Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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H2O
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(09 May 2017, 10:38)

Die EU maßt sich immer Kompetenzen an. Begonnen hat es mit Delors, als unter dem Vorwand des Wettbewerbs und der Abschaffung von Wettbewebshindernissen immer mehr Bereiche reguliert wurden.
Geht doch gar nicht anders, selbst mit krummen Gurken nicht. Maße, Gewichte, Normen für Farben, Energieverbraucher, Materialnormen, Nahrungsmittel muß es doch geben, damit Waren und Dienstleistungen vergleichbar werden. Das war also gar kein Fehler soindern ein Fortschritt!
Das ist das französische Zentralstaatsmodell.

Diametral entgegengesetzt dem deutschen Verständnis von Föderalismus.
Dadurch ist Deutschland um einiges bunter als Frankreich, leider auch im Bildungssystem...

Mit Blick auf Europa muß Frankreich seinen Regionen mehr Selbständigkeit zubilligen, damit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Menschen erleichtert wird. Da sind aber auch vernünftige Anfangsschritte vollzogen worden.
Ger9374

Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Ger9374 »

Es wird Länder geben die den Teufelskreis des
Misstrauens gegenüber Europäischen Partnerländern durchbrechen wollen.
Dieses Misstrauen basiert auf dem alten Bild" gebe ich den kleinen Finger nehmen die gleich die ganze Hand". Das treibt den E.U Norden um.
Die anderen fürchten die Dominanz der grossen
Länder! Obwohl vieles genau nach Einwohnerzahl der Nationen relativiert wird.Andere haben erst kurz ihre Souveränität zurück erlangt und wollen alles so lassen. Die Länder die den Kreis durchbrechen haben auch den € schon. Sie haben schon vieles an Bereitschaft gezeigt.Darum Deutschland, Frankreich, Benelux mein Tipp!
Ger9374

Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Ger9374 »

Ger9374 hat geschrieben:(09 May 2017, 16:05)

Es wird Länder geben die den Teufelskreis des
Misstrauens gegenüber Europäischen Partnerländern durchbrechen wollen.
Dieses Misstrauen basiert auf dem alten Bild" gebe ich den kleinen Finger nehmen die gleich die ganze Hand". Das treibt den E.U Norden um.
Die anderen fürchten die Dominanz der grossen
Länder! Obwohl vieles genau nach Einwohnerzahl der Nationen relativiert wird.Andere haben erst kurz ihre Souveränität zurück erlangt und wollen alles so lassen. Die Länder die den Kreis durchbrochen haben auch den € schon. Sie haben schon vieles an Bereitschaft gezeigt.Darum Deutschland, Frankreich, Benelux mein Tipp!
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(09 May 2017, 16:05)
Wir sollten alle Partner einladen, sich in den geplanten Integrationsschritt mit ein zu bringen. Auf der Grundlage des Euros als Gemeinschaftswährung und auf der Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats nach europäischem Muster. Dann ist es wenigstens der freie Wille des Partners, sich daran nicht beteiligen zu wollen. Finde ich besser als den Partner durch "Nichtnominierung" vor die Tür zu setzen. Daß die Sache am Ende auf die Kleingruppe BeNeLux, Frankreich, Deutschland und Italien hinaus laufen könnte, fände ich bedauerlich... aber viele große Dinge haben einmal klein angefangen :) .
Ger9374

Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Ger9374 »

H2O hat geschrieben:(09 May 2017, 20:19)

Wir sollten alle Partner einladen, sich in den geplanten Integrationsschritt mit ein zu bringen. Auf der Grundlage des Euros als Gemeinschaftswährung und auf der Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats nach europäischem Muster. Dann ist es wenigstens der freie Wille des Partners, sich daran nicht beteiligen zu wollen. Finde ich besser als den Partner durch "Nichtnominierung" vor die Tür zu setzen. Daß die Sache am Ende auf die Kleingruppe BeNeLux, Frankreich, Deutschland und Italien hinaus laufen könnte, fände ich bedauerlich... aber viele große Dinge haben einmal klein angefangen :) .

Es mag zu mehr Ländern reichen, aber ich stapele lieber tief und lasse mich positiv überraschen!
Senexx

Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Es ist nicht zu übersehen, die Eu steckt in einer tiefen Krise. Der Brexit ist nur das letzte einer ganzen Reihe von Alarmzeichen.

Hauptursache ist, dass die EU sich immer weitere Kompetenzen anmaßt. Entscheidungen werden von den Bürgern weg verlagert, ins ferne, gefräßige, fette Brüssel.

Es kann keinen Zweifel geben, dass die EU verschlankt und zurückgebaut werden muss. Aber wie?

Vorschläge, was zu tun ist?
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von ebi80 »

Noch schlanker? Ist doch fast nichts da. Neuerungen müssen her. Keine Zerstörungswut.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von unity in diversity »

Rückbau?
Der ist ein Selbstläufer geworden, wenn sich nichts ändert.
Ursache ist nicht die Kompetenzanmaßung Brüssels in immer unwichtiger werdenden Fragen.
Die richtig wichtigen Standortfragen gibt nämlich keiner von den zerstrittenen Zwergen irgendwohin ab.
Die verstecken sich hinter den Eurostabilitätskriterien, damit die Konvergenzkriterien unter den Tisch fallen können, die sie sich 1992 gegeben haben.
Einige EU-Länder sind schlicht abgegrast und wenn die rausgeschmissen werden, kommt schlechte Stimmung auf.
Läßt man die Abgehängten drin, greift die Deflation weiter um sich und das verarmt die Länder, in denen noch relativer Wohlstand herrscht, zusätzlich.
Insgesamt kann sich die EU immer weniger am Weltmarkt behaupten.
Weil die Innovationsschwäche unter deflationären Bedingungen kaum behoben werden kann.
Darum versucht man sich im Fach Insolvenzverschleppung, indem man veraltete Güter zu immer billigeren Preisen auf den Weltmarkt wirft.
Ob der immer ungleicher gewordene Hühnerstall jetzt noch zu einer koordinierten Standortpolitik fähig wird?
Vereinigte Staaten müssen in allen belangreichen Fragen mit einer Stimme auftreten.
Senexx

Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Erster Posten wäre natürlich das EU-Parlament. Dieses veranstaltet mehrmals jährlich einen Wanderzirkus. Es gibt schon lange Vorschläge, diesen einzustellen.

Überhaupt ist es ziemlich überflüssig. Gesetzgeberische Kompetenzen hat es keine, kaum jemand nimmt an den Wahlen teil, niemand kennt seinen Abgeordneten, die ja auch keine Wahlkreisarbeit machen, sich nicht als Interessenvertreter ihrer Wähler verstehen, sondern als Promotoren Europas.

