DF) sogar mit Regierungsbeteiligung. Finnland: Bekanntermaßen die "Wahren Finnen". Das sind natürlich alles Beispiele für eher sich "bürgerlich" gebende Rechtsaußenparteien.
Also ich würde hier schon Unterschiede machen. Die norwegische Fremskrittspartiet ist seit 1980 im Parlament und hat inzwischen das geschafft, woran Lucke seinerzeit gescheitert ist: die Rechtspopulisten rauszudrängen, das Thema Immigration runterzuhalten und einen gemässigten Kurs zu fahren, der sie koalierbar macht. Deshalb ist sie derzeit auch in der Regierung drin. Die DF ist ein Unikum, weil sie sowohl rechtspopulistische wie sozialdemokratische Züge hat, also schwer als rein rechte Partei zu sehen ist und sowohl Konservativen wie Sozialdemokraten Stimmen wegzieht. Einzig die Wahren Finnen sind klar rechtspopulistisch - aber auch erst geworden, im Grunde machen sie die gleiche Entwicklungdurch wie die AfD hierzulande: von gemässigt rechts zu deutlich rechtsextrem, wobei sich die gemässigten abspalten und Splittergruppierungen gründen. Die dann sogar in der Regierung sind.
Bei den Schwedendemokraten sieht das schon anders aus. Die stellen mit Björn Söder einen der Parlamentsvizepräsidenten und in dieser Rolle äußerte er kürzlich ebendort im Parlament Samen, Kurden und Juden könnten niemals "richtige Schweden" werden. Das geht sehr deutlich in Richtung Rassismus. Und die neue Ausgründung aus den ohnehin schon sehr rechten "Schwedendemokraten", die "Alternative für Schweden" sieht sich selbst nochmals einen Zacken rassistischer. Also ich weiß nicht ...
Die Schwedendemokraten waren mal weitaus rechter als sie heute sind, es sagt einiges aus, wenn Söder schon als gemässigter gilt. Die "Alternative für Schweden" wurde abgespalten, eben weil sie zu rechts war.

Alles im allen seh ich nicht, dass die Skandinavier rechter werden, eher dass die Rechten wählbarer werden.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Provokateur hat geschrieben:(04 Apr 2018, 23:08)

Ich frage mich die ganze Zeit, wie ich das "rassistischer" im Titel verstehen darf. Rassistisch ist man, oder man ist es nicht. Wenn man zwei Rassisten nebeneinander stellt, gibt es kein Score, nach dem man sagen könnte "der ist jetzt aber rassistischer als der andere".
Ich denke mal, es geht um den Grad des offenen Zeigens. Zudem gibt es schon Unterschiede zwischen Ablehnung von Fremden und reinen Chauvinismus.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Apr 2018, 08:26)

Gut. Es bleibt aber dennoch als Quintessenz, dass diese Fokussierung auf die Nation (egal ob von rechts oder links) ihren Höhepunkt Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatte. Und erst dann diese Zusammenfügung von Staat und Nation sich als politische Richtung etablierte. Auch wenn der Begriff selbst viel älter ist.
Es ist schon richtig, dass mit dem Aufkommen des Bürgertums der Nationalismus seine eigentlich bindende Funktion als klassenübergreifende Identitätsstiftung bekam. Ich vermute mal, dass er erst dann zum exklusiven Nationalismus wurde, als er sich irgendwie abgrenzen musste, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Denn die sich verschärfende Klassengegensätze liefen dieser Identitätsstiftung zuwider.

Ich denke mal, dass genau das den Nationalismus derzeit wieder attraktiv macht. Die Klassengegensätze spielen immer weniger eine Rolle, die Globalisierung und der damit einhergehende Identitätsverlust hingegen werden immer stärker als Belastung empfunden.
Wenn ich es hier nochmal auf den Kern bringen darf (also "neue Rechte in Europa", aktuelle Entwicklungen). Offener Rassismus wird eher durch verschiedene Auslegungen des "Kultur"-Begriffs ersetzt. Es findet allgemein eine Art von Kulturalisierung, Kulturalismus statt. Begleitet häufig von einem starken Geschichtsbezug. Für die Neuen Rechten in Ungarn ist der aus ihrer Sicht verheerende Vertrag von Trianon 1920 absolut essenziell. Für die serbischen Neuen Rechten die Schlacht af dem Amselfeld vor zig hundert Jahren. Nur als Beispiele. Solche Standpunkte sind ohne einen gewissen formalen Bildungsgrad gar nicht zu haben.
Zunächst mal zum Geschichtsbezug: Ich glaube, dass du das überbewertest. Es gibt in den rechten Parteien immer wieder mal revisionistische Diskussionen, die Toleranz dazu ist aber unterschiedlich. Der Vertrag von Trianon ist für Jobbik ungefähr so essentiell wie für die CSU die Benes-Dekrete. Und der serbische Nationalismus ist schon wegen des Jugoslawien-Krieges und allerspätestens seit dem Kosovo-Konflikt wirklich ein Fall für sich, die Schlacht auf dem Amselfeld ist gewissermassen das Versailles der Serben.

