Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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H2O
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(10 Dec 2017, 04:12)

denkst du nicht eher, daß eine vertretung und verteilung von befügnisse wie in de VS (alle staaten haben im senat dieselbe rechte; im haus gilt dagegen die zahl - evt gewogen) eine bessere weise von vertretung gibt?
Aber gern doch; das sind doch keine Fragen eines Prinzips VS oder nicht VS, sondern Einzelheiten. Hauptsache ist doch, daß die Sache zu Stande kommt und dann auch gut funktioniert. Ich finde die in der EU überlegte Lösung gar nicht so schlecht... aber wenn wir nach öffentlichem Gespräch eine andere gute Lösung dafür finden: Dann eben die! Aber das öffentliche Gespräch ist sehr wichtig, um aus der Ecke "Projekt der Eliten" ein wenig heraus zu kommen.
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Sextus Ironicus
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

H2O hat geschrieben:(10 Dec 2017, 09:52)

Wir beiden sind nun einmal unterschiedlicher Auffassung, was die Ausgestaltung des europäischen
Projekts betrifft. Solche Gegensätze müssen zu gegebener Zeit mit demokratischen Mehrheiten entschieden werden. Ich kann mit jeder Lösung leben, die Europa und seine Völker enger zusammen schmiedet.... am liebsten hätte ich die Europäische Föderation. Auch dort wäre ein degressives Stimmengewicht anwendbar; schon um des lieben Friedens willen. Weiterhin wäre auf Teilstaatsebene auch die "qualifizierte Mehrheit" anwendbar, wenn wir Europäer diese Form der gemeinsamen Willensbildung bevorzugten. "Wer eine Lösung sucht, der findet Lösungswege; wer keine Lösung möchte, der findet Hindernisse". Ist doch klar, daß mit gleichem Stimmengewicht europaweit viele kleinere Gruppen an den Rand gedrängt würden. Das kann nur wollen, wer dann solche Ablösungsversuche wie in Katalonien herbeiführen möchte. Natürlich hoffe ich, daß unsere Nachbarn dabei mitmachen... das wird man dann eben sehen müssen. Zuvor ist aus meiner Sicht aber das öffentliche Gespräch mit den europäischen Bürgern zu führen, das Präsident Macron vorgeschlagen hat.
Ja, haben wir wohl. Degressives Stimmrecht zeigt ja schon, dass das Misstrauen nicht überwunden ist in Europa - und es ist in einem gewissen Rahmen auch nicht schlimm, denn der Streit ist ja bekanntlich der Vater aller Dinge, und Europa hat von seinem Wettstreit auch immer profitiert, sich immer gegenseitig auch zu Bestleistungen angespornt.

Kurzfristig wird sicher nichts passieren. Frau Merkel wird keine Kraft haben, Macron zu folgen, und viele Länder werden auch mit Interesse nach GB blicken, was dort nach dem Brexit passiert. Haben die Briten mit ihrem Weg Erfolg, wird sich unter den Bevölkerungen die Skepsis erhöhen.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Uffzach »

John Galt hat geschrieben:(09 Dec 2017, 12:09)

Was Schulzi da übrigens mit den VSE vorschlägt, dass jeder der nicht mitmacht automatisch ausscheidet, ist rechtlich überhaupt gar nicht möglich. Aber so etwas scheint diesen Hauptschuldiktator gar nicht zu interessieren.
Na ja, Schulz und die Realität ... das ist so ein Thema :D

Der ging ja auch noch davon aus, Kanzler zu werden, als seine Umfragewerte bereits im Keller waren. :p
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H2O
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(10 Dec 2017, 10:36)

Ja, haben wir wohl. Degressives Stimmrecht zeigt ja schon, dass das Misstrauen nicht überwunden ist in Europa - und es ist in einem gewissen Rahmen auch nicht schlimm, denn der Streit ist ja bekanntlich der Vater aller Dinge, und Europa hat von seinem Wettstreit auch immer profitiert, sich immer gegenseitig auch zu Bestleistungen angespornt.

Kurzfristig wird sicher nichts passieren. Frau Merkel wird keine Kraft haben, Macron zu folgen, und viele Länder werden auch mit Interesse nach GB blicken, was dort nach dem Brexit passiert. Haben die Briten mit ihrem Weg Erfolg, wird sich unter den Bevölkerungen die Skepsis erhöhen.
Ich weiß noch nicht wie, aber ich meine, daß das europäische Projekt keine Sache der Regierungen sein sollte. Natürlich bin ich dankbar und froh, daß in Frankreich ein Präsident mit Pauken und Trompeten seine populistische Widersacherin in die Bedeutungslosigkeit verwiesen hat. Aber jetzt muß der Antrieb von den Europäern befeuert werden.

Wenn wir unseren Blick auf unser Land richten, dann sind unsere politischen Parteien mit mehr Europa einverstanden... nur die AfD kann damit nichts anfangen. DIE LINKE will Europa auf den Kopf stellen, aber will Europa. Die SPD macht derzeit doch geradezu Druck auf in Richtung der Vereinigten Staaten von Europa. DIE GRÜNEN wollen mehr Europa ohne Wenn und Aber. Die FDP will Europa, allerdings mit strengem Blick auf die Verwendung der Vereinsbeiträge. Die CDU will mehr Europa.... das Gegenteil ist nicht bekannt geworden. Die CSU will mehr Europa, bestimmt mit bayerischen Besonderheiten :) . Dann darf unsereiner doch wohl annehmen, daß in der Größenordnung 80% unserer Wohnbevölkerung sich in Europa einrichten wollen. Der Rest ist dann doch eher Mehrheitsentscheidung als ein grundsätzliches Dafür oder Dagegen.

Ehe also Regierungen miteinander über Europa reden, sollten sie doch das öffentliche Gespräch mit den europäischen Bürgern führen. Vielleicht verflüchtigt sich dann so mancher Vorbehalt!
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BlueMonday
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von BlueMonday »

Mehr Europa? Wie sollte das gehen? Dazu müsste man ja Landmasse anderer Kontinente herankarren oder extraterrestrischen Mondstaub aus dem All herholen. Schwierig. Wenn, dann wollen die Menschleins auf europäischen Boden allenfalls ein anderes Europa, genauer: ihre Beziehungen untereinanander verändern, und das ist dann nun eher eine Frage von Qualitäten denn Quantitäten. Also anders, nicht mehr. Und die bevorzugten Geschmacksrichtungen fallen da höchst unterschiedlich aus. Im Wesentlichen ein Regenbogen, der sich über zentralistische Einfalt bis zur feingliedrigen beweglichen Vielfalt spannt.

Und ich hab gerade noch einmal aus dem Fenster geguckt, um mich zu vergwissern: Die Wintersonne lacht und Europa ist immer noch da. Morgen und in 10 Jahren vermutlich auch noch. Und immer noch, wenn die Macrons und Schulzens längst im kontinentalen Mutterboden schlummern und wieder wirklicher Teil Europas werden. Kein Abschied in Sicht. Und gleich welche politischen Verhältnisse auf der dünnen Erdoberfläche herrschen, Europa wird das kaum stören. Da interessieren Europa eher kilometerhohe Eismassen, die ihre Gestalt zu Gebirgen und Moränen zusammenfalten. Und durch den steigenden Meeresspiegel werden die Füßchen nass und ein bisschen sichtbare Erdmasse geht verloren. Aber das sind eher kosmetische Probleme, denn existentielle. Frauen halt.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

BlueMonday hat geschrieben:(10 Dec 2017, 11:56)

Mehr Europa? Wie sollte das gehen? Dazu müsste man ja Landmasse anderer Kontinente herankarren oder extraterrestrischen Mondstaub aus dem All herholen. Schwierig. Wenn, dann wollen die Menschleins auf europäischen Boden allenfalls ein anderes Europa, genauer: ihre Beziehungen untereinanander verändern, und das ist dann nun eher eine Frage von Qualitäten denn Quantitäten. Also anders, nicht mehr. Und die bevorzugten Geschmacksrichtungen fallen da höchst unterschiedlich aus. Im Wesentlichen ein Regenbogen, der sich über zentralistische Einfalt bis zur feingliedrigen beweglichen Vielfalt spannt.

Und ich hab gerade noch einmal aus dem Fenster geguckt, um mich zu vergwissern: Die Wintersonne lacht und Europa ist immer noch da. Morgen und in 10 Jahren vermutlich auch noch. Und immer noch, wenn die Macrons und Schulzens längst im kontinentalen Mutterboden schlummern und wieder wirklicher Teil Europas werden. Kein Abschied in Sicht. Und gleich welche politischen Verhältnisse auf der dünnen Erdoberfläche herrschen, Europa wird das kaum stören. Da interessieren Europa eher kilometerhohe Eismassen, die ihre Gestalt zu Gebirgen und Moränen zusammenfalten. Und durch den steigenden Meeresspiegel werden die Füßchen nass und ein bisschen sichtbare Erdmasse geht verloren. Aber das sind eher kosmetische Probleme, denn existentielle. Frauen halt.
ja, wenn wir von Gondwania bis zum Versinken des Erdballs im Sonnenfeuer denken, dann sind unsere europäischen Bestrebungen sicher weniger als eine Randnotiz. War da was?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Hyde hat geschrieben:(30 Nov 2017, 14:41)

Um den Riss zwischen Ost und West zu bestreiten, muss man schon in gehörigem Ausmaß dem Wunschdenken verfallen sein.

