Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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Orbiter1
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

unity in diversity hat geschrieben:(13 Jul 2018, 21:18)

In Osteuropa und Südeuropa überlegt man gerade, von wem man Streicheleinheiten entgegennehmen sollte.
Von Trump oder China:
https://www.handelsblatt.com/politik/in ... rbIWSL-ap2
Egal wer gewinnt, Verlierer ist die EU.
Das Gegenteil ist der Fall. Damit wird die EU hoffentlich die korrupten, nach Autokratie strebenden Staaten in Osteuropa und auf dem Balkan los, die mit den Werten der EU sowieso nichts anfangen können. An den Grenzen zur verbleibenden EU dann Einzelkontrolle und Einreise nur per Visum.
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unity in diversity
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von unity in diversity »

Orbiter1 hat geschrieben:(13 Jul 2018, 21:27)

Das Gegenteil ist der Fall. Damit wird die EU hoffentlich die korrupten, nach Autokratie strebenden Staaten in Osteuropa und auf dem Balkan los, die mit den Werten der EU sowieso nichts anfangen können. An den Grenzen zur verbleibenden EU dann Einzelkontrolle und Einreise nur per Visum.
Manchmal bietet China eine Standortpolitik, die nicht gerade als sauber gilt:
https://www.wiwo.de/politik/europa/161- ... 67616.html
Wenn Brüssel das durchgehen läßt, lege ich das als Schwäche aus.
Man sollte die europäischen Filterbauer mobilisieren, wenn man den Dreck schon nicht verhindert.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(13 Jul 2018, 21:27)

Das Gegenteil ist der Fall. Damit wird die EU hoffentlich die korrupten, nach Autokratie strebenden Staaten in Osteuropa und auf dem Balkan los, die mit den Werten der EU sowieso nichts anfangen können. An den Grenzen zur verbleibenden EU dann Einzelkontrolle und Einreise nur per Visum.
In der EU hat man seit dem Erscheinen des Weißbuchs der EU-Kommission im März 2017 überhaupt nichts mehr getan, um den Niedergang der EU zu beenden. Die Gemeinschaft duldet also alle vom europäischen Projekt wegführenden Entwicklungen weiterhin und überlegt noch obendrein, die Zahl der Abweichler zu vergrößern durch "Beitrittsperspektiven", ohne dazu klare Voraussetzungen zu benennen, und zwar unüberhörbar. Gerade einmal im Fall Türkei hat man sich dazu durchgerungen, deren Selbstherrlichkeit erst einmal und vorläufig zum Anlaß zu nehmen, von der seit 60 Jahren genährten "Beitrittsperspektive" Abstand zu nehmen. Wobei mir noch nicht einmal klar ist, ob diese Nachricht der Türkei auch wirklich auf offiziellen Kanälen zugeleitet wurde!

Was gute Regierungsführung betrifft, so wäre eine enge Zusammenarbeit mit Botswana, Ruanda und Namibia sinnvoller als mit den Korruptokratien des Balkans. Der Korruptionsindex der NGO Transparency International kann unmittelbar zur Bewertung einer guten Regierungsführung genutzt werden. Ein ziemlich ernüchternder Befund!

Genau genommen hat die EU entschieden, ihre Fehlentwicklung fort zu setzen. Da entsteht keine Wertegemeinschaft, sondern ein Bündnis sehr unterschiedlicher Staaten, das im wesentlichen den wirtschaftlichen Vorteil durch einen größeren Markt sucht. Das ist ja auch nichts Schlechtes, aber eben keine Wertegemeinschaft mehr. Dementsprechend sollten aber sämtliche Vorleistungen der alten EU auf das politische Zusammenwachsen der EU abgesetzt werden, oder sie sich auf jene Länder beschränken, die weiterhin das europäische Projekt anstreben.

Das Konzept des französischen Präsidenten Macron, über den Ausbau der Euro-Zone das europäische Projekt zu retten, wird von Deutschland nicht mitgestaltet, sondern abgebremst. Denn in der Euro-Gruppe haben sich Teilnehmer festgesetzt, die ebenfalls das Thema Korruption nicht in den Griff bekommen (Griechenland, Italien) und die staatliche Strukturen zur Geldwäsche der italienischen Mafia aufgebaut haben (Slowakei). Mitgestalten heißt doch wohl, die Fehlentwicklungen ansprechen und sie systematisch ab zu stellen. Das Konzept Macrons: "Eurogruppe gut, andere nicht so gut" enthält leider diesen Mangel, dürfte also auch recht bald nach frohem Beginnen stranden.
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Re: Europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik

Beitrag von Senexx »

Warum die EU nur ein Papiertiger ist

Zwischen den Großmächten USA, Russland und China droht die EU zerrieben zu werden. Früher war alles so einfach. Die USA hat die Westeuropäer vor der Sowjetunion beschützt, die Kosten getragen, während die Europäer sich teure Wohlfahrtsstaaten geleistet haben. Nach dem Zerfall der SU haben friedensbesoffene Gehirne von "Friedensdividende" gefaselt und geglaubt, nun sei alles Friede, Freude, Eierkuchen.

Die EU fährt weiterhin auf Sicht, langfristiges Denken Null, man steckt den Kopf in den Sand, wurstelt von Vorsitz zu Vorsitz. Eine Vorstellung von Weiterentwicklung hat man nicht, Brüssel reißt immer mehr Macht an sich, ohne Rücksicht auf Verluste und zerstört das Vertrauen der Mitglieder in die EU. Sie fragen sich, ob ihnen die EU noch genügend Vorteile biete, welche die Nachteile aufwiege. An den Schalthebel sitzen Menschen mit einer Froschperspektive wie Junker, der den politischen Horizont eines Moselländers besitzt, der gerade mal von Trier bis Esch-sur-Alzette reicht. In Deutschland herrscht eine Angela Merkel, Tochter eines in die DDR geflüchteten protestantischen Pfarrers, beheimatet im pommerschen Hinterwald, aufgewachsen, politisch gebildet in der Abgeschottetheit der DDR, ohne Bezug zu Europa und ohne kulturelles Verständnis für die Befindlichkeiten anderer Kulturen. Die zuhause eine Politik fährt, welche die Axt an die Zukunftsfähigkeit des eigenen Landes legt (Atomausstieg, Investitionsverzicht, Massenimigration, Euro-Rettung).

Und zu guter Letzt taucht ein Macron auf. Ein ENA-Zögling, vollgepumpt mit Selbstüberschätzung, mit Sendungsbewusstsein ausgestattet, und knallharter Verfolger französischer Machtpolitik aus Vorkriegsgeist, der die alte Führungsrolle Frankreichs wieder herstellen möchte und Deutschland als willfährige Melkkuh betrachtet. Er stebt nach einer Neuauflage der alten EWG und will die EU, wie wir sie kennen, sprengen.

UK, welches immer eine Gegengewicht gegen den Brüsseler Zentralismus gebildet hat und den Freihandel gefördert hat, scheidet leider aus. Die Schuld liegt bei den Brüsseler Zentralisten, die es nicht verstanden haben die Milliarden einzusetzen, eine vernünftiges ausgewogenes Konzept zu entwickeln und die Zustimmung der Bürger zu gewinnen. Europaweit sinkt die Zustimmung zur EU, sie strebt ehr und mehr auseinander. Verschrotter wie Macron reiben sich die Hände und gießen Öl ins Feuer.

Die USA unter Trump setzen auf eine Politik der eigenen Stärke, "America First", und betrachtet die Welt als eine Verhandlungsrunde, in der es darum geht, gute Deals zu erzielen. Aus Sicht der USA ist das verständlich, das Hemd sitzt nun mal näher als der Rock. Die dämlichen Europäer tun so, als sei das Trump, und geben sich der Illusion hin, als würde sich das ändern, wenn nur ein anderer gewählt würde. Die Entfremdung zwischen den USA und Europa könnte aber von Dauer sein. Die Schuld tragen die Europäer, die lange darauf gesetzt haben, dass die Amis ihre Politik des Beschützer treudoof auf ewig weiter spielen und sie sich und ihre Haushalte ducken können. Trump hat begrüßenswerterweise mit dieser "Exploitation of the great by the small"-Schluss gemacht und die Karten neu gemischt. Noch ist nicht aller Tage Abend, aber vielleicht setzten sich in Europa doch noch Kräfte durch, die erkennen, dass Europa mehr Verantwortung übernehmen muss und kann.