Zu der Sache mit dem Kultur-Begriff: ja, die Rechte passt sich an. Rassismus lässt sich leicht verurteilen und ist überall diskreditiert, Kulturalismus hingegen kann sich damit rausreden, ja nur die Kultur zu meinen, gibt dem Menschen also scheinbar die Möglichkeit, sich anzupassen. Damit ist er weit
akzeptabler als offener Rassismus. Zudem hätte der Anti-Islamismus in Europa das Potential, als quasi europäischer (exklusiver) Nationalismus zu fungieren, der auch von Juden akzeptiert wird. Womit er sich ein Stück mehr vom Vorwurf des Rechtsseins freiwaschen kann.
Mir gehts wirklich um das Verstehen der Veränderungen der sozialen Milleus, in denen rechtes Gedankengut heute entsteht und gepflegt wird. Weniger um Ideologie oder Rechts-Links-Einordnung.

Ich würd'in dem Zusammenhang auch gern mal wissen, ob und wenn ja in welchem Maße es einen neuen Zulauf bei studentischen Verbindungen gibt.
Ich denke mal, es ist eher so, dass linke Studentenvereinigungen nicht mehr die Strahlkraft haben wie früher, als noch alles möglich war und man das Gefühl hatte, die Welt noch ändern zu können. In dem Masse, wie das abgenommen hat, hat die Bedeutung konservativer Bewegungen wie Burschenschaften wahrscheinlich eher zugenommen. Zum einen, weil die jugend einfach rationeller geworden ist als ihre Eltern, die 68er, zum anderen, weil es diese Vereinigungen schon immer gab und damit ein gewisses Kontinuum hereinkam, welches sie heute attraktiver macht als damals.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

Ach Gottchen, Anabel Schunke. Dazu hab ich auch was: https://karstenmende.wordpress.com/2017 ... amokfahrt/
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Watchful_Eye »

Provokateur hat geschrieben:(04 Apr 2018, 23:08)

Ich frage mich die ganze Zeit, wie ich das "rassistischer" im Titel verstehen darf. Rassistisch ist man, oder man ist es nicht. Wenn man zwei Rassisten nebeneinander stellt, gibt es kein Score, nach dem man sagen könnte "der ist jetzt aber rassistischer als der andere".
Das sehe ich etwas anders. Ich will mich auf keine Zahl festlegen, aber ich glaube, dass äußerst viele Menschen unterschwellig ein wenig rassistisch sind. Es ist ein Unterschied, ob man ein wenig unterschwellige Empathie oder Stolz für seine ethnische Herkunft empfindet oder ob im Extremfall mit vollem Ernst propagiert, einer Herrenrasse anzugehören und daraus politische Forderungen abzuleiten. Du findest z.B. bei sehr vielen historischen Autoren rassistische Tendenzen, und trotzdem sind diese natürlich nicht mit dem Rassismus der Nazis zu vergleichen.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Provokateur hat geschrieben:(04 Apr 2018, 23:08)

Ich frage mich die ganze Zeit, wie ich das "rassistischer" im Titel verstehen darf. Rassistisch ist man, oder man ist es nicht. Wenn man zwei Rassisten nebeneinander stellt, gibt es kein Score, nach dem man sagen könnte "der ist jetzt aber rassistischer als der andere".
Sehe ich auch so. Rassistisch kommt von Rassismus.Un "ismus" kann nicht gesteigert werden.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Woppadaq hat geschrieben:(03 Apr 2018, 23:26)

Inwiefern steigen die denn auf?
Wenn es dem Esel zu gut geht dann geht er aufs Eis (oder so aehnlich)
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Woppadaq »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(05 Apr 2018, 02:01)

Sehe ich auch so. Rassistisch kommt von Rassismus.Un "ismus" kann nicht gesteigert werden.
Was du alles nicht kannst...
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Provokateur »