-der Westen ist wohlhabend mit hohen Löhnen, der Osten nicht
-der Westen wird nicht populistisch regiert, im Osten breitet sich das massiv aus
-im Westen wird Homosexualität weitgehend akzeptiert, im Osten nicht
-im Westen wird Einwanderung und Flüchtlinge in gewissem Ausmaß akzeptiert, im Osten nicht

Wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich verlaufen die Trennlinien in Europa klar zwischen West und Ost. So wirklich Sinn macht es nicht, sich da in die Tasche zu lügen oder gar von „Westarroganz“ zu sprechen, bloß um von unangenehmen Tatsachen abzulenken.

Bis West und Ost wirklich zusammengewachsen sind, werden noch einige Generationen vergehen. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es noch klare Unterschiede zwischen Ost und West, und dabei sind sich Ostdeutsche und Westdeutsche geschichtlich und kulturell noch wesentlich näher als Westeuropäer und Osteuropäer.

Es nutzt überhaupt nichts, in Wunschdenken zu verfallen und reale Tatsachen auszublenden, weil sie einem vielleicht nicht gefallen.
Ich sag mal so: Dein Beitrag ist deutlich von Zugehörigkeits-Verteidigungsreflexen geprägt. Ich fühle mich überhaupt nicht an irgendeinen "Osten" oder "Westen" gebunden.

Glaubst Du wirklich, dass in Ländern wie Polen eine Zwei-Drittel-Zu-Einem-Drittel-Oberhand rechtspopulistischer Parteien etwas ganz grundsätzlich anderes bedeuten wie das Ein-Drittel-Zu-Zwei-Drittel-Wahl-Nachsehen einer rechtspopulistischen Politikerin bei den letzten Wahlen in Frankreich? Und in Österreich waren wir letztens bereits bei Fifty-Fifty was die Teilung der Bevölkerung in Liberale und Rechtspopulisten angeht. Und, noch wichtiger und vor allem in Bezug auf das Thema "Quo Vadis": In der EKR-Fraktion des EU-Parlaments (Zitat: "Ausrichtung: EU-Skepsis, Konservatismus, Nationalkonservatismus, Rechtspopulismus") geben (bis zum vollzogenen Brexit) eigentlich nur zwei Parteien den Ton an: Die polnische PiS und die britischen Tories.

Was Du anführst hat mit den Überbleibseln historischer Faktenlagen zu tun. Die eigentlichen und primären weltpolitischen Prozesse sind darüber längst hinweggegangen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(13 Dec 2017, 10:20)

Ich sag mal so: Dein Beitrag ist deutlich von Zugehörigkeits-Verteidigungsreflexen geprägt. Ich fühle mich überhaupt nicht an irgendeinen "Osten" oder "Westen" gebunden.

Glaubst Du wirklich, dass in Ländern wie Polen eine Zwei-Drittel-Zu-Einem-Drittel-Oberhand rechtspopulistischer Parteien etwas ganz grundsätzlich anderes bedeuten wie das Ein-Drittel-Zu-Zwei-Drittel-Wahl-Nachsehen einer rechtspopulistischen Politikerin bei den letzten Wahlen in Frankreich? Und in Österreich waren wir letztens bereits bei Fifty-Fifty was die Teilung der Bevölkerung in Liberale und Rechtspopulisten angeht. Und, noch wichtiger und vor allem in Bezug auf das Thema "Quo Vadis": In der EKR-Fraktion des EU-Parlaments (Zitat: "Ausrichtung: EU-Skepsis, Konservatismus, Nationalkonservatismus, Rechtspopulismus") geben (bis zum vollzogenen Brexit) eigentlich nur zwei Parteien den Ton an: Die polnische PiS und die britischen Tories.

Was Du anführst hat mit den Überbleibseln historischer Faktenlagen zu tun. Die eigentlichen und primären weltpolitischen Prozesse sind darüber längst hinweggegangen.
50 % der Österreicher Rechtspopulisten, 50 % Liberale?

Ich glaube mit dieser Einteilung sollten wir Europa gleich ganz abschaffen und neu ordnen ...

Ansonsten sehe ich vieles grob so, wie der User Blue Monday hier.

Und wenn wir qualitativ was anders wollen, dann wäre der erste Schritt, sich einer anderen Sprache zu bedienen und den Gedanken der ideologischen Einheit dorthin werfen, wo sie hingehört: Auf den Müll.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Hyde hat geschrieben:(08 Dec 2017, 03:32)

Ich bin skeptisch, wie ein europäischer Nationalstaat funktionieren sollte.
Wer redet denn von einem "europäischen Nationalstaat"?
In manchen Ländern verdient man das Zehnfache wie in anderen Ländern, wie soll das funktionieren?
Funktioniert in vielen großen Ländern.

Aber ungeachtet dessen baut Europa über seine Wirtschaftskraft seine Macht aus und vertritt seine Interessen: Europe overtakes a Trump-led US as the world’s crucial setter of trade rules and standards. (https://www.politico.eu/article/eu-take ... ade-stage/)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 11:22)

50 % der Österreicher Rechtspopulisten, 50 % Liberale?
Nun ja. 49,65% haben im zweiten Durchgang der Präsidentenwahl den rechtspopulistischen Kandidaten einer rechtspopulistischen Partei gewählt. 50,35 den liberalen Kandidaten einer liberalen Partei. Natürlich ist so eine Wahl auch noch von anderen Motiven geleitet als den politischen Ansichten der Wähler. Das gilt für Polen aber genauso.

Aber davon abgesehen: Dass 50 Prozent der Österreicher zumindest zum Teil mit rechtspopulistischen Ansichten sympathisieren ... das hältst Du für ausgeschlossen? Wirklich?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(10 Dec 2017, 11:56)

Mehr Europa? Wie sollte das gehen? Dazu müsste man ja Landmasse anderer Kontinente herankarren oder extraterrestrischen Mondstaub aus dem All herholen. Schwierig. Wenn, dann wollen die Menschleins auf europäischen Boden allenfalls ein anderes Europa, genauer: ihre Beziehungen untereinanander verändern, und das ist dann nun eher eine Frage von Qualitäten denn Quantitäten. Also anders, nicht mehr. Und die bevorzugten Geschmacksrichtungen fallen da höchst unterschiedlich aus. Im Wesentlichen ein Regenbogen, der sich über zentralistische Einfalt bis zur feingliedrigen beweglichen Vielfalt spannt.

Und ich hab gerade noch einmal aus dem Fenster geguckt, um mich zu vergwissern: Die Wintersonne lacht und Europa ist immer noch da. Morgen und in 10 Jahren vermutlich auch noch. Und immer noch, wenn die Macrons und Schulzens längst im kontinentalen Mutterboden schlummern und wieder wirklicher Teil Europas werden. Kein Abschied in Sicht. Und gleich welche politischen Verhältnisse auf der dünnen Erdoberfläche herrschen, Europa wird das kaum stören. Da interessieren Europa eher kilometerhohe Eismassen, die ihre Gestalt zu Gebirgen und Moränen zusammenfalten. Und durch den steigenden Meeresspiegel werden die Füßchen nass und ein bisschen sichtbare Erdmasse geht verloren. Aber das sind eher kosmetische Probleme, denn existentielle. Frauen halt.
:) "Mehr Europa wagen" ist wirklich eine ziemlich dumme Phrase. In 20 Millionen Jahren wird sich (vermutlich) infolge der Kontinentaldrift die Iberische Halbinsel von Europa trennen. Und in 40 Millionen Jahren wird Europa (vermutlich) in der Mitte entlang des Rheingrabens auseinanderbrechen. Weniger Europa.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Rein von den Wirtschaftszahlen her liegen die Wachstumsraten der EU-Länder Osteuropas mit 3-4 Prozent (mit Ausnahme von Kroatien) deutlich über dem EU-Durchschnitt (2,2 2017). Von daher kann der Angleichsprozess zwar noch eine Weile dauern aber für ein weiteres (ökonomisches) Auseinanderdriften spricht das nicht.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

schelm hat geschrieben:(07 Dec 2017, 19:50)

Ungarn kann sich nicht gegen Europa entscheiden, Ungarn ist Teil von Europa. Wogegen man sich aber entscheiden kann, sind dämliche Visionen, deren Zeit noch nicht gekommen ist, man kann sich gegen die dreiste Deutungshoheit entscheiden, wer oder was " Europa " sei.
Bitte nicht wieder vermeintlich politisch korrekte Sprachdiktate, nur weil Dir freie Menschen nicht gehorchen und so sprechen wie Du es gerne hättest. Du kriegst vermutlich auch Panikattacken, wenn Trump "America first" sagt, obwohl er ja nur die USA meint, die in den Amerikas viel kleiner (Fläche, Wirtschaft, Einwohner, ...) ist als die EU in Europa. :rolleyes:
Sextus Ironicus hat geschrieben:(07 Dec 2017, 18:24)