Russland hat unter Putin zu altem zaristischen Denken zurückgefunden, zur alten Politik der Sowjetunion, und mischt überall, vor allem auch in Europa kräftig mit, und agiert nach dem Motto teile und herrsche. Es ist kalkuliert aggressiv, versucht die tumben Europäer von seinen Rohstoffen abhängig und willfährig zu machen. Mit Gas-Gerd hat es sich sogar einen ehemaligen Bundeskanzler als Chefagenten geholt. Er und seine Kumpane von den Grünen habe einst die Abhängigkeit Deutschlands vom Russengas mit ihrem Einstieg in den Atom- und Kohle-Ausstieg so richtig in Gang gesetzt. Und diese olitik lässt er sich nun fürstlich honorieren. Putin strebt nach einem Pas-de-deux mit Trump. Könnte ihm sogar gelingen.

China strebt nach Weltmacht, kolonisiert Afrika mit dem Scheckbuch und sichert sich dessen Rohstoff - ausgenommen seine Menschen, sieht händereibend zu, wie sie nach Europa immigrieren und Europa schwächen. Es schüchtert seine asiatischen Nachbarn ein, baut Militärbasen in Afrika und wird bald auch versuchen, nach Europa auszugreifen. In Europa, speziell in Deutschland, kauf es die Diamanten der Wirtschaft auf.Dann bedarf es keiner Kanonenboot, sondern es kann sich subtilerer Mittel bedienen. Bald dürfte es auch im Internet seine Muskeln spielen lassen.

Afrika wird auf absehbare Zeit keine Weltmacht werden, aber hat "Weltmacht", in dem es mit der dort tickenden Bevölkerungszeitbombe Europa bedroht. Die Europäer haben kein Konzept, realisieren das Problem noch nicht einmal. Illusionisten schwätzen von Humanität und Asylgrundrecht und wollen Millionen illegale Immigranten ins Land lassen, mit der Begründung, wird bräuchten Arbeitskräfte.

Wenn Europa überleben will, muss es sich diesen Herausforderung stellen, sie zuerst wahrnehmen und politische Konzepte entwickeln.

Dazu mehr in einem weiteren Beitrag in den nächsten Tagen.
Zuletzt geändert von Senexx am Sa 14. Jul 2018, 11:17, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Brainiac »

watisdatdenn? hat geschrieben:(19 Jul 2018, 22:29)

Das ist die Schweiz auch. Trotzdem geht es den Schweizern gut.
Bei Norwegen ist das auch so.

Ich bin von der Einstellung eigentlich klar pro europäisch, weil sich dadurch Synergien zum Wohle aller Europäer heben lassen.

Wenn die EU aber weiter durch volksferne Kommissare in Handlungen getrieben wird, die für die Europäer schädlicher sind als die positiven Synergieeffekte, dann hat die EU ihren elementaren Zweck (Nutzen für die europäische Bevölkerung bringen) verloren!

Dann sollte man zurück auf Los (Freihandel in der EU) und die EU politisch komplett neu aufbauen. Und diesmal von Anfang an (!) konsequent demokratisch (!), ohne solche undemokratischen "elitären" Perversitäten wie die EU-Kommission!
Definier doch mal, was du unter "volksfern" verstehst und woran du das im Falle der EU-Kommission festmachst, beispielsweise in Abgrenzung zur "Volksnähe" der deutschen, französischen, italienischen oder auch ungarischen Regierung. Müsstest du können, ist ja sicher nicht nur so eine inhaltsleere Dummfloskel von dir. :|
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Brainiac hat geschrieben:(19 Jul 2018, 22:35)
Definier doch mal, was du unter "volksfern" verstehst und woran du das im Falle der EU-Kommission festmachst, beispielsweise in Abgrenzung zur "Volksnähe" der deutschen, französischen, italienischen oder auch ungarischen Regierung. Müsstest du können, ist ja sicher nicht nur so eine inhaltsleere Dummfloskel von dir. :|
Danke erst mal für das querverlinken.

Der EU Kommissionspräsident und EU Kommissare werden durch den Rat der EU vorgeschlagen und nicht durch die direkten Vertreter der europäischen Völker: Die EU Parlamentarier.

Das verstehe ich unter volksfern. Am volksnächsten wäre es natürlich wenn er direkt durch das europäische Volk gewählt würde.

Mir stößt auch das alleinige Initiativrecht der Kommission sauer auf!
Im Bundestag kann jede Fraktion einen Gesetzesentwurf einbringen. Im EU Parlament kann es keine Fraktion. Nur die Kommission kann EU-Gesetze zur Abstimmung bringen (und lässt diese in der Praxis oft durch einflussreiche Lobbyisten vorbereiten). Ich meine: WTF?!
Demokratisch ist was anderes..

Also: Im Kern der europäischen Gesetzgebung (Gesetzesvorschläge) sitzt eine Institution, die nicht durch die europäischen Bürger gewählt wurde und noch nicht mal durch deren direkte Vertreter (EU Parlamentarier) ausgewählt wurde.
Das ist in den meisten nationalen Parlamenten deutlich demokratischer geregelt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

watisdatdenn? hat geschrieben:(19 Jul 2018, 23:19)

Danke erst mal für das querverlinken.

Der EU Kommissionspräsident und EU Kommissare werden durch den Rat der EU vorgeschlagen und nicht durch die direkten Vertreter der europäischen Völker: Die EU Parlamentarier.

Das verstehe ich unter volksfern. Am volksnächsten wäre es natürlich wenn er direkt durch das europäische Volk gewählt würde.

Mir stößt auch das alleinige Initiativrecht der Kommission sauer auf!
Im Bundestag kann jede Fraktion einen Gesetzesentwurf einbringen. Im EU Parlament kann es keine Fraktion. Nur die Kommission kann EU-Gesetze zur Abstimmung bringen (und lässt diese in der Praxis oft durch einflussreiche Lobbyisten vorbereiten). Ich meine: WTF?!
Demokratisch ist was anderes..

Also: Im Kern der europäischen Gesetzgebung (Gesetzesvorschläge) sitzt eine Institution, die nicht durch die europäischen Bürger gewählt wurde und noch nicht mal durch deren direkte Vertreter (EU Parlamentarier) ausgewählt wurde.
Das ist in den meisten nationalen Parlamenten deutlich demokratischer geregelt.
Sie verbreiten hier erneut einen Irrtum! Das alleinige Initiativrecht in der EU liegt beim EU-Ministerrat, also der Versammlung der Regierungschefs der EU-Länder oder deren Stellvertreter. Das sind durchweg mit demokratischer Legitimation ihrer Parlamente entscheidende Leute. Der Präsident des EU-Ministerrats ist der Geschäftsführer des Ministerrats in Angelegenheiten der Organisation anstehender Arbeiten.

In kleinerem Umfang hat sich das EU-Parlament ein Initiativrecht ertrotzt... wenigstens in eigener Angelegenheit.

Die EU-Kommission ist die nachgelagerte Behörde des EU-Ministerrats. Sie arbeitet die Gesetzesvorschläge des Ministerrats in dessen Auftrag aus. Die EU-Kommission ist die Rechtsabteilung und die Verwaltungsbehörde des EU-Ministerrats... mehr nicht. Sie bestimmt auch gar nichts, prüft aber die Vertragstreue der Mitglieder, was die EU-Verträge betrifft. Sie reicht Klage ein beim EuGH, wenn da etwas mutwillig aus dem Ruder läuft.

Der Ministerrat ernennt die Kommissionsmitglieder, das EU-Parlament hatte sich das Recht ertrotzt, den EU-Präsidenten zu ernennen und damit ein Gleichgewicht zwischen EU-Parlamentspräsident und EU-Kommissionspräsident her zu stellen. Das EU-Parlament kann die vom Ministerrat vorgeschlagene EU-Kommission ablehnen. Das Recht auf Ablehnung der vorgeschlagenen Kommission verleiht ihm einige Macht im Verhältnis zum Ministerrat... aber wichtige Gesetze darf das EU-Parlament zwar engagiert diskutieren, aber niemals erlassen. Das ist das alleinige Recht des EU-Minsterrats.

Das sind die wahren Machtverhältnisse in der EU-Führung. Bitte nicht immer wieder der EU-Kommission etwas vorhalten, wofür sie überhaupt keine Verantwortung übernehmen darf. Das wäre in etwa so, als ob Sie den Polizeichef für die Innenpolitik eines demokratischen Landes verantwortlich machten. Die wahre politische Macht in der EU geht vom EU-Ministerrat aus.

Natürlich wäre es sinnvoll, die politische Macht allmählich auf das EU-Parlament zu übertragen. Aber noch überwiegen die nationalen Interessen der Mitglieder, und die wollen weiter das Sagen haben, eben im EU-Ministerrat. So ganz undemokratisch ist diese Konstruktion aber auch nicht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 00:50)

Sie verbreiten hier erneut einen Irrtum! Das alleinige Initiativrecht in der EU liegt beim EU-Ministerrat, also der Versammlung der Regierungschefs der EU-Länder oder deren Stellvertreter.

..