Woppadaq hat geschrieben:(05 Apr 2018, 00:09)

Ich denke mal, es geht um den Grad des offenen Zeigens. Zudem gibt es schon Unterschiede zwischen Ablehnung von Fremden und reinen Chauvinismus.
Das eine ist Xenophobie, das andere (wie du ganz richtig sagst) Chauvnismus - und das geht auch ganz wunderbar ohne Rassismus. Man kann auch gegen einen Franzosen xenophob sein, der für einen Rassisten möglicherweise Arier, Vulkanier, Klingone oder einer sonstigen "Herrenrasse" zugehörig ist.
Und Chauvinismus kannst du an jedem Merkmal festmachen, welches aus Sicht des Chauvinisten die eigene Überlegenheit definiert. Da reicht manchmal die Anhängerschaft zum "richtigen" Fußballverein.
Watchful_Eye hat geschrieben: Das sehe ich etwas anders. Ich will mich auf keine Zahl festlegen, aber ich glaube, dass äußerst viele Menschen unterschwellig ein wenig rassistisch sind. Es ist ein Unterschied, ob man ein wenig unterschwellige Empathie oder Stolz für seine ethnische Herkunft empfindet oder ob im Extremfall mit vollem Ernst propagiert, einer Herrenrasse anzugehören und daraus politische Forderungen abzuleiten.
Hm, hm, schwierig. Ich tue mich schwer damit, bei reiner Selbstbezogenheit überhaupt auf Rassismus zu erkennen, da Rassismus immer mit dem Hass auf andere Ethnien verbunden ist. Bei dem Satz "Ich bin weß, und das ist okay - und du bist es nicht, und das ist auch okay." würde ich nicht mal auf Rassismus abstellen.
Watchful_Eye hat geschrieben: Du findest z.B. bei sehr vielen historischen Autoren rassistische Tendenzen, und trotzdem sind diese natürlich nicht mit dem Rassismus der Nazis zu vergleichen.
Damals waren -ismen noch gängig und normal. Erst mit der Aufklärung kam eine gewisse Abkehr vom extremen auf.
TheManFromDownUnder hat geschrieben: Sehe ich auch so. Rassistisch kommt von Rassismus.Un "ismus" kann nicht gesteigert werden.
Ja, danke.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Woppadaq hat geschrieben:(05 Apr 2018, 05:01)

Was du alles nicht kannst...
Wer kann der kann :cool: :thumbup:
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(05 Apr 2018, 00:04)
Alles im allen seh ich nicht, dass die Skandinavier rechter werden, eher dass die Rechten wählbarer werden.
Naja ... dir ist aber hoffentlich klar, dass das eine nicht ohne das andere möglich ist.

Extreme Außenseiter wie die AfS werden die Ausnahme bleiben. Ich habe in den letzten Jahren aber zig Artikel, Hörfunkbeiträge usw. gelesen und gehört, die sozusagen eine Mainstreamisierung von Nationalismus in Skandinavien konstatieren. Dass ein schwedischer Parlamentsvizepräsident, also ein offizieller Repräsentant der Legislative (u.a.) Juden von der Gemeinschaft der Schweden ausschließt ... das ist schon ziemlich starker Tobak. Und er gehört einer Partei an, die (siehe Artikel unten) "ein Jahr vor Wahlen nur noch sechs, sieben Prozentpunkte" von den tradionsreichen Sozialdemokraten trennen.

Nur ein Beispiel von mehreren: Skandinavien: Rechtspopulisten als Tonangeber. (FR Juli 17)
In einem Meer blaugelber Fahnen, vor sich in blaugelben Nationaltrachten Königin Silvia und drei Prinzessinnen, schloss Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven die Rede zum „Flaggentag“ auf der blaugelb geschmückten Bühne bewegt ab. Die Demokratie müsse verteidigt werden, „damit unsere Kinder und Enkel auch weiter eines der freiesten und erfolgreichsten Länder der Welt feiern können. Unser geliebtes Schweden.“ Zwei Jahre vorher hatte der Sozialdemokrat noch vor Demonstranten für eine offene und humane Aufnahme von Flüchtlingen bewegt ausgerufen: „Mein Europa baut keine Mauern.“