Es geht in diesem Fall nicht um Schulz, sondern um Juncker.
... und seine Rolle als nationaler Politiker. Ein sehr gelungener Einwand pro Nationalstaat.
Ist der Gedanke, ob nun richtig oder falsch, in sich nachvollziehbar?
Er ist sehr wirr, da ein demokratisches Parlament viele Ausgestaltungen haben kann. Auf nationaler Ebene ist insb. in föderalen Staaten eine degressive Proportionalität völlig normal, z.B. in der Schweiz oder bei der Präsidentschaftswahl der USA. Zum anderen war diese Dominanz schon in den 90ern ein großes Streitthema und würde sich bei einem postnationalen Staat von selbst erledigen. Die Nationalität spielt heute schon eine untergeordnete Rolle im EU-Parlament, obwohl wir bisher noch 28 (27) nationale Wahlliste haben und noch keine europäische. Deutsche Konservative schließen sich halt mit ungarischen, irischen oder portugiesischen Konservativen zusammen, nicht mit Linken, Grünen, Liberalen, Rechtsextremisten oder Sozialdemokraten aus Deutschland. Das ist aber vermutlich nicht nachvollziehbar, wenn der Blick an der "Grenze" endet, oder?
Labskaus!

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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:07)



Er ist sehr wirr, da ein demokratisches Parlament viele Ausgestaltungen haben kann. Auf nationaler Ebene ist insb. in föderalen Staaten eine degressive Proportionalität völlig normal, z.B. in der Schweiz oder bei der Präsidentschaftswahl der USA. Zum anderen war diese Dominanz schon in den 90ern ein großes Streitthema und würde sich bei einem postnationalen Staat von selbst erledigen. Die Nationalität spielt heute schon eine untergeordnete Rolle im EU-Parlament, obwohl wir bisher noch 28 (27) nationale Wahlliste haben und noch keine europäische. Deutsche Konservative schließen sich halt mit ungarischen, irischen oder portugiesischen Konservativen zusammen, nicht mit Linken, Grünen, Liberalen, Rechtsextremisten oder Sozialdemokraten aus Deutschland. Das ist aber vermutlich nicht nachvollziehbar, wenn der Blick an der "Grenze" endet, oder?
Mein Blick als Niederländer oder Schwede oder Ungar ginge eben über die Grenze hinaus. Und ich wollte mich nicht in die Hände Deutschlands begeben, so einfach ist das.

Und ich halte ein demokratisches Europa für nicht durchsetzbar. Käme es demokratisch zustande, müssten wir hier nach 146 GG eine europäische Verfassung durchwinken, die anstelle des GG träte. Ich halte das für unrealistisch, also würde wieder getrickst werden oder man würde die Zustimmung nicht bekommen.

Der andere Punkt ist: Kennst du eine Demokratie dieser Größenordnung, die funktioniert? Unter sozialstaatlichen Vorzeichen ist Deutschland die größte Demokratie, die den Namen verdient, die USA sind unter anderen Voraussetzungen entstanden und funktionieren unter ganz anderen Voraussetzungen. Und nach wie vor wüsste ich nicht, was die VSE bringen sollten, was jetzt nicht schon möglich wäre.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schelm »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:07)

Bitte nicht wieder vermeintlich politisch korrekte Sprachdiktate, nur weil Dir freie Menschen nicht gehorchen und so sprechen wie Du es gerne hättest. Du kriegst vermutlich auch Panikattacken, wenn Trump "America first" sagt, obwohl er ja nur die USA meint, die in den Amerikas viel kleiner (Fläche, Wirtschaft, Einwohner, ...) ist als die EU in Europa. :rolleyes:
Bitte was ? Das Sprachdiktat und der Anspruch der Deutungshoheit über Europa kommen doch aus deiner politischen Ecke. Kurzfassung : Wer den Visionen nicht folgt, ist " antieuropäisch ". Auch wenn deine Ecke das so beansprucht, so wird aus EU, sowie eurer Vorstellung über die EU, im Ergebnis nicht der Begriff Europa, sondern ausschließlich eure Projektion davon.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

schelm hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:42)

Bitte was ? Das Sprachdiktat und der Anspruch der Deutungshoheit über Europa kommen doch aus deiner politischen Ecke. Kurzfassung : Wer den Visionen nicht folgt, ist " antieuropäisch ". Auch wenn deine Ecke das so beansprucht, so wird aus EU, sowie eurer Vorstellung über die EU, im Ergebnis nicht der Begriff Europa, sondern ausschließlich eure Projektion davon.
Du heulst aufgrund des Sprachgebrauchs bzw. Wortwahl eines Menschen auf, obwohl Dir im Kontext ohne Nachfrage sofort klar war, was gemeint ist. Das ist sehr albern. Willst Du nun zur russischen Botschaft rennen und meckern, wenn Putin von "russisch-europäischen Beziehung" spricht? Oder in Kiew demonstrieren, wenn die Leute "nach Europa" wollen? Die Definition Europas war stets politisch, religiös, linguistisch, kulturell oder auch agrarisch definiert und wandelte sich in den letzten Jahrhunderten etliche mal. Mal endete es an der Weichsel, mal reichte es bis zur Mongolei. Kommt noch etwas Sachliches zum Thema oder wolltest Du nur wieder Dein gewaltiges Wissen über Europa kundtun, Herr NVA-Offizier? Na also. Du jammerst über Sprachdiktate, obwohl Dir niemand etwas hier diktieren will, aber forderst sie selber ohne es zu merken. Irre. :rolleyes:
Zuletzt geändert von frems am Mi 13. Dez 2017, 15:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:29)
Mein Blick als Niederländer oder Schwede oder Ungar ginge eben über die Grenze hinaus. Und ich wollte mich nicht in die Hände Deutschlands begeben, so einfach ist das.
Spricht also für weniger Nationalstaat. Geht doch.
Und ich halte ein demokratisches Europa für nicht durchsetzbar. Käme es demokratisch zustande, müssten wir hier nach 146 GG eine europäische Verfassung durchwinken, die anstelle des GG träte. Ich halte das für unrealistisch, also würde wieder getrickst werden oder man würde die Zustimmung nicht bekommen.
Das ist auch wieder eine Prämisse ohne Grundlage. Wieso sollte das GG abgeschafft werden? Es verpflichtet uns als Staatsbürger geradezu zu einer fortschreitenden Integration Europas. Eine Verfassung eines Bundeslandes, das Eigenstaatlichkeit genießt, wird auch nicht rechtlich wertlos, nur weil wir eine Verfassung auf Bundesebene haben. Alles sehr skurril. Mal ist Demokratie nur "one man, one vote", nun sollen Verfassungen abgeschafft werden... herje.
Der andere Punkt ist: Kennst du eine Demokratie dieser Größenordnung, die funktioniert? Unter sozialstaatlichen Vorzeichen ist Deutschland die größte Demokratie, die den Namen verdient, die USA sind unter anderen Voraussetzungen entstanden und funktionieren unter ganz anderen Voraussetzungen. Und nach wie vor wüsste ich nicht, was die VSE bringen sollten, was jetzt nicht schon möglich wäre.
Es gibt viele Konzepte, die sich hinter dem Begriff VSE verbergen. Andere sprechen von einer Republik Europas, die nächsten von einer Europäischen Föderation. Gemein haben sie meist nur, dass sie nicht die Kopie eines Nationalstaats auf Europaebene sind. Das heißt natürlich nicht, dass man sich als sui generis nicht auch an anderen orientieren könnte. Und die genannten USA funktionieren durch ihre Dezentralität ja recht gut, zumal das heutige Europa noch (kon-)föderaler strukturiert ist als jeder existiertende föderale Staat, da wir die Machtverteilung nicht nur auf mehreren vertikalen, sondern auch auf einer horizontalen Ebene haben. Dass Europa etwas eigenes, spezielles ist, wird ja niemand absprechen. Es ist nur nicht so schwarz-weiß wie Du annimmst und verbal-argumentativ sehr schwach als Konklusion, wenn man nur darauf verweist, dass es bei X funktioniert, aber Unterschiede existieren, weshalb diese unbenannten Unterschiede der Grund seien, weshalb es bei Y nicht klappt. Demnach müsste es einen Kriterienkatalog geben, wo man zahlreiche Häkchen setzt und ein Staat erst dann "funktioniert", wenn es überall positiv ist. So funktioniret aber kein Staatswesen dieser Welt.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:29)

Mein Blick als Niederländer oder Schwede oder Ungar ginge eben über die Grenze hinaus. Und ich wollte mich nicht in die Hände Deutschlands begeben, so einfach ist das.

Und ich halte ein demokratisches Europa für nicht durchsetzbar. Käme es demokratisch zustande, müssten wir hier nach 146 GG eine europäische Verfassung durchwinken, die anstelle des GG träte. Ich halte das für unrealistisch, also würde wieder getrickst werden oder man würde die Zustimmung nicht bekommen.

