Kommt der Westen zur Vernunft?

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Senexx

Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Senexx »

DarkLightbringer hat geschrieben:(15 Apr 2018, 14:13)

Erstmal muss der Feind aufgeklärt werden.

Dem "strategischen Denken" des Threaderstellers würde ich aber vom Grundsatze her zustimmen wollen.
Es ist viel Auflärungsarbeit nötig. Nicht nur bei der Feindaufklärung.

Generell ist das politische Denken zu wenig strategisch orientiert. Und wird vielfach von Emotionen beherrscht.
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Tom Bombadil
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(15 Apr 2018, 13:44)
Da sind keine Parolen oder Forderungen, es handelt sich lediglich um meine Schlussfolgerung bzgl. möglicher Folgen grenzenloser und "alternativloser" Toleranz der Intoleranz (und nein, damit ist nicht einzig und alleine der Islam gemeint, sondern auch rechts- und linksextreme Ideologien). Anscheinend hat bei euch Naziparanoiden aber das Wort "Kultur" getriggert, tut mir leid, war keine Absicht, ihr könnt auch "Werte" (wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte etc. pp.) dafür nehmen, vllt. wird es für euch dann klarer.
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KarlRanseier

Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von KarlRanseier »

Tom Bombadil hat geschrieben:(15 Apr 2018, 15:33)

Da sind keine Parolen oder Forderungen, es handelt sich lediglich um meine Schlussfolgerung bzgl. möglicher Folgen grenzenloser und "alternativloser" Toleranz der Intoleranz (und nein, damit ist nicht einzig und alleine der Islam gemeint, sondern auch rechts- und linksextreme Ideologien). Anscheinend hat bei euch Naziparanoiden aber das Wort "Kultur" getriggert, tut mir leid, war keine Absicht, ihr könnt auch "Werte" (wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte etc. pp.) dafür nehmen, vllt. wird es für euch dann klarer.

Du möchtest also eine "gelenkte Demokratie", in der es Toleranz nur in sehr engen Grenzen gibt und in der Kritiker der Machtverhältnisse, also "Extremisten", zumindest mundtot gemacht werden?

Ich dachte immer, Demokratie würde u.a. bedeuten, dass man auch Andersdenkenden nicht das Wort verbietet, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich außerhalb des jeweiligen Mainstreams befinden? :?:
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von zollagent »

KarlRanseier hat geschrieben:(15 Apr 2018, 16:11)

Du möchtest also eine "gelenkte Demokratie", in der es Toleranz nur in sehr engen Grenzen gibt und in der Kritiker der Machtverhältnisse, also "Extremisten", zumindest mundtot gemacht werden?

Ich dachte immer, Demokratie würde u.a. bedeuten, dass man auch Andersdenkenden nicht das Wort verbietet, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich außerhalb des jeweiligen Mainstreams befinden? :?:
Kritiker sind nicht immer Extremisten. Das ist wieder mal nur das Opferspielen, das du offenbar sehr verinnerlicht hast, mit all den Thesen, bei denen du feststellen mußtest, daß sie nicht mehrheitsfähig sind. In einer Demokratie wird auch niemand "mundtot" gemacht.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Polibu »

Tom Bombadil hat geschrieben:(15 Apr 2018, 12:11)

Entweder wird man in den westlichen Demokratien wieder härter und ist bereit, sich und seine Kultur zu verteidigen oder man wird untergehen.
Das ist eine sachliche und absolut korrekte Einschätzung.
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Tom Bombadil
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

KarlRanseier hat geschrieben:(15 Apr 2018, 16:11)

Du möchtest also...
Möööp, falsch. Versuche es weiter.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(15 Apr 2018, 12:11)

Entweder wird man in den westlichen Demokratien wieder härter und ist bereit, sich und seine Kultur zu verteidigen oder man wird untergehen.
Als Prediger in der Wüste machen wir beiden uns bestimmt sehr gut! Mich wundert zum Beispiel, mit welcher Gelassenheit Mitbürger und Regierende den beklagenswerten Zustand der Bundeswehr und des Grenzschutzes bestehen lassen. Die Innere Sicherheit läßt zu wünschen übrig, die äußere desgleichen. Bislang konnte man sich noch unter den Schirm der USA ducken, wenn es ganz dicke zu kommen drohte. Ist diese gewohnte Verantwortung Dritter für unsere Sicherheit weiterhin gewährleistet? Wenn da mal nicht in den USA jemand eine Strichliste führt, wie oft unser Land sich gemeinsamem Vorgehen gegen einen gemeinsamen äußeren Gegner entzogen hat? Wenn man sich solche Freiheiten gönnt, dann sollte man wohl in der Lage sein, den Übermut Halbstarker dämpfen zu können, den wir hier von Zeit zu Zeit erlebt haben.
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schokoschendrezki
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Es ist schon viele male und zu recht darauf hingewiesen worden: Die Wahrnehmung einer scheinbar zunehmenden Krisenhaftigkeit der Welt ist eben das: Eine Frage der Wahrnehmung und vor allem auch der Wandlung der Medien und nur sehr bedingt eine Frage der Realität. Zumindest wenn man den betrachteten Zeitraum auf mehr als nur ein paar Jahre ausdehnt. Herausragend in dieser Hinsicht 2011 das Buch des Harvard-Forschers Steven Pinker: "The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined" (deutsch als: "Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit" erschienen). Nur als ein Aspekt von vielen: Solange die gewaltsame Tötung von Menschen (Mord, Totschlag, Krieg, Terror) nicht auf absolut Null Komma Null sinkt, wird es grundsätzlich und immer Titelblatt-Schlagzeilen mit Berichten über gewaltsame Tötungen geben.

Die großen Massaker der jüngeren Vergangenheit spielten sich irgendwo in Indonesien oder Südamerika ab. Die großen Hungersnöte jügerer Zeit irgendwo in Äthiopien, Bangla Desh oder Biafra. Während gleichzeitig in der Bundesrepublik manchmal tagelang die Forderungen des Flughafenpersonals nach mehr Gehalt die Meldung Nummer Eins war. Das Gefühl wachsender Krisenhaftigkeit täuscht.

Massive Probleme gibt es natürlich dennoch. Aber diese nicht gerade kleinen Probleme der Gegenwart und Zukunft sind allesamt Probleme, die die ganze Menschheit betreffen.Es nützt also nichts, eine Einigelung dieses sogenannten "Westens" als Wertegemeinschaft zu betreiben.
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Tom Bombadil
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(16 Apr 2018, 08:22)

Zumindest wenn man den betrachteten Zeitraum auf mehr als nur ein paar Jahre ausdehnt.
Das Problem dabei ist, dass du nicht zu weit zurückgehen kannst, der Kalte Krieg war geprägt von Stellvertreterkriegen, die deutlich mehr Opfer gefordert haben als die jetzigen Konflikte, alleine in Südostasien hat der Vietnamkrieg das Maß übererfüllt.
Die Wahrnehmung von Krisen liegt nicht nur an der Zeit, sondern auch am Ort. Wenn sich irgendwo tausende Kilometer entfernt Afrikaner mit Macheten abschlachten, dann ist das weniger präsent als wenn in Berlin ein LKW in eine Menschenmenge rast. Das liegt in der Natur des Menschen. Die Krisen sind deutlich näher an Europa herangerückt, das fing mit Jugoslawien an und ist derzeit mit dem islamistischen Terror präsent. Ja, früher gab es die RAF, die hat sich ihre Ziele aber eher in den Eliten gesucht, der normale Bürger war da weniger gefährdet. Und selbstverständlich spielen die Medien auch eine Rolle. Wenn "damals" in Freiburg eine Frau vergewaltigt wurde, dann hat man das kaum mitbekommen, heute sind die Onlinezeitungen sofort voll davon, es wird getwittert und geteilt, was das Zeug hält, und nicht zuletzt diskutieren wir hier auch über so etwas. Dadurch rückt einem so etwas auch näher auf den Pelz, das ist die Kehrseite der Informationsgesellschaft.
Unser Staat mit seinen Organen muss sich wandeln, er muss transparenter werden, öffentlicher, verständlicher, ich glaube, dann wäre schon viel gewonnen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Tom Bombadil hat geschrieben:(15 Apr 2018, 15:33)

Da sind keine Parolen oder Forderungen, es handelt sich lediglich um meine Schlussfolgerung bzgl. möglicher Folgen grenzenloser und "alternativloser" Toleranz der Intoleranz (und nein, damit ist nicht einzig und alleine der Islam gemeint, sondern auch rechts- und linksextreme Ideologien). Anscheinend hat bei euch Naziparanoiden aber das Wort "Kultur" getriggert, tut mir leid, war keine Absicht, ihr könnt auch "Werte" (wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte etc. pp.) dafür nehmen, vllt. wird es für euch dann klarer.
Es steht hier Global gesehen ein ganz andere Frage im Raum, alsdie kurzsichtige Verteidigung einer Kultur ect.
Hier steht das Zusammenwachsen der Erdbevölkerung auf den Spiel. Soll dieser Prozess umgekehrt werden, weil auf den Weg dahin Probleme auftreten. Sollen sich alle Nationalstaaten wieder zurück in die 30iger Jahre begeben?
Klare Antwort von mir, nein. Die Probleme muessen anders als mit Protektionismus und/oder Kulturellen einigeln gelöst werden, denn dies führt m.M. unweigerlich wieder zu größeren und mehr nonverbalen Auseinandersetzungen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Wähler »