Inzwischen zieht die Stockholmer Regierung Mauern hoch, was das Zeug hält, und ihr Chef hat die Scheu vor nationalistisch riechenden Tönen abgelegt. Die Sozialdemokraten, die hier fast ein Jahrhundert allein regieren konnten, trennen ein Jahr vor Wahlen nur noch sechs, sieben Prozentpunkte von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten. In zehn Jahren hat der stets gesittet auftretende Parteichef Jimmie Åkesson aus einer Splittergruppe mit arischen Rasseideologen und anderen Neonazis im Gründergepäck Schwedens nun zweitstärkste Kraft mit 20 Prozent bei Umfragen gemacht. Die Konservativen sind im stetigen Fall auf den dritten Platz zurückgefallen.
http://www.fr.de/politik/skandinavien-r ... -a-1320029
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Aus dem verwiesenen Artikel:
Ich sehe mir erneut Anabel Schunkes Video an. Jeder Satz, jedes Wort aus ihrem Mund klingt falsch. Ob sie wirklich dahinter steht – egal. Ob sie dafür gehasst wird – egal.

Wenig später wird sie wohl selbst vergessen haben, was sie in dem Video gesagt hat. Aber sie wird sich vermutlich die Aufrufe ansehen.

Und sich freuen.
Je nun. EIn ganz normaler Fall von medialem Narzissmus. Der nur ausnahmsweise sehr bewusst und professionell ausgelebt wird. Anstelle von direkt politischen Themen hätte sie auch Veganismus oder Metalcore oder sonstwas wählen können.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(05 Apr 2018, 00:55)

Es ist schon richtig, dass mit dem Aufkommen des Bürgertums der Nationalismus seine eigentlich bindende Funktion als klassenübergreifende Identitätsstiftung bekam. Ich vermute mal, dass er erst dann zum exklusiven Nationalismus wurde, als er sich irgendwie abgrenzen musste, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Denn die sich verschärfende Klassengegensätze liefen dieser Identitätsstiftung zuwider.

Ich denke mal, dass genau das den Nationalismus derzeit wieder attraktiv macht. Die Klassengegensätze spielen immer weniger eine Rolle, die Globalisierung und der damit einhergehende Identitätsverlust hingegen werden immer stärker als Belastung empfunden.
In der medialen Wahrnehmung vielleicht. Aber überlege mal, was realiter diese Globaliserung bewirkt hat: In den Zentralen großer, global agierender Unternehmen laufen (mindestens) soviele Fäden zusammen wie in den Regierungen der nach wie vor nach Nationen gegliederten Staaten. Man nimmt es vielleicht anders wahr. Und benutzt diese Nationen-Begrifflichkeit als nostalgischen Rückzugspunkt. Aber in der Realität nimmt die Bedeutung der Nation verglichen mit Mitte des 19. Jahrhunderts stetig ab. Und diese Rückzugs-Mentalität hin zu Nation (und natürlich auch religiöse Tradition) betrifft auch immer nur einen Teil der Menschen. Definiert sich der andere Teil nicht längst eher durch Besitz und Zurschaustellung von Markenprodukten bestimmter Unternehmen oder durch Zugehörigkeit zu einer der diversen global entstandenen Fangemeinschaften?
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(04 Apr 2018, 23:08)

Ich frage mich die ganze Zeit, wie ich das "rassistischer" im Titel verstehen darf. Rassistisch ist man, oder man ist es nicht. Wenn man zwei Rassisten nebeneinander stellt, gibt es kein Score, nach dem man sagen könnte "der ist jetzt aber rassistischer als der andere".
Das kann ich ziemlich klar benennen. (Wie auch schon sinngemäß von anderen Usern geschrieben): Aus der nebulösen Andeutung und aus "gefühlten Abneigungen" wird eine unverblümte Äußerung ohne scheinhumanistische Übertünchung.

"Juden sind keine Schweden" (http://www.juedische-allgemeine.de/arti ... w/id/21035)

Ein offen antisemitisches Plakat im Stile des "Jud Süß" in Ungarn. (https://img.kaloo.ga/thumb?url=http%3A% ... ze=952x536)

Von antiziganistischen und antimuslimischen Auswüchsen mal ganz abgesehen ...
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schokoschendrezki
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Und zu Skandinavien nochmal: Wie wahrscheinlich/möglicherweise viele Menschen kann ich diesen Nationalstolz einfach nicht einschätzen. Am Flaggentag am 6. Juni ist das ganze Land in blau-gelbe Farben getaucht. Man hat keine Probleme, am eigenen Haus eine schwedische Fahne zu hissen. Hat das nur damit zu tun, dass wir hier in Deutschland ein (angeblich) verklemmtes Verhältnis zur Nation haben und solche Phänomene von daher nicht verstehen können. Haben Phänomene wie die in Wahlen sehr erfolgreichen skandinavischen Rechtspopulisten und dieser Nationenkult tatsächlich nix miteinander zu tun? Siehts im Baltikum nicht ziemlich ähnlich aus?