Der andere Punkt ist: Kennst du eine Demokratie dieser Größenordnung, die funktioniert? Unter sozialstaatlichen Vorzeichen ist Deutschland die größte Demokratie, die den Namen verdient, die USA sind unter anderen Voraussetzungen entstanden und funktionieren unter ganz anderen Voraussetzungen. Und nach wie vor wüsste ich nicht, was die VSE bringen sollten, was jetzt nicht schon möglich wäre.
Ach was, gesponnen wird überall: Da sind wir Europäer uns ganz einig. Aber Sie übertreiben jetzt wirklich ihr Mißtrauen gegen die 83 Mio Menschen, die Ihnen Heimat, Wohnung, Einkommen (hoffentlich ein gutes!) und Sicherheit bieten. Das sind so ziemlich die Wünsche, die meine polnischen Nachbarn haben und meine französischen und italienischen Kollegen hatten. Angesichts der erkennbaren Spannungen und Unsicherheiten, die sich in Gewalt entladen, ist vielen davon klar, daß dieser gute Zustand nur zu erhalten ist, wenn wir unsere Kräfte bündeln, politisch, wirtschaftlich und militärisch. Da gibt es nichts geschenkt. Daß Kräfte bündeln auf diesen Gebieten das Ende gemeinschaftsschädigender Sonderwege bedeutet, den Zusammenschluß zu einem Bundesstaat mit autonomen Teilstaaten, das dürfte der Gang der Welt sein. Und wenn wir uns gemeinsam anstrengen, dann erreichen wir auch das gemeinsame Ziel, nämlich Heimat, Wohnung, Einkommen und Sicherheit für uns und unsere Familien... die auch heute schon Grenzen überschreiten.

Eigentlich hätte die Katastrophe zweier Weltkriege genug Anlaß zu dieser Entwicklung sein sollen. Aber vielleicht brauchen wir an unseren Rändern noch einmal eine Flammenhölle, bevor die letzten Vorbehalte auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 15:41)


Das ist auch wieder eine Prämisse ohne Grundlage. Wieso sollte das GG abgeschafft werden? Es verpflichtet uns als Staatsbürger geradezu zu einer fortschreitenden Integration Europas. Eine Verfassung eines Bundeslandes, das Eigenstaatlichkeit genießt, wird auch nicht rechtlich wertlos, nur weil wir eine Verfassung auf Bundesebene haben. Alles sehr skurril. Mal ist Demokratie nur "one man, one vote", nun sollen Verfassungen abgeschafft werden... herje.
Was ist skurril an Forderungen (one man, one vote), wie sie auch Ulrike Guérot vertritt, die nun wirklich pro-europäisch wie sonst kaum jemand auftritt?

Und wo verpflichtet uns das GG zu einer fortschreitenden Integration Europas? Wo steht das? Art 23 (1) enthält eine Feststellung der Mitwirkung und dass die Bundesregierung dazu etwas kann, von einer Verpflichtung ist also nicht die Rede. Die Bundesregierung verzichtet auf ihre Gesetzgebungskompetenz, überträgt sie aber nicht. Und Art. 79 GG gilt ebenfalls. Was also ist skurril?

Skurril ist für mich eher, dass man ein disfunktionales Projekt durch weitere Aufblähung retten möchte, statt ein paar aktuelle Probleme zu lösen. Ist die EU erfolgreich wird sie ganz "natürlich" zusammenwachsen. Aber als administratives Projekt wird es die Missgeburt bleiben, als die sie sich entpuppt hat. Da braucht man keine Schwäche fürs Symbolisch-Nationale zu haben, da reicht eine Schwäche für wendigere und manövrierfähige kleinere Schiffe.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

H2O hat geschrieben:(13 Dec 2017, 15:50)

Ach was, gesponnen wird überall: Da sind wir Europäer uns ganz einig. Aber Sie übertreiben jetzt wirklich ihr Mißtrauen gegen die 83 Mio Menschen, .
:?

Ach bitte, das ist doch jetzt albern. Der Niederländer (oder wer auch immer) misstraut nicht 83 Mio. Menschen, sondern er fürchtet die politische Einflussmöglichkeit, die sich aus dem deutschen Stimmgewicht gibt. Das auf Menschen runterzuziehen ist doch jetzt wrgf.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 16:13)

Was ist skurril an Forderungen (one man, one vote), wie sie auch Ulrike Guérot vertritt, die nun wirklich pro-europäisch wie sonst kaum jemand auftritt?
Nicht die Forderung ist skurril, sondern die Aussage, dass nur ein solches System "demokratisch" ist.
Und wo verpflichtet uns das GG zu einer fortschreitenden Integration Europas? Wo steht das? Art 23 (1) enthält eine Feststellung der Mitwirkung und dass die Bundesregierung dazu etwas kann, von einer Verpflichtung ist also nicht die Rede. Die Bundesregierung verzichtet auf ihre Gesetzgebungskompetenz, überträgt sie aber nicht. Und Art. 79 GG gilt ebenfalls. Was also ist skurril?
Skurril ist die Aussage, dass das GG nicht mehr existiere bzw. gelte, wenn man eine europäische Verfassung hätte; zumal eine Republik gar keine Verfassung für ihre Existenz gar nicht benötigt, weshalb hier nicht nur zwei falsche Prämissen, sondern auch noch eine unschlüssige Konklusion auf dem Tisch sind.
Skurril ist für mich eher, dass man ein disfunktionales Projekt durch weitere Aufblähung retten möchte, statt ein paar aktuelle Probleme zu lösen. Ist die EU erfolgreich wird sie ganz "natürlich" zusammenwachsen. Aber als administratives Projekt wird es die Missgeburt bleiben, als die sie sich entpuppt hat. Da braucht man keine Schwäche fürs Symbolisch-Nationale zu haben, da reicht eine Schwäche für wendigere und manövrierfähige kleinere Schiffe.
Sie wächst ja natürlich zusammen, wenn wir die schrittweise Integration hierfür festhalten. Erst kürzlich gab es großartige Fortschritte bei der Verteidigungspolitik, selbiges für die Außen- und Handelspolitik (heute erst verlinkt).
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 16:26)

:?

Ach bitte, das ist doch jetzt albern. Der Niederländer (oder wer auch immer) misstraut nicht 83 Mio. Menschen, sondern er fürchtet die politische Einflussmöglichkeit, die sich aus dem deutschen Stimmgewicht gibt. Das auf Menschen runterzuziehen ist doch jetzt wrgf.
Nee, so nicht! Was hat denn ein Niederländer oder Malteser von unserem Stimmengewicht zu fürchten? Weder er noch wir sind doch allein in der Arena. Da streiten oder reden 27 Mitglieder im Ministerrat miteinander, und am Ende des Liedes wird abgestimmt. Ich gehe davon aus, daß weiterhin die qualifizierte Mehrheit für Entscheidungen auf Gemeinschaftsebene gilt. Diese Form der Stimmgewichtung kommt mir jedenfalls ganz vernünftig vor... sonst hätten die ewig kritischen Briten dem niemals zugestimmt. Ich stelle mir vor, daß der heutige Ministerrat eine zweite Kammer der EU sein wird, die Gesetze des EU-Parlaments prüft und erforderlichenfalls mit der Bitte um Nachbesserung an das EU-Parlament zurück verweist... oder das Gesetz zuläßt.

Für mich ist klar, daß ein Mitglied oder ein europäischer Mitbürger, das/der sich im ungerechtfertigten Nachteil sieht, dieses Gesetz auch vor dem EuGH prüfen lassen kann. Mehr Fairness finden wir im eigenen Lande auch nicht!

Im EU-Parlament hat man mit der degressiven Zuordnung "nationaler" Abgeordneter ebenfalls versucht, das deutsche Stimmengewicht... oder, viel freundlicher ausgedrückt: das Stimmengewicht der großen Staaten Italien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien... in ein faires Gleichgewicht mit den ganz kleinen Staaten wie Malta oder Zypern zu bringen. Im EU-Parlament sind nach meinem Kenntnisstand noch nie die nationalen Fetzen geflogen, wenn wir von hämischen Anmerkungen der UKIP absehen.

