http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 42961.htmlDie Wirtschaft schrumpft, die Zahl der Arbeitslosen wächst - doch die Portugiesen geben sich nicht auf. Statt für weitere Rettungsmilliarden zu demonstrieren, erschließt eine junge Unternehmergeneration mitten in der Krise die Wachstumsmärkte der Zukunft.
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In ihrem Labor entschlüsselt die Portugiesin mit den kinnlangen schwarzen Locken die genetischen Unterschiede von Trauben. Und sie analysiert jene Mikroorganismen, die den Most bei der Gärung in Wein verwandeln. Schon bald will sie den Säuregehalt der Weinsorten steuern und bestimmen, ob sich in den Geschmack ein Hauch von Orange oder doch lieber eine Prise Zitrone mischt.
Geschäftlich feiert die 34-Jährige erste Erfolge. Sie wurde von Sogrape engagiert, von Portugals größtem Weinhändler und einem der umsatzstärksten Konzerne der Nation. Doch ihr eigenes Land ist der Molekularbiologin nicht genug. "Unser Ziel ist es, überall auf der Welt die Weine besser zu machen", sagt sie.
Es gibt zahlreiche Portugiesen, die wie Gomes denken, nur dass selten jemand über sie spricht. Zu allgegenwärtig ist die Krise, zu erdrückend sind die Nachrichten über schrumpfende Löhne und wachsende Arbeitslosigkeit. Schon fragen sich Europas Krisenmanager, ob nach Griechenland bald auch Portugal einen Schuldenschnitt braucht.
Dabei sind die Aussichten auf einen Erfolg der Reformen in Portugal deutlich besser als in Griechenland - und das liegt auch an Menschen wie Ana Catarina Gomes. Sie fragen nicht, ob der nächste Aufschwung kommt, sondern wann. Und wie es ihnen gelingt, die Durststrecke bis dahin zu überwinden. Sie haben die Hoffnung in ihr Land nicht aufgegeben.
Ende Juni attestierte das Freiburger Zentrum für Europäische Politik der Lissabonner Regierung, sie mache bei der Umsetzung ihres Sparprogramms gute Fortschritte. Durch konsequente Strukturreformen wie die Liberalisierung des Arbeitsmarkts sei das Land auf einem guten Weg, wieder wettbewerbsfähiger zu werden.
Doch zur Wettbewerbsfähigkeit braucht man nicht nur die richtigen politischen Rahmenbedingungen, sondern auch Unternehmer, die diese Bedingungen zu nutzen wissen. In Griechenland fehlt es nicht nur an den richtigen Bedingungen, sondern auch an innovativen Unternehmern und wettbewerbsfähigen Produkten. In Portugal hingegen gibt es unzählige Menschen, die in der Krise bereits an ihrem unternehmerischen Erfolg von morgen arbeiten.
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Viele Firmen auf dem Gelände haben eine ähnliche Strategie, um im globalen Wettbewerb zu bestehen: Sie schaffen innovative Biotech-Produkte und greifen gleichzeitig auf den Erfahrungsschatz der traditionellen portugiesischen Wirtschaft zurück. Zum Beispiel auf das über Jahrhunderte kultivierte Wissen über Weinanbau, Land- und Forstwirtschaft.
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Die Firma CEV etwa stellt ein Biofungizid her, ein Schädlingsbekämpfungsmittel, mit dem sich Weinreben und Mandelbäume umweltschonend behandeln lassen. In- und ausländische Investoren haben bereits 25 Millionen Euro in das Unternehmen gesteckt. Ab Januar 2013 wird CEV das Mittel in großen Mengen nach Kanada und in die USA exportieren. Die Verträge sind unterzeichnet, die erste Fabrik wird gerade gebaut.
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Nun geht die Lissabonner Regierung die Strukturreformen an - auf Druck der sogenannten Troika aus EU-Kommission, EU-Ländern und Internationalem Währungsfonds, deren Finanzhilfen sie bezieht. Die Arbeitsmärkte werden flexibilisiert, das Gesundheits- und Sozialsystem billiger, das Rechtssystem wird unternehmerfreundlicher.
In einigen Sektoren herrscht bereits wieder Aufbruchstimmung. Die Textilproduktion mag nach Osteuropa abgewandert sein, dafür gibt es nun Firmen wie Textil Manuel Goncalves, die hochpreisige Markenkleidung made in Portugal vertreiben.
Besonders groß sind die Erwartungen im Bereich der erneuerbaren Energien. Mit seinen Küsten, überdurchschnittlich vielen Sonnenstunden und zahlreichen Wasserläufen hat das Land beste Standortbedingungen. Die Politik hat früh begonnen, dieses Potential zu erschließen. 2011 stammten bereits 46 Prozent der produzierten Energie aus erneuerbaren Quellen. Im Land sind zahlreiche Unternehmen entstanden, die Technologie für den Ökosektor entwickeln und diese mehr und mehr ins Ausland exportieren. Firmen wie A Silva Matos, ein Hersteller von Offshore-Windplattformen, oder Novabase, ein Hersteller von Ladestationen für Elektroautos.
"Portugal hat das Potential, zu Europas erster grüner Ökonomie zu werden", sagt Agostinho Miguel vom portugiesischen Branchenportal Energias Renováveis. Im Öko-Sektor sei technologische Kompetenz entstanden, von der das Land in den kommenden Jahrzehnten profitieren werde.
Auch Carlos Faro, der Gründer des Technologieparks Biocant, blickt optimistisch in die Zukunft. "Das Potential Portugals ist groß", sagt er. "Das Problem ist die Lücke zwischen jetzt und der Zeit, in der die Strukturreformen greifen und die neuen Märkte wachsen. Bis dahin lautet die Devise vor allem: durchhalten."
Nun, sicherlich ein zartes Pflänzchen welches aber zu gedeihen verspricht. Denn dann ganze sieht nach etwas mit Substanz aus und nicht was in einer Immobilienblase oder Bankenkrise enden wird.
Werden die Portugiesen es mit diesem Kurs schaffen? Ich zumindest wünsche viel Erfolg!