Interessanter Presseclub (+ Nachgefragt) zum Thema: Zurück zum Kalten Krieg?
http://www.ardmediathek.de/tv/Presseclu ... d=51654772
Fazit:
Ohne Russland kommt es zu keiner Lösung im syrisch-nahöstlichen Bürgerkrieg.
Die EU-Außenpolitik muss professioneller werden und das Machtvakum, welches die USA hat entstehen lassen, helfen, mit zu füllen. Deutschland könnte seine guten Kontakte zu Moskau effektiver nutzen.
Der Journalist von der SZ hat durchblicken lassen, dass zunehmend heftigere Kommentare der Bevölkerung in der außenpolitischen Redaktion angekommen sind.
Der Journalist von der Zeit plädierte für mehr "Augenhöhe" im Umgang mit der laut Obama "Regionalmacht" Russland.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Tom Bombadil
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

relativ hat geschrieben:(16 Apr 2018, 10:31)

Hier steht das Zusammenwachsen der Erdbevölkerung auf den Spiel.
Wenn ich schätzen soll, wann die Erdbevölkerung zusammengewachsen ist, dann weiß ich nicht, ob 500 oder 1000 Jahre oder doch "nie" die richtige Schätzung wäre. Die Proletarier aller Länder werden sich in absehbarer Zeit nicht vereinigen und es werden alle Menschen auch nicht so bald Brüder, keine Chance, dazu ist der Mensch noch viel zu sehr "Raubtier".
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Tom Bombadil hat geschrieben:(16 Apr 2018, 10:57)

Wenn ich schätzen soll, wann die Erdbevölkerung zusammengewachsen ist, dann weiß ich nicht, ob 500 oder 1000 Jahre oder doch "nie" die richtige Schätzung wäre. Die Proletarier aller Länder werden sich in absehbarer Zeit nicht vereinigen und es werden alle Menschen auch nicht so bald Brüder, keine Chance, dazu ist der Mensch noch viel zu sehr "Raubtier".
Nunja wenn du meinst, daß es dir egal isthauptsache zu deinen Lebzeiten soll dieser prozess nicht in Gang gesetzt werden, kannst du persönlich geren diese Ego Einstellung haben. Richtig ist sie m.M. trotzdem nicht.
Btw. du solltest nicht den

Mod - Provo Spam.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(16 Apr 2018, 10:04)
Das Problem dabei ist, dass du nicht zu weit zurückgehen kannst, der Kalte Krieg war geprägt von Stellvertreterkriegen, die deutlich mehr Opfer gefordert haben als die jetzigen Konflikte, alleine in Südostasien hat der Vietnamkrieg das Maß übererfüllt.
Die Wahrnehmung von Krisen liegt nicht nur an der Zeit, sondern auch am Ort. Wenn sich irgendwo tausende Kilometer entfernt Afrikaner mit Macheten abschlachten, dann ist das weniger präsent als wenn in Berlin ein LKW in eine Menschenmenge rast. Das liegt in der Natur des Menschen. Die Krisen sind deutlich näher an Europa herangerückt, das fing mit Jugoslawien an und ist derzeit mit dem islamistischen Terror präsent.
Das liegt in der Tat in der Natur des Menschen. Aber genau deshalb gibt es wisssenschaftliche Institutionen wie die des Zentrums für Konfliktforschung an der Universität Sydney, die mitt dem jährlichen Global Peace Index versuchen, die weltweite Entwicklung von Gewalt objektiv zu quantifizieren.

Und es gab nicht nur die RAF. Es gab den Nordirlandkonflikt. Mitte der 70er Jahre wurde in Spanien und erst 1989 in Rumänien Diktaturen mit hunderttausenden Todes-Opfern beendet. Das wird verdrängt. In den jüngeren Berichten des Konfliktforschungszentrums wird inzwischen von einem "Wendepunkt" gesprochen. Weltweit kamen 2017 das zweite Jahr in Folge weniger Menschen durch Terrorismus ums Leben. Und im vergleich zu 2014 22 Prozent weniger. Nur in Europa ist sie angestiegen (https://www.rnz.de/politik/hintergrund_ ... 16812.html). Die entscheidende Frage ist, ob dieser Anstieg in Europa die Folge einer (dauerhaften) Schwerpunktverlagerung ist oder eher eine zeitliche und örtliche "Phasenverschiebung". Ich denke eher, dass der teils drastische Rückgang des Terrorismus in den betroffendsten Ländern (Pakistan, Irak, Nigeria usw.) mittelfristig auch in Europa zu einem Rückgang führen wird. Zumindest wenn Europa zur Vernunft kommt, sich politisch klug verhält und nicht auf Gegenagression, Massenhysterie oder Abschottung setzt.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von DarkLightbringer »

Russischer Journalist stürzt aus unbekannten Gründen vom Balkon und ist tot.
Borodin hatte zuletzt über Moskaus "Schattenarmee" in Syrien berichtet. (...)
und hatte kürzlich über den Tod mehrerer russischer Söldner der sogenannten Gruppe Wagner in Syrien geschrieben.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/r ... 03174.html

Seit 1992 sind 58 Reporter getötet worden, die Verbrechen werden selten aufgeklärt.

Die "Vernunft des Westens" ist die der Aufklärung, die Philosophie und die Kriminalfälle betreffend.
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Selina
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Selina »

Der Schlüssel für die Frage des Threads "Kommt der Westen zur Vernunft?" liegt im Verhältnis zu Russland. Russland gehört wieder an den Verhandlungstisch; ganz ohne Russland geopolitisch und weltumspannend agieren zu wollen, wird immer ins Abseits führen und auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein. Bei der momentanen zugespitzten Gefahr eines dritten und letzten Weltkrieges gibt es keine Alternative zum Dialog. Man kann weiterhin sehr kritisch betrachten, begleiten und kommentieren, was die Russen national und international tun, aber man sollte den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Und viele vernünftige, weitblickende Politiker auch, wie man zum Glück täglich lesen kann. Und im Übrigen: Zur gewünschten erneuten Dialog-Politik, die man in kleinen wichtigen Schritten wieder aufbauen muss, gehört auch ein gewisses Maß an Selbstkritik der Westmächte. Davon sehe ich im Moment nichts.

Zitat:

Auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte davor, zu glauben, dass die Luftschläge nun eine entscheidende Wende in diesem Bürgerkrieg herbeiführen würden. Asselborn bekundete seine Sympathie für die Äußerungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der davor gewarnt hatte, alle Kanäle zu Moskau zu verschließen: "Ich bin fest davon überzeugt, dass auch Russland aus diesem Morast raus will. Und dass wir als EU uns auf die Zähne beißen müssen, um wieder zu einem normalen, vernünftigen Verhältnis mit Russland zu kommen. Das ist das Einzige, was uns einer Lösung in Syrien näher bringt."

https://www.tagesschau.de/ausland/eu-syrien-105.html

Zitat:

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief die Präsidenten der USA und Russlands, Donald Trump und Wladimir Putin, zu einer gemeinsamen Friedensinitiative auf. "Die großen Mächte tragen größere Verantwortung. Hier muss ein erster Schritt erfolgen. Das sind Putin und Trump der Welt schuldig", sagte Steinmeier.

In Bezug auf Syrien hatte Außenminister Heiko Maas sich bereits gestern ähnlich geäußert. Nur eine politische Lösung werde dauerhaften Frieden bringen, unterstrich er. Die Bundesregierung werde alle diplomatischen Mittel nutzen, um die Verhandlungen voranzubringen. Dazu werde sie auch ihre Kanäle nach Russland nutzen, um dort auf eine konstruktive Haltung zu dringen, so Maas.


https://www.tagesschau.de/inland/syrien ... d-101.html
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Apr 2018, 16:02)
Die "Vernunft des Westens" ist die der Aufklärung, die Philosophie und die Kriminalfälle betreffend.
Dass die schwarze Näherin Rosa Parks von einem Busfahrer aufgefordert wurde, ihren Sitzplatz für einen weißen Mann zu räumen ... ist jetzt wie lange her? Und dennoch waren die USA zu der Zeit global gesehen eine Fortschrittsmacht. Wir müssen lernen, diese Ambivalenzen auszuhalten. Eine spontane Antipathie wie die gegen die Politik der Regierung Orbán (die ich teile ...) bemüßigt einen User/eine Userin wie Thnik Twice dazu, ein Land wie UNgarn als "Entwicklungsland" zu bezeichnen, Eine Kurzschlüssigkeit, die von ihm/ihr selbst völlig zurecht als solche bezeichnet werden würde, wenn sie sich gegen Migranten in Deutschland richten würde. Gegen solche Kurzschlüssigkeiten hilft nur eins: Nicht dazuzugehören. Zu welcher Gruppe von Menschen auch immer. Auf kritische Distanz zu bleiben. Keine Vorbilder, keine Leitbilder zu haben. Kein "Fan" wovon oder von wem auch immer sein zu wollen. Keine Identität außer der der eigenen Persönlichkeit zu haben.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(16 Apr 2018, 20:52)

Dass die schwarze Näherin Rosa Parks von einem Busfahrer aufgefordert wurde, ihren Sitzplatz für einen weißen Mann zu räumen ... ist jetzt wie lange her? Und dennoch waren die USA zu der Zeit global gesehen eine Fortschrittsmacht. Wir müssen lernen, diese Ambivalenzen auszuhalten. Eine spontane Antipathie wie die gegen die Politik der Regierung Orbán (die ich teile ...) bemüßigt einen User/eine Userin wie Thnik Twice dazu, ein Land wie UNgarn als "Entwicklungsland" zu bezeichnen, Eine Kurzschlüssigkeit, die von ihm/ihr selbst völlig zurecht als solche bezeichnet werden würde, wenn sie sich gegen Migranten in Deutschland richten würde. Gegen solche Kurzschlüssigkeiten hilft nur eins: Nicht dazuzugehören. Zu welcher Gruppe von Menschen auch immer. Auf kritische Distanz zu bleiben. Keine Vorbilder, keine Leitbilder zu haben. Kein "Fan" wovon oder von wem auch immer sein zu wollen. Keine Identität außer der der eigenen Persönlichkeit zu haben.
So eine Persönlichkeit war Marikka Rökk. Auf die Frage, wie sie zum Dritten Reich gestanden habe, antwortete sie mit ihrem unverwechselbaren ungarischen Akzent: "Ich wollte immer nur tanzen, tanzen, tanzen!"