Das wäre in etwa so, als würde sich die Bundestagsabgeordneten als Agenten der Bundesrepublik verstehen.
Senexx

Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Auch bei der Kommission kann gespart werden, hat anscheinend auch Junker erkannt. Oettinger soll nicht Vizepräsident werden. Sensationelle 2000 Euro werden dadurch jeden Monat gespart.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/g ... 47112.html :thumbup:
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

Europa braucht mehr Kompetenzen und nicht weniger. Nur so könnten die EU-Aussengrenzen gesichert werden.....Deutschland weiss nicht, wie man Grenzen sichert. Wir brauchen Europa!
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von ebi80 »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(11 May 2017, 07:49)

Europa braucht mehr Kompetenzen und nicht weniger. Nur so könnten die EU-Aussengrenzen gesichert werden.....Deutschland weiss nicht, wie man Grenzen sichert. Wir brauchen Europa!
Hast du eigentlich nichts anderes als Flüchtlinge im Kopf. Darum geht es hier gar nicht. :dead:
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(11 May 2017, 00:24)

Es mag zu mehr Ländern reichen, aber ich stapele lieber tief und lasse mich positiv überraschen!
Ja, das ist nicht ganz verkehrt! Hoffentlich erleben wir keine böse Überraschung, nämlich daß einer von den "gesetzten Partnern" nicht mitspielen will.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Adam Smith »

ebi80 hat geschrieben:(11 May 2017, 07:54)

Hast du eigentlich nichts anderes als Flüchtlinge im Kopf. Darum geht es hier gar nicht. :dead:
Die Polen wünschen sich in dieser Hinsicht weniger EU.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Adam Smith hat geschrieben:(11 May 2017, 08:13)

Die Polen wünschen sich in dieser Hinsicht weniger EU.
Die kritische Haltung einer Mehrheit der Polen in Hinsicht auf Flüchtlingsaufnahme hat nix mit der Haltung zur EU zu tun. In keinem anderen europäischen Land gibt es eine positivere Haltung der Bevölkerung zur EU. Ich kann es nicht oft genug betonen. Dass die Polen gleichzeitig mit der PiS eine betont EU-kritische Regierung gewählt haben, gehört einfach zu den Widersprüchligkeiten einer komplexen politischen Weltlage. Die EU-Kritik dieser Regierung (ebenso wie die der ungarischen Regierung) zielt auch keineswegs - wie in UK - auf einen EU-Austritt sondern auf eine EU-Veränderung ab. Man hält sich für stark genug, dies zu bewirken. Meine persönliche Ansicht ist, dass dies mit der Rückendeckung zu tun hat, die diese Länder von seiten konservativer Kräfte in Europa wie etwa der deutschen CSU bekommen, die dies nur nicht so offen zur Schau stellen wollen. Es hat ganz sicher und hundertprozentig nix mit der Spitzenstellung bei den EU-Förderbeiträgen zu tun. Diese Argumentation geht selbst bei bei Netto-Einzahlern wie UK daneben. Auch dort werden Gemeindezentren oder Radwege mit EU-Fördergeldern bezahlt, die nun in Kürze nicht mehr fließen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

ebi80 hat geschrieben:(11 May 2017, 07:54)

Hast du eigentlich nichts anderes als Flüchtlinge im Kopf. Darum geht es hier gar nicht. :dead:
Ich sprach von Grenzsicherung und nicht von "Flüchtlingen". Das ist ein himmelweiter Unterschied. Eigentlich gibt es da gar keinen Zusammenhang.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

Adam Smith hat geschrieben:(11 May 2017, 08:13)

Die Polen wünschen sich in dieser Hinsicht weniger EU.
Es ist nicht so lange her, da hatten wir innerhalb Europas so gut wie keine Grenzkontrollen mehr. Schengen war keine Illusion sondern Realität. Die EU befindet sich diesbezüglich in einer Rückbauphase. So gibt es jetzt zum Beispiel wieder Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Staaten Österreich und Slowenien. Die Ungarn streben ein Europa ohne interne Grenzkontrollen an. Darum sichern sie die Schengen-Außengrenze auf eine professionelle Weise.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(11 May 2017, 08:57)

Ich sprach von Grenzsicherung und nicht von "Flüchtlingen". Das ist ein himmelweiter Unterschied. Eigentlich gibt es da gar keinen Zusammenhang.
Realiter ist das Modell "Festung Europa" gerade die Geschäftsgrundlage für kommerziell arbeitende Schlepperbanden. Wir brauchen ein offenes Europa.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 09:06)

Realiter ist das Modell "Festung Europa" gerade die Geschäftsgrundlage für kommerziell arbeitende Schlepperbanden. Wir brauchen ein offenes Europa.
Wir brauchen ein offenes und freies Europa. Das kann es nur geben mit funktionierender Sicherung der EU-Außengrenzen.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 08:54)

Die kritische Haltung einer Mehrheit der Polen in Hinsicht auf Flüchtlingsaufnahme hat nix mit der Haltung zur EU zu tun. In keinem anderen europäischen Land gibt es eine positivere Haltung der Bevölkerung zur EU. Ich kann es nicht oft genug betonen. Dass die Polen gleichzeitig mit der PiS eine betont EU-kritische Regierung gewählt haben, gehört einfach zu den Widersprüchligkeiten einer komplexen politischen Weltlage. Die EU-Kritik dieser Regierung (ebenso wie die der ungarischen Regierung) zielt auch keineswegs - wie in UK - auf einen EU-Austritt sondern auf eine EU-Veränderung ab. Man hält sich für stark genug, dies zu bewirken. Meine persönliche Ansicht ist, dass dies mit der Rückendeckung zu tun hat, die diese Länder von seiten konservativer Kräfte in Europa wie etwa der deutschen CSU bekommen, die dies nur nicht so offen zur Schau stellen wollen. Es hat ganz sicher und hundertprozentig nix mit der Spitzenstellung bei den EU-Förderbeiträgen zu tun. Diese Argumentation geht selbst bei bei Netto-Einzahlern wie UK daneben. Auch dort werden Gemeindezentren oder Radwege mit EU-Fördergeldern bezahlt, die nun in Kürze nicht mehr fließen.
Warum nicht klipp und klar sagen, daß die polnische Regierungspartei sich ein freigiebiges und zu allen denkbaren Wohltaten bereites Europa wünscht, in dem Polen den Ton angeben kann? Oder fällt Ihnen jetzt kurz ein Akt polnischer Solidarität ein, wenn wir erst einmal beide Augen zudrücken, was die Verteilung von Flüchtlingen in der EU betrifft? Der Vergleich Polens mit GB hinkt ein klein wenig, weil GB die Mittel, die es der EU zuführt höchstens in geschrumpfter Form für den Bau von "Radwegen" zurück erhält, also diese Mittel auch ohne EU umlenken könnte, wenn GB vergleichbare Regionalförderungen im Sinn hätte.

Dieses Kunststück muß die polnische Regierung erst noch lernen, denn die Fördermittel der EU laufen auf etwa 5% des Brutto-Sozialproduktes herauf... habe ich mir aus einem Ihrer Beiträge gemerkt. Wenn also die EU ihre Cents etwas sparsamer fließen ließe, dann gäbe es in Polen betretene Mienen. Und wenn westliche Investitionen ausblieben, und die Möglichkeit entfiele, im Westen ordentlich entlohnt zu werden, dann würden die Mienen lang und länger.

Nicht etwa, daß ich solche Ansichten verfolgte oder herbei wünschte... aber der Vergleich mit GB erschien mir denn doch zu gewagt! Daß der alltägliche Pole ein Pfundskerl ist, mit dem man zur Not auch Pferde stehlen kann, das sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Ich wohne da nämlich. Aber die Zahl meiner Pferde hält sich in Grenzen. :)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 09:06)

Realiter ist das Modell "Festung Europa" gerade die Geschäftsgrundlage für kommerziell arbeitende Schlepperbanden. Wir brauchen ein offenes Europa.
Auha, wenn ich an den Zustrom im Herbst 2015 denke, als das "offene" Europa seine volle Wirkung entfaltete, dann kämen wir in Mitteleuropa "spielend" auf 2 bis 4 Mio Flüchtlinge im Jahr von Bangladesch, Indien, Afghanistan, Pakistan, der arabischen Halbinsel und Nordafrika. Auf die Weise wäre Deutschland sehr bald eine Weltmacht von der Zahl seiner Einwohner her; wir bräuchten aber UNO-Spenden gegen alle möglichen Mangelerscheinungen.

