JJazzGold hat geschrieben:(21 Aug 2018, 18:36) Bei einer solchen Blockkonstruktion muss ein steigender Anteil Nichtwähler in Betracht gezogen werden. Dieser lag in den USA zur letzten Wahl bei 46,9%. Zum Vergleich, der höchste Anteil Nichtwähler lag in Deutschland in 2009 bei 29,2%.
Ein Anteil von fast 50%, der sich bei keinem der Blöcke vertreten sieht, birgt die Gefahr des Einsammelns durch eine dritte Partei. Nicht in den USA, dort ist der Wähler längst daran gewöhnt, nur noch zwischen Reps und Demoscrats einflußnehmend wählen zu können, aber in Deutschland, wo der Wähler zunehmend Auswahl geboten bekommt. Wie einfach es ist, hier Unzufriedene ohne Aussicht auf Mitgestaltung einzusammeln, zeigt sich an den momentanen AfD Werten in Bund und Land.
Dies in Betracht ziehend bevorzuge ich persönlich ein breitgefächertes Angebot, auch wenn dies bedeutet, dass im Bund zwei Parteien keine Chance haben jemals mitzugestalten, so bündeln sie doch an den jeweiligen Rändern Diejenigen, die ansonsten ihren Unmut in einer geschickt populistisch ausgerichteten dritten Bewegung zu 50% sammeln würden.
Interessante Gedanken. Doch mit einigen Denkfehlern gespickt.
ad Wahlbeteiligung als Indikator: Zunächst einmal müsste gesagt werden, dass "Wahlbeteiligung" nichts, wirklich gar nichts, über den Stand der politischen Bildung aussagt. Ich erinnere da nur beiläufig an "Stamm- und Traditionswähler". Tatsächlich ist "Nicht-Wählen" innerhalb eines starren Parteien-Systems durchaus auch "Wählen"; in diesem Fall also die passive Ablehnung des oktroyierten "Wahl"-Korsetts.
Darüber hinaus: Anlässlich der letzten BT-Wahlen war nur einen einzigen Tag vor der Wahl jeder dritte Wähler unentschlossen. Selbst wenn man also wohlwollend behauptet, die verbleibenden zwei Drittel hätten ihre Wahlentscheidung auf der Grundlage umfassender/ausreichender politischer Bildung (einschließlich des Blicks aus der eigenen Blase heraus) getroffen: Dann verbleiben
unter dem Strich gerade einmal rund 51 Prozent, die sich "an der Wahl beteiligt" haben. Das verbleibende (unentschlossene) Drittel hat hingegen lediglich "im Trüben gestochert" und so zwar die Beteiligung, doch nicht die Qualität der Wahl aufgewertet.
ad Einsammeln durch dritte Parteien: Eher nein. Zunehmend nein. Das erkennst du eigentlich auch selbst, indem du die "zunehmende Auswahl" in Deutschland kontatierst. GENAU DAS ist nämlich der Ausdruck der Tatsache, dass "Einsammeln" höchstens noch temporär funktioniert. Das gilt übrigens auch in den USA, wo Parteien jedoch eine grundlegend andere Rolle spielen und deshalb auch für Wähler weniger wichtig sind. In der Essenz gibt es immer weniger (verlässliche) "Stammwähler" und wird der "Wechselwähler" für die sogenannten Experten scheinbar immer unberechenbarer, obwohl beide sich eigentlich uniform verhalten: Sie sind auf der Suche nach der versprochenen Vertretung.
ad AfD als Indikator: Hier wird die AfD überbewertet. Noch kann sich diese (Nicht-)Partei als "APO-Bewegung" gerieren. Und selbst in den Parlamenten versucht sie bis heute diesen Spagat; zum Einen wahrnehmbare "(a-politische) Interessenvertretung" zu sein; zum Anderen aber eben gerade NICHT als "Partei" wahrgenommen zu werden. Doch abgesehen davon, dass sich dieser Schutzmantel bereits abnutzt: Die AfD profitiert genau - und EINZIG - davon, sich als "APO" aufstellen zu können. Das ist die größtmögliche Annäherung an "Nicht-Partei", die sich der von Parteien indoktrinierte Pöbel vorstellen kann. (s. auch verschiedentliche Einlassungen auf allen Ebenen des politischen Sachverstandes zum Unverständnis, warum sich die "Aufbruch"-Bewegung nicht als Partei aufstellen will) Würde man der AfD den "APO"-Teil, namentlich die "Wutbürger-Demos" und die - übrigens immer mühsameren -*gida-Bewegungen als Rekrutierungsplattformen nehmen, bräche diese Partei schneller zusammen als sie aufgebaut wurde.