Was aber auf gar keinen Fall in der Gemeinschaft zugelassen werden kann, das sind gesetzeshemmende Vetos einzelner Mitglieder. Ein Mitglied, das diesen Weg beschreitet, sollte damit zugleich seinen Austritt aus der Gemeinschaft beschließen. Denn ganz offenbar will die Gemeinschaft ja seine lebenswichtigen Interessen nicht beachten. Was soll dann eine Mitgliedschaft? So mein Vorschlag für die Verfassung der vertieften Gemeinschaft in einer Föderation.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(13 Dec 2017, 17:09)

Nee, so nicht! Was hat denn ein Niederländer oder Malteser von unserem Stimmengewicht zu fürchten?
und doch denke ich, daß er recht hat. ich erinnere mich noch lebendig wie damals kohl (zusammen mit den franzosen) bestimmte ideen durchdrückte.
geschweige vom tandem schröder-giskard. noch immer leiden wir unter den folgen davon (schlechte finanzielle kontrolle).

nicht idealismus, sondern realismus soll hier führend sein. auch der EZB-direktor muß evt durchs EU-hof zurückgepfiffen werden können.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(14 Dec 2017, 08:03)

und doch denke ich, daß er recht hat. ich erinnere mich noch lebendig wie damals kohl (zusammen mit den franzosen) bestimmte ideen durchdrückte.
geschweige vom tandem schröder-giskard. noch immer leiden wir unter den folgen davon (schlechte finanzielle kontrolle).

nicht idealismus, sondern realismus soll hier führend sein. auch der EZB-direktor muß evt durchs EU-hof zurückgepfiffen werden können.
Aus meiner Sicht geht die Sache höchst einfach: Der Niederländische Premier greift zum Telefonhörer, bittet den Kanzler um ein Gespräch über das Thema, das ihn auf europäischer Ebene bewegt, und schon beginnt das gemeinsame Nachdenken. Ich bin davon überzeugt, daß, wenn Herr Zipras meint, daß die deutsche Seite oder ein größenwahnsinniger anderer Partner griechische Anliegen mißachtet, das Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu einer tragbaren Lösung führt. Natürlich kann keine Bundesrepublik Deutschland sich in innere Angelegenheiten der Niederlande einmischen... das müssen Niederländer oder Malteser oder Griechen schon selbst ausfechten.

Eine andere Lösung wäre sicherlich, daß die Niederlande erst einmal an der vertieften Union nicht teilnehmen, aber später dazu stoßen. Meine ganz bescheidene Idee war ohnehin, daß zunächst Deutsche und Franzosen abklären, was aus ihrer Sicht möglich ist. Danach muß aus meiner Sicht das öffentliche Gespräch mit den EU-Bürgern folgen und auch eine allgemeine Meinungsbildung. Dort, wo viel Zustimmung zur vertieften Zusammenarbeit zu erkennen ist, beginnt man mit weiteren Maßnahmen zur vertieften Gemeinschaft. Damit werden Querulanten erst einmal sich selbst überlassen, und der kleine feine Club baut seine gemeinsame Zukunft aus.

Ich sehe keine vernünftige Gemeinschaft der verweigerten Solidarität, der Chauvinisten und Regelbrecher. Daran geht die derzeitige EU in die Knie!
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:20)

Eine andere Lösung wäre sicherlich, daß die Niederlande erst einmal an der vertieften Union nicht teilnehmen, aber später dazu stoßen. Meine ganz bescheidene Idee war ohnehin, daß zunächst Deutsche und Franzosen abklären, was aus ihrer Sicht möglich ist.
und gerade das ist unerwunscht. denn dann kommt etwas wovon sie sagen können »take it or leave it«.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 17:01)

Nicht die Forderung ist skurril, sondern die Aussage, dass nur ein solches System "demokratisch" ist.


Skurril ist die Aussage, dass das GG nicht mehr existiere bzw. gelte, wenn man eine europäische Verfassung hätte; zumal eine Republik gar keine Verfassung für ihre Existenz gar nicht benötigt, weshalb hier nicht nur zwei falsche Prämissen, sondern auch noch eine unschlüssige Konklusion auf dem Tisch sind.


Sie wächst ja natürlich zusammen, wenn wir die schrittweise Integration hierfür festhalten. Erst kürzlich gab es großartige Fortschritte bei der Verteidigungspolitik, selbiges für die Außen- und Handelspolitik (heute erst verlinkt).
Hat ja auch niemand was gegen letzteres einzuwenden und das wird nicht alles bleiben, was gesamteuropäisch gelöst werden muss bzw. nur gesamteuropäisch gelöst werden kann. Am dringlichsten wäre ein einheitliches europäisches Asylrecht, Einwanderungsgesetze dagegen mögen die Länder nach ihren Notwendigkeiten machen.

Was die Skurrilitäten angeht, so nehmen wir dann eben auch die Behauptung dazu, das GG verpflichte uns als Staatbürger zu einer fortschreitenden Integration Europas. Das ist nicht der Fall, das GG regelt den Verzicht auf Kompetenzen. Und dabei gibt es auch Dinge, die, wenn sie abgegeben würden, mit Verfassungsmehrheit abgesegnet werden müssten.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:27)

und gerade das ist unerwunscht. denn dann kommt etwas wovon sie sagen können »take it or leave it«.
Nein, lieber NN, dann kommt etwas, worüber die europäischen Bürger in Gesprächen befinden können. Ein langer Abstimmungsvorgang, aber vermutlich fruchtbar! Friß Vogel, oder stirb, das kommt erst später, wenn sich einmal eine gleichgesinnte Gemeinschaft gebildet hat. Dann können Neuzugänge natürlich nicht gleich mit Forderungen zur Veränderung auftreten. Dann müssen sie schon ihren eigenen Club bilden. So gesehen ist es besser, gleich von Anfang an mit zu wirken.

Ich halte es für unmöglich, daß aus dem Nichts ein Gerüst und ein Konzept für die vertiefte Gemeinschaft besprochen werden kann. Das ist aus meiner Sicht eine Dienstleistung unserer Politiker. Aber ohne die Willensbildung der EU-Bürger darf gar nichts festgelegt werden!
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:30)

Hat ja auch niemand was gegen letzteres einzuwenden und das wird nicht alles bleiben, was gesamteuropäisch gelöst werden muss bzw. nur gesamteuropäisch gelöst werden kann. Am dringlichsten wäre ein einheitliches europäisches Asylrecht, Einwanderungsgesetze dagegen mögen die Länder nach ihren Notwendigkeiten machen.

Was die Skurrilitäten angeht, so nehmen wir dann eben auch die Behauptung dazu, das GG verpflichte uns als Staatbürger zu einer fortschreitenden Integration Europas. Das ist nicht der Fall, das GG regelt den Verzicht auf Kompetenzen. Und dabei gibt es auch Dinge, die, wenn sie abgegeben würden, mit Verfassungsmehrheit abgesegnet werden müssten.
Wenn ich mich richtig erinnere, dann sind diese Regelungen aber ausdrücklich mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Europäischen Einigung gestaltet worden. Ist doch klar, daß dazu das Grundgesetz geändert werden muß mit den entsprechenden Mehrheiten in Parlament und Bundesrat.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

H2O hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:41)

Wenn ich mich richtig erinnere, dann sind diese Regelungen aber ausdrücklich mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Europäischen Einigung gestaltet worden. Ist doch klar, daß dazu das Grundgesetz geändert werden muß mit den entsprechenden Mehrheiten in Parlament und Bundesrat.
Ja, mit Blick auf die stattfindende Weiterentwicklung. Doch aus dem Fließen des Baches ergibt sich keine Verpflichtung zum Fließen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:30)

Hat ja auch niemand was gegen letzteres einzuwenden und das wird nicht alles bleiben, was gesamteuropäisch gelöst werden muss bzw. nur gesamteuropäisch gelöst werden kann. Am dringlichsten wäre ein einheitliches europäisches Asylrecht, Einwanderungsgesetze dagegen mögen die Länder nach ihren Notwendigkeiten machen.
Wieso soll das Asylrecht am dringlichsten sein? Oder meinst Du nur persönliche Präferenzen?
Was die Skurrilitäten angeht, so nehmen wir dann eben auch die Behauptung dazu, das GG verpflichte uns als Staatbürger zu einer fortschreitenden Integration Europas. Das ist nicht der Fall, das GG regelt den Verzicht auf Kompetenzen. Und dabei gibt es auch Dinge, die, wenn sie abgegeben würden, mit Verfassungsmehrheit abgesegnet werden müssten.
Nicht Verzicht, sondern Verlagerung. Und da geht's um den Einigungsprozess Europas. Aber da Du nicht mehr auf den vorigen Quark mit dem Wahlsystem oder der GG-Abschaffung eingehst, gehe ich mal davon aus, dass Du nun bei den Fakten bleiben möchtest. Das freut mich. Denn da ist Europa schon weiter als es manch NVA-Genosse im Forum -- nein, Du bist nicht gemeint -- es eingestehen möchte: http://www.tagesspiegel.de/meinung/essa ... 79848.html
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:03)

Ja, mit Blick auf die stattfindende Weiterentwicklung. Doch aus dem Fließen des Baches ergibt sich keine Verpflichtung zum Fließen.
In dem Falle schon, da es die Partizipation an der Integration der ever closer union festlegt. Das gilt nicht nur für die Einleitung (Präambel), die symbolisch den hohen Stellenwert dieser Staatsaufgabe darstellt, sondern die geltenden Artikel, an die sich jede Bundesregierung zu halten hat, so lange unsere Verfassung unverändert gilt.
(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_23.html
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:30)

In dem Falle schon, da es die Partizipation an der Integration der ever closer union festlegt. Das gilt nicht nur für die Einleitung (Präambel), die symbolisch den hohen Stellenwert dieser Staatsaufgabe darstellt, sondern die geltenden Artikel, an die sich jede Bundesregierung zu halten hat, so lange unsere Verfassung unverändert gilt.
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_23.html
Wie ich sagte: Die Tatsache des Fließens enthält und schafft keine Verpflichtung. Und als der 23er in den 90ern eingeführt wurde, gab es keine "ever closer union" - das ist ein späterer Begriff. Deutschland ist souverän und kann sich für oder gegen die EU entscheiden. Verfassungsrechtlich verzichtet die Regierung lediglich zugunsten europäischen Handlens auf die Ausübung bestimmter Kompetenzen. Dsas ist inzwischen geklärt.