Ich glaube, die Neutralitätsmasse ist ohnehin viel größer als man meinen möchte.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Apr 2018, 21:07)

So eine Persönlichkeit war Marikka Rökk. Auf die Frage, wie sie zum Dritten Reich gestanden habe, antwortete sie mit ihrem unverwechselbaren ungarischen Akzent: "Ich wollte immer nur tanzen, tanzen, tanzen!"
:) Es ist ja nicht so, dass ich nicht verstehen würde, was mit dieser Anspielung gemeint ist ... Kritische Distanziertheit zu einer imaginierten Gemeinschaft wie "Der Westen" (Threadthema) meint aber alles andere als "Gleichgültigkeit politischer Themen im Vergleich mit persönlichen Interessen" und ist auch nur ein notwendiges und kein hinreichendes Kriterium. Marika Rökk war nicht im Mindesten distanziert sondern einfach nur auf ihre persönliche Karriere bedacht. Irrelevant fürs Threadthema. Ganz anders Leni Riefenstahl.

"Der Westen" kommt aus meiner SIcht genau dann zur Vernunft, wenn er diese summarische Begrifflichkeit "Der Westen" kritisch hinterfragt und nicht einfach auf eine Besinnung darauf pocht. Die sogenannten "Werte" erweisen sich in der politischen Realität immer wieder als hohle Phrasen. "Nyugat", der "Westen" hieß in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine der bedeutsamsten fortschrittlichen bis avantgardistischen Kunst- und Literaturzeitschriften Europas. Erschienen in Ungarn. Wer von den Westen-Identitären wird diese kennen?
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(16 Apr 2018, 21:48)

:) Es ist ja nicht so, dass ich nicht verstehen würde, was mit dieser Anspielung gemeint ist ... Kritische Distanziertheit zu einer imaginierten Gemeinschaft wie "Der Westen" (Threadthema) meint aber alles andere als "Gleichgültigkeit politischer Themen im Vergleich mit persönlichen Interessen" und ist auch nur ein notwendiges und kein hinreichendes Kriterium. Marika Rökk war nicht im Mindesten distanziert sondern einfach nur auf ihre persönliche Karriere bedacht. Irrelevant fürs Threadthema. Ganz anders Leni Riefenstahl.

"Der Westen" kommt aus meiner SIcht genau dann zur Vernunft, wenn er diese summarische Begrifflichkeit "Der Westen" kritisch hinterfragt und nicht einfach auf eine Besinnung darauf pocht. Die sogenannten "Werte" erweisen sich in der politischen Realität immer wieder als hohle Phrasen.
Nun gut, dann haben wir drei Modelle: Rökk, Riefenstahl und Scholl. Wenn Schwerwiegendes vor sich geht, ist jede Haltung eine politische. Das Thema hatten wir schon mal vor Jahren, mein Beispiel wäre da wieder "Casablanca" - der Barbesitzer Rick ist nicht ganz unpolitisch, aber desillusioniert. Als es dann drauf ankommt, bricht seine Überzeugung durch.

Was war denn der ursprüngliche "Westen" - ein Fetzen Land im heutigen Griechenland. Und im Osten lagen eben die Perser.
Die Frage nach den "Werten" mag sich ergeben haben, zumindest nach einem bestimmten Autor ergab sich diese Frage sogar ganz vehement. Für die Spartaner galt ausschließlich der individuell zu erreichende Ruhm. Laut "meinem" Autor setzte dem Perikles ganz bewußt das Modell des Stadtstaates entgegen, dessen Gemeinwesen den Ruhm erwirbt. Das Individuum trägt also nur bei und Athen ist nicht nachrangig, sondern vorrangig.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Skeptiker »

relativ hat geschrieben:(16 Apr 2018, 11:21)
Nunja wenn du meinst, daß es dir egal isthauptsache zu deinen Lebzeiten soll dieser prozess nicht in Gang gesetzt werden, kannst du persönlich geren diese Ego Einstellung haben. Richtig ist sie m.M. trotzdem nicht.
Btw. du solltest nicht den Fehler begehen, deine geistige Einstellung auf das Mögliche zu übertragen.
Er hat doch nur seine Erwartung formuliert. Du machst daraus seinen Wunsch. Sind Erwartung und Wunsch bei Dir immer deckungsgleich oder wie kommst Du zu dem Schluss?
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Skeptiker hat geschrieben:(16 Apr 2018, 22:40)

Er hat doch nur seine Erwartung formuliert. Du machst daraus seinen Wunsch. Sind Erwartung und Wunsch bei Dir immer deckungsgleich oder wie kommst Du zu dem Schluss?
Ich habe von seiner möglichen Einstellung geschrieben nicht von einem/seinem Wunsch, soviel Lesekompetenz sollte schon vorhanden sein. :?:
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von DarkLightbringer »

Möglicher Gegenschlag:
Russische Hacker sollen weltweit zentrale Router angegriffen haben - von Regierungen und von Privatpersonen.
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpoli ... 03243.html

Mit Internet- oder Stromausfall wird über kurz oder lang zu rechnen sein.
Der Zivilschutz sollte die Bevölkerung darauf vorbereiten. Am besten, man aktiviert wieder die alten Sirenen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 Apr 2018, 22:04)

Nun gut, dann haben wir drei Modelle: Rökk, Riefenstahl und Scholl. Wenn Schwerwiegendes vor sich geht, ist jede Haltung eine politische. Das Thema hatten wir schon mal vor Jahren, mein Beispiel wäre da wieder "Casablanca" - der Barbesitzer Rick ist nicht ganz unpolitisch, aber desillusioniert. Als es dann drauf ankommt, bricht seine Überzeugung durch.
Ja. Nur wofür und wogegen. Die Flugblätter der Geschwister Scholl richteten sich vor allem gegen Krieg und Vernichtung. In Hitler und den Nazis und dem unkritisch jubelnden Deutschen sahen sie (richtig) die Hauptbetreiber dieser Phänomene. Und die weiße Rose war eine kleine informelle Gruppe. Das sind weder Zugehörigkeiten noch Abgrenzungen gegen Großgruppen wie "Die Deutschen" oder "Die kommunistische Arbeiterbewegung". Sondern die Fähigkeit und Bereitschaft zu Ambivalenz.Darauf kam es mir an. Und im Zusammenhang mit diesem Thread heißt das, dass politische Meinungen, Kritiken, Bewunderungen, Verabscheuungen sich immer an konkreten Phänomenen ausrichten sollten und nicht aus einem Zugehörigkeitsgefühl oder einer Abneigung zu oder gegen solche Großgruppen wie "Der Westen". Es ist fahrlässig. Wie jede andere Zusammenfassung solcher Großgruppen kann auch die, die sich "Der Westen" nennt politisch aus dem Ruder laufen. Und eine solche Zugehörigkeit würde eine Loyalität mit sich bringen, die Kritik einschränkt. Die USA als wichtigste Macht dieses Westens ist das beste Beispiel.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Apr 2018, 14:17)

Ja. Nur wofür und wogegen. Die Flugblätter der Geschwister Scholl richteten sich vor allem gegen Krieg und Vernichtung. In Hitler und den Nazis und dem unkritisch jubelnden Deutschen sahen sie (richtig) die Hauptbetreiber dieser Phänomene. Und die weiße Rose war eine kleine informelle Gruppe. Das sind weder Zugehörigkeiten noch Abgrenzungen gegen Großgruppen wie "Die Deutschen" oder "Die kommunistische Arbeiterbewegung". Sondern die Fähigkeit und Bereitschaft zu Ambivalenz.Darauf kam es mir an. Und im Zusammenhang mit diesem Thread heißt das, dass politische Meinungen, Kritiken, Bewunderungen, Verabscheuungen sich immer an konkreten Phänomenen ausrichten sollten und nicht aus einem Zugehörigkeitsgefühl oder einer Abneigung zu oder gegen solche Großgruppen wie "Der Westen". Es ist fahrlässig. Wie jede andere Zusammenfassung solcher Großgruppen kann auch die, die sich "Der Westen" nennt politisch aus dem Ruder laufen. Und eine solche Zugehörigkeit würde eine Loyalität mit sich bringen, die Kritik einschränkt. Die USA als wichtigste Macht dieses Westens ist das beste Beispiel.
Na ja, seh ich etwas anders. Zunächst, die Scholls fielen nicht aus dem Himmel, Perikles auch nicht. Der Punkt ist auch nicht Kritiklosigkeit, sondern eher das Gegenteil. Loyalität - denken wir mal an die eigene Familie - bedeutet nichts anderes als über das Ego hinaus zu denken. Ob das nun Athen ist, die Republik oder die Hoffnung auf Zivilisation, ist eine Frage von Zeit und Standpunkt.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben:(17 Apr 2018, 17:02)

Na ja, seh ich etwas anders. Zunächst, die Scholls fielen nicht aus dem Himmel, Perikles auch nicht. Der Punkt ist auch nicht Kritiklosigkeit, sondern eher das Gegenteil. Loyalität - denken wir mal an die eigene Familie - bedeutet nichts anderes als über das Ego hinaus zu denken. Ob das nun Athen ist, die Republik oder die Hoffnung auf Zivilisation, ist eine Frage von Zeit und Standpunkt.
Zunächst muss ich in dieser internen Unterdiskussion eines mal klarstellen. Ich werde wohl hier nicht für Unpolitischsein (--> Marika Rökk) plädieren. Wie wohl auch, in einem Politik-Forum. Und auch keineswegs für "Wertelosigkeit" oder Werte-Indifferenz. Ich plädiere für politische Standpunkte und Werte, die man sich selbst erarbeitet oder aus freier Entscheidung und Anerkennung heraus - immer partiell - übernommen hat.