Vielleicht ist die Festung Europa mitsamt dem Kampf gegen Schlepperbanden doch noch das kleinere Übel?
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Rückbau der EU bedeutet aus meiner Sicht die Beschränkung der EU auf jene Mitglieder, denen die stetig sich vertiefende Zusammenarbeit als Wegbeschreibung in eine europäische Föderation am Herzen liegt. Nur in einem gemeinsamen Staat ist eine Gemeinschaftswährung durch zu halten. Ansonsten gibt es immer wieder Pfiffikusse, die zum Nachteil der Partner einen groben Unfug mit der Gemeinschaftswährung veranstalten. Wer aber die Mitgliedschaft im Euro ablehnt, der will auch den gemeinsamen staatlichen Überbau nicht. Der will allenfalls einen Marktzugang.

Auch der gemeinsame Binnenmarkt kann ein gemeinsames Ziel sein. Mein Vorschlag für den Rückbau der EU: Der gemeinsame Binnenmarkt, an dem sich die europäische Föderation wie ein einziger Staat beteiligt. Dann wäre vermutlich sehr viel Verdruß über die EU erledigt: Keine Trittbrettfahrer mehr, keine unerfüllbaren Erwartungen mehr!
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(11 May 2017, 09:24)

Warum nicht klipp und klar sagen, daß die polnische Regierungspartei sich ein freigiebiges und zu allen denkbaren Wohltaten bereites Europa wünscht, in dem Polen den Ton angeben kann? Oder fällt Ihnen jetzt kurz ein Akt polnischer Solidarität ein, wenn wir erst einmal beide Augen zudrücken, was die Verteilung von Flüchtlingen in der EU betrifft? Der Vergleich Polens mit GB hinkt ein klein wenig, weil GB die Mittel, die es der EU zuführt höchstens in geschrumpfter Form für den Bau von "Radwegen" zurück erhält, also diese Mittel auch ohne EU umlenken könnte, wenn GB vergleichbare Regionalförderungen im Sinn hätte.

Dieses Kunststück muß die polnische Regierung erst noch lernen, denn die Fördermittel der EU laufen auf etwa 5% des Brutto-Sozialproduktes herauf... habe ich mir aus einem Ihrer Beiträge gemerkt. Wenn also die EU ihre Cents etwas sparsamer fließen ließe, dann gäbe es in Polen betretene Mienen. Und wenn westliche Investitionen ausblieben, und die Möglichkeit entfiele, im Westen ordentlich entlohnt zu werden, dann würden die Mienen lang und länger.
Naja, 5 Prozent sind eben einerseit nicht nichts, aber andererseits eben auch nicht so bedeutsam, dass sich ein Kaczynski davon maßgeblich beeinflussen ließe. Zumal lokale Infrastrukturprojekte, auf die EU-Förderung maßgeblich abzielt, wahrscheinlich ohnehin nicht so sehr im Fokus der PiS stehen. Bei Investitionen siehts schon ganz anders aus. Für die muss aber "nur" gewährleistet sein, dass man sich ohne Behinderung ansiedeln kann und dass ohne Behinderung Produkte (auf diesem sehr kurzen Weg) innerhalb Europas transportiert werden können. Das jedoch, diesen Zweck der EU-Vergemeinschaftung stellen weder Polen noch Ungarn auch nur irgendwie in Frage. Wäre ja auch einigermaßen töricht.

Was die Flüchtlingspolitik anbetrifft. Ich schrieb ja bereits: Die ist in Polen sehr sehr widersprüchlich. Da steht EU-Begeisterung der Bevölkerung gegen Offenheit in dieser Frage.

Ein hochinteressantes Detail in dieser Frage übrigens: Während des 2. Weltkriegs flohen zirka einhunderttausend Polen aus den durch die Sowjetunion okkupierten Landesteilen im Osten Polens - ausgerechnet! - nach Persien. Ich finde momentan leider den Podcast dazu nicht, den ich zu diesem Thema kürzlich hörte. Es war jedenfalls außerordentlich spannend. Insbesondere Gruppen von polnischen Kindern wurden im Iran aufgenommen und sogar persönlich vom damaligen Schah empfangen und mit Speiseeis und Süßigkeiten bewirtet. Es wird berichtet, dass diese polnischen Kinder nach den Schrecken des Kriegs und der Zwangsunterbringung in der SU übereinstimmend der Meinung waren, "ins Paradies" gekommen zu sein. Das sollte man gerade dem Teil der patriotisch veranlagten Polen, die sich gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten wenden, mal als Argumentationshilfe mit auf den Weg geben.

Und der Vergleich UK Polen ist wenigstens insofern nicht ganz verkehrt, als dass beide Regierungsparteien (noch) die beiden einzigen maßgeblichen in der EU-Parlaments-Fraktion EKR, also quasi Schwesterparteien sind.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(11 May 2017, 09:33)

Auha, wenn ich an den Zustrom im Herbst 2015 denke, als das "offene" Europa seine volle Wirkung entfaltete, dann kämen wir in Mitteleuropa "spielend" auf 2 bis 4 Mio Flüchtlinge im Jahr von Bangladesch, Indien, Afghanistan, Pakistan, der arabischen Halbinsel und Nordafrika. Auf die Weise wäre Deutschland sehr bald eine Weltmacht von der Zahl seiner Einwohner her; wir bräuchten aber UNO-Spenden gegen alle möglichen Mangelerscheinungen.

Vielleicht ist die Festung Europa mitsamt dem Kampf gegen Schlepperbanden doch noch das kleinere Übel?

Das Konzept "Offenes Europa" meint ja nicht wirklich und wörtlich komplett offene Außengrenzen ohne jegliche Kontrolle.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Adam Smith »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 10:19)

Naja, 5 Prozent sind eben einerseit nicht nichts, aber andererseits eben auch nicht so bedeutsam, dass sich ein Kaczynski davon maßgeblich beeinflussen ließe. Zumal lokale Infrastrukturprojekte, auf die EU-Förderung maßgeblich abzielt, wahrscheinlich ohnehin nicht so sehr im Fokus der PiS stehen. Bei Investitionen siehts schon ganz anders aus. Für die muss aber "nur" gewährleistet sein, dass man sich ohne Behinderung ansiedeln kann und dass ohne Behinderung Produkte (auf diesem sehr kurzen Weg) innerhalb Europas transportiert werden können. Das jedoch, diesen Zweck der EU-Vergemeinschaftung stellen weder Polen noch Ungarn auch nur irgendwie in Frage. Wäre ja auch einigermaßen töricht.

Was die Flüchtlingspolitik anbetrifft. Ich schrieb ja bereits: Die ist in Polen sehr sehr widersprüchlich. Da steht EU-Begeisterung der Bevölkerung gegen Offenheit in dieser Frage.