Die EU-Kommission ist die nachgelagerte Behörde des EU-Ministerrats. Sie arbeitet die Gesetzesvorschläge des Ministerrats in dessen Auftrag aus. Die EU-Kommission ist die Rechtsabteilung und die Verwaltungsbehörde des EU-Ministerrats... mehr nicht. Sie bestimmt auch gar nichts, prüft aber die Vertragstreue der Mitglieder, was die EU-Verträge betrifft. Sie reicht Klage ein beim EuGH, wenn da etwas mutwillig aus dem Ruder läuft.
Ihre Behauptungen sind falsch
Die Europäische Kommission ist die politisch unabhängige Exekutive der EU. Sie ist allein zuständig für die Erarbeitung von Vorschlägen für neue europäische Rechtsvorschriften
Siehe die Webseiten der Kommission.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 01:00)

Ihre Behauptungen sind falsch



Siehe die Webseiten der Kommission.
Dann steht da Unsinn; die Kommission handelt im Auftrag... daher der Name Kommission. Sie darf keine Gesetze erlassen... sie muß sie ausarbeiten im Auftrag des EU Ministerrats. Da finden die entscheidenden Abstimmungen statt. Wie jede Behörde hat die Kommission nach Maßgabe von bestehenden Gesetzen zu handeln. Wo es politisch entlang geht, das bestimmt die Versammlung der Merkels, Macrons... und wie sie alle heißen, nach dem Grundsatz der qualifizierten Mehrheit... mit wenigen Ausnahmen, in denen ein Veto zugelassen ist. Fragen Sie mich bitte nicht, wo in der EU noch das Veto gilt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 01:10)

Dann steht da Unsinn;
Ok. Die Kommission verbreitet Unsinn. Wie gut, dass Sie das korrigieren...
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 01:14)

Ok. Die Kommission verbreitet Unsinn. Wie gut, dass Sie das korrigieren...
Ihre Interpretation ist daneben; ich habe mir den Satz genauer angesehen. Der Satz ist in Ordnung, sagt aber nicht das aus, was Sie daraus lesen. Da stimmt meine Ausführung uneingeschränkt, auch mit den zitierten Satz.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 01:20)

Ihre Interpretation ist daneben; ich habe mir den Satz genauer angesehen. Der Satz ist in Ordnung, sagt aber nicht das aus, was Sie daraus lesen. Da stimmt meine Ausführung uneingeschränkt, auch mit den zitierten Satz.
Wie ich schon sagte: Gut, dass wir Sie als Erklärer haben...
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 01:34)

Wie ich schon sagte: Gut, dass wir Sie als Erklärer haben...
Wenn Sie das endlich einmal einsehen!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 00:50)
Das alleinige Initiativrecht in der EU liegt beim EU-Ministerrat, also der Versammlung der Regierungschefs der EU-Länder oder deren Stellvertreter.
Bei Wikipedia steht zur EU Kommission:
Insbesondere besitzt sie im Bereich der Legislative der EU das alleinige Initiativrecht, das heißt, nur sie kann den formalen Vorschlag zu einem EU-Rechtsakt machen und diesen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament unterbreiten.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Europ%C ... Kommission

Was richtig ist:
Sowohl der europäische Rat, als auch das europäische Parlament, als auch die EU Bürger über eine Bürgerinitiative können der EU Kommission Gesetzesvorschläge unterbreiten.
Aber! Die EU Kommission ist an diese Vorschläge nicht gebunden!
Sie kann da einfach sagen: "Nö machen wir nicht"
Und schon schauen sowohl EU Bürger, EU Parlament und europäischer Rat dumm aus der Wäsche..

Es gibt keine Möglichkeit der Gesetzgebung an der Kommission vorbei. Das ist mein zentraler Kritikpunkt!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Brainiac »

watisdatdenn? hat geschrieben:(19 Jul 2018, 23:19)

Danke erst mal für das querverlinken.

Der EU Kommissionspräsident und EU Kommissare werden durch den Rat der EU vorgeschlagen und nicht durch die direkten Vertreter der europäischen Völker: Die EU Parlamentarier.

Das verstehe ich unter volksfern. Am volksnächsten wäre es natürlich wenn er direkt durch das europäische Volk gewählt würde.

Mir stößt auch das alleinige Initiativrecht der Kommission sauer auf!
Im Bundestag kann jede Fraktion einen Gesetzesentwurf einbringen. Im EU Parlament kann es keine Fraktion. Nur die Kommission kann EU-Gesetze zur Abstimmung bringen (und lässt diese in der Praxis oft durch einflussreiche Lobbyisten vorbereiten). Ich meine: WTF?!
Demokratisch ist was anderes..

Also: Im Kern der europäischen Gesetzgebung (Gesetzesvorschläge) sitzt eine Institution, die nicht durch die europäischen Bürger gewählt wurde und noch nicht mal durch deren direkte Vertreter (EU Parlamentarier) ausgewählt wurde.
Das ist in den meisten nationalen Parlamenten deutlich demokratischer geregelt.
Dann verstehe ich dich recht, dass du für echte europaweite Listen / Parteien und Wahlkämpfe eintrittst, die dann ein EU-Parlament wählen, aus dem dann wiederum eine echte, solcherart vom europäischen Volk gewählte EU-Regierung resultiert? Mit allen aktiven legislativen Befugnissen beim EU-Parlament analog zum deutschen Bundestag für Deutschland?

Die formellen und rechtlichen Details und wie realistisch das ist, mal aussen vor, da würdest du bei mir jedenfalls offene Türen einrennen. Dass das nicht so ist, kannst du aber kaum der EU vorwerfen. Es sind die Nationalstaaten und deren Staatsvertreter, die sich davor fürchten und es nicht wollen. Denn die haben derzeit das Sagen in der EU, siehe H2O.

Doch halt, ich vergaß. Die EU ist ja an allem schuld. :rolleyes:
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 07:07)

Bei Wikipedia steht zur EU Kommission:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Europ%C ... Kommission

Was richtig ist:
Sowohl der europäische Rat, als auch das europäische Parlament, als auch die EU Bürger über eine Bürgerinitiative können der EU Kommission Gesetzesvorschläge unterbreiten.
Aber! Die EU Kommission ist an diese Vorschläge nicht gebunden!
Sie kann da einfach sagen: "Nö machen wir nicht"
Und schon schauen sowohl EU Bürger, EU Parlament und europäischer Rat dumm aus der Wäsche..

Es gibt keine Möglichkeit der Gesetzgebung an der Kommission vorbei. Das ist mein zentraler Kritikpunkt!
Bei uns haben Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung ein Initiativrecht.

Analog wäre es denkbar, neben der Kommission ("Bundesregierung") auch der EU-Parlament und dem Ministerrat ("Bundesrat") ein Initiativrecht zu geben.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Europa2050 »

Brainiac hat geschrieben:(20 Jul 2018, 07:52)

Dann verstehe ich dich recht, dass du für echte europaweite Listen / Parteien und Wahlkämpfe eintrittst, die dann ein EU-Parlament wählen, aus dem dann wiederum eine echte, solcherart vom europäischen Volk gewählte EU-Regierung resultiert? Mit allen aktiven legislativen Befugnissen beim EU-Parlament analog zum deutschen Bundestag für Deutschland?

Die formellen und rechtlichen Details und wie realistisch das ist, mal aussen vor, da würdest du bei mir jedenfalls offene Türen einrennen. Dass das nicht so ist, kannst du aber kaum der EU vorwerfen. Es sind die Nationalstaaten und deren Staatsvertreter, die sich davor fürchten und es nicht wollen. Denn die haben derzeit das Sagen in der EU, siehe H2O.

Doch halt, ich vergaß. Die EU ist ja an allem schuld. :rolleyes:
Ja, was Du schreibst, ist das einzig vernünftige.

Unser Problem ist, dass wir uns inzwischen in den meisten Dingen nach außen benehmen wie ein Bundesstaat, aber nach innen keiner sind.

Und erst wenn die Wähler nach politischer Präferenz (Konservativ-Liberal-links-grün-...) wählen und nicht nach Nationalität haben wir die Probleme los.

Wenn dann dieses Parlament z.B. eine Linie in Sachen Flüchtlinge festlegt und ggf. die Gerichte diese für verfassungskonform halten, dann gilt die - in Berlin wie in Budapest. (Auch wenn da etwas rauskommen sollte, das einzelnen Teilen nicht passt).

Aber soweit ist man in Europa noch nicht, bzw. befürchte ich, war man da schon mal weiter.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 07:07)

Bei Wikipedia steht zur EU Kommission:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Europ%C ... Kommission

Was richtig ist:
Sowohl der europäische Rat, als auch das europäische Parlament, als auch die EU Bürger über eine Bürgerinitiative können der EU Kommission Gesetzesvorschläge unterbreiten.
Aber! Die EU Kommission ist an diese Vorschläge nicht gebunden!
Sie kann da einfach sagen: "Nö machen wir nicht"
Und schon schauen sowohl EU Bürger, EU Parlament und europäischer Rat dumm aus der Wäsche..