Der eigentliche Punkt kreist tatsächlich um den Begriff "Loyalität". Ursprünglich und vom Wort her "den Gesetzen folgend". Klar und positiv. Das Ideal einer individualistischen Persönlichkeit kann überhaupt nur auf der Basis unbedingter Gesetzesanerkennung funktionieren und ausgelebt werden. Dann aber hat der Begriff der "Loyalität" eine Wandlung erfahren. Von gesetzestreu hin zu
... die auf gemeinsamen moralischen Maximen basierende oder von einem Vernunftinteresse geleitete innere Verbundenheit und deren Ausdruck im Verhalten gegenüber einer Person, Gruppe oder Gemeinschaft. Loyalität bedeutet, im Interesse eines gemeinsamen höheren Zieles, die Werte (und Ideologie) des Anderen zu teilen und zu vertreten bzw. diese auch dann zu vertreten, wenn man sie nicht vollumfänglich teilt, solange dies der Bewahrung des gemeinsam vertretenen höheren Zieles dient.
Die Frage ist, ob sich solch ein Loyalitätskonzept politisch halten lässt. Ich bestreite das. Und zwar vehement. Die "höheren Ziele" sind immer nur Brotkrumen hingeworfen für die Dummen. Die Konzepte von Loyalität im sozialen Mikrobereich (Familie, Freundschaften) sind einfach nicht auf den Makroibereich übertragbar. Loyalität gegenüber dem gegenwärtigen US-Präsidenten, der FIFA, dem VW-Konzern, der facebook-Unternehmenshierarchie? Die Lehre aus dem Loyalitätsmissbrauch innerhalb des realen Sozialismus ist für mich nicht etwa, meine Loyalität nun einem anderen System zu schenken, sondern sie generell zu verweigern. Und alle ganz aktuellen politischen Entwicklungen bestätigen mich in dieser Ansicht.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von SpukhafteFernwirkung »

Tom Bombadil hat geschrieben:(15 Apr 2018, 12:20)

Das ging schnell mit der Nazianalogie, diesmal sind wehrhafte Demokratien schon so etwas wie das Dritte Reich. Weia, es wird echt immer beknackter hier.
die wehrhafte westliche demokratie und ihre berichterstattung is die größte bedrohung für den frieden, die es gibt.
gadaffi befreit deutsche geiseln = präsident
gadaffi will neue ölkonzessionen an china vergeben = diktator und verbrecher

das is alles so durchsichtig.
wir brauchen nur die multinationalen konzerne an die leine legen und für rohestoffe faire preise zahlen, dann haben wir auch keine flüchtlingskrise.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

relativ hat geschrieben:(16 Apr 2018, 11:21)

Nunja wenn du meinst, daß es dir egal ist...
Wo sollte ich das meinen? Ich gebe meine Einschätzung wider, keinen Wunsch.
...kannst du persönlich geren diese Ego Einstellung haben.
Welche Ego-Einstellung? Ich gebe meine Einschätzung wider, keinen Wunsch.
...deine geistige Einstellung...
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Apr 2018, 22:02)

Zunächst muss ich in dieser internen Unterdiskussion eines mal klarstellen. Ich werde wohl hier nicht für Unpolitischsein (--> Marika Rökk) plädieren. Wie wohl auch, in einem Politik-Forum. Und auch keineswegs für "Wertelosigkeit" oder Werte-Indifferenz. Ich plädiere für politische Standpunkte und Werte, die man sich selbst erarbeitet oder aus freier Entscheidung und Anerkennung heraus - immer partiell - übernommen hat.

Der eigentliche Punkt kreist tatsächlich um den Begriff "Loyalität". Ursprünglich und vom Wort her "den Gesetzen folgend". Klar und positiv. Das Ideal einer individualistischen Persönlichkeit kann überhaupt nur auf der Basis unbedingter Gesetzesanerkennung funktionieren und ausgelebt werden. Dann aber hat der Begriff der "Loyalität" eine Wandlung erfahren. Von gesetzestreu hin zu

Die Frage ist, ob sich solch ein Loyalitätskonzept politisch halten lässt. Ich bestreite das. Und zwar vehement. Die "höheren Ziele" sind immer nur Brotkrumen hingeworfen für die Dummen. Die Konzepte von Loyalität im sozialen Mikrobereich (Familie, Freundschaften) sind einfach nicht auf den Makroibereich übertragbar. Loyalität gegenüber dem gegenwärtigen US-Präsidenten, der FIFA, dem VW-Konzern, der facebook-Unternehmenshierarchie? Die Lehre aus dem Loyalitätsmissbrauch innerhalb des realen Sozialismus ist für mich nicht etwa, meine Loyalität nun einem anderen System zu schenken, sondern sie generell zu verweigern. Und alle ganz aktuellen politischen Entwicklungen bestätigen mich in dieser Ansicht.
In dem Zitat ist eine etwas seltsame Formulierung enthalten - wie kann man Werte mit jemandem teilen, der diese nicht teilt? Man kann Meinungsverschiedenheiten haben, das ist klar, aber ein "übergeordneter Wert" schließt das doch ein.

Mikrobereich und Makrobereich sind schon verbindbar, sogar bis hin zum Supermakrobereich.
Und zwar ganz einfach deshalb, weil die Mikro-Gruppe (Familie, Nachbarn, Freunde, Sportverein) nicht in einem luftleeren Raum agiert. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Handballer verletzt sich leicht beim Sport, dann wird ein Sanitäter angerufen und dieser kümmert sich. Die beiden kennen sich gar nicht und doch besteht eine gewisse Verbindung - sei es durch die Versicherung des Vereins - und beide gehen in dem Moment von einem übergeordneten Wert aus, den man als Humanität oder Kameradschaftshilfe bezeichnen könnte. Der verletzte Handballer wird nicht davon ausgehen, einem Dr. Mengele gegenüber zu treten, mal ganz übertrieben gesagt, und mehr noch - er würde es nicht mal wollen (in der Regel).
Aber woher kommt das, wie kann das sein? Die Antwort liegt da schon im Makrobereich, wie wir das hier nennen, es fußt nicht allein auf der Idee einer eng befreundeten Kerngruppe.

Unser Beispiel der Geschwister Scholl ist da im Grunde ganz ähnlich. Wie die Flugblätter beweisen, dachten sie eben nicht nur in sehr engen Zusammenhängen, nicht nur an Freunde oder an einen Studenten-Club, sondern reflektierten vielmehr das Allgemeine - ethisch, politisch, historisch. Die "Weiße Rose" war personell eng begrenzt, deren "übergeordneten Werte" jedoch keinesfalls.

Die von dir genannten Loyalitätskonstrukte US-Präsident, FIFA, VW und Facebook sind keine Werte oder Prinzipien, sondern bloße Erscheinungen in einem sozialen Konstrukt.
Die westlichen - evtl. auch universell gebrauchbaren - Werte und Prinzipien beruhen auf einer über Jahrhunderte entwickelten Philosophie und Ethik sowie auf besondere geschichtliche Erfahrungen. Von daher unterscheidet sich der westliche Teil der Zivilisation (die Begrifflichkeit eines kulturell zu verstehenden "Westens" stammt aus der antiken Welt der Griechen) natürlich schon auch von den anzunehmenden "Werten" einer Horde, Sippschaft oder Bauerngemeinschaft der Jungsteinzeit.
Philosophie, Ethik und Geschichte, aus diesem Dreiklang lassen sich konkret folgende Werte und Prinzipien ableiten und erkennen: - Menschenwürde, – Freiheit, – Frieden, – Gerechtigkeit, – Gleichheit, – Solidarität und – Demokratie.

Überträgt man diese Werte oder Prinzipien nun auf den "Makrobereich" eines staatlichen Gebildes, so ergeben sich auch schon die "republikanischen Werte". Übeträgt man sie in den "Supermakrobereich", dann sind es eben die universellen Werte der Vereinten Nationen respektive der menschlichen Zivilisation im Singular.

Mit Kritiklosigkeit oder Meinungseinfalt hat dies überhaupt nichts zu tun.
Dazu wiederum ein praktisches Beispiel. Churchill war als scharfer und vorwitziger Redner bekannt und auch völlig anderer Ansicht als Chamberlain in durchaus wichtigen Angelegenheiten. Dennoch stellte sich Churchill aus Loyalitätsgründen hinter die Regierung, kurz bevor er selbst ins Amt kam.
Churchill und Chamberlain teilten ja im Prinzip den Wert von Freiheit, Demokratie und Frieden. Die erhebliche Meinungsverschiedenheit bezüglich der Appeasementpolitik ist bekannt, ändert aber nichts.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

SpukhafteFernwirkung hat geschrieben:(17 Apr 2018, 22:19)

wir brauchen nur die multinationalen konzerne an die leine legen und für rohestoffe faire preise zahlen, dann haben wir auch keine flüchtlingskrise.
Sicher, es gibt für komplizierte Probleme einfache Lösungen. Als ob. Was haben zB. multinationale Konzerne mit der Syrienkrise zu tun, um welche Rohstoffe soll es da gehen, die nicht fair bezahlt werden? Zur Korruption gehören auch immer zwei, den korrupten Diktator, der viel Geld aus den Rohstoffverkäufen aufs eigene Konto leitet, solltest du nicht außen vor lassen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Tom Bombadil hat geschrieben:(18 Apr 2018, 09:34)

Wo sollte ich das meinen? Ich gebe meine Einschätzung wider, keinen Wunsch.