Was das Asylrecht angeht: Das sind zwar auch Präferenzen, aber wie die aktuelle Lage und die Situation in Afrika zeigt, kann Europa diese Frage nur zentral lösen. Alles, was passiert ist in den letzten Jahren, wusste man schon lange vor 2015. Und wenn man das nicht schafft, braucht man den Rest gar nicht angehen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:56)

Wie ich sagte: Die Tatsache des Fließens enthält und schafft keine Verpflichtung. Und als der 23er in den 90ern eingeführt wurde, gab es keine "ever closer union" - das ist ein späterer Begriff. Deutschland ist souverän und kann sich für oder gegen die EU entscheiden. Verfassungsrechtlich verzichtet die Regierung lediglich zugunsten europäischen Handlens auf die Ausübung bestimmter Kompetenzen. Dsas ist inzwischen geklärt.
Die Einheit Europas ist spätestens seit den Römischen Verträgen eins der höchsten Staatsziele Deutschlands. Wie man das Kind nennt, ist natürlich zweitrangig und war nicht vorherzusehen. Selbst ein reaktionärer Sack wie Strauß machte damals klar, dass Europa unsere Zukunft ist, während die Überwindung der Nationalstaaterei nicht einmal ein offenes Geheimnis war. Die Einigung ist noch nicht abgeschlossen. Davon abgesehen: souverän sind Bürger, nicht Staaten. Da ist der inflationär verwendete Begriff ziemlich schlecht. (Mal abgesehen davon: selbst nach einer Personifizierung eines Staates wäre kein Staat dieser Erde "souverän" im eigentlichen Sinne)
Was das Asylrecht angeht: Das sind zwar auch Präferenzen, aber wie die aktuelle Lage und die Situation in Afrika zeigt, kann Europa diese Frage nur zentral lösen. Alles, was passiert ist in den letzten Jahren, wusste man schon lange vor 2015. Und wenn man das nicht schafft, braucht man den Rest gar nicht angehen.
Also die Angst vor der Zukunft als Maßstab. Ich hatte es schon befürchtet.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:03)

Ja, mit Blick auf die stattfindende Weiterentwicklung. Doch aus dem Fließen des Baches ergibt sich keine Verpflichtung zum Fließen.
Das ist so wie ein Arbeitsangebot... eine Möglichkeit unter vielen. :)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:04)

Die Einheit Europas ist spätestens seit den Römischen Verträgen eins der höchsten Staatsziele Deutschlands. Wie man das Kind nennt, ist natürlich zweitrangig und war nicht vorherzusehen. Selbst ein reaktionärer Sack wie Strauß machte damals klar, dass Europa unsere Zukunft ist, während die Überwindung der Nationalstaaterei nicht einmal ein offenes Geheimnis war. Die Einigung ist noch nicht abgeschlossen. Davon abgesehen: souverän sind Bürger, nicht Staaten. Da ist der inflationär verwendete Begriff ziemlich schlecht. (Mal abgesehen davon: selbst nach einer Personifizierung eines Staates wäre kein Staat dieser Erde "souverän" im eigentlichen Sinne)


Also die Angst vor der Zukunft als Maßstab. Ich hatte es schon befürchtet.
Also wieder eine neue Unterstellung? Ich dachte immer, alles, was Politik versucht zu lösen, geschieht mit Blick auf die Zukunft.

Meines Wissens fällt "Staat" auch unter den Begriff der juristischen Person. Damit gilt auch für ihn der Begriff der Souveränität.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Was ich nicht so ganz verstehe: Die ökonomische, wirtschaftliche Verzahnung in Europa ist doch weit fortgeschritten. Könnte es sein, dass wir über ein Ever Closer Europe in politischer und kultureller Hinsicht in einem Nebengebäude diskutieren, während im Hauptgebäude, nämlich dem der Wirtschaft, längst zur Sache gegangen wird? Neulich hörte ich ein Interview mit einem Wirtschaftsverbandsvertreter zu der Frage, wieweit die deutsche Wirtschaft von der aktuellen schwierigen und langwierigen Regierungsbildung betroffen sei. Antwort grob zusammengefasst: Eigentlich gar nicht. Man macht einfach. Ohnehin und auch so.

Eigentlich hoffnungsvolle, positiv zu wertende Pro-Europäer wie etwa die Oppositionsbewegung "Momentum" in Ungarn oder auch die ungarische Pulse-Of-Europe-Filiale positionieren sich sehr stark an der negativen Projektionsfläche "Russland". Europa soll das Vehikel für eine Art Russifizierungsschutz sein. Und der verdeckte Pro-Putin-Kurs Orbáns ist Schreckgespenst Nummer Eins. Auch wenn sie mit der Kritik an der Russland-Politik Orbáns ja recht haben: Es ist kulturalistisch gedacht. Und identitär (wenn auch eine Ebene höher als die der Nation). Genauso wie eine Europa-Vision als kulturalistische Abgrenzung gegen ein Trump-Amerika.

Währenddessen läuft die wirtschaftliche Zusammenarbeit von großen Unternehmen wie Audi, Daimler etc. mit Ländern wie Ungarn wie geschmiert. Ein großes Unternehmen wie Daimler hat eigene Abteilungen für Auswärtige Beziehungen. Deren Chef Eckart von Klaeden ist definitiv Orbán-Freund. Von einer "Symbiose von Premium und Premier" war in einem Artikel die Rede. Und die ZEIT titelt: "Distanziert euch von den Autokraten" (http://www.zeit.de/2017/39/audi-daimler ... autokraten) mit Adresse an solche Unternehmen. Das klingt vor allem eins: Hilflos. Audi oder Daimler sind keine deutschen Betriebe mehr sondern international agierende Unternehmen. Man kann nicht an deren Verantwortung im Rahmen einer nationalen Politik appellieren. Zumal aktuell, wo alle Wirtschaftstrenddaten in Europa wieder nach oben weisen.

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Die Wirtschaft, das ist richtig, ist mit ihren Interessen natürlich Taktgeber. Das erzeugt politische Notwendigkeiten (ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Frage). Aber weshalb sollte man sich jetzt kulturell verzahnen? Wozu? Dass die Regelung der Krümmung der Gurke wirtschaftliche Gründe hat (zum Beispiel die Verpackungsindustrie und die Maschinen) mag man ja einsehen, aber wozu soll sich der administrative Koloss in die Kultur einmischen? Was fehlt Ungarn, Schweden, Italienern, Deutschen usw., was eine kulturelle Verzahnung lösen soll?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Was ich nicht so ganz verstehe: Die ökonomische, wirtschaftliche Verzahnung in Europa ist doch weit fortgeschritten. Könnte es sein, dass wir über ein Ever Closer Europe in politischer und kultureller Hinsicht in einem Nebengebäude diskutieren, während im Hauptgebäude, nämlich dem der Wirtschaft, längst zur Sache gegangen wird? Neulich hörte ich ein Interview mit einem Wirtschaftsverbandsvertreter zu der Frage, wieweit die deutsche Wirtschaft von der aktuellen schwierigen und langwierigen Regierungsbildung betroffen sei. Antwort grob zusammengefasst: Eigentlich gar nicht. Man macht einfach. Ohnehin und auch so.

Eigentlich hoffnungsvolle, positiv zu wertende Pro-Europäer wie etwa die Oppositionsbewegung "Momentum" in Ungarn oder auch die ungarische Pulse-Of-Europe-Filiale positionieren sich sehr stark an der negativen Projektionsfläche "Russland". Europa soll das Vehikel für eine Art Russifizierungsschutz sein. Und der verdeckte Pro-Putin-Kurs Orbáns ist Schreckgespenst Nummer Eins. Auch wenn sie mit der Kritik an der Russland-Politik Orbáns ja recht haben: Es ist kulturalistisch gedacht. Und identitär (wenn auch eine Ebene höher als die der Nation). Genauso wie eine Europa-Vision als kulturalistische Abgrenzung gegen ein Trump-Amerika.

Währenddessen läuft die wirtschaftliche Zusammenarbeit von großen Unternehmen wie Audi, Daimler etc. mit Ländern wie Ungarn wie geschmiert. Ein großes Unternehmen wie Daimler hat eigene Abteilungen für Auswärtige Beziehungen. Deren Chef Eckart von Klaeden ist definitiv Orbán-Freund. Von einer "Symbiose von Premium und Premier" war in einem Artikel die Rede. Und die ZEIT titelt: "Distanziert euch von den Autokraten" (http://www.zeit.de/2017/39/audi-daimler ... autokraten) mit Adresse an solche Unternehmen. Das klingt vor allem eins: Hilflos. Audi oder Daimler sind keine deutschen Betriebe mehr sondern international agierende Unternehmen. Man kann nicht an deren Verantwortung im Rahmen einer nationalen Politik appellieren. Zumal aktuell, wo alle Wirtschaftstrenddaten in Europa wieder nach oben weisen.