Es gibt keine Möglichkeit der Gesetzgebung an der Kommission vorbei. Das ist mein zentraler Kritikpunkt!
Nein, den Text deuten Sie nicht richtig: Ganz platt: Die EU-Kommission ist dem EU-Ministerrat nachgeordnet, sagen wir hier einmal als Rechtsabteilung. Sie darf keine Gesetze aus eigener Veranlassung vorschlagen und ausarbeiten. Insofern täuscht Sie der Text: Es ist wahr, daß niemand sonst in der EU diese Gesetze ausarbeiten darf. Das darf nur die Kommission!

Das Vorschlagsrecht liegt nur beim Ministerrat. Der schlägt nach interner Beratung ein Gesetz vor, und die EU-Kommission macht daraus einen rechtlich sauberen Text in den offiziellen Sprachen der EU. Meist werden diese Gesetze ratifiziert, will heißen: Teil des nationalen Rechts nach Beratung im nationalen Parlament. Die EU-Staaten sind sich in dieser Verfahrensweise sehr ähnlich; aber manchmal quietscht das ein wenig, siehe Verteilungsquote für Asylbewerber.

Die EU-Kommission ist auch ein wenig "Regierung" der EU. Mit ihren vielen Kommissaren und Fachleuten ist die Kommission auch ganz ordentlich mit Sachverstand ausgestattet. So lange sie sich im Rahmen der EU-Gesetze bewegt, bekommt sie dabei auch keinen Ärger mit dem EU-Ministerrat. In dem Fall dürfte sich der Präsident des EU-Ministerrats (derzeit Herr Tusk) ganz vertrauensvoll beim EU-Kommissionspräsidenten (derzeit Herr Juncker) melden und ihn um Kurskorrektur bitten. Ungeschützt sage ich hier einmal, daß der Ministerrat die EU-Kommission aus dem Amt schmeißen kann, wenn die etwas anderes tut als der Ministerrat beschlossen hat.

Ansonsten bin ich begeistert: Bitte mehr EU und weniger Nationalstaat. Aber bis dahin ist noch eine ärgerlich lange Wegstrecke zurück zu legen... sie ist zuletzt sogar länger geworden. Das erfüllt mich mit Zorn. Ich würde die Nationalisten von allen Vorzügen der EU abschneiden. Sollen sie doch klagen und -exiten. Da geht nichts verloren, aber viel ist zu gewinnen.
Zuletzt geändert von H2O am Fr 20. Jul 2018, 08:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Europa2050 hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:19)

Ja, was Du schreibst, ist das einzig vernünftige.

Unser Problem ist, dass wir uns inzwischen in den meisten Dingen nach außen benehmen wie ein Bundesstaat, aber nach innen keiner sind.

Und erst wenn die Wähler nach politischer Präferenz (Konservativ-Liberal-links-grün-...) wählen und nicht nach Nationalität haben wir die Probleme los.

Wenn dann dieses Parlament z.B. eine Linie in Sachen Flüchtlinge festlegt und ggf. die Gerichte diese für verfassungskonform halten, dann gilt die - in Berlin wie in Budapest. (Auch wenn da etwas rauskommen sollte, das einzelnen Teilen nicht passt).

Aber soweit ist man in Europa noch nicht, bzw. befürchte ich, war man da schon mal weiter.
Europa-Listen fördern die Entfremdung zwischen EU und Bürgern. Wenn da irgendwelche Abgeordnete aus Randregionen draufstehen, die man nicht kennt, die man nicht verstehen kann, die man nicht einschätzen kann. Eine Pesönlichkeitswahl wie in den USA ohne Landeslisten wäre viel sinnvoller.

Aber die EU setzt ja darauf, die Entfremdung immer weiter zu vergrößern.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Europa2050 »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:26)

Europa-Listen fördern die Entfremdung zwischen EU und Bürgern. Wenn da irgendwelche Abgeordnete aus Randregionen draufstehen, die man nicht kennt, die man nicht verstehen kann, die man nicht einschätzen kann. Eine Pesönlichkeitswahl wie in den USA ohne Landeslisten wäre viel sinnvoller.

Aber die EU setzt ja darauf, die Entfremdung immer weiter zu vergrößern.
Weiß nicht.

Also (nur zum Beispiel) ich würde mich von einem Liberalen aus Portugal besser vertreten fühlen, als von einem Linken aus Berlin.
Vorausgesetzt, der genannte Politiker wäre in erster Linie Liberaler und nicht Portugiese.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Europa2050 hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:29)

Weiß nicht.

Also (nur zum Beispiel) ich würde mich von einem Liberalen aus Portugal besser vertreten fühlen, als von einem Linken aus Berlin.
Vorausgesetzt, der genannte Politiker wäre in erster Linie Liberaler und nicht Portugiese.
Der Liberale aus Portugal weiß im Zweifel noch nicht einmal, wo Ihr Wahkreis liegt und welche Problem der hat. Diese Vorstellung ist Traumtänzerei.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:26)

Europa-Listen fördern die Entfremdung zwischen EU und Bürgern. Wenn da irgendwelche Abgeordnete aus Randregionen draufstehen, die man nicht kennt, die man nicht verstehen kann, die man nicht einschätzen kann. Eine Pesönlichkeitswahl wie in den USA ohne Landeslisten wäre viel sinnvoller.

Aber die EU setzt ja darauf, die Entfremdung immer weiter zu vergrößern.
Das ist auch meine Befürchtung. Man müßte die Parteilisten weiterhin mit nationalen Bewerbern national wählen können, aber die europaweite Partei müßte für ein gemeinsam verabschiedetes Programm stehen, das die nationalen Bewerber dann i ihren Ländern vertreten.

Die Folge davon wird die degressive Stimmenzuordnung je Partnerstaat bleiben: Ein EU-Abgeordneter aus Malta vertritt im Parlament (Spielzahl!) 100.000 Bewohner Maltas, ein deutscher Abgeordneter über 800.000. Dafür gibt es nur wenige Abgeordnete aus Malta., aber immerhin gibt es sie. Bei 1 Wahlberechtigter gleich 1 Stimmgewicht wäre das vermutlich nicht mehr gesichert. Ich meine, wenn das klar erkannt ist, dann kann man mit den unterschiedlichen Stimmengewichten leben.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:35)

Der Liberale aus Portugal weiß im Zweifel noch nicht einmal, wo Ihr Wahkreis liegt und welche Problem der hat. Diese Vorstellung ist Traumtänzerei.
So gerne ich dem Kollegen Europa2050 zustimmen würde... da hat der Kollege Senexx wohl Recht.
Aber wer oder was hindert den Kollegen Europa2050, einen liberalen Bewerber aus Deutschland ins EU-Parlament zu entsenden?

Der Plan des Kollegen Europa2050 könnte sich eines sehr fernen Tages erfüllen, wenn man auf 1 Mann gleich 1 Stimmgewicht mit europaweiten Parteien übergehen könnte. Warum soll dann nicht ein sehr freundlicher Liberaler aus Portugal viel Zustimmung in Deutschland finden. Dann müssen die Wähler aber auch diesen Abgeordneten verstehen, in Finnland, Griechenland und Ungarn so wie in Portugal und Irland... die gemeinsame Umgangssprache fehlt uns Europäern eben. Das bleibt noch für Jahrhunderte unsere Besonderheit, die uns zu besonderen politischen Gemeinschaftslösungen nötigt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Welfenprinz »

Ihre Behauptungen sind falsch
Genauso wie H2O das erklärt,hab ich das mal auf einer Versammlung vom EU -Referenten der LWK Hannover gehört. Also ,der Mann vor Ort hat uns mal so von ganz klein auf für dummies erzählt,wie so ein EU Gesetz ,über das nachher alle schimpfen :D ,überhaupt entsteht.

Initiative Nationalregierungen,Umsetzungen Kommission.
Der hat das Bild eines “schwarzen Brettes“ gebraucht,an dem jeder(Nationalstaat) einen quasi Wunschzettel :p dran pinnt,und dann werden die Zettel (von der Kommission) abgenommen und ausgewertet.
Sterben kann nicht so schlimm sein,sonst würden es nicht so viele tun.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Welfenprinz hat geschrieben:(20 Jul 2018, 09:07)

Genauso wie H2O das erklärt,hab ich das mal auf einer Versammlung vom EU -Referenten der LWK Hannover gehört. Also ,der Mann vor Ort hat uns mal so von ganz klein auf für dummies erzählt,wie so ein EU Gesetz ,über das nachher alle schimpfen :D ,überhaupt entsteht.