Welche Ego-Einstellung? Ich gebe meine Einschätzung wider, keinen Wunsch.


Deine geistige Einstellung, die darin besteht, andere User völlig grundlos anzukeifen, machst du mehr als oft genug deutlich.
Ok ich muss es wohl wieder chronologisch aufarbeiten.
Tom Bombadil hat geschrieben:
(15 Apr 2018, 15:33)

Da sind keine Parolen oder Forderungen, es handelt sich lediglich um meine Schlussfolgerung bzgl. möglicher Folgen grenzenloser und "alternativloser" Toleranz der Intoleranz (und nein, damit ist nicht einzig und alleine der Islam gemeint, sondern auch rechts- und linksextreme Ideologien). Anscheinend hat bei euch Naziparanoiden aber das Wort "Kultur" getriggert, tut mir leid, war keine Absicht, ihr könnt auch "Werte" (wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte etc. pp.) dafür nehmen, vllt. wird es für euch dann klarer.

Es steht hier Global gesehen ein ganz andere Frage im Raum, alsdie kurzsichtige Verteidigung einer Kultur ect.
Hier steht das Zusammenwachsen der Erdbevölkerung auf den Spiel. Soll dieser Prozess umgekehrt werden, weil auf den Weg dahin Probleme auftreten. Sollen sich alle Nationalstaaten wieder zurück in die 30iger Jahre begeben?
Klare Antwort von mir, nein. Die Probleme muessen anders als mit Protektionismus und/oder Kulturellen einigeln gelöst werden, denn dies führt m.M. unweigerlich wieder zu größeren und mehr nonverbalen Auseinandersetzungen.
Aus meiner Normalen antwort und Fragen, nimmst du dir ein dir genehmens Teil raus und postest dies.
relativ hat geschrieben:
(16 Apr 2018, 10:31)

Hier steht das Zusammenwachsen der Erdbevölkerung auf den Spiel.
Wenn ich schätzen soll, wann die Erdbevölkerung zusammengewachsen ist, dann weiß ich nicht, ob 500 oder 1000 Jahre oder doch "nie" die richtige Schätzung wäre. Die Proletarier aller Länder werden sich in absehbarer Zeit nicht vereinigen und es werden alle Menschen auch nicht so bald Brüder, keine Chance, dazu ist der Mensch noch viel zu sehr "Raubtier".
Dann wunderst du dich, daß du von mir auch nur zu diesen kleinen Teil, wozu ja deine persönliche Einschätzung bekannt gibst eine Wunschfrage gestellt bekommst. Denn sowas drückt ein "Wenn" nunmal aus
Nunja wenn du meinst,...
...nebst meiner Einstellung wenn die Frage den positiv beantwortet wird.
Du hälst es für unmöglich, ich nicht, sondern halte den Prozess für notwendig. Da ist es m.M. völlig logisch, daß ich dann deine Einstellung dazu nicht als Gott gegeben akzeptiere.
Jetzt kannst du ob der Art der Fragestellung meinetwegen eingeschnappt sein. Aber deine Fragen und Antworten, bzw. das wie, stören mich ab und an auch mal, damit sollte man schon umgehen können,gerade dann wenn man andere für ihren Schreibstil kritisiert
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

LOL, "wenn ich schätzen soll" drückt also einen Wunsch aus. Weia. Ich würde mich sehr über Frieden auf Erden und über eine vereinigte und solidarische Weltbevölkerung freuen, DAS wäre mein Wunsch. Meine Einschätzung ist aber, dass die Menschheit in ihrer Entwicklung noch lange nicht so weit ist, weil der Mensch immer noch viel zu sehr Raubtier und Krieger ist. Hatte ich aber auch schon geschrieben, man muss es natürlich auch verstehen wollen und können, nur mit Bösartigkeit dem anderen gegenüber wird das nichts. Mit deinem Verhalten bist du übrigens ein ziemlich gutes Beispiel für meine Einschätzung, du springst deinem Diskussionspartner schon bei einer simplen Einschätzung (die ja durchaus falsch sein kann) an die Gurgel, da muss man sich nicht wundern, wenn wegen Land und Geld immer noch Kriege geführt werden und Mord und Totschlag herrschen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben:(18 Apr 2018, 09:34)

In dem Zitat ist eine etwas seltsame Formulierung enthalten - wie kann man Werte mit jemandem teilen, der diese nicht teilt? Man kann Meinungsverschiedenheiten haben, das ist klar, aber ein "übergeordneter Wert" schließt das doch ein.

Mikrobereich und Makrobereich sind schon verbindbar, sogar bis hin zum Supermakrobereich.
Und zwar ganz einfach deshalb, weil die Mikro-Gruppe (Familie, Nachbarn, Freunde, Sportverein) nicht in einem luftleeren Raum agiert. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Handballer verletzt sich leicht beim Sport, dann wird ein Sanitäter angerufen und dieser kümmert sich. Die beiden kennen sich gar nicht und doch besteht eine gewisse Verbindung - sei es durch die Versicherung des Vereins - und beide gehen in dem Moment von einem übergeordneten Wert aus, den man als Humanität oder Kameradschaftshilfe bezeichnen könnte. Der verletzte Handballer wird nicht davon ausgehen, einem Dr. Mengele gegenüber zu treten, mal ganz übertrieben gesagt, und mehr noch - er würde es nicht mal wollen (in der Regel).
Aber woher kommt das, wie kann das sein? Die Antwort liegt da schon im Makrobereich, wie wir das hier nennen, es fußt nicht allein auf der Idee einer eng befreundeten Kerngruppe.

Unser Beispiel der Geschwister Scholl ist da im Grunde ganz ähnlich. Wie die Flugblätter beweisen, dachten sie eben nicht nur in sehr engen Zusammenhängen, nicht nur an Freunde oder an einen Studenten-Club, sondern reflektierten vielmehr das Allgemeine - ethisch, politisch, historisch. Die "Weiße Rose" war personell eng begrenzt, deren "übergeordneten Werte" jedoch keinesfalls.

Die von dir genannten Loyalitätskonstrukte US-Präsident, FIFA, VW und Facebook sind keine Werte oder Prinzipien, sondern bloße Erscheinungen in einem sozialen Konstrukt.
Die westlichen - evtl. auch universell gebrauchbaren - Werte und Prinzipien beruhen auf einer über Jahrhunderte entwickelten Philosophie und Ethik sowie auf besondere geschichtliche Erfahrungen. Von daher unterscheidet sich der westliche Teil der Zivilisation (die Begrifflichkeit eines kulturell zu verstehenden "Westens" stammt aus der antiken Welt der Griechen) natürlich schon auch von den anzunehmenden "Werten" einer Horde, Sippschaft oder Bauerngemeinschaft der Jungsteinzeit.
Philosophie, Ethik und Geschichte, aus diesem Dreiklang lassen sich konkret folgende Werte und Prinzipien ableiten und erkennen: - Menschenwürde, – Freiheit, – Frieden, – Gerechtigkeit, – Gleichheit, – Solidarität und – Demokratie.

Überträgt man diese Werte oder Prinzipien nun auf den "Makrobereich" eines staatlichen Gebildes, so ergeben sich auch schon die "republikanischen Werte". Übeträgt man sie in den "Supermakrobereich", dann sind es eben die universellen Werte der Vereinten Nationen respektive der menschlichen Zivilisation im Singular.

Mit Kritiklosigkeit oder Meinungseinfalt hat dies überhaupt nichts zu tun.
Dazu wiederum ein praktisches Beispiel. Churchill war als scharfer und vorwitziger Redner bekannt und auch völlig anderer Ansicht als Chamberlain in durchaus wichtigen Angelegenheiten. Dennoch stellte sich Churchill aus Loyalitätsgründen hinter die Regierung, kurz bevor er selbst ins Amt kam.
Churchill und Chamberlain teilten ja im Prinzip den Wert von Freiheit, Demokratie und Frieden. Die erhebliche Meinungsverschiedenheit bezüglich der Appeasementpolitik ist bekannt, ändert aber nichts.
Ich sprach auch in Bezug auf eine persönliche Loyalitätsverpflichtung nicht von Prinzipien und Werten - die hat man hoffentlich und ist ihnen auch verpflichtet - sondern von realen Gebilden wie Staaten, Regierungen, Staatengruppen. Deren Bindungskräfte ändern sich. Für Muslime im allgemeinen scheint die Bindungskraft der Gemeinschaft der Muslime in aller Welt in jüngerer Zeit zugenommen zu haben. Die Bindungskraft der Gemeinschaft der Staaten, die sich als Bestandteil des "Westens", der "westlichen Welt" sehen ("Westen" im heutigen Verständnis) nimmt in meinen Augen eher ab. Das kann man als "Krise des Westens", als Auflösungsphänomen erleben oder auch nicht. Ich sehe es nicht als Auflösungsphänomen solange folgendes andere Loyalitätsprinzip gilt: Das der Loyalität des Staates, seiner Regierung, seiner sonstigen Einrichtungen und natürlich seiner Bürger zu einer demokratischen Verfassung. Anstelle einer Loyalität der Bürger zu diesen Einrichtungen. Bedrohungen und reale Gefahren in den Ländern des Westens bestehen aus meiner Sicht vor allem darin, dass Regierungen diese Loyalität aufzuweichen beginnen. Ungarn gibt sich eine neue teilweise undemokratische Verfassung, indem es seine Bürger ausdrücklich auf eine christlich-abendländische Tradition festlegt. Polen unternimmt (u.a.) Schritte zur Einschränkung der demokratischen Pressefreieheit. Und etwas das solchen Phänomenen in der Bundesrepublik entspricht, wäre etwa das Ansinnen des Innenministers, das Land, die Bürger auf eine - wie auch immer formulierte - "Leitkultur" festlegen zu wollen. Derartiges ist mit Freiheit und Demokratie unvereinbar. Loyalität zur demokratischen Verfassung bedeutet für mich persönlich dann, meine Loyalität zu einer solchen Regierung - zumindest in Teilen - ausdrücklich zu verweigern.