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Etwas ketzerisch zusammengefasst könnte man auch sagen: Diese ganzen Kultur-Nation-Volk-Rückzugs-Debatten sind sinnlose Scheingefechte in den maroden Nebengebäuden, weil im sanierten Hauptgebäude wie immer längst entschieden wurde, wo es langgeht. Eigentlich etwas, was mich eher ein klein wenig hoffnungsvoller stimmt. Mal abgesehen von der weltweiten Niedriglöhnerei, die ja ein schlimmes Nebenprodukt der immer weiter fortschreitenden Internationalisierung der Wirtschaft ist. Die gilt es schon weiterhin kritisch zu betrachten.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Indem mehr von den Gewinnen aus dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung bei den EU-Bürgern ankommt. Das muss nicht in Form von Geld sein, aber in Form von guter Infrastruktur und ordentlich bezahlten Jobs.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 17:36)

Und deshalb sollen alle hysterisch herumlaufen und mitteilen, dass für sie im Leben nichts wichtiger sei als die Asylpolitik und die Horrormärchen, dass irgendwann die große Flut kommt und uns alle überrollt. Schnarch.
Und wieder nur Starkvokabeln (hysterisch, Horror, Flut). Reine Strohmänner. Daher ist die Diskussion auch sinnlos. Man kann nur festhalten: So wie du das mit mir tust, so versuchen auch Politiker ihre Überzeugungen an den Mann zu bringen. Die gleiche Haltung - und genau deshalb hat Europa Schiffbruch erlitten. Weil eine gute Idee von arroganten Bürokraten, die sich aller Rechenschaftspflicht, aller Begründungen für ihr Wollen ganz hoheitlich entzogen haben, kaputt gemacht wurde. In diesem Sinne: Wünsche wohl zu ruhen auf den Europaträumen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Was ich nicht so ganz verstehe: Die ökonomische, wirtschaftliche Verzahnung in Europa ist doch weit fortgeschritten. Könnte es sein, dass wir über ein Ever Closer Europe in politischer und kultureller Hinsicht in einem Nebengebäude diskutieren, während im Hauptgebäude, nämlich dem der Wirtschaft, längst zur Sache gegangen wird? Neulich hörte ich ein Interview mit einem Wirtschaftsverbandsvertreter zu der Frage, wieweit die deutsche Wirtschaft von der aktuellen schwierigen und langwierigen Regierungsbildung betroffen sei. Antwort grob zusammengefasst: Eigentlich gar nicht. Man macht einfach. Ohnehin und auch so.

Eigentlich hoffnungsvolle, positiv zu wertende Pro-Europäer wie etwa die Oppositionsbewegung "Momentum" in Ungarn oder auch die ungarische Pulse-Of-Europe-Filiale positionieren sich sehr stark an der negativen Projektionsfläche "Russland". Europa soll das Vehikel für eine Art Russifizierungsschutz sein. Und der verdeckte Pro-Putin-Kurs Orbáns ist Schreckgespenst Nummer Eins. Auch wenn sie mit der Kritik an der Russland-Politik Orbáns ja recht haben: Es ist kulturalistisch gedacht. Und identitär (wenn auch eine Ebene höher als die der Nation). Genauso wie eine Europa-Vision als kulturalistische Abgrenzung gegen ein Trump-Amerika.

Währenddessen läuft die wirtschaftliche Zusammenarbeit von großen Unternehmen wie Audi, Daimler etc. mit Ländern wie Ungarn wie geschmiert. Ein großes Unternehmen wie Daimler hat eigene Abteilungen für Auswärtige Beziehungen. Deren Chef Eckart von Klaeden ist definitiv Orbán-Freund. Von einer "Symbiose von Premium und Premier" war in einem Artikel die Rede. Und die ZEIT titelt: "Distanziert euch von den Autokraten" (http://www.zeit.de/2017/39/audi-daimler ... autokraten) mit Adresse an solche Unternehmen. Das klingt vor allem eins: Hilflos. Audi oder Daimler sind keine deutschen Betriebe mehr sondern international agierende Unternehmen. Man kann nicht an deren Verantwortung im Rahmen einer nationalen Politik appellieren. Zumal aktuell, wo alle Wirtschaftstrenddaten in Europa wieder nach oben weisen.

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Mit solchen Vorstellungen sind wir nicht so sehr weit weg von der Adelsherrschaft längst vergangener Zeiten. Da werden Reiche gebildet, die niemand mehr kontrollieren kann, es sei denn, sein Reich ist noch mächtiger. Fragen müssen diese Herrscher niemanden mehr; da zählt nur noch die Schlagkraft ihrer Unternehmungen. Da können böswillige Lumpereien den Glauben an Gerechtigkeit erschüttern... es gibt kein Machtinstrument, diesen Herrschern ihre Grenzen auf zu zeigen. Unsere Staatswesen sind in den Händen gekaufter Politiker, und eine Hand wäscht die andere!

Im Grunde ist es diese erkennbare Entwicklung, die uns Bürger zu stetig sich vertiefender Zusammenarbeit zwingt. Denn ansonsten wird die Herrschaft von nicht von uns gewählten Herrschern mit deren Machtmitteln ausgeübt, und diesen Riesen stehen nur Einzelne gegenüber, die ganz einfach "weg geputzt" werden. Denn sie haben auch den Staatsapparat dort unter Kontrolle, wo er ihnen nützt.

Erfreulich, daß Sie diese übergreifenden Herrschaftssysteme in ihrer Wirkung beschrieben haben. Der noch mächtigere demokratische Staat ist die Gegenwehr des kleinen Mannes. Der setzt solche Leute kraft Gesetzes in den Knast, wenn sie als Betrüger auffallen.

Ich glaube, daß wir aus diesen Gründen die Europäische Föderation brauchen. Dann wird man sehen, wer mächtiger ist: Das gemeinsam gestaltete Gesetz oder jeder Kontrolle entwachsene Herrschaftssysteme der Wirtschaft.

Als kleines Beispiel: Die EU hat es geschafft, diesen Riesen doch einigen Respekt ab zu nötigen, indem sie sie mit deftigen Strafen und angedrohtem Verkehrsverbot in ihre Schranken verwies. Mir ist durch Ihren Beitrag klar geworden, daß auch die von Ihnen genannten Unternehmen und ihre Führer dieser gesetzlichen Kontrolle unterliegen müssen. Davor bewahrt sie offenbar der bekannte Filz im Klein-Klein.
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Tom Bombadil
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Tom Bombadil »

Eine weitere Herausforderung für Europa:
Ein Jahr nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt stößt "ZDFzoom" auf erschreckende Erkenntnisse. Die Zahl der Attacken hat deutlich zugenommen, die islamistische Szene in Europa wächst weiter und verändert ihre Strukturen und Methoden rasant. [..] In ganz Europa werden auch die Verbindungen zwischen Islamisten, krimineller Szene und dem organisierten Verbrechen immer enger. Mancherorts schließen sich junge Islamisten in Gangs zusammen, um ganze Stadtviertel zu kontrollieren, wie beispielsweise im dänischen Kopenhagen. All das entspricht den Strategieschriften des sogenannten IS, insbesondere einem Pamphlet mit dem Titel "Muslim Gangs", das seit 2015 per Internet verbreitet wird.
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoo ... s-100.html

Wie kann Europa den "Muslim Gangs" Herr werden? Mit Milde, Nachsicht und einem auf Wiedereingliederung ausgerichteten Justizapparat?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Dec 2017, 18:42)

Eine weitere Herausforderung für Europa:
Ein Jahr nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt stößt "ZDFzoom" auf erschreckende Erkenntnisse. Die Zahl der Attacken hat deutlich zugenommen, die islamistische Szene in Europa wächst weiter und verändert ihre Strukturen und Methoden rasant. [..] In ganz Europa werden auch die Verbindungen zwischen Islamisten, krimineller Szene und dem organisierten Verbrechen immer enger. Mancherorts schließen sich junge Islamisten in Gangs zusammen, um ganze Stadtviertel zu kontrollieren, wie beispielsweise im dänischen Kopenhagen. All das entspricht den Strategieschriften des sogenannten IS, insbesondere einem Pamphlet mit dem Titel "Muslim Gangs", das seit 2015 per Internet verbreitet wird.
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoo ... s-100.html

Wie kann Europa den "Muslim Gangs" Herr werden? Mit Milde, Nachsicht und einem auf Wiedereingliederung ausgerichteten Justizapparat?
Sie wissen doch: Diese Umtriebe werden mit "der vollen Härte des Rechtsstaats" verfolgt. Dann klappt das auch!
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Dec 2017, 15:00)

Indem mehr von den Gewinnen aus dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung bei den EU-Bürgern ankommt. Das muss nicht in Form von Geld sein, aber in Form von guter Infrastruktur und ordentlich bezahlten Jobs.
Und genau das passiert ja. In Regionen wie dem nordwestungarischen Györ, wo das Unternehmen Audi seinen eigentlichen Hauptproduktions- und auch Entwicklungsstandort hat, haben wir eine europaweit rekordverdächtig niedrige Arbeitslosenzahl. Und das gilt ähnlich für etliche Standorte in Ostmitteleuropa. Und die historische Innenstadt ist in jeder Hinsicht vorzüglichst restauriert. Aber nicht aus EU-Fördermitteln sondern aus den Wirtschaftseinnahmen.