Initiative Nationalregierungen,Umsetzungen Kommission.
Der hat das Bild eines “schwarzen Brettes“ gebraucht,an dem jeder(Nationalstaat) einen quasi Wunschzettel :p dran pinnt,und dann werden die Zettel (von der Kommission) abgenommen und ausgewertet.
Vermutlich wird heute der Präsident des Ministerrats, derzeit Herr Tusk, diese Wunschzettel einsammeln und auswerten. Denn ohne gemeinsame Beratung im Ministerrat geht doch kein Wunsch nach einem Gesetz an die Kommission. Herr Tusk wird also zu einer Sitzung des EU-Ministerrats einladen und die Tagesordnung dafür anhand der Wunschzettel zusammenstellen. Danach kann der Ministerrat die Kommission beauftragen, einen Gesetzestext an zu fertigen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:38)
Die Folge davon wird die degressive Stimmenzuordnung je Partnerstaat bleiben: Ein EU-Abgeordneter aus Malta vertritt im Parlament (Spielzahl!) 100.000 Bewohner Maltas, ein deutscher Abgeordneter über 800.000. Dafür gibt es nur wenige Abgeordnete aus Malta., aber immerhin gibt es sie. Bei 1 Wahlberechtigter gleich 1 Stimmgewicht wäre das vermutlich nicht mehr gesichert. Ich meine, wenn das klar erkannt ist, dann kann man mit den unterschiedlichen Stimmengewichten leben.
Man kann damit nur leben, wenn man auf demokratische Prozesse nicht so viel Wert legt. Es ist höchst undemokratisch, wenn die Stimme eines Bürgers zehnmal so viel Gewicht hat wie die eines anderen.

Es wurde ja immer wieder bestritten, dass die EU ein demokratisches Defizit habe. Das unterschiedliche Stimmengewicht ist ein Beispiel dafür.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Brainiac hat geschrieben:(20 Jul 2018, 07:52)
Dann verstehe ich dich recht, dass du für echte europaweite Listen / Parteien und Wahlkämpfe eintrittst, die dann ein EU-Parlament wählen, aus dem dann wiederum eine echte, solcherart vom europäischen Volk gewählte EU-Regierung resultiert? Mit allen aktiven legislativen Befugnissen beim EU-Parlament analog zum deutschen Bundestag für Deutschland?
Genau!

Eine kleine Geschichte dazu:
Ich habe vor etwa einem Jahr mit Engländern gesprochen die für Brexit gestimmt haben.
Neben der Angst Flüchtlinge aufzunehmen und die Nettokosten für UK war auch der Ärger über die undemokratische Struktur der EU (EU Kommission) genau ein Argument, welches sie zu ihrer Wahl veranlasst hat.
Ich konnte das sehr gut nachvollziehen..
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Welfenprinz hat geschrieben:(20 Jul 2018, 09:07)
Initiative Nationalregierungen,Umsetzungen Kommission.
Der hat das Bild eines “schwarzen Brettes“ gebraucht,an dem jeder(Nationalstaat) einen quasi Wunschzettel :p dran pinnt,und dann werden die Zettel (von der Kommission) abgenommen und ausgewertet.
Ich finde das bildliche Beispiel gut.
Ich hab das so verstanden:

Das gute ist: Es darf nicht nur die ein Nationalstaat seine Wunschzettel dran pinnen, sondern auch das EU Parlament und sogar EU Bürger in einer europäischen Bürgerinitiative.
Soweit so gut!

Das Problem ist nun: Die EU Kommission kann mit den Wunschzetteln auf der Pinnwand machen was sie will!
Sie kann sich damit das schmutzige Hinternteil säubern, darüber philosophieren, oder eben darauf basierend einen konkreten Gesetzesvorschlag erarbeiten und zur Abstimmung bringen.

Das Problem für den europäischen Rat, für das Parlament und die europäischen Bürger ist, dass sie nur Wunschzettel schreiben können um ein neues EU Gesetz zu starten, die ebenso verbindlich für die EU Kommission wie echte Wunschzettel sind!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Welfenprinz »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 10:12)



Das Problem ist nun: Die EU Kommission kann mit den Wunschzetteln auf der Pinnwand machen was sie will!
Sie kann sich damit das schmutzige Hinternteil säubern, darüber philosophieren, oder eben darauf basierend einen konkreten Gesetzesvorschlag erarbeiten.

!

Gut,das kann ich nicht beurteilen. Berücksichtigen muss man wohl ,dass am Ende 27 Vorstellungen untergebracht sein wollen.Da mag wohl mancher konstatieren,dass von seinen eigenen Vorstellungen doch gar nix mehr zu erkennen ist.

Eine Schwäche mag weiterhin sein,dass die Kommissionsbesetzung durch die Person(Nation) eine Amtszeit sehr stark richtungsprägt. Ein EU Agrarkommissar(sorry,aber Agrar ist nun mal DAS gemeinsame Politikfeld der EU seit 1963) Fischler aus Österreich (ciolos,Rumänien) setzen tatsächlich ganz andere Akzente und Richtungen als der Holländer Andriesen oder der Ire Hogan. Darunter leiden natürlich langfristig Kontinuität und Verlässlichkeit. Hier könnte ich mir schon en detail eine Verbesserung vorstellen dahingehend,dass Grundsätze formuliert werden,die über der Person(Nation) stehen.

Auch die Kritik an der Rolle des EU-Parlaments finde ich grundsätzlich berechtigt. Es war 1979,ich war stolzer Erstwähler und ich habe(war es im Juni?) das erste EU Parlament mitgewählt. :p

Das ist 40Jahre her. Gut,dass es am Anfang eine reine Statistenveranstaltung war,war irgendwie hinnehmbar. Hauptsache ein Anfang.

Aber inzwischen muss man sagen,dass da in der Entwicklung einer starken Funktion des Parlaments in 40 Jahren durchaus hätte mehr passieren müssen.
Gerade wegen der Erweiterungen auf 27 Staaten. Für deren gemeinsame Willensbildung ist die Konstruktion aus Rat und Kommission nicht mehr so gut geeignet.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Humelix33 »

Die EU Kommission tut nur Dienst nach Vorschrift, von daher wäre eine Reform gleichbedeutend mit dem Ende der Vereinigten Staaten von Europa. Es ist seit dem Lissabonvertrag nunmal vorgesehen, dass die Kommission stetig neue Gesetze prüft und zur Beschlussvorlage vorlegt, die mehr und mehr nationalen Gesetze damit aushebeln werden.

Die Bevölkerung der EU muss entscheiden was sie will, Viele wissen einfach nicht, dass nationale Parlamente irgendwann vollständig unnütz sein werden, und alles in Brüssel entschieden werden soll.

Der Zuspruch, der, trotz sinkender Zahlen, immer noch halbwegs da ist, beruht daher auch bei nicht wenigen Leuten auf das alte EU Bild oder die "alte" EU, vor dem Lissabonvertrag z.B. . Wenn man mit den Menschen darüber spricht, was da wirklich zukommt, ist die Zustimmung an einer Hand abzuzählen.

Das, was jetzt an Kritik und Widerstand zu sehen ist wird in naher Zukunft, als Kindergeburtstag gelten, es wird erst richtig losgehen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Immer wieder der gleiche Irrtum: Die EU-Kommission ist der Befehlsempfänger des EU-Ministerrats, hat also keinerlei Befugnis, ein Gesetz vor zu schlagen, das nicht im EU-Ministerrat besprochen und beauftragt wurde. Auftragnehmer für die vertragsgerechte Formulierung ist die EU-Kommission. Die allermeisten Gesetze werden durch Ratifizierung zu nationalen Gesetzen, schon damit Gerichtsurteile in den Mitgliederstaaten so ungefähr die selben Grundlagen haben.

Ich bin verblüfft, mit wie wenig Kenntnissen dieser Abläufe hier so verärgert über die EU gesprochen wird. Ich gehe davo aus, daß hier noch eine hinsichtlich solcher Kenntnisse besonders gut aufgestellte Teilnehmerschaft versammelt ist. So gesehen verstehe ich auch die Empfänglichkeit vieler Mitbürger für sinnbefreites Geschimpfe auf die EU.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Humelix33 hat geschrieben:(20 Jul 2018, 10:37)

Die EU Kommission tut nur Dienst nach Vorschrift, von daher wäre eine Reform gleichbedeutend mit dem Ende der Vereinigten Staaten von Europa. Es ist seit dem Lissabonvertrag nunmal vorgesehen, dass die Kommission stetig neue Gesetze prüft und zur Beschlussvorlage vorlegt, die mehr und mehr nationalen Gesetze damit aushebeln werden.

Die Bevölkerung der EU muss entscheiden was sie will, Viele wissen einfach nicht, dass nationale Parlamente irgendwann vollständig unnütz sein werden, und alles in Brüssel entschieden werden soll.