Als Empfehlung dazu folgendes Radioessay:
Außergewöhnliche Zeiten
Demokratie in Gefahr?

Ist die Zukunft der liberalen Demokratie in Gefahr? Dass die Mehrheit der Briten für den Brexit stimmt, schien fast unmöglich. Dann haben sie es doch getan. Donald Trump als Präsident der USA? Nein, so weit wird es nicht kommen. Bis es dann doch so weit gekommen ist.

Der Autor Yascha Mounk zu Gast im Deutschlandradio Kultur in Berlin
http://www.deutschlandfunk.de/aussergew ... _id=410025

Darin geht es in großen Teilen genau darum: Den (notwendigen) Wandel von einer Loyalität zu den Institutionen des Staates hin zu einer Loyalität zur Verfassung. Unter dem Stichwort ("Eine Verfassung kann sich nicht selbst verteidigen").
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Tom Bombadil hat geschrieben:(18 Apr 2018, 10:24)

LOL, "wenn ich schätzen soll" drückt also einen Wunsch aus.
Nein, aber wenn du meinst... eine...?stellung :eek:

Weia. Ich würde mich sehr über Frieden auf Erden und über eine vereinigte und solidarische Weltbevölkerung freuen, DAS wäre mein Wunsch. Meine Einschätzung ist aber, dass die Menschheit in ihrer Entwicklung noch lange nicht so weit ist, weil der Mensch immer noch viel zu sehr Raubtier und Krieger ist.
Nunja ich habe ja schon vorher klar gemacht, welche Alternative ich sähe, wenn wir wieder in den gewünschten Nationalstaatenmodus gehen, was ja ein Streitpunkt hier war.

Hatte ich aber auch schon geschrieben, man muss es natürlich auch verstehen wollen und können, nur mit Bösartigkeit dem anderen gegenüber wird das nichts.
Nun ich habe normal geantwortet worauf du meinen Teil zerfleddert hast und dir nur ein kleines Ausschnitt rausgenommen hast, auf den du dann deine Einstellung gepostet hast.
Besser wäre es evtl. gewesen du wärst auch auch meine Argumente eingegangen, warum ich das so sehe.
Ich war nicht Boshaft, auf jedenfall nicht zuerst. ;)
Mit deinem Verhalten bist du übrigens ein ziemlich gutes Beispiel für meine Einschätzung, du springst deinem Diskussionspartner schon bei einer simplen Einschätzung (die ja durchaus falsch sein kann) an die Gurgel, da muss man sich nicht wundern, wenn wegen Land und Geld immer noch Kriege geführt werden und Mord und Totschlag herrschen.
Ich empfehle bei solchen persönlichen Einschätzungen immer einen Blick in den Spiegel. der hilft meistens, auf jedenfall bei Menschen die über eine Art von Selbstreflexion verfügen.
Ich weiss auf jedenfall das ich nicht der perfekte Diskussionspartner bin, der brauche ich aber auch nicht für jeden zu sein.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

relativ hat geschrieben:(18 Apr 2018, 11:14)

Nun ich habe normal geantwortet ...
Schon klar, Unterstellungen sind für dich normal. EOD.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Tom Bombadil hat geschrieben:(18 Apr 2018, 11:23)

Schon klar, Unterstellungen sind für dich normal. EOD.
Welche Unterstellung in besagten post meinst du? :?:
Tom Bombadil hat geschrieben:
(15 Apr 2018, 15:33)

Da sind keine Parolen oder Forderungen, es handelt sich lediglich um meine Schlussfolgerung bzgl. möglicher Folgen grenzenloser und "alternativloser" Toleranz der Intoleranz (und nein, damit ist nicht einzig und alleine der Islam gemeint, sondern auch rechts- und linksextreme Ideologien). Anscheinend hat bei euch Naziparanoiden aber das Wort "Kultur" getriggert, tut mir leid, war keine Absicht, ihr könnt auch "Werte" (wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte etc. pp.) dafür nehmen, vllt. wird es für euch dann klarer.


Es steht hier Global gesehen ein ganz andere Frage im Raum, als die kurzsichtige Verteidigung einer Kultur ect.
Hier steht das Zusammenwachsen der Erdbevölkerung auf den Spiel. Soll dieser Prozess umgekehrt werden, weil auf den Weg dahin Probleme auftreten. Sollen sich alle Nationalstaaten wieder zurück in die 30iger Jahre begeben?
Klare Antwort von mir, nein. Die Probleme muessen anders als mit Protektionismus und/oder Kulturellen einigeln gelöst werden, denn dies führt m.M. unweigerlich wieder zu größeren und mehr nonverbalen Auseinandersetzungen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Senexx hat geschrieben:(15 Apr 2018, 11:20)



Die westlichen Hirne sind voller Flausen.
Und die "Oestlichen" (Absichtlich in "") voll toller Ideen.

Im Englischen nennt man deine Thesen "Hogwash"

Ich sage Hogwash!
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Adam Smith »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(15 Apr 2018, 13:44)
Auf Russland bezogen bedeutet dieses nun?
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Europa2050 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2018, 10:31)

Ich sprach auch in Bezug auf eine persönliche Loyalitätsverpflichtung nicht von Prinzipien und Werten - die hat man hoffentlich und ist ihnen auch verpflichtet - sondern von realen Gebilden wie Staaten, Regierungen, Staatengruppen. Deren Bindungskräfte ändern sich. Für Muslime im allgemeinen scheint die Bindungskraft der Gemeinschaft der Muslime in aller Welt in jüngerer Zeit zugenommen zu haben. Die Bindungskraft der Gemeinschaft der Staaten, die sich als Bestandteil des "Westens", der "westlichen Welt" sehen ("Westen" im heutigen Verständnis) nimmt in meinen Augen eher ab. Das kann man als "Krise des Westens", als Auflösungsphänomen erleben oder auch nicht. Ich sehe es nicht als Auflösungsphänomen solange folgendes andere Loyalitätsprinzip gilt: Das der Loyalität des Staates, seiner Regierung, seiner sonstigen Einrichtungen und natürlich seiner Bürger zu einer demokratischen Verfassung. Anstelle einer Loyalität der Bürger zu diesen Einrichtungen. Bedrohungen und reale Gefahren in den Ländern des Westens bestehen aus meiner Sicht vor allem darin, dass Regierungen diese Loyalität aufzuweichen beginnen. Ungarn gibt sich eine neue teilweise undemokratische Verfassung, indem es seine Bürger ausdrücklich auf eine christlich-abendländische Tradition festlegt. Polen unternimmt (u.a.) Schritte zur Einschränkung der demokratischen Pressefreieheit. Und etwas das solchen Phänomenen in der Bundesrepublik entspricht, wäre etwa das Ansinnen des Innenministers, das Land, die Bürger auf eine - wie auch immer formulierte - "Leitkultur" festlegen zu wollen. Derartiges ist mit Freiheit und Demokratie unvereinbar. Loyalität zur demokratischen Verfassung bedeutet für mich persönlich dann, meine Loyalität zu einer solchen Regierung - zumindest in Teilen - ausdrücklich zu verweigern.

Als Empfehlung dazu folgendes Radioessay:

http://www.deutschlandfunk.de/aussergew ... _id=410025

Darin geht es in großen Teilen genau darum: Den (notwendigen) Wandel von einer Loyalität zu den Institutionen des Staates hin zu einer Loyalität zur Verfassung. Unter dem Stichwort ("Eine Verfassung kann sich nicht selbst verteidigen").
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen - meiner Meinung nach brillanten - Vortrag von Timothy Snyder zum Thema vorwärts- und rückwärtsgewandte Weltsicht verweisen:



Ist aber Englisch - und es könnte schon passieren, dass einem nach Konsumstion irgendwie nicht mehr sooo gut geht.

(Der eigentliche Vortrag startet nach ca. 5 Minuten)
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Europa2050 hat geschrieben:(18 May 2018, 09:53)

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen - meiner Meinung nach brillanten - Vortrag von Timothy Snyder zum Thema vorwärts- und rückwärtsgewandte Weltsicht verweisen:



Ist aber Englisch - und es könnte schon passieren, dass einem nach Konsumstion irgendwie nicht mehr sooo gut geht.

(Der eigentliche Vortrag startet nach ca. 5 Minuten)
"'America First' is 'Deutschland uber alles' in the english language" ... Bis zu der Passage habe ich ungefähr die ersten 30 Minuten des Vortrags gehört. Und dann festgestellt, dass er im Wesentlichen das sagt, was er in seinem neuesten Buch "The Road To Unfreedom" schreibt (das im September als "Der Weg in die Unfreiheit" auch auf Deutsch erscheinen wird)

Der Kerngedanke ist, dass die Gegenwart heute von einer "Politik der Unvermeidlichkeit" zu einer "Politik der Ewigkeit" übergehe. Mit "Politik der Unvermeidlichkeit" (politics of inevitablilty) ist der Glaube an zwangsläufige historische Abfolgen gemeint. Und das interessante ist, dass er sie sowohl in marxistisch geprägtem Denken sieht - als Abfolge von Gesellschaftsordnungen, die infolge von Klassenwidersprüchen entstehen und vergehen und mit der "historischen Mission der Arbeiterklasse" schließlich gesetzmäßig im Kommunismus münden. Als auch in westlich-liberalem Denken: Dass die Marktmechanismen als unsichtbare Hand uns schon auf den richtigen Weg bringen. Und insbesondere als Legende, die Idee der EU sei eine Konsequenz aus der Katastrophe des 2. Wetlkriegs. Er sieht den 2. WK eher als den letzten Kolonialkrieg. Nämlich den Deutschlands, um so wie England, Spanien, Frankreich usw. ein Weltimperium zu errichten. Und dann natürlich der hochinteressante Gedanke, dass die EU nicht etwa die Nationen beseitigte sondern - im Gegenteil - einen Rahmen für das Weiterbestehen der endgültig zusammengebrochenen ehemaligen Kolonialimperien als Nationen ermöglichte. Die "Politik der Unvermeidlichkeit" ist vor allem auch eine Politik des Nichtstuns und der Schicksalsergebenheit. Die politischen Entwicklungen wie auch die wirtschaftlichen und technologischen finden einfach statt. Und Aufgabe des Menschen ist es lediglich, Konformitäten dazu zu leisten und herzustellen.