Ein hochinteressantes Detail in dieser Frage übrigens: Während des 2. Weltkriegs flohen zirka einhunderttausend Polen aus den durch die Sowjetunion okkupierten Landesteilen im Osten Polens - ausgerechnet! - nach Persien. Ich finde momentan leider den Podcast dazu nicht, den ich zu diesem Thema kürzlich hörte. Es war jedenfalls außerordentlich spannend. Insbesondere Gruppen von polnischen Kindern wurden im Iran aufgenommen und sogar persönlich vom damaligen Schah empfangen und mit Speiseeis und Süßigkeiten bewirtet. Es wird berichtet, dass diese polnischen Kinder nach den Schrecken des Kriegs und der Zwangsunterbringung in der SU übereinstimmend der Meinung waren, "ins Paradies" gekommen zu sein. Das sollte man gerade dem Teil der patriotisch veranlagten Polen, die sich gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten wenden, mal als Argumentationshilfe mit auf den Weg geben.

Und der Vergleich UK Polen ist wenigstens insofern nicht ganz verkehrt, als dass beide Regierungsparteien (noch) die beiden einzigen maßgeblichen in der EU-Parlaments-Fraktion EKR, also quasi Schwesterparteien sind.
Leben noch Polen im Iran?
Das ist Kapitalismus:

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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 10:19)

Naja, 5 Prozent sind eben einerseit nicht nichts, aber andererseits eben auch nicht so bedeutsam, dass sich ein Kaczynski davon maßgeblich beeinflussen ließe. Zumal lokale Infrastrukturprojekte, auf die EU-Förderung maßgeblich abzielt, wahrscheinlich ohnehin nicht so sehr im Fokus der PiS stehen. Bei Investitionen siehts schon ganz anders aus. Für die muss aber "nur" gewährleistet sein, dass man sich ohne Behinderung ansiedeln kann und dass ohne Behinderung Produkte (auf diesem sehr kurzen Weg) innerhalb Europas transportiert werden können. Das jedoch, diesen Zweck der EU-Vergemeinschaftung stellen weder Polen noch Ungarn auch nur irgendwie in Frage. Wäre ja auch einigermaßen töricht.

Was die Flüchtlingspolitik anbetrifft. Ich schrieb ja bereits: Die ist in Polen sehr sehr widersprüchlich. Da steht EU-Begeisterung der Bevölkerung gegen Offenheit in dieser Frage.

Ein hochinteressantes Detail in dieser Frage übrigens: Während des 2. Weltkriegs flohen zirka einhunderttausend Polen aus den durch die Sowjetunion okkupierten Landesteilen im Osten Polens - ausgerechnet! - nach Persien. Ich finde momentan leider den Podcast dazu nicht, den ich zu diesem Thema kürzlich hörte. Es war jedenfalls außerordentlich spannend. Insbesondere Gruppen von polnischen Kindern wurden im Iran aufgenommen und sogar persönlich vom damaligen Schah empfangen und mit Speiseeis und Süßigkeiten bewirtet. Es wird berichtet, dass diese polnischen Kinder nach den Schrecken des Kriegs und der Zwangsunterbringung in der SU übereinstimmend der Meinung waren, "ins Paradies" gekommen zu sein. Das sollte man gerade dem Teil der patriotisch veranlagten Polen, die sich gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten wenden, mal als Argumentationshilfe mit auf den Weg geben.

Und der Vergleich UK Polen ist wenigstens insofern nicht ganz verkehrt, als dass beide Regierungsparteien (noch) die beiden einzigen maßgeblichen in der EU-Parlaments-Fraktion EKR, also quasi Schwesterparteien sind.
Sie können inzwischen sicher bewerten, daß ich nicht so entschieden auftrete, wie ich mich hier gebe :) . Das lernt man als Familienvater sehr schnell!

Ich möchte fast wetten, daß die polnischen Nachbarn durchaus sehen, wie die ehemalige sowjetische Zone aufgeblüht ist. Das erlebe ich jetzt in Westpolen zu meiner großen Freude: Überall wird gemauert, gemalt, werden Dächer erneuert, werden öffentliche Gebäude auf Hochglanz gebracht...und überall findet man auch das große Schild, daß dies mit beachtlichen Zuschüssen aus dem EU-Regionalfonds finanziert wurde... also die EU zu Arbeitsplätzen in Polen und mehr Lebensqualität beiträgt. Wenn das urplötzlich entfiele, dann blieben die Schlaglöcher in so mancher Nationalstraße einige Jahre offen, würde so mancher Verkehrsweg gar nicht erst gebaut. Gut, daß ich das noch erleben kann!

Vorsicht, Herr Kaczyński hatte schon die ganz große Meckerei begonnen, weil die großen deutschen Verlagshäuser sich in Polen all der notleidenden Zeitungsverlage angenommen hatten. Da war von Enteignung die Rede, da war von deutschen Supermärkten die Rede, die den polnischen Tante-Emma-Läden die Luft abdrücken. Daß auch das ein großer Schritt in die Neuzeit ist, das hat die PiS erst spät gemerkt. Deren nationalem Demokratieverständnis traue ich zu, daß zu gegebner Zeit die Meckerei auch wieder auflebt. Aber die PiS ist nicht Polen; inzwischen kämpfen liberalere Gruppen darum, daß das Schulwesen nicht zu stets fügsamen frommen Leuten erzieht, sondern zu selbstbewußten und kritikfähigen jungen Leuten... und das auch unter europäischen Flaggen. Noch ist Polen nicht verloren!
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Ger9374 »

Ich würde eher die E.U mit einem Baum vergleichen deren Äste ausgeschnitten werden müssen um besseres gedeihen zu ermöglichen.
Zuviel ausästen kann auch Schaden.
Das E.U Parlament braucht gesetzgeberische Kompetenzen , sonst wird es dem Bürger immer suspekter werden.Und um Abgabe von Kompetenzen geht es doch überhaupt.
Wenn Brüssel jetzt eingeschränkt statt aufgewertet wird gehen wir rückwärts.
Tote äste weg ja, aber mit bedacht an die Zukunft denken.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von frems »

Senexx hat geschrieben:(11 May 2017, 01:35)

Es ist nicht zu übersehen, die Eu steckt in einer tiefen Krise. Der Brexit ist nur das letzte einer ganzen Reihe von Alarmzeichen.

Hauptursache ist, dass die EU sich immer weitere Kompetenzen anmaßt. Entscheidungen werden von den Bürgern weg verlagert, ins ferne, gefräßige, fette Brüssel.

Es kann keinen Zweifel geben, dass die EU verschlankt und zurückgebaut werden muss. Aber wie?

Vorschläge, was zu tun ist?
Völlig falsche Prämisse. Die EU hat sich noch nie eine einzige Kompetenz "angemaßt", weil sie das gar nicht kann, da ihr die Kompetenzkompetenz fehlt. Jede Europäisierung muss von den Mitgliedsstaaten bestimmt werden. Daher hat man eher Zweifel am Bürger und nicht an Europa. Da muss nichts zurückgebaut werden.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Sie sind vermutlich noch zu jung, um Delors zu kennen.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von frems »

Senexx hat geschrieben:(11 May 2017, 17:44)

Sie sind vermutlich noch zu jung, um Delors zu kennen.
Und Du bist einfach nur schlecht informiert. Es ist schon auffällig, dass die lautesten Europagegner häufig am wenigsten Ahnung von den Grundstrukturen der EU haben und dieses (aus ihrer Sicht) fremde, ferne, unbekannte, neue Wesen erstmal ablehnen, da ihnen die Fähigkeit zur Kritik mangels Wissen fehlt.
Labskaus!