Der Zuspruch, der, trotz sinkender Zahlen, immer noch halbwegs da ist, beruht daher auch bei nicht wenigen Leuten auf das alte EU Bild oder die "alte" EU, vor dem Lissabonvertrag z.B. . Wenn man mit den Menschen darüber spricht, was da wirklich zukommt, ist die Zustimmung an einer Hand abzuzählen.

Das, was jetzt an Kritik und Widerstand zu sehen ist wird in naher Zukunft, als Kindergeburtstag gelten, es wird erst richtig losgehen.
Das ist vielleicht in ihrem Paralleluniversum so, im richtigen Universum weiß die EU dass es ein ungefragtes weiter so nicht gibt. Deswegen wurden von der EU-Kommission ja auch 5 zukünftige Szenarien zur Diskussion gestellt und man wird sehen wie sich die Mitgliedsländer entscheiden werden.

1) Weiter wie bisher:
Die Europäische Union konzentriert sich auf die Umsetzung ihrer positiven Reformagenda.

2) Schwerpunkt Binnenmarkt:
Die Europäische Union wird schrittweise wieder auf den Binnenmarkt ausgerichtet.

3) Wer mehr will, tut mehr:
Die Europäische Union ermöglicht es Mitgliedstaaten, die dies wünschen, in bestimmten Bereichen mehr gemeinsam zu machen.

4) Weniger, aber effizienter:
Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Politikbereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen, unternimmt in anderen Bereichen aber weniger.

5) Viel mehr gemeinsames Handeln:
Die Mitgliedstaaten beschließen, auf allen Politikfeldern viel mehr gemeinsam zu machen.

Ich vermute Szenario 3 kommt zur Umsetzung, oder auch der komplette Zerfall der EU. Die Briten haben sich ja bereits für den Ausstieg entschieden und einige Länder sind nur noch auf dem Papier MItglied der EU, mißachten aber die Werte zu denen sie sich verpflichtet haben aufs Gröbste und haben deswegen in der EU auch nichts verloren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 10:51)

Immer wieder der gleiche Irrtum: Die EU-Kommission ist der Befehlsempfänger des EU-Ministerrats, hat also keinerlei Befugnis, ein Gesetz vor zu schlagen, das nicht im EU-Ministerrat besprochen und beauftragt wurde. Auftragnehmer für die vertragsgerechte Formulierung ist die EU-Kommission. Die allermeisten Gesetze werden durch Ratifizierung zu nationalen Gesetzen, schon damit Gerichtsurteile in den Mitgliederstaaten so ungefähr die selben Grundlagen haben.

Ich bin verblüfft, mit wie wenig Kenntnissen dieser Abläufe hier so verärgert über die EU gesprochen wird. Ich gehe davo aus, daß hier noch eine hinsichtlich solcher Kenntnisse besonders gut aufgestellte Teilnehmerschaft versammelt ist. So gesehen verstehe ich auch die Empfänglichkeit vieler Mitbürger für sinnbefreites Geschimpfe auf die EU.
Lesen Sie doch bitte noch einmal über die Befugnisse der Europäischen Kommission nach. Neben exekutiven Funktionen hat die Kommission auch legislative Funktionen. Beispielsweise hat sie allein das Initiativrecht, d.h. nur die Kommission kann europäische Gesetzesvorhaben initiieren. Damit ist sie eine machtvolle, demokratisch nicht legitimierte Behörde.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 11:34)

Lesen Sie doch bitte noch einmal über die Befugnisse der Europäischen Kommission nach. Neben exekutiven Funktionen hat die Kommission auch legislative Funktionen. Beispielsweise hat sie allein das Initiativrecht, d.h. nur die Kommission kann europäische Gesetzesvorhaben initiieren. Damit ist sie eine machtvolle, demokratisch nicht legitimierte Behörde.
Diesen Schwachsinn dürfen Sie gern noch öfter wiederholen. Ich werde nicht müde, Ihnen zu widersprechen. Die Behörde ist Befehlsempfänger und Rechtsabteilung des EU-Ministerrats. Sie fertigt auf seinen Befehl hin angeforderte Gesetze aus, die rechtlich zum Vertragswesen der EU passen. In Wirklichkeit sind das aber Menschen, die mit guten Umgangsformen ziemlich geräuschlos entlang bestehender Regeln ihre Arbeit machen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 11:45)
Die Behörde ist Befehlsempfänger und Rechtsabteilung des EU-Ministerrats.
Dieses Sachthema müsste sich doch klären lassen.
So wie ich verstanden hatte sind das keine auszuführenden Befehle sondern eben unverbindliche Wunschzettel.

Also mal schauen wer hier als erstes den entsprechenden Artikel im Vertragswerk postet und wer dadurch etwas dazulernen darf (hoffentlich wir alle :thumbup:)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Art. 225
(ex-Artikel 192 Absatz 2 EGV)

Das Europäische Parlament kann mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kommission auffordern, geeignete Vorschläge zu Fragen zu unterbreiten, die nach seiner Auffassung die Ausarbeitung eines Unionsakts zur Durchführung der Verträge erfordern. Legt die Kommission keinen Vorschlag vor, so teilt sie dem Europäischen Parlament die Gründe dafür mit.
https://dejure.org/gesetze/AEUV/225.html
Art. 241
(ex-Artikel 208 EGV)

Der Rat, der mit einfacher Mehrheit beschließt, kann die Kommission auffordern, die nach seiner Ansicht zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele geeigneten Untersuchungen vorzunehmen und ihm entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Legt die Kommission keinen Vorschlag vor, so teilt sie dem Rat die Gründe dafür mit.
https://dejure.org/gesetze/AEUV/241.html

Hervorhebung durch mich.

Die Kommission darf sich mit der schriftlichen Aufforderung des europäischen Rates (oder des EU-Parlamentes) also den Hintern abwischen, muss aber erklären warum sie keinen Gesetzesvorschlag daraus gemacht hat.

Die Frage die sich mir dabei stellt ist, ob dafür die Begründung der Kommission "das Klopapier war aus, also mussten wir ihre schriftliche Aufforderung Zweckentfremden" an den europäischen Rat ausreichend wäre. :D

So wie ich das sehe wäre das rechtlich gesehen nach Art. 241 AEUV tatsächlich ausreichend (wenn auch sehr unhöflich).
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 12:09)

Zack die Bohne:


https://dejure.org/gesetze/AEUV/241.html

Hervorhebung durch mich.
Ich fürchte ich behalte hier Recht, habe also nichts dazugelernt :( .

Die Kommission darf sich mit dem Vorschlag des europäischen Rates also den Hintern abwischen, muss aber erklären warum sie keinen Gestzesvorschlag daraus gemacht hat.

Die Frage die sich mit dabei stellt ist, ob dafür die Begründung "das Klopapier war aus, also mussten wir ihre schriftliche Aufforderung Zweckentfremden" an den europäischen Rat ausreichend wäre.
So wie ich das sehe wäre es das tatsächlich (wenn auch sehr unhöflich).
Auch dafür gibt es nachvollziehbare Gründe: Ein Gesetz muß natürlich dem Vertragswerk der EU entsprechen. Wenn das nicht gewährleistet ist, dann kann kein neues Gesetz gemacht werden, das bestehenden Gesetzen widerspricht. Das werden Kommission und Ministerrat sicher einvernehmlich klären.

Noch einmal: Die Kommission macht aus Gesetzesvorschlägen des Ministerrats (nicht aus einzelnen Wunschzetteln einzelner Regierungschefs!) ein vertragstreues Gesetz. Dazu ist sie mit geeignetem rechtskundigem Personal aus ganz Europa ausgestattet. Solche Gesetze werden in den nationalen Parlamenten ratifiziert und damit in den nationalen Gesetzesvorrat überführt. Wo ist nun der Mangel an Demokratie?