So. Das war die Vergangenheit bis jüngst. Der "Politik der Unvermeidlichkeit" setzt er eine "Politik der Ewigkeit" (politics of eternity) entgegen. Die erstens grundsätzlich auf Vergangenheit rekurriert: "Make America great again". "Mütterchen Russland". "Das osmanische Reich". Hindu-Nationalismus. Sarkozy und die Gallier. Kosovo, die Serben und die Schlacht auf dem Amselfeld. Das "christliche Abendland" Usw. Usf. Und die zweitens auf einer jeweils populistischen Figur basiert. Die für die anderen denkt und lenkt.

Während ich den ersten Teil schlüssig und nachvollziehbar finde, bin ich mir beim zweiten Ansatz nicht so sicher, ob mit der "Ewigkeit" das Wesentliche erfasst wird. Ich würde es eher als eine "Politik des Essentialismus" nennen. Dass immer irgendetwas abgeblich essentiell und prägend für die Menschen sein soll. Das können natürlich religiöse, kulturelle, ethnische Vergangenheitsbezüge sein. Aber auch ein modernistischer Technik-Essentialismus führt aus meiner Sicht in den Weg der Unfreiheit.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Europa2050 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 May 2018, 10:14)

"'America First' is 'Deutschland uber alles' in the english language" ... Bis zu der Passage habe ich ungefähr die ersten 30 Minuten des Vortrags gehört. Und dann festgestellt, dass er im Wesentlichen das sagt, was er in seinem neuesten Buch "The Road To Unfreedom" schreibt (das im September als "Der Weg in die Unfreiheit" auch auf Deutsch erscheinen wird)

Der Kerngedanke ist, dass die Gegenwart heute von einer "Politik der Unvermeidlichkeit" zu einer "Politik der Ewigkeit" übergehe. Mit "Politik der Unvermeidlichkeit" (politics of inevitablilty) ist der Glaube an zwangsläufige historische Abfolgen gemeint. Und das interessante ist, dass er sie sowohl in marxistisch geprägtem Denken sieht - als Abfolge von Gesellschaftsordnungen, die infolge von Klassenwidersprüchen entstehen und vergehen und mit der "historischen Mission der Arbeiterklasse" schließlich gesetzmäßig im Kommunismus münden. Als auch in westlich-liberalem Denken: Dass die Marktmechanismen als unsichtbare Hand uns schon auf den richtigen Weg bringen. Und insbesondere als Legende, die Idee der EU sei eine Konsequenz aus der Katastrophe des 2. Wetlkriegs. Er sieht den 2. WK eher als den letzten Kolonialkrieg. Nämlich den Deutschlands, um so wie England, Spanien, Frankreich usw. ein Weltimperium zu errichten. Und dann natürlich der hochinteressante Gedanke, dass die EU nicht etwa die Nationen beseitigte sondern - im Gegenteil - einen Rahmen für das Weiterbestehen der endgültig zusammengebrochenen ehemaligen Kolonialimperien als Nationen ermöglichte. Die "Politik der Unvermeidlichkeit" ist vor allem auch eine Politik des Nichtstuns und der Schicksalsergebenheit. Die politischen Entwicklungen wie auch die wirtschaftlichen und technologischen finden einfach statt. Und Aufgabe des Menschen ist es lediglich, Konformitäten dazu zu leisten und herzustellen.

So. Das war die Vergangenheit bis jüngst. Der "Politik der Unvermeidlichkeit" setzt er eine "Politik der Ewigkeit" (politics of eternity) entgegen. Die erstens grundsätzlich auf Vergangenheit rekurriert: "Make America great again". "Mütterchen Russland". "Das osmanische Reich". Hindu-Nationalismus. Sarkozy und die Gallier. Kosovo, die Serben und die Schlacht auf dem Amselfeld. Das "christliche Abendland" Usw. Usf. Und die zweitens auf einer jeweils populistischen Figur basiert. Die für die anderen denkt und lenkt.

Während ich den ersten Teil schlüssig und nachvollziehbar finde, bin ich mir beim zweiten Ansatz nicht so sicher, ob mit der "Ewigkeit" das Wesentliche erfasst wird. Ich würde es eher als eine "Politik des Essentialismus" nennen. Dass immer irgendetwas abgeblich essentiell und prägend für die Menschen sein soll. Das können natürlich religiöse, kulturelle, ethnische Vergangenheitsbezüge sein. Aber auch ein modernistischer Technik-Essentialismus führt aus meiner Sicht in den Weg der Unfreiheit.
Ja, natürlich, er bespricht ja auch sein Buch. Ich dachte aber, dass das hier eher angenommen wird als ein aktuell noch ausschließliches englisch verfügbares Buch. Ich hab zuerst die Vorstellung geyoutubed und mir dann das Buch gekauft und gelesen.

Seine Erläuterungen bergen eine gewisse Schlüssigkeit und sind deshalb für einen Vertreter des Liberslismus/Antinationalismus/Antifaschismus wie mich so erschreckend. Die letzte Wahrheit sind sie, wie viele andere sicher auch nicht. Dennoch scheint mir diese „Politics of eternity“ schon griffig, wenn ich mir die ganzen Vergangenheitserhöher so anschaue. Nur deren Motivation - Freiheit von Rechenschaft für eigene Bereicherung und Misswirtschaft - habe ich noch nie so schlüssig gelesen.

Ich habe schon mehrere, auch ältere Bücher von Snyder gelesen, seine Ausblicke erstrecken sich meist auf maximal fünf Jshre, wenn überhaupt. Daher ist der von dir eingebrachte Technik-Existenzialismus hier eher kein Thema.

Da ist - wenn wir schon bei Buchtips sind - „Homo Deus“ von Harari eher ideengebend/ gruselnd ...
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Europa2050 hat geschrieben:(29 May 2018, 16:10)
Ja, natürlich, er bespricht ja auch sein Buch. Ich dachte aber, dass das hier eher angenommen wird als ein aktuell noch ausschließliches englisch verfügbares Buch. Ich hab zuerst die Vorstellung geyoutubed und mir dann das Buch gekauft und gelesen.
Ich hab' auch dieses Buch nicht gelesen sondern (eher zufällig) zwei Rezensionen dazu ...

Auf jeden Fall: Der Traum von einem Ende der Geschichte durch gesetzmäßige Verbreitung und Durchsetzung von Demokratie, Liberalismus und Marktwirtschaft ist - wie auch schon im Eingangsbeitrag des Threads festgestellt - ausgeträumt. Es war nicht mehr als ein kurzer historischer Augenblick der Illusion nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftssystems.

Ich lese noch einmal den zweiten Beitrag:
Tom Bombadil hat geschrieben:(15 Apr 2018, 12:11)
Entweder wird man in den westlichen Demokratien wieder härter und ist bereit, sich und seine Kultur zu verteidigen oder man wird untergehen.
Eine solche Aussage ist im Grunde genommen so ziemlich das, was Snyder mit "politics of eternity" meint. Der reflexartige Blick auf die Vergangenheit. "Westliche Demokratie" nicht als etwas zu Machendes und zu Lebendes sondern als "Kultur", statisch, als Gegebenheit und Eingeprägtheit, als zu verteidigender Bestand.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 May 2018, 09:18)

Ich hab' auch dieses Buch nicht gelesen sondern (eher zufällig) zwei Rezensionen dazu ...

Auf jeden Fall: Der Traum von einem Ende der Geschichte durch gesetzmäßige Verbreitung und Durchsetzung von Demokratie, Liberalismus und Marktwirtschaft ist - wie auch schon im Eingangsbeitrag des Threads festgestellt - ausgeträumt. Es war nicht mehr als ein kurzer historischer Augenblick der Illusion nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftssystems.

Ich lese noch einmal den zweiten Beitrag:


Eine solche Aussage ist im Grunde genommen so ziemlich das, was Snyder mit "politics of eternity" meint. Der reflexartige Blick auf die Vergangenheit. "Westliche Demokratie" nicht als etwas zu Machendes und zu Lebendes sondern als "Kultur", statisch, als Gegebenheit und Eingeprägtheit, als zu verteidigender Bestand.