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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(11 May 2017, 13:23)

Ich würde eher die E.U mit einem Baum vergleichen deren Äste ausgeschnitten werden müssen um besseres gedeihen zu ermöglichen.
Zuviel ausästen kann auch Schaden.
Das E.U Parlament braucht gesetzgeberische Kompetenzen , sonst wird es dem Bürger immer suspekter werden.Und um Abgabe von Kompetenzen geht es doch überhaupt.
Wenn Brüssel jetzt eingeschränkt statt aufgewertet wird gehen wir rückwärts.
Tote äste weg ja, aber mit bedacht an die Zukunft denken.
Sicher, dieser Vergleich mit einem lebenden Baum mit Totholz ist sehr anschaulich und nachvollziehbar. Ich möchte dennoch daran erinnern, daß viele EU-Kritiker immer wieder auf ein unerträgliches Demokratiedefizit der EU hinweisen. Ein EU-Bürger muß aus meiner Sicht zu Recht das Gefühl haben, daß er mit seiner Wählerstimme die Politik der EU mitgestaltet.

Dazu muß er, wie schon eingeführt, die Abgeordneten des EU-Parlaments wählen können, aber diese Abgeordneten müssen auch Entscheidungsvollmachten erhalten, die ihnen Vorrang vor nationalen Entscheidern einräumen. Die EU-Gesetzgebung muß ganz dringend vom EU-Ministerrat mit seinen Fingerhakeleien auf das Parlament übergehen, wo Probleme von europäischem Rang bewegt werden müssen. Dazu werden die EU-Bürger mit ihrer Stimme bewußt beitragen. Der Wähler soll also in der Sache entscheiden und nicht lächelnde Gesichter zu Abgeordneten des EU-Parlaments ohne "harte Vollmachten" machen.

Den EU-Ministerrat kann man sich gut als 2. Kamnmer in Entscheidungen auf EU-Ebene vorstellen. Dort können entsandte Regierungsmitglieder der Nationalstaaten ihre Ablehnung oder Zustimmung zu Gesetzen des EU-Parlaments vortragen und durch Mehrheiten auch eine Wiedervorlage im EU-Parlament bewirken.

Die EU-Kommission sollte nur noch vom EU-Parlament ernannt werden, wobei auch dort eine sinnvolle Beteiligung der Mitgliedsstaaten festgelegt werden muß. 28 Kommissare sind sicher eine ganz ausgeuferte "Regierungsriege " der EU.

Ein Rückbau der EU wäre parallel dazu sinnvoll; nämlich Mitglieder von der Gestaltung der EU als übergeordnete Ordnungsmacht der EU und der Eurozone aus zuschließen, die dort keinen tragenden Beitrag leisten. Da muß man andere Formen der Beteiligung finden, die dem Maß entsprechen, in dem diese Mitglieder ihren Beitrag zum Gelingen der EU leisten.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Ger9374 hat geschrieben:(11 May 2017, 13:23).
Das E.U Parlament braucht gesetzgeberische Kompetenzen , sonst wird es dem Bürger immer suspekter werden.Und um Abgabe von Kompetenzen geht es doch überhaupt.
Wenn Brüssel jetzt eingeschränkt statt aufgewertet wird gehen wir rückwärts.
Tote äste weg ja, aber mit bedacht an die Zukunft denken.
Richtig erkannt: Das EU-Parlament wird als überflüssig angesehen, genießt keine Legitimitätsgeltung.

Etwas was nicht anerkannt wird, gehört einfach abgeschafft.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von frems »

Oje, und nun auch noch das Märchen der fehlenden Legitimation, wenn's mit der behaupteten Evokation schon nicht hinhaut.
Labskaus!

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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Edmund »

Senexx hat geschrieben:(11 May 2017, 01:35)
Es kann keinen Zweifel geben, dass die EU verschlankt und zurückgebaut werden muss. Aber wie?

Vorschläge, was zu tun ist?
Zuerst könnte mal das EU-Parlament weg. Das kostet nur unnötig viel Geld und macht überhaupt keinen Sinn. Es genügt vollkommen, wenn die demokratisch gewählten Regierungen im Europarat über gemeinsame Regelungen beraten. Und die nationalen Parlamente können dann darüber abstimmen. Da braucht man nicht noch ein extra EU-Parlament mit einem ganzen Rattenschwanz von Beamten und Bürokraten mit dran.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Dazu muß er, wie schon eingeführt, die Abgeordneten des EU-Parlaments wählen können, aber diese Abgeordneten müssen auch Entscheidungsvollmachten erhalten, die ihnen Vorrang vor nationalen Entscheidern einräumen. Die EU-Gesetzgebung muß ganz dringend vom EU-Ministerrat mit seinen Fingerhakeleien auf das Parlament übergehen, wo Probleme von europäischem Rang bewegt werden müssen. Dazu werden die EU-Bürger mit ihrer Stimme bewußt beitragen. Der Wähler soll also in der Sache entscheiden und nicht lächelnde Gesichter zu Abgeordneten des EU-Parlaments ohne "harte Vollmachten" machen.
Nur stellt sich hier das Problem, dass das EU-Parlament nicht nach dem Prinzip der gleichen Wahl (one man, one vote) gewählt wird. Da die wichtigen Sachen in der Kommission entschieden werden, stört das im Moment wohl keinen großartig. Aber für ein echtes Parlament ist das Prinzip der gleichen Wahl eigentlich Voraussetzung.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(12 May 2017, 01:44)

Nur stellt sich hier das Problem, dass das EU-Parlament nicht nach dem Prinzip der gleichen Wahl (one man, one vote) gewählt wird. Da die wichtigen Sachen in der Kommission entschieden werden, stört das im Moment wohl keinen großartig. Aber für ein echtes Parlament ist das Prinzip der gleichen Wahl eigentlich Voraussetzung.
Tatsächlich ist es so, daß in großen Bundesstaaten die Stimmengewichte für Bundesländer nicht auf "One man, one vote" bezogen werden. Die Möglichkeit, daß dann volkreiche Staaten, etwa unser Land, fast sämtliche Entscheidungen prägten, wäre doch zu groß. Deshalb hatte man sich für Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat die qualifizierte Mehrheit überlegt. Dort gilt ein Beschluß als angenommen, wenn die Mehrheit der Staaten und die Mehrheit der darin befindlichen Einwohner in einer Abstimmung erzielt wird. Im Parlament geht so etwas nicht. Da käme mit 1:1 bei 450 Mio Einwohnern ein Abgeordneter je Million zu Stande. Malta hätte dann gar keinen Abgeordneten, und von Parteienmeinungen in Malta wäre im Parlament erst recht nichts zu spüren.

Da hat man sich dazu durchgerungen, daß derzeit Deutschland mit 96 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, und Malta eben mit 6. Das kann man besser in Wiki nachlesen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann folgt die Zahl der Abgeordneten je Partnerstaat einer mathematischen Funktion, die dann zu diesen Ergebnissen führt. Das EU-Parlament ist auch mit 750 Abgeordneten viel zu groß für eine geordnete Arbeit; jedenfalls meine ich das so. Bei Verkleinerung der Zahl der Abgeordneten wird das Mißverhältnis zwischen großen und kleinen Staaten aber noch größer.

Man muß also sehr viele Kompromisse zulassen, damit ein gemeinsames Parlament überhaupt von allen Partnern anerkannt wird.

