peterkneter hat geschrieben:(13 Sep 2018, 14:05)
Das Problem sind ganz offensichtlich die Medien. Die sind in UNgarn ja voll unter der Kontrollle der Fidez Partei von Orban. Da gibt es zum Teil haarsträubende Nachrichten über den Rest der Welt (z.B. würde ein Atomangriff auf Ungarn vorbereitet, usw) und die Bevölkerung hat keine Chance an ungefilterte Nachrichten zu gelanden. Wenn sich der Zampano Orban dann vor dem EU Parlament hinstellt und sagt, dieses Votum sein gegen das Volk von Ungarn (Er verwechselt ja absichtlich Volk und Regierung) Dann glauben das
alle in Ungarn und haben noch mehr Hass auf den Rest von Europa.
Nein. (Zum Glück) eben nicht alle. Wie auch in vielen anderen westlichen, demokratischen Staaten gibt die Parteienverteilung im Parlement nicht eins-zu-eins die tatsächliche prozentuale Verteilung der politischen Ausrichtung der Bevölkerung wieder. Nichtwähler ist der eine Faktor. Die Stellung zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl der andere. Und ich sage nochmal: Pro-Europa-Demonstrationen mit tausenden von EU-Flaggen wie in BUdapest oder Warschau gibts in Amsterdam oder Paris eben nicht. Und nochmal: Das hat nix oder kaum etwas mit diesen immer wieder reflexartig vorgebrachten EU-Zahlungen zu tun. Die Popularität von Orbán und der Fidesz wird vor allem von einer wahrgenommenen bzw. besser
angenommenen Durchsetzungskraft innerhalb der EU getragen. Der Mann setze konsequent auch gegen mächtige große Staaten wie Deutschland oder Frankreich die Interessen eines kleinen 10-Millionen-Staats innerhalb der EU durch. Und daraus folgt beides: EU-Kritik wie auch EU-Befürwortung. So die Erzählung. Das darf man nicht gutheißen, muss es aber zur Kenntnis nehmen, wenn man die politische Situation realistisch einschätzen will.
Im kulturellen Bereich und bei den Medien, Presse, Rundfunk, TV, Buchverlage wiederum ist die SItuation in Ungarn
absolut verheerend. Es gibt so gut wie keine wirksamen, oppositionellen Gegenstimmen. Darin ähnelt die Situation tatsächlich der in RUssland. Und das dürfte auch eine der Ursachen für die Zersplitterung der politischen Opposition sein. Was ich in der Hinsicht für am wahrscheinlichsten halte: Dass sich ähnlich wie in Spanien oder Italien
Bewegungen anstelle von Parteien bilden werden. Die Frage ist nur, wo die sich politisch im Links-Rechts-Spektrum einordnen werden.
Auf diese Weise bleibt Orban ewig an der Macht und Ungarn schlittert mehr und mehr in einer in sich abgekapselte Staatsform. Die Einzigen, die noch zu Ungarn halten werden Putin, Erdogan und die Polen sein, die sich auf einem ähnlichen Weg befinden. Einzige Lösung wäre die EU-Milliarden an Bedingungen zu knüpfen oder sie gleich ganz einzufrieren. Aber dann leiden auch nur die Ungarn und Orban kann sich wieder als Opfer inszenieren.
Die sogenannten "EU-Milliarden" sind marginal im Vergleich etwa zu den EU-Agrarsubventionen. Und die, die "zu Ungarn halten" sind vor allem die großen europäischen und vor allem auch deutschen Unternehmen. Siemens, Bosch, Daimler und vor allem und allen voran Audi.
Dies sorgt dafür, dass es im abgelaufenen Quartal ein Rekord-BIP-Wachstum gab. Dass die Arbeitslosenquote im Vergleich vor allem zu den Staaten Südeuropas wie Spanien, Italien, Griechenland unvergleichlich niedriger liegt. Die Abwanderungsquote ist aufgrund der zwar nicht niedrigen, aber vergleichsweise niedriger
en Einkommen in Westmittleuropa dennoch ziemlich hoch. Weil auch das Bildungswesen in Ungarn verhältnismäßig gut ist. Genau das eigentliche mittelfristige Problem in Ländern wie Ungarn: Technologie-Unternehmen wie etwa Autohersteller verlagern auch ihre Entwicklungsabteilungen und sind von daher auf hochqualifizierte Angestellte angewiesen. Sie wollen auch jetzt noch immer expandieren und
tun es auch. Gerade auch in Ungarn. Was nicht zuletzt an der geographischen Nähe zu Westmitteleruopa und der gut entwickelten Infrastruktur in solchen Ländern liegt.
Dahin vor allem gehen EU-Fördermittel. Du siehst: Die tatsächliche Situation ist weitaus vielschichtiger und komplexer und vor allem
anders als häufig diskutiert wird.
Und es kommt aktuell und jüngst und politisch noch etwas ganz anderes hinzu: Zumindest Österreich und Italien outen sich gegenwärtig als vielleicht noch engere Verbündete Ungarns wie die V4-Staaten.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)