Die Befugnisse der EU könnten nach nunmehr über 60 Jahren sicher anders verteilt werden. Dazu müßten aber unsere Nationalstaaten wesentliche Hoheitsrechte abgeben: Außenpolitik und Streitkräfte, innere Sicherheit und Grenzüberwachung an den Außengrenzen, Finanzen und Wirtschaft der Gemeinschaft könnten einer gemeinsamen Führung anvertraut werden. Das EU -Parlament könnte in diesen Bereichen als Gesetzgeber auftreten, der EU-Ministerrat als zweite Kammer zur Überprüfung der Gemeinschaftsgesetze auf Nachteile für die einzelnen Nationalstaaten mit zeitlich begrenztem Veto-Recht. Ach, könnte das alles schön sein... aber so, wie wir es heute erreicht haben, das ist doch auch nicht sooo schlecht! :)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 14:27)
Noch einmal: Die Kommission macht aus Gesetzesvorschlägen des Ministerrats (nicht aus einzelnen Wunschzetteln einzelner Regierungschefs!) ein vertragstreues Gesetz. Dazu ist sie mit geeignetem rechtskundigem Personal aus ganz Europa ausgestattet. Solche Gesetze werden in den nationalen Parlamenten ratifiziert und damit in den nationalen Gesetzesvorrat überführt. Wo ist nun der Mangel an Demokratie?
Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Alexyessin »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:28)

Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
Aber du hast eins vergessen - sie müssen durchaus von demokratisch gewählten Politikern ins Leben gerufen werden. Und - du kannst natürlich dagegen klagen. Somit ist das "ohne Aufmucken" nicht richtig.
Auf der anderen Seite kann ich durchaus deinen Einwand verstehen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:28)
Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
http://www.bpb.de/internationales/europ ... tsbereiche
Bundesstiftung Politische Bildung 2009 Zuständigkeitsbereiche in der Europäischen Union
"In der Europäischen Union und bei den Mitgliedstaaten unterscheidet man drei Arten von Zuständigkeiten: Solche, die völlig in der Kompetenz der EU liegen, solche, die den Mitgliedstaaten vorbehalten ist, und jene, die EU und Mitgliedstaaten sich teilen."
Mit der Gesetzgebung auf europäischer Ebene ist es leider noch komplizierter. Es gibt auch in Kernbereichen der EU viele Rechtsakte, vor allem Verträge zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, die gar kein Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene durchlaufen, sondern nur von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden, zum Beispiel der ESM. Man bräuchte eine statistische Übersicht, welche Verfahren bei Rechtsakten und Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene bisher wie oft angewandt wurden.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:28)

Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
Auch EU-Verordnungen sind kein welterschütterndes Ding, wie Sie hier nachlesen können:

https://europa.eu/european-union/eu-law/legal-acts_de

Sie werden dort finden, welche Art von Gesetz das ist... und vor allem, daß der Rat der EU zustimmen muß.

Ich finde, daß Sie nicht im luftleeren Raum herum fuchteln sollten, sondern ein besonders empörendes Beispiel nennen sollten, das nun wirklich an den Rechten der Nationalstaaten herum fuhrwerkt.

Um beim Beispiel der genannten Quelle zu bleiben: Es ist natürlich doof, die EU für die Gemeinschaft mit Handelsvereinbarungen zu beauftragen, wenn diese Verhandlungen nicht mit einem verbindlichen Rechtsakt für die Gemeinschaft enden dürfen. Dann hätte ja auch jeder Mitgliedsstaat selbst verhandeln können und auf seine Weise den gemeinsamen Markt steuern können. Mir fällt auf, daß diese Vorstellung etwas abwegig ist. Natürlich legt die EU-Kommission dem EU-Ministerrat das Verhandlungsergebnis vor. Wenn der dann kalte Füße bekommt, dann war die EU-Verordnung eben großer Käse. In einem Fall wollte die Wallonie maßgeblich darüber entscheiden, was für den EU-Binnenmarkt für 550 Mio Mitbürger verbindlich gelten sollte. Na, daraus wurde nichts... gar nichts.. TTIP wurde 3. Klasse beerdigt.

Also, wenn wir meckern, dann sollte das Gemeckere auch auf einen sachlichen Grund zurück gehen. Den kann ich aus eigener Kraft bei EU-Verordnungen nicht erkennen. Da muß ich um Mitarbeit bitten.

Unser Thema kann auch nicht sein, die bestehenden Regeln ungeprüft in allen Fällen gut zu heißen. Die Regeln sind zu ihrer Glanzzeit sicher in bester Absicht für die Gemeinschaft ersonnen worden. Aber in der Praxis setzen sie dann Rost an und führen zu Reibungsverlusten. Oder die EU getraut sich nicht, ihre eigenen Regeln an zu wenden, weil sie einem heftigen Streit ausweichen möchte. Das Vorgehen halte ich für einen Fehler. Der Umgang mit den Visegrad-Staaten ist dafür ein trauriges Beispiel, daß bestehende Verträge ganz schlicht nicht eingeklagt werden, und daß man hinnimmt, daß gültige Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft kaltschnäuzig im Nationalstaat kassiert werden. Kein Wunder, daß nun weitere "Unbotmäßigkeiten" zum gern geübten Regelbruch werden.

Der EU Ministerrat ist schlicht zu feige, die Gemeinschaft beherzt gegen ihre Zerstörer zu verteidigen. Die EU-Kommission kann nur auf Vertragsbrüche hinweisen und auch den EuGH als "Verfassungsorgan" um ein Urteil bitten. Wer hätte vor 20 Jahren auch an solche Quertreibereien gedacht und entsprechende Abwehrwerkzeuge der Gemeinschaft überlegen sollen?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 16:53)

Auch EU-Verordnungen sind kein welterschütterndes Ding, wie Sie hier nachlesen können:

https://europa.eu/european-union/eu-law/legal-acts_de

Sie werden dort finden, welche Art von Gesetz das ist... und vor allem, daß der Rat der EU zustimmen muß.

Ich finde, daß Sie nicht im luftleeren Raum herum fuchteln sollten, sondern ein besonders empörendes Beispiel nennen sollten, das nun wirklich an den Rechten der Nationalstaaten herum fuhrwerkt.
Sie hatten behauptet, dass die nationalen Parlamente die Gesetze ratifizieren müssten. Nein, das müssen sie nicht; auf nationaler Ebene reicht es, wenn Frau Merkel die Verordnung abnickt.

Die europäischen Prozesse sind höchst komplex und intransparent; das zeigt ja auch unsere Diskussion hier. Es gibt keine europäische Öffentlichkeit, die diese Prozesse begleitet. Das Europäische Parlament ist an Bürgerferne und Verantwortungslosigkeit nicht zu übertreffen; es stellt eher eine Versorgung von Politikern dar, die man in den jeweiligen Nationalstaaten nicht mehr braucht oder die schlicht zu unqualifiziert sind.

Bei europäischen Gesetzesvorhaben merken die Bürger deswegen erst, was los ist, wenn es zu spät ist.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

Alexyessin hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:36)

Aber du hast eins vergessen - sie müssen durchaus von demokratisch gewählten Politikern ins Leben gerufen werden. Und - du kannst natürlich dagegen klagen. Somit ist das "ohne Aufmucken" nicht richtig.
Auf der anderen Seite kann ich durchaus deinen Einwand verstehen.
Die EU-Kommission ist nicht demokratisch gewählt. Und zustimmen muss auf nationaler Ebene in der Regel nur Frau Merkel.

Von der europäischen Judikative erwarte ich mir nichts, die sind so abgehoben und ideologisch gefestigt, dass sie im Zweifelsfall immer für eine Ausdehnung der Macht der europäischen versus der nationalen Institutionen kämpfen werden, und immer für mehr als für weniger Bürokratie.

Vom undemokratisch gewählten, bürgerfernen Europäischen Parlament brauchen wir wohl nicht zu sprechen. Welcher Bürger würde sich denn von denen repräsentiert fühlen? Gibt es hier einen einzigen im Forum, der die Debatten in jenem Parlament erfolgt oder mit seiner Arbeitsweise vertraut ist?

Man sieht ja, wie es bei der Datenschutzverordnung gegangen ist. Eine einzige Katastrophe. Diese völlig bürgerfernen Leute in Brüssel und Straßburg meinen wohl, jeder kleine Betrieb hätte die Zeit, den ganzen ideologischen Mist, der da fabriziert wurde, zu lesen und umzusetzen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

Das Kernproblem der EU ist mMn., dass sie als reine Wirtschaftsunion an den Start ging und sie sich mit höchstkomplizierten Verfahren mit Trippelschrittchen in eine politische Union umwandeln will. Das wird glaube ich nicht gelingen, es braucht eine "große Lösung" mit Paukenschlag. Die USA fingen auch kleiner an, am Anfang 1776 waren es auch "nur" 13 Bundesstaaten, die die föderale Republik mit einer gewissen Unabhängigkeit der einzelnen Gliedstaaten ausriefen. Das sollte imho die Blaupause für die Vereinigten Staaten von Europa sein, mit einem demokratisch gewählten "Kongress" und einer demokratisch gewählten Regierung. Ich bin immer noch der Meinung, dass Frankreich, Benelux, Deutschland und evtl. noch Dänemark, die Keimzelle dieser Föderation sein sollten.
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 17:22)

Sie hatten behauptet, dass die nationalen Parlamente die Gesetze ratifizieren müssten. Nein, das müssen sie nicht; auf nationaler Ebene reicht es, wenn Frau Merkel die Verordnung abnickt.

Die europäischen Prozesse sind höchst komplex und intransparent; das zeigt ja auch unsere Diskussion hier. Es gibt keine europäische Öffentlichkeit, die diese Prozesse begleitet. Das Europäische Parlament ist an Bürgerferne und Verantwortungslosigkeit nicht zu übertreffen; es stellt eher eine Versorgung von Politikern dar, die man in den jeweiligen Nationalstaaten nicht mehr braucht oder die schlicht zu unqualifiziert sind.

