Fuerst_48 hat geschrieben:(19 Dec 2018, 11:13)
Solange Despoten (Orban, Erdogan, Trump, etc) in ihren Ländern das Sagen haben, solange reich und arm Spannungsfelder aufbauen, wird der Nationalismus bestehen bleiben.
"Despotie" ... das ist Gewaltherrschaft,
Tyrannenherrschaft. Das trifft aber weder die politischen Vorgänge in Ungarn, der Türkei, den USA (oder auch Russland). Es gibt in diesen Ländern schlicht zu viele Dummköpfe, die ehrlich den Mist glauben, der ihnen erzählt wird.
"Nationalismus ist eine Ideologie" (genauso beginnt der Wikipedia-Beitrag zum Begriff). Und man sollte sich merken: Ideologien sind für die Dummköpfe gemacht.
Grad erst vor kurzem (am 11. Dezember) wäre Solschenizyn 100 Jahre alt geworden. Sein Schicksal, die Nobelpreisverleihung, die "Ausfliegung" in die Bundesrepublik, die Freundschaft mit Böll, die Rückkehr nach Russland usw. ... das wird viel besprochen und thematisiert. Aber wovon sein legendäres Hauptwerk "Archipel Gulag" tatsächlich handelt, worum es
wirklich geht, das wissen schon weniger. Man kann es aber bereits am Titel des Ersten Teils ablesen: "Die Gefängnis
industrie". Die in das Gulag-System verbrachten Häftlinge waren nicht (vorrangig) dort, weil sie der herrschenden ideologie widersprachen. Sondern weil es schlicht und einfach
Auftragszahlen der roten Industriebarone gab. Man brauchte Kohle, Energie, Verkehrswege im kalten fernen Sibirien und niemand würde sich je freiwillig solchen Strapazen unterziehen. Es geht dort, wo man meint, dass "Ideologien" am Werk seien
immer nur um Geld, Macht, Reichtum, Rohstoffe, Waffen, den Auf- und Abstieg von Regionalfürsten und Parteikadern, um die Verschiebung von Macht- und Interessenslinien, um Drogen und Sex, um die Eitelkeit von Männern. Ein Breshniew war einerseits ein tumber Alkoholiker, der wahrscheinlich keine zwei zusammenhängenden Sätze zum Begriff "Ideologie" ohne Vorlagezettel hervorgebracht hätte. Aber er war ebenso ein völlig skrupelloser und gewiefter Machtmensch wie ein Erich Mielke. Es geht nie um Ideologie! Auch wenn es - als Sekundärquelle sozusagen - durchaus Sinn macht, Hitlers "Mein Kampf", das "Kommunistische Manifest" oder auch ältere christlich- oder muslimisch-religiös-ideologische Schriften zu studieren. Einfach um zu erfahren, welchen Unsinn sowohl die Dummköpfe unter den Anhängern wie auch unter den Gegnern von Ideologien sich so erzählen lassen. Und die dann vielleicht auch noch mit Zitaten aus diesen Schriften - je nachdem - ihre Anhänger- oder Gegnerschaft begründen. Es ist eine völlig naive, infantile, idealistische SIcht auf die Menschen, die in ideologisch verbrämten Regimen die Macht haben, wenn man von ihnen annimmt, dass sie
selbst an irgendeine Ideologie glauben, die sie nach außen vertreten. Von kaum jemanden weiß man das so genau wie von dem vermeintlichen "Nationalisten" Orbán.
Der Witz bei SOlschenizyn besteht darin, dass er eben gerade kein Antiideologe war sondern - im Gegenteil! - gegen die Ideologielosigkeit der Sowjetunion ankämpfte. Gegen das Fehlen einer geistigen Eingebundenheit in russische Nation und orthodoxe Kirche. Ob aber das heutige Putin-Russland tatsächlich und im Gegensatz zur Lenin-Stalin-Chruschtschow-Breschniew-Sowjetunion für "Werte", "Nation", "Christentum", "Mütterchen Russland" etc. steht ... das darf wohl bezweifelt werden. Es sind wiederum die Dummköpfe, die das glauben und nicht sehen, dass hier - wie im übrigen auch in der Ukraine und in Georgien - Oligarchen dabei sind, das Land untereinander aufzuteilen und von ihren Reichtümern ein paar Kirchen erbauen lassen oder als Sponsoren für Folklorefestivals oder Fußballclubs bereitstehen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)