Ich finde, daß unter den gegebenen Bedingungen ein erträglicher Kompromiß gefunden wurde. Daran würde ich in den kommenden 100 Jahren nicht rütteln wollen. :)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Tatsächlich ist es so, daß in großen Bundesstaaten die Stimmengewichte für Bundesländer nicht auf "One man, one vote" bezogen werden. Die Möglichkeit, daß dann volkreiche Staaten, etwa unser Land, fast sämtliche Entscheidungen prägten, wäre doch zu groß. Deshalb hatte man sich für Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat die qualifizierte Mehrheit überlegt. Dort gilt ein Beschluß als angenommen, wenn die Mehrheit der Staaten und die Mehrheit der darin befindlichen Einwohner in einer Abstimmung erzielt wird. Im Parlament geht so etwas nicht. Da käme mit 1:1 bei 450 Mio Einwohnern ein Abgeordneter je Million zu Stande. Malta hätte dann gar keinen Abgeordneten, und von Parteienmeinungen in Malta wäre im Parlament erst recht nichts zu spüren.

Da hat man sich dazu durchgerungen, daß derzeit Deutschland mit 96 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, und Malta eben mit 6. Das kann man besser in Wiki nachlesen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann folgt die Zahl der Abgeordneten je Partnerstaat einer mathematischen Funktion, die dann zu diesen Ergebnissen führt. Das EU-Parlament ist auch mit 750 Abgeordneten viel zu groß für eine geordnete Arbeit; jedenfalls meine ich das so. Bei Verkleinerung der Zahl der Abgeordneten wird das Mißverhältnis zwischen großen und kleinen Staaten aber noch größer.

Man muß also sehr viele Kompromisse zulassen, damit ein gemeinsames Parlament überhaupt von allen Partnern anerkannt wird.

Ich finde, daß unter den gegebenen Bedingungen ein erträglicher Kompromiß gefunden wurde. Daran würde ich in den kommenden 100 Jahren nicht rütteln wollen. :)
In welchen Bundesstaaten wäre das, dass die Stimmen der Bürger in großen Bundesländern weniger zählen bei der Wahl des Parlaments?

Ob der Kompromiss erträglich ist, liegt im Auge des Betrachters. Der Knackpunkt ist, dass das Verfahren nicht dem Standard westlicher Demokratie entspricht. Mit gleichem Argument könnte ich ein Zensus-Wahlrecht einführen, denn sonst bestünde die Gefahr, dass die ungebildeten Massen sämtliche Entscheidungen prägen, wogegen die kleine Gruppe der Reichen und Gebildeten gar keine Abgeordneten stellt. Die freie, gleiche, geheime Wahl ist nunmal Grundpfeiler der westl. Demokratie. Wobei ich mir sogar vorstellen könnte, dass die Deutschen das hinnehmen, dass ihre Wählerstimmen weniger zählen, falls sie das überhaupt mitkriegen. Bis mit den Stimmen Maltesischer Abgeordneter etwas beschlossen wird, was ihnen so gar nicht in den Kram passt. :)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(12 May 2017, 14:50)

In welchen Bundesstaaten wäre das, dass die Stimmen der Bürger in großen Bundesländern weniger zählen bei der Wahl des Parlaments?
Haben Sie denn nicht mit einiger Überraschung gelernt, daß Frau Clinton etwa 1,5 Mio (!) Stimmen mehr hatte als Herr Trump, der es aber aufgrund der "Wahlmänner" zu einer Mehrheit für die Wahl des Präsidenten gebracht hatte? Ganz offensichtlich waren mehr Stimmen je Wahlmann in einigen Bundestaaten der USA erforderlich. Deshalb ist aber doch kein Volksaufstand losgebrochen, um nun aber Gerechtigkeit her zu stellen. Die Sache könnte ja einen Sinn haben, den wir mit unseren Kenntnissen nicht erfassen können.
Ob der Kompromiss erträglich ist, liegt im Auge des Betrachters. Der Knackpunkt ist, dass das Verfahren nicht dem Standard westlicher Demokratie entspricht.
Das trifft so nicht in Reinkultur zu; siehe oben.
Mit gleichem Argument könnte ich ein Zensus-Wahlrecht einführen, denn sonst bestünde die Gefahr, dass die ungebildeten Massen sämtliche Entscheidungen prägen, wogegen die kleine Gruppe der Reichen und Gebildeten gar keine Abgeordneten stellt.

Jetzt bin ich ziemlich verwirrt. Das Stimmrecht "one man, one vote" benachteiligt bekannte Minderheiten bei jeder Mehrheitsentscheidung. Diese Minderheit brächte es nie zu Sitz und Stimme in Parlamenten, etwa bei Anwendung der 5%-Klausel. Also hat man die Patei der dänisch gesonnenen Minderheit auch mit 3,5% in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt. Folglich zählt jede Stimme für deren Partei mehr als eine für deutsche Parteien.

Wenn man lange genug sucht, wird man genügend viele Beispiele finden, bei denen auch im Westen ungleiche Stimmengewichte nicht nur hingenommen werden, sondern sie sogar Gerant für den inneren Frieden sind.
Die freie, gleiche, geheime Wahl ist nunmal Grundpfeiler der westl. Demokratie.
Da gibt es wirklich kein Vertun!
Wobei ich mir sogar vorstellen könnte, dass die Deutschen das hinnehmen, dass ihre Wählerstimmen weniger zählen, falls sie das überhaupt mitkriegen. Bis mit den Stimmen Maltesischer Abgeordneter etwas beschlossen wird, was ihnen so gar nicht in den Kram passt. :)
Ooch nein, so schafsköpfig sind unsere lieben Mitbürger doch gar nicht. Ich meine, daß usere Mitbürger ganz gut erstehen, welche Kompromisse man in einem Vielvölkerstaat schließen muß, damit alle Beteiligten mitspielen.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Haben Sie denn nicht mit einiger Überraschung gelernt, daß Frau Clinton etwa 1,5 Mio (!) Stimmen mehr hatte als Herr Trump, der es aber aufgrund der "Wahlmänner" zu einer Mehrheit für die Wahl des Präsidenten gebracht hatte? Ganz offensichtlich waren mehr Stimmen je Wahlmann in einigen Bundestaaten der USA erforderlich.
Richtig. Aber soweit ich weiß, ist das nicht absichtlich so eingerichtet worden, sondern durch Bevölkerungsverschiebungen gekommen. Ursprünglich sollte jede Stimme gleich viel zählen. Und auch wenn es keinen Volksaufstand gab, ist die Regelung durchaus umstritten in den USA.
Jetzt bin ich ziemlich verwirrt. Das Stimmrecht "one man, one vote" benachteiligt bekannte Minderheiten bei jeder Mehrheitsentscheidung. Diese Minderheit brächte es nie zu Sitz und Stimme in Parlamenten, etwa bei Anwendung der 5%-Klausel. Also hat man die Patei der dänisch gesonnenen Minderheit auch mit 3,5% in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt. Folglich zählt jede Stimme für deren Partei mehr als eine für deutsche Parteien.
Das ist doch ganz was anderes, als wenn jede Stimme eines Dänen 4 mal so viel zählt wie die eines Deutschen.
Wenn man lange genug sucht, wird man genügend viele Beispiele finden, bei denen auch im Westen ungleiche Stimmengewichte nicht nur hingenommen werden, sondern sie sogar Gerant für den inneren Frieden sind.
So? o_O
Ooch nein, so schafsköpfig sind unsere lieben Mitbürger doch gar nicht. Ich meine, daß usere Mitbürger ganz gut erstehen, welche Kompromisse man in einem Vielvölkerstaat schließen muß, damit alle Beteiligten mitspielen.
Das mag sein. Die Frage wäre dann, warum man sich einen Vielvölkerstaat suchen sollte, wenn man einen National-Staat bereits erreicht hat.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(12 May 2017, 22:28)

Richtig. Aber soweit ich weiß, ist das nicht absichtlich so eingerichtet worden, sondern durch Bevölkerungsverschiebungen gekommen. Ursprünglich sollte jede Stimme gleich viel zählen. Und auch wenn es keinen Volksaufstand gab, ist die Regelung durchaus umstritten in den USA.
Das ist doch ganz was anderes, als wenn jede Stimme eines Dänen 4 mal so viel zählt wie die eines Deutschen.