Bei europäischen Gesetzesvorhaben merken die Bürger deswegen erst, was los ist, wenn es zu spät ist.
In der augenblicklichen Verfassung kann die EU gar nicht anders; was es bedeutet, wenn auf einem Seitenweg ein Nationalstaat mit seinen innenpolitischen Interessen in solche Verhandlungen für die Gemeinschaft hinein funkt, das haben die TTIP-Verhandlungen gezeigt: Ein voller Schuß in den Ofen. Aber der andere Egomane hätte dem ohnehin ein Ende gesetzt. Da pfeife ich auf Trauer!

Es klingt mir auch zu abwertend, daß die Kanzlerin "abnickt". Die könnte auch ihre Bedenken vortragen und mit dem Kopf schütteln. Dann gibt es die EU-Verordnung nicht.

Entweder wollen wir, daß die Gemeinschaft ein Erfolg wird, oder wir müssen darauf pfeifen. Ich bin klar jemand, der die Gemeinschaft voran bringen will. Sie offenbar nicht. Beides ist zugelassen und unterliegt einer Mehrheitsentscheidung unserer Mitbürger. Bisher sind mindestens 2/3 aller Mitbürger für die Fortentwicklung der EU. Das kann sich ändern, aber in beiden Richtungen.

Auf dem Wege sind konstruktive Vorschläge sicher willkommen.

Ich erinnere an die Antrittsrede von Herrn Tusk, als er als polnischer Ministerpräsident vor fast 10 Jahren die polnische EU-Präsidentschaft für ½ Jahr übernahm: "Pflegen wir diesen Schatz, unsere EU, damit wir nicht eines Tages beweinen, was wir zerstört haben." Die Briten nähern sich diesem Ereignis schon in großen Schritten.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:20)
Entweder wollen wir, daß die Gemeinschaft ein Erfolg wird, oder wir müssen darauf pfeifen. Ich bin klar jemand, der die Gemeinschaft voran bringen will. Sie offenbar nicht. Beides ist zugelassen und unterliegt einer Mehrheitsentscheidung unserer Mitbürger. Bisher sind mindestens 2/3 aller Mitbürger für die Fortentwicklung der EU. Das kann sich ändern, aber in beiden Richtungen.
Mehr Integration zwischen den EU-Mitgliedsstaaten setzt ein mühsames Beackern geeigneter Politikfelder voraus: In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte es etwas vorangehen. Bei der Finanzpolitik gibt es eine intensive Auseinandersetzung um Begrenzung von Bankenrisiken und öffentliche Investitionsfonds. Bei der Flüchtlingspolitik hat der Handlungsdruck deutlich zugenommen. Die Handelspolitik, traditionelle eine Domaine von Brüssel, muss sich sinnvoll zwischen China und den USA positionieren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Brainiac »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 09:51)

Genau!

Eine kleine Geschichte dazu:
Ich habe vor etwa einem Jahr mit Engländern gesprochen die für Brexit gestimmt haben.
Neben der Angst Flüchtlinge aufzunehmen und die Nettokosten für UK war auch der Ärger über die undemokratische Struktur der EU (EU Kommission) genau ein Argument, welches sie zu ihrer Wahl veranlasst hat.
Ich konnte das sehr gut nachvollziehen..
Das ist jetzt ein Witz, oder.
Welches Land hat sich denn all die Jahre gegen jegliche Kompetenzabgabe und insbesondere gegen die Befugnisse des EU-Parlaments gewehrt.
Denn das EU-Parlament hat in Großbritannien nicht viele Freunde. Für die Euroskeptiker ist es der lebende Beweis, dass sich Brüssel Kompetenzen anmaßt, die allein dem britischen Unterhaus gehören sollten.
https://www.welt.de/politik/ausland/art ... hnung.html

Und jetzt kritisiert und verlässt man die EU, weil den dortigen Institutionen demokratisch legitimierte Kompetenzen fehlen, die man ihnen jahrelang nicht zugestehen wollte? Cooler Trick. :dead:

Davon ab, schön, dass wir hier mal einer Meinung sind.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:31)

Mehr Integration zwischen den EU-Mitgliedsstaaten setzt ein mühsames Beackern geeigneter Politikfelder voraus: In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte es etwas vorangehen. Bei der Finanzpolitik gibt es eine intensive Auseinandersetzung um Begrenzung von Bankenrisiken und öffentliche Investitionsfonds. Bei der Flüchtlingspolitik hat der Handlungsdruck deutlich zugenommen. Die Handelspolitik, traditionelle eine Domaine von Brüssel, muss sich sinnvoll zwischen China und den USA positionieren.
Das alles ist nur zu wahr! Aber was tun, wenn die persönliche Eitelkeit von Politikern dazu führt, daß 27 Regierungschefs mit Herrn Trump oder Herrn Putin oder dem Oberchinesen in Privataudienz sprechen wollen und sie auf jeden Fall auch auf der G20 und der G7 (8) in Person anwesend sein müssen? In einer Mannschaft muß schon jeder Mitspieler mannschaftsdienlich spielen. 28 Mittelstürmer, das haut nicht so richtig hin.

Ich stelle mir jetzt einmal einen EU Ministerrat vor, der die von Ihnen angesprochenen Politikfelder vereinbaren soll. Dann kommen sie mehrheitlich (qualifizierte Mehrheit) zu einem Beschluß, und dann büxt irgendein besonders eitler... oder gleich mehrere davon... aus, macht sein eigenes Ding. Auf diese Hackordnung müßte der Hühnerhaufen sich erst einmal einigen. Is nich wegen geht nich.

Die erste gute Tat wäre doch, daß der Ministerrat einen Obersten Chef für vielleicht 4 Jahre wählt, der für sie überall vorturnt, dessen Amtszeit sie bei Eignung immer weiter ausdehnen können. Warum also nicht Frau Merkel oder Herrn Macron mit ihrer Hausmacht im Rücken? Und eben keinen Herrn Junker mit dem Großherzogtum Luxemburg als Hausmacht. So viel Abgeklärtheit und Vertrauen muß schon sein.

Fromme Wünsche...
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Brainiac hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:57)
Welches Land hat sich denn all die Jahre gegen jegliche Kompetenzabgabe und insbesondere gegen die Befugnisse des EU-Parlaments gewehrt.

[...]

Davon ab, schön, dass wir hier mal einer Meinung sind.
Ich seh es mal positiv:

Wenn jetzt die UK draußen sind, sollte es ja kein Problem mehr sein auf europäischer Ebene endlich(!) das Parlament zu stärken (Gesetzesinitiativrecht, Ausschüsse).
Wenn die vorhandenen europäischen Bürgerinitiativen dann auch noch verpflichtend werden wie in der Schweiz und zur europäischen Volksabstimmung führt, werde ich wieder zum glühenden Europäer!

Die demokratisch nicht legitimierte EU Kommission könnte man dann endlich auf den Müllhaufen der Geschichte entsorgen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:31)
Mehr Integration zwischen den EU-Mitgliedsstaaten setzt ein mühsames Beackern geeigneter Politikfelder voraus: In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte es etwas vorangehen. Bei der Finanzpolitik gibt es eine intensive Auseinandersetzung um Begrenzung von Bankenrisiken und öffentliche Investitionsfonds. Bei der Flüchtlingspolitik hat der Handlungsdruck deutlich zugenommen. Die Handelspolitik, traditionelle eine Domaine von Brüssel, muss sich sinnvoll zwischen China und den USA positionieren.
H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 19:08)
Die erste gute Tat wäre doch, daß der Ministerrat einen Obersten Chef für vielleicht 4 Jahre wählt, der für sie überall vorturnt, dessen Amtszeit sie bei Eignung immer weiter ausdehnen können. Warum also nicht Frau Merkel oder Herrn Macron mit ihrer Hausmacht im Rücken? Und eben keinen Herrn Junker mit dem Großherzogtum Luxemburg als Hausmacht. So viel Abgeklärtheit und Vertrauen muß schon sein.
Mit Herrn Tusk, Frau Mogherini und dem Euro-Gruppenchef Herrn Centeno gibt es bereits drei Vorsitzer für jeweils 2 1/2 Jahre. Frankreich und Deutschland achten sehr genau darauf, wichtige Posten im Brüssler Maschinenraum zu besetzen. Die Möglichkeiten des Lissabon-Vertrages müssen nicht unbedingt erweitert werden, solange Frankreich und Deutschland ihrer gemeinsame Führungsaufgabe nicht ausreichend nachkommen. Dier Rolle der EU-Kommission ist ja eher vermittelnder Natur. Die Entscheidungen werden in den Ministerräten und im Parlament getroffen.
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