Bei längeren Gesprächen mit Freunden in Schottland habe ich des öfteren festgestellt: Ihr häufig vorhandenes Nationalbewusstsein und insbesondere ihr Stolz auf ihre Geschichte haben damit zu tun, dass sie ihre eigene Geschichte nicht wirklich kennen und insbesondere große Teile davon (bewusst oder unbewusst) einfach ausblenden.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Provokateur »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2018, 09:23)

Das kann ich ziemlich klar benennen. (Wie auch schon sinngemäß von anderen Usern geschrieben): Aus der nebulösen Andeutung und aus "gefühlten Abneigungen" wird eine unverblümte Äußerung ohne scheinhumanistische Übertünchung.

"Juden sind keine Schweden" (http://www.juedische-allgemeine.de/arti ... w/id/21035)

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Die Übertünchung ist aber ein (bemühtes) Anpassen an den Rezipienten. Das dahinterstehende Menschenbild ist gleich.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von Senexx »

schokoschendrezki hat geschrieben:(05 Apr 2018, 09:53)
Bei längeren Gesprächen mit Freunden in Schottland habe ich des öfteren festgestellt: Ihr häufig vorhandenes Nationalbewusstsein und insbesondere ihr Stolz auf ihre Geschichte haben damit zu tun, dass sie ihre eigene Geschichte nicht wirklich kennen und insbesondere große Teile davon (bewusst oder unbewusst) einfach ausblenden.
Verstehe ich das richtig: Sie beurteilen die Geschichtskenntnis der Schotten und kommen zum Urteil, dass diese ihre eigene Geschichte nur lückenhaft kennen. Sie aber kennen deren Geschichte besser und können deren Geschichtskenntnisse daher aburteilen?

Sehr verwegen.
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Re: Die neue Rechte in Europa: Jünger, gebildeter, smarter, rassistischer, extremer.

Beitrag von schokoschendrezki »

Senexx hat geschrieben:(05 Apr 2018, 11:26)

Verstehe ich das richtig: Sie beurteilen die Geschichtskenntnis der Schotten und kommen zum Urteil, dass diese ihre eigene Geschichte nur lückenhaft kennen. Sie aber kennen deren Geschichte besser und können deren Geschichtskenntnisse daher aburteilen?

Sehr verwegen.
Ist verwegen. Zugegeben. Mag vielleicht auch Zufall sein. Ich habe ja nix über "die Schotten" sondern konkret über meine Freunde dort geschrieben. Und das hatte nicht nur etwas mit der reinen Faktenlage sondern natürlich auch etwas mit der Einordnung historischer Ereignisse zu tun.

Wenn wir es etwas allgemeiner und objektiver sehen wollen: Es ist eine kaum hinterfragte Tatsache, dass der Umgang mit der Vergangenheit als Zentrum großer Kolonialreiche sowohl in Frankreich als auch in UK, Portugal oder Spanien bis in die Gegenwart, sagen wir mal, schwierig und widersprüchlich ist.

Um nur mal einen allgemeingehaltenen und die Mainstream-Meinungen wiedergebenden Artikel (nämlich des bpb) zu zitieren:
Die Mehrzahl der Briten zeigt sich seit dem Zweiten Weltkrieg jedenfalls unfähig, mit dem durch das Ende des Empire hervorgerufenen, tiefgreifenden Wandel in der nationalen Identität angemessen umzugehen. Die mit dem imperialen Projekt verknüpfte Schuld und die Trauer um das verloren gegangene Weltreich werden noch immer weitgehend verdrängt. Anstelle einer Aufarbeitung lässt sich eher die Flucht in einen übersteigerten Narzissmus, in das künstliche Paradies einer homogenen Identität beobachten.
http://www.bpb.de/apuz/31498/der-koloni ... tnis?p=all

Natürlich muss auch diese Mainstream-Meinung nicht 100prozent der objektiven Wahrheit entsprechen. Aber genau das war es, was ich bei Gesprächen in Schottland empfand.

Interessant im Zusammenhang mit dem Thread-Thema wäre natürlich vor allem, wie sich neurechte Parteien in den betreffenden Ländern zu der jeweiligen kolonialen Vergangenheit stellen.
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