So? o_O

Das mag sein. Die Frage wäre dann, warum man sich einen Vielvölkerstaat suchen sollte, wenn man einen National-Staat bereits erreicht hat.
Das mit dem Nationalstaat ist nun wirklich ein sehr weites Feld ohne gute Zukunft. Aber die zugehörige Erklärung führte auch zu weit. Nur so viel im Nationalstaat: Durch Wahlgesetz zählt auch die Stimme eines dänisch gesonnenen Wählers mehr als die eines Nur-Deutschen, wenn es um deren spezielle Partei SSW geht. Für die gilt die 5%-Hürde nicht. Diese Regelung dient sicher dem inneren Frieden in Schleswig-Holstein. Die CDU hatte 'mal gemeckert, als der SSW eine stabile Regierungskoalition SPD/Grüne/SSW ermöglicht hatte. Aber dieser Zorn hat sich längst gelegt... was ich auch Ihnen empfehle. Vielleicht bildet demnächst die CDU eine Regierungskoalition CDU/Grüne/SSW, und dann hat der Herrgott für einen Ausgleich gesorgt!
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Deutsch-Französischer Pakt?

Beitrag von King Kong 2006 »

Läuft es doch auf ein Kerneuropa hinaus?
Fast Hälfte der Deutschen will europäischen Finanzminister

Außenminister Gabriel schlägt nach SPIEGEL-Informationen einen deutsch-französischen Pakt zur Zukunft Europas vor. Kritik auf die Vorschläge des neuen Präsidenten Macron nennt er "engstirnig und kleinherzig". Viele Deutsche hat er hinter sich.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/f ... 47428.html
Es wirkt so, als ob in unsicheren Zeiten eine Möglichkeit ist dichter zusammenzurücken. Nicht nur nationalstaatlich, sondern auch auf internationaler Ebene.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
Wissen stellt eine Barriere dar, die einen daran hindert, etwas in Erfahrung zu bringen.
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Deutsch-Französischer Pakt?

Beitrag von King Kong 2006 »

doppelt
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Brainiac »

Senexx hat geschrieben:(09 May 2017, 10:38)

Die EU maßt sich immer Kompetenzen an. Begonnen hat es mit Delors, als unter dem Vorwand des Wettbewerbs und der Abschaffung von Wettbewebshindernissen immer mehr Bereiche reguliert wurden.

Das ist das französische Zentralstaatsmodell.

Diametral entgegengesetzt dem deutschen Verständnis von Föderalismus.
Hast du eigentlich irgendeine Ahnung vom deutschen Föderalismus?

Die Bundesländer haben um ein Vielfaches mehr Kompetenzen an den Bund abgegeben, als die europäischen Staaten an die EU. Es gibt schon seit über 60 Jahren einen bundesdeutschen Finanzminister, und ein erheblicher Teil der Staatsausgaben in Deutschland werden durch den Bund bestimmt. Natürlich gibt es auch jede Menge Bundesgesetze und Regulierungen durch den Bund, die Märkte und Wettbewerb in den Bundesländern beeinflussen, nehmen wir nur mal die Bundesnetzagentur. Und, im Konfliktfall, Bundesrecht bricht Landesrecht.

Das, was den Pro-EUlern in diesem und in anderen Strängen, oder auch Herrn Macron, so vorschwebt, steht in Sachen Integration um Lichtjahre hinter der Kompetenzübertragung der deutschen Bundesländer an den Bund zurück.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Aber dieser Zorn hat sich längst gelegt... was ich auch Ihnen empfehle.
Hat er doch längst. Ich plane in aller Ruhe zu beobachten, wie der Vielvölker-Moloch sich selbst zerstört. Da bin ich eigentlich recht zuversichtlich. Nach meiner historischen Kenntis haben Vielvölkerstaaten in der Moderne diese Tendenz. Wie ging noch der Spruch mit dem Fluss und der Leiche? ;)
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Brainiac hat geschrieben:(13 May 2017, 10:08)

Hast du eigentlich irgendeine Ahnung vom deutschen Föderalismus?

Die Bundesländer haben um ein Vielfaches mehr Kompetenzen an den Bund abgegeben, als die europäischen Staaten an die EU. Es gibt schon seit über 60 Jahren einen bundesdeutschen Finanzminister, und ein erheblicher Teil der Staatsausgaben in Deutschland werden durch den Bund bestimmt. Natürlich gibt es auch jede Menge Bundesgesetze und Regulierungen durch den Bund, die Märkte und Wettbewerb in den Bundesländern beeinflussen, nehmen wir nur mal die Bundesnetzagentur. Und, im Konfliktfall, Bundesrecht bricht Landesrecht.

Das, was den Pro-EUlern in diesem und in anderen Strängen, oder auch Herrn Macron, so vorschwebt, steht in Sachen Integration um Lichtjahre hinter der Kompetenzübertragung der deutschen Bundesländer an den Bund zurück.
Aus meiner Sicht sollte an die Zentralgewalt in der EU schon ein Löwenanteil der Hoheitsrechte
aller Partner übertragen werden, damit die Gemeinschaft auch in Krisen aller Art funktionsfähig bleibt. Unterhalb der EU-Zentralgewalt sollten die alten Verwaltungsgrenzen der Nationalstaaten weiter gelten; allerdings mit einer Klammerwirkung der Sicherheitskräfte in den Nachbarstaat, damit Gauner und Verbrecher nicht so leichtes Spiel mit den Grenzen haben.

Ansonsten sollte die Kulturhoheit in den Nationalstaaten bleiben (Sprache, Theater, Oper, Rundfunk, Schulbildung...). Aber eine einheitliche zweite Verwaltungssprache solte auf jeden Fall hinzu kommen. Nachdem nun der BREXIT unabwendbar ist, könnte das Französisch sein oder aber Deutsch. Ist mir Wurst, meinetwegen auch Italienisch :D

Der Aufbau der Föderation und die Verteilung erwirtschafteter Mittel sollte auch gründlich besprochen werden, vor allem im europäischen Geist. Nationale Kleingeistigkeiten sind verzichtbar!