Und nun glaube mal nicht, dass ich solche Entwicklungen gutheiße. Auch wenn sie vielen Menschen zugute kommt. Dass große Unternehmen zunehmend die Fäden in der Hand halten ist keine gute Entwicklung. Das auch als Antwort an H2O auf seinen Beitrag etwas weiter oben.

Gerade heute in den Nachrichten war eine der Topmeldungen die ganze Geschichte rund um die Bespitzelung und Auslieferung an die damalige Militärdiktatur von Mitarbeitern der VW-Filiale in Brasilien. Es war den VW-Chefs völlig klar, dass sie damit ihren eigenen Leuten Folter und Tod bringen. Es war noch nie anders. Die Russland-Filiale der Deutschen Bank war im Prinzip eine maffiöse Geldwäsche-Bande. Und nun muss man sich vorstellen, in welchem Maße das Selbstbild vieler Deutscher ganz entscheidend von solchen Markenbezeichnungen wie "Audi" oder "Deutsche Bank" geprägt ist. Was sie da eigentlich im Kopf herumtragen.

Die Welt ist einfach kompliziert (haha) geworden. Das Entscheidende bei Ulrike Guérot, von der in diesem Strang bereits die Rede war, ist nicht so sehr dieses One-Man-One-Vote-Konzept sondern dass sie ihre Visionen von einer Republik Europa selbst als "Utopie" bezeichnet. Sie glaubt nicht mehr an eine reguläre Entwicklung hin zu einem geeinten Europa mit den klassischen politischen Institutionen und Parteien. Und an eine von größeren Teilen der Bevölkerung getragene Gegenbewegung glaubt sie auch nicht mehr. (Siehe das Beispiel Audi/Györ). Die Utopie "Republik Europa" ist einfach ihr persönliches Gegen-Statement. Und da ist sie wirklich nicht die einzige. Gerade unlängst las ich einen Beitrag des in Budapest lebenden deutschen Publizisten Wilhelm Droste. Genau die gleiche Richtung: Er glaubt (inzwischen!) weder an einen Einigungswillen politischer Parteien noch an eine Abkehr von den kulturessenzialistischen Nationalismen der Mehrheit der Bevölkerungen. Wohlgemerkt in ganz Europa, nicht nur im Osten. Wenn überhaupt setzt er auf das Wirken von Einzelpersönlichkeiten. Und da sind wir natürlicherweise bei Emmanuel Macron. Dass er sich einmal vom klassischen Parteiensystem lossagte stimmte optimistisch. Ganz aktuell sind gerade 100 Mitglieder aus seiner Neugründung "Le Marche" ausgetreten. Vorwurf: Autokratische Strukturen. Fehlende Demokratie. Das alte Spiel von Neuem? Ich weiß nicht ...
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 17:49)

Und wieder nur Starkvokabeln (hysterisch, Horror, Flut). Reine Strohmänner. Daher ist die Diskussion auch sinnlos. Man kann nur festhalten: So wie du das mit mir tust, so versuchen auch Politiker ihre Überzeugungen an den Mann zu bringen. Die gleiche Haltung - und genau deshalb hat Europa Schiffbruch erlitten. Weil eine gute Idee von arroganten Bürokraten, die sich aller Rechenschaftspflicht, aller Begründungen für ihr Wollen ganz hoheitlich entzogen haben, kaputt gemacht wurde. In diesem Sinne: Wünsche wohl zu ruhen auf den Europaträumen.
Dass die Politik zunehmend zum "Geschäft" wurde ... daran hatten nicht nur einige "Bürokraten" einen Anteil. In den 90er Jahren, dem Arschgeweih-Jahrzehnt war diese Zockermentalität absolut populär. Vor allem die zweite Hälfte. Sie endeten mit den Kabinetten I und II des hämisch lachenden Gerhard Schröder.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Dec 2017, 07:53)
Das Entscheidende bei Ulrike Guérot, von der in diesem Strang bereits die Rede war, ist nicht so sehr dieses One-Man-One-Vote-Konzept sondern dass sie ihre Visionen von einer Republik Europa selbst als "Utopie" bezeichnet.
Andererseits hat sie konkrete Vorstellungen und Zeiträume, die etwas lockerer sind als bspw. die Forderung, bis 2025 die VSE auszurufen. ;) Für eine gute Analyse würde ich persönlich aber eher Ivan Krastevs "After Europe" (dt. "Europadämmerung") empfehlen. Guérot verstrickt sich gerne in Widersprüche und versucht vom Kleinen aufs Ganze zu schließen (sinngemäß "es gibt eine beispielhafte Facebook-Gruppe, in der ...") statt das große Ganze zu untersuchen, um zu verstehen, warum das Kleine auftritt.
Labskaus!

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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schelm »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 17:53)

Naja, jemand wirft hier nachweisliche Falschbehauptungen am laufenden Band rein
, aber wenn man sie widerlegt, will man nichts davon wissen und springt zum nächsten Thema. Das wirkt alles sehr vorgeschoben und die Aversion wohl eher ein Bauchgefühl zu sein. Damit kann man gewiss eher schlecht diskutieren, wenn man es nicht artikulieren kann. Dir auch angenehme Träume von den vermeintlich wichtigsten Themen und den ominösen Entwicklungen in "Afrika". Mein kleiner Ratschlag: sich nicht so wichtig nehmen. Mich interessieren auch Themenfelder, die bspw. bei den jüngsten Bundestagswahlen nahezu unbedeutend waren. Muss man mit leben und nicht anmaßend über ein ganzes Land oder einen Kontinenten und seine Einwohner urteilen.
Ja, bspw. jene, es gäbe keine Masseneinwanderung über das Asylrecht, sondern nur temporären Schutz. Prognosen über die demografische Entwicklung die sich daraus ergeben, werden als " Horrormärchen " diskreditiert.


Hinweis an den User mit dringender Bitte, diesen zu beachten:

In diesem Strang ist dein Thema "Masseneinwanderung" fachlich falsch verortet und damit Spam - Es gibt in diesem Forum genügen Stränge in denen Du ausführlich Deine Ängste und Befürchtungen darstellen kannst, aber eben nicht hier.
Weitere Zuwiderhandlungen werden mit Sanktionen belegt.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Dec 2017, 09:30)

Dass die Politik zunehmend zum "Geschäft" wurde ... daran hatten nicht nur einige "Bürokraten" einen Anteil. In den 90er Jahren, dem Arschgeweih-Jahrzehnt war diese Zockermentalität absolut populär. Vor allem die zweite Hälfte. Sie endeten mit den Kabinetten I und II des hämisch lachenden Gerhard Schröder.
Ich glaube insgesamt kann man es nicht nur an irgendwelchen Namen festmachen. Als in Frankreich die europäische Verfassung abgelehnt wurde, hätte man sich neu aufstellen müssen. Was seitdem geschah, ist purer Trotz, pures Wursteln. Und im Augenblick befindet sich Europa sowieso in Geiselhaft der deutschen Koalitionsverhandlungen.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von pikant »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Dec 2017, 12:32)

Ich glaube insgesamt kann man es nicht nur an irgendwelchen Namen festmachen. Als in Frankreich die europäische Verfassung abgelehnt wurde, hätte man sich neu aufstellen müssen. Was seitdem geschah, ist purer Trotz, pures Wursteln. Und im Augenblick befindet sich Europa sowieso in Geiselhaft der deutschen Koalitionsverhandlungen.
zu Ihrer Info:
In Deutschland gibt es noch keine Koalitionsverhandlungen und die geschaeftsfuehrende Regierung ist in Europa voll handlungsfaehig.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

pikant hat geschrieben:(15 Dec 2017, 12:38)

zu Ihrer Info:
In Deutschland gibt es noch keine Koalitionsverhandlungen
Richtig, noch schlimmer also. Noch nicht einmal das. Und die Fähigkeit, handeln zu können, sagt nichts aus über die Bereitschaft, angesichts der koalitionären Unsicherheiten auch handeln zu wollen. Und ich glaube das ist unstrittig, dass die gegenwärtige Regierung vor Abschluss von Koalitionsverhandlungen (egal, ob die dann scheitern oder erfolgreich sind) keine weitreichenden Grundsatzentscheidungen trifft.

In der aktuellen ZEIT ist ein hübsches Schulz-Artikelchen zum Thema Europa:

http://www.zeit.de/2017/52/europa-zukun ... tin-schulz
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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