Ich nenne solche Einstellungen einfach nur Rückwärts gewandt.
Gerade wenn sie dann noch mit Wortfetzen wie Verteidigen, oder auch Feind lokalisieren ect.pp. garniert sind, wie hier im thread geschehen.
Dieses rückwärtige Denken wird uns keinen Meter weiter bringen, die Menschheit zu einer Gemeinschaft zu machen, die gemeinsam Probleme lösen kann. Aber irgendwann muss man damit mal anfangen, sonst bleibt die Menschheit weiter gefangen in dieser Endlosschleife aus Gewalt, Hass, Misstrauen und Missgunst.
Das Banale braucht man nicht zu schälen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Adam Smith »

relativ hat geschrieben:(30 May 2018, 09:44)

Ich nenne solche Einstellungen einfach nur Rückwärts gewandt.
Gerade wenn sie dann noch mit Wortfetzen wie Verteidigen, oder auch Feind lokalisieren ect.pp. garniert sind, wie hier im thread geschehen.
Dieses rückwärtige Denken wird uns keinen Meter weiter bringen, die Menschheit zu einer Gemeinschaft zu machen, die gemeinsam Probleme lösen kann. Aber irgendwann muss man damit mal anfangen, sonst bleibt die Menschheit weiter gefangen in dieser Endlosschleife aus Gewalt, Hass, Misstrauen und Missgunst.
Und was soll jetzt in Bezug auf Russland konkret passieren?
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Adam Smith hat geschrieben:(30 May 2018, 09:49)

Und was soll jetzt in Bezug auf Russland konkret passieren?
Bei diesem Prozess geht es z.B. nicht darum jeden Rückschlag als Ausstiegsformel und /oder Steigerung des Nationalismus zu missbrauchen.
Man muss diesen Weg stoisch weiter gehen und immer wieder den Dialog suchen, um Wege zu finden wie man wieder auf den richtigen Pfad kommt.
Steinmeier hat es ha richtig beschrieben., Wieder mehr miteinander, statt übereinander zu reden.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

relativ hat geschrieben:(30 May 2018, 09:44)

Ich nenne solche Einstellungen einfach nur Rückwärts gewandt.
Gerade wenn sie dann noch mit Wortfetzen wie Verteidigen, oder auch Feind lokalisieren ect.pp. garniert sind, wie hier im thread geschehen.
Dieses rückwärtige Denken wird uns keinen Meter weiter bringen, die Menschheit zu einer Gemeinschaft zu machen, die gemeinsam Probleme lösen kann. Aber irgendwann muss man damit mal anfangen, sonst bleibt die Menschheit weiter gefangen in dieser Endlosschleife aus Gewalt, Hass, Misstrauen und Missgunst.
... "die" Menschheit ist ein rein philosophischer, idealisierender Terminus und hatte für den überwältigend grössten Teil aller jemals existierenden Menschen keinerlei Bedeutung. Es fehlt die Möglichkeit, im "täglichen Leben", im trivialen Überlebenskampf eine emotionale Ebene für diesen Gedanken zu generieren.
Das Problem war/ist/wird sein, dass sich die "unbewaffneten" Idealisten bewaffneten Pragmatikern gegenüber sehen.
Also müssen sich die Idealisten ebenfalls bewaffnen oder sterben ...
Wenn sie aber bewaffnet sind, separieren sie ebenfalls "die" Menschheit, indem sie Feinde der Menschheit definieren.... usw.....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 10:31)

... "die" Menschheit ist ein rein philosophischer, idealisierender Terminus und hatte für den überwältigend grössten Teil aller jemals existierenden Menschen keinerlei Bedeutung. Es fehlt die Möglichkeit, im "täglichen Leben", im trivialen Überlebenskampf eine emotionale Ebene für diesen Gedanken zu generieren.
Es fehlt bei dem ein oder anderen noch der impuls, aber est ist nicht unmöglich. Diese Utopie ist für mich keine, denn der Mensch kann dies umsetzen, wenn er denn will.
Das Problem war/ist/wird sein, dass sich die "unbewaffneten" Idealisten bewaffneten Pragmatikern gegenüber sehen.
Weil der Mensch zwar durch Digitalisierung und Co. auf seinen kleinen Globus naäher zusammenwächst, aber immer noch viel zu viele unterschiedliche Ziele verfolgt.
Also müssen sich die Idealisten ebenfalls bewaffnen oder sterben ...
meine Hoffung ist es diesen Prozess ohne gewalt einzuläuten, Gewalt ist immer die schlechteste aller Überzeugungsargumente.
Wenn sie aber bewaffnet sind, separieren sie ebenfalls "die" Menschheit, indem sie Feinde der Menschheit definieren.... usw.....
Wie ich schon sagte der Prozess darf/sollte m.M. nicht mit Gewalt anfangen bzw. erzwungen werden.
Der Impuls muss der der Überzeugung sein. Dafür braucht es vermutlich/befürchte ich ein aussergewöhnliches Zeichen für die Menschheit. Die Endeckung fremden int. Lebens in unser Galaxie wäre z.B. evtl. so eins, oder eine globale Sicherheitskrise im Zuge unseren handelns.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

relativ hat geschrieben:(30 May 2018, 10:50)

Es fehlt bei dem ein oder anderen noch der impuls, aber est ist nicht unmöglich. Diese Utopie ist für mich keine, denn der Mensch kann dies umsetzen, wenn er denn will.
Das bezweifle ich grundsätzlich. Ich meine, es geht hier um emotionale SELBST-Erfahrung. Ansonsten bleibt es eine oberflächliche, durch Lehren oder ideologische Indoktrination implantierte "Information".
Ich hatte es an anderer Stelle schon mal angeführt:
Wenn ich viele Monate oder sogar Jahre im aussereuropäischen Ausland bin und dort irgendeinen Europäer treffe, erfahre ich ab diesem Zeitpunkt emotional, was der Gedanke "Europa" überhaupt bedeutet, was mich mit diesem Europäer verbindet.
Das kann man mir tausend mal vorher vorbeten und ich bin auch gewillt, das zu glauben. Aber verinnerlicht und zu Wissen wird es erst durch emotionales Begreifen.
Und das ist bei "die Menschheit" praktisch nur dann möglich, wenn es eine übergeordnete Bedrohung gibt.
Weil der Mensch zwar durch Digitalisierung und Co. auf seinen kleinen Globus naäher zusammenwächst, aber immer noch viel zu viele unterschiedliche Ziele verfolgt.
meine Hoffung ist es diesen Prozess ohne gewalt einzuläuten, Gewalt ist immer die schlechteste aller Überzeugungsargumente.
Es geht ja nicht um Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Meinung, sondern es geht um Gewalt zur Verteidigung der eigenen Meinung gegen Gewalt zum Zweck der Vernichtung der eigenen Meinung.

Der Impuls muss der der Überzeugung sein. Dafür braucht es vermutlich/befürchte ich ein aussergewöhnliches Zeichen für die Menschheit. Die Endeckung fremden int. Lebens in unser Galaxie wäre z.B. evtl. so eins, oder eine globale Sicherheitskrise im Zuge unseren handelns.
Ja, eben. Und selbst da werden sich nicht alle Menschen beteiligen ....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 10:31)

... "die" Menschheit ist ein rein philosophischer, idealisierender Terminus und hatte für den überwältigend grössten Teil aller jemals existierenden Menschen keinerlei Bedeutung. Es fehlt die Möglichkeit, im "täglichen Leben", im trivialen Überlebenskampf eine emotionale Ebene für diesen Gedanken zu generieren.
Die Ebene "Menschheit" ist vielleicht wirklich eine Stufe zu abstrakt. Fakt ist aber, dass Phänomene wie Terrorismus, Nationalismus, religiöser Fanatismus immer erst dann auftreten können, wenn die Menschen eben gerade nicht mit existenziellen Lebensfragen befasst sind. Jemand, der nicht weiß, was er am nächsten Tag essen soll, wird eine Antwort darauf sicher nicht in der Bibel oder im Koran suchen.

Fakt ist auch, dass der Anteil der Menschen in der Welt, die mit existenziellen Problemen zu kämpfen hat, in den letzten Dekaden gesunken ist.

Und dann hat sich der Zugang zu digitalen Vernetzungen, Medien usw. erst in allerjüngster Zeit weltweit und auch in weniger entwickelten Regionen durchgesetzt.

Das heißt: Was schon immer so war, muss noch lange nicht so bleiben. Die Bewusstwerdung irgendeiner gemeinsamen Menschheitlichkeit als Massenphänomen setzt gerade erst ein.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 May 2018, 11:54)

Die Ebene "Menschheit" ist vielleicht wirklich eine Stufe zu abstrakt.
:cool: mein Reden ...
Fakt ist aber, dass Phänomene wie Terrorismus, Nationalismus, religiöser Fanatismus immer erst dann auftreten können, wenn die Menschen eben gerade nicht mit existenziellen Lebensfragen befasst sind. Jemand, der nicht weiß, was er am nächsten Tag essen soll, wird eine Antwort darauf sicher nicht in der Bibel oder im Koran suchen.
Doch, gerade dann tut er das, als Trost und Hoffnung auf bessere Zeiten und erfährt in diesen Büchern, dass es keine Menschheit gibt, sondern eine geführte Glaubensgemeinschaft und die Ungläubigen, die auf die eine oder andere Art und Weise vernichtet werden.
Fakt ist auch, dass der Anteil der Menschen in der Welt, die mit existenziellen Problemen zu kämpfen hat, in den letzten Dekaden gesunken ist.
Das widerspricht der sog. Fluchtbewegung ...
Und dann hat sich der Zugang zu digitalen Vernetzungen, Medien usw. erst in allerjüngster Zeit weltweit und auch in weniger entwickelten Regionen durchgesetzt.
Das heißt: Was schon immer so war, muss noch lange nicht so bleiben. Die Bewusstwerdung irgendeiner gemeinsamen Menschheitlichkeit als Massenphänomen setzt gerade erst ein.
Auf der Erde gibt es momentan Menschen, die in der Vorsteinzeit leben, im Mittelalter und in der Moderne.
Der Bewusstseins-Ausgleich dieser Jahrhunderte und Jahrtausende Unterschied kann nur unter einer Art Führung der Moderne passieren.
Und das bedeutet, angesichts der Unterschiede im Bewusstsein, Positionierung, Opposition, Konfrontation, Krieg ...
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