Wichtig für die Gemeinschaft ist die demokratische Kontrolle der Organe der EU durch ein gemeinsames Parlament als Gesetzgeber und Quelle der Regierungsmacht in der Gemeinschaft. Bei Widersprüchen bricht Gemeinschaftsrecht das Landesrecht. Streitfälle müssen vor dem EuGH ausgetragen werden. Dessen Urteil ist verbindlich.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(13 May 2017, 10:41)

Hat er doch längst. Ich plane in aller Ruhe zu beobachten, wie der Vielvölker-Moloch sich selbst zerstört. Da bin ich eigentlich recht zuversichtlich. Nach meiner historischen Kenntis haben Vielvölkerstaaten in der Moderne diese Tendenz. Wie ging noch der Spruch mit dem Fluss und der Leiche? ;)
Dann wünsche ich Ihnen ein langes Leben, damit Sie die Entwicklung der EU als Gemeinschaft freier Völker auch viele Jahrzehnte lang ganz entspannt beobachten können! :)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Dann wünsche ich Ihnen ein langes Leben, damit Sie die Entwicklung der EU als Gemeinschaft freier Völker auch viele Jahrzehnte lang ganz entspannt beobachten können! :)
Vorausgesetzt, dass sie noch vier Jahre Merkel übersteht. Wetten werden noch angenommen. :D
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(13 May 2017, 11:06)

Vorausgesetzt, dass sie noch vier Jahre Merkel übersteht. Wetten werden noch angenommen. :D
Frau Merkel wird auch diesen guten Wunsch erfüllen. Montag geht's los mit dem dann Präsidenten Macron. Die beiden werden einen groben Arbeitsplan entwerfen, an dem sich die gemeinsame Arbeit für die Gemeinschaft entlang entwickeln wird. Und dann kommen Nägel mit Köpfen zum Einsatz. Weitere Partner kommen hinzu, wenn der gemeinsame Motor angesprungen ist. Ich bin recht hoch gestimmt, weil Leute von Geist sich mit wenig Getöse in die Riemen legen.
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(13 May 2017, 10:54)

Aus meiner Sicht sollte an die Zentralgewalt in der EU schon ein Löwenanteil der Hoheitsrechte
aller Partner übertragen werden, damit die Gemeinschaft auch in Krisen aller Art funktionsfähig bleibt. Unterhalb der EU-Zentralgewalt sollten die alten Verwaltungsgrenzen der Nationalstaaten weiter gelten; allerdings mit einer Klammerwirkung der Sicherheitskräfte in den Nachbarstaat, damit Gauner und Verbrecher nicht so leichtes Spiel mit den Grenzen haben.

Ok, sorry falls ich da für Ihren Standpunkt eine falsche Aussage getroffen habe. Das ist aber eher Ihre Vision als ein ernsthaft verfolgter Zielzustand der nächsten 5-10 Jahre, oder?

Was die Situation in D angeht, siehe:

http://www.bpb.de/politik/grundfragen/d ... verteilung

Hier haben die Bundesländer nichts zu sagen (Stand nach Föderalismusreform 2006):
Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes (Art. 73 GG)

Auswärtige Angelegenheiten, Staatsangehörigkeit, Passwesen, Einwanderung, Währung, Warenverkehr, Luftverkehr, Eisenbahn, Post und Telekommunikation, Beamtenrecht, Urheberrecht, Bundeskriminalamt, Statistik für Bundeszwecke, Melde- und Ausweiswesen, Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland, Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, Waffen- und Sprengstoffrecht, Versorgung der Kriegsbeschädigten, Kernenergie.

Und hier kann der Bund den Ländern reinreden und sie ggfs overrulen (ebenfalls um Änderungen der Föderalismusreform bereinigt):
Konkurrierende Gesetzgebung (Art.: 74 GG, 74a GG)

Strafrecht, Notariat, Personenstandswesen, Vereins- und Versammlungsrecht, Aufenthaltsrecht. Ausländer, Flüchtlinge und Vertriebene, öffentliche Fürsorge, Kriegsschäden und Wiedergutmachung, Kriegsgräber, Recht der Wirtschaft, Arbeitsrecht, Ausbildungsbeihilfen, Recht der Enteignung, Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht, Förderung von Landwirtschaft und Fischerei, Bodenrecht, Zulassung zu Heilberufen und Verkehr mit Arzneimitteln, wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, Pflanzen- und Tierschutz, Schifffahrt, Straßenverkehr, Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung, Staatshaftung, künstliche Befruchtung, Besoldung und Versorgung im öffentlichen Dienst der Länder.

Diese Themen ganz oder überwiegend an die EU abzugeben, wäre mir bezogen auf die nächsten 5 bis 10 Jahre viel zu weitgehend, zB in den Bereichen Staatsangehörigkeit, Einwanderung, Strafrecht, Arbeitsrecht und Aufenthaltsrecht sowie den ganzen Verkehrsträgern. Unabhängig davon, ob das überhaupt sinnvoll ist, es ist kurz- und mittelfristig schlicht unmöglich.

Und auch langfristig gibt es für mich Themen, die dominant bei den EU-Migliedsländern verbleiben sollten, neben Bildung und Kultur vor allem Infrastruktur, Innere Sicherheit und Polizeiwesen, Soziales und Arbeitsmarktvermittlung / -förderung. Die Bundesagentur für Arbeit zB war mE. keine gute Idee, dieses Thema kann operativ durch lokale Behörden vor Ort, die die regionalen Gegebenheiten kennen, besser geregelt werden.

H2O hat geschrieben:(13 May 2017, 10:54) Ansonsten sollte die Kulturhoheit in den Nationalstaaten bleiben (Sprache, Theater, Oper, Rundfunk, Schulbildung...). Aber eine einheitliche zweite Verwaltungssprache solte auf jeden Fall hinzu kommen. Nachdem nun der BREXIT unabwendbar ist, könnte das Französisch sein oder aber Deutsch. Ist mir Wurst, meinetwegen auch Italienisch :D

Die Sprache ist in der Tat ein nicht zu unterschätzendes Integrationshindernis, vielleicht sogar mit das größte.

Brexit hin oder her, es sollte Englisch sein. Jetzt gerade. ;) Das wäre auch die neutralste Lösung bzgl der verbleibenden Mitglieder.
H2O hat geschrieben:(13 May 2017, 10:54) Der Aufbau der Föderation und die Verteilung erwirtschafteter Mittel sollte auch gründlich besprochen werden, vor allem im europäischen Geist. Nationale Kleingeistigkeiten sind verzichtbar!

Wichtig für die Gemeinschaft ist die demokratische Kontrolle der Organe der EU durch ein gemeinsames Parlament als Gesetzgeber und Quelle der Regierungsmacht in der Gemeinschaft. Bei Widersprüchen bricht Gemeinschaftsrecht das Landesrecht. Streitfälle müssen vor dem EuGH ausgetragen werden. Dessen Urteil ist verbindlich.
Das wäre identisch zum deutschen Föderalismus, und halte auch ich für essentiell.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von frems »

Soldmann hat geschrieben:(12 May 2017, 01:44)

Nur stellt sich hier das Problem, dass das EU-Parlament nicht nach dem Prinzip der gleichen Wahl (one man, one vote) gewählt wird.
Das ist Unsinn. Die degressive Proportionalität ist völlig normal in föderalen Staaten, z.B. in der Schweiz, bei unserem Bundesrat, in den USA etc. Das hat schon seine Gründe. Wenn man das vermeintliche "Problem" beheben möchte, müsste man europaweite Listen aufstellen, wie sie bspw. der neue Präsident Frankreichs gefordert hat. Eine Abschaffung eines Parlaments aufgrund eines Details ist ja hanebüchen. Als wenn ein Brite sein Parlament abschaffen möchte, weil eine Partei wie UKIP über 13% der Stimmen bekam, aber nur mit Glück ganz knapp auf 0,1% der Parlamentssitze kam. :p
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