Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

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Gretel
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Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von Gretel »

Die leichte Möglichkeit des Briefeschreibens muß - bloß theoretisch angesehn - eine schreckliche Zerrüttung der Seelen in die Welt gebracht haben. Es ist ja ein Verkehr mit Gespenstern und zwar nicht nur mit dem Gespenst des Adressaten, sondern auch mit dem eigenen Gespenst, das sich einem unter der Hand in dem Brief, den man schreibt, entwickelt oder gar in einer Folge von Briefen, wo ein Brief den andern erhärtet und sich auf ihn als Zeugen berufen kann. Wie kam man nur auf den Gedanken, dass Menschen durch Briefe mit einander verkehren können! Man kann an einen fernen Menschen denken und man kann einen nahen Menschen fassen, alles andere geht über Menschenkraft. Briefe schreiben aber heißt, sich vor den Gespenstern entblößen, worauf sie gierig warten. Geschriebene Küsse kommen nicht an ihren Ort, sondern werden von den Gespenstern auf dem Wege ausgetrunken. Durch diese reichliche Nahrung vermehren sie sich ja so unerhört.
Die Menschheit fühlt das und kämpft dagegen, sie hat, um möglichst das Gespenstische zwischen den Menschen auszuschalten, und den natürlichen Verkehr, den Frieden der Seelen zu erreichen, die Eisenbahn, das Auto, den Aeroplan erfunden, aber es hilft nichts mehr, es sind offenbar Erfindungen, die schon im Absturz gemacht werden, die Gegenseite ist soviel ruhiger und stärker, sie hat nach der Post den Telegraphen erfunden, das Telephon, die Funkentelegraphie.
Die Geister werden nicht verhungern, aber wir werden zugrundegehn.


* Aus einem Brief an seine Freundin Milena, der er kaum je getroffen hatte. - Die beiden verband ein umfangreicher, tiefer Briefkontakt.

Und? kann hier jemand im Zusammenhang mit dem Forum was damit anfangen?
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ThorsHamar
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von ThorsHamar »

Gretel » Do 8. Mai 2014, 19:38 hat geschrieben:Die leichte Möglichkeit des Briefeschreibens muß - bloß theoretisch angesehn - eine schreckliche Zerrüttung der Seelen in die Welt gebracht haben. Es ist ja ein Verkehr mit Gespenstern und zwar nicht nur mit dem Gespenst des Adressaten, sondern auch mit dem eigenen Gespenst, das sich einem unter der Hand in dem Brief, den man schreibt, entwickelt oder gar in einer Folge von Briefen, wo ein Brief den andern erhärtet und sich auf ihn als Zeugen berufen kann. Wie kam man nur auf den Gedanken, dass Menschen durch Briefe mit einander verkehren können! Man kann an einen fernen Menschen denken und man kann einen nahen Menschen fassen, alles andere geht über Menschenkraft. Briefe schreiben aber heißt, sich vor den Gespenstern entblößen, worauf sie gierig warten. Geschriebene Küsse kommen nicht an ihren Ort, sondern werden von den Gespenstern auf dem Wege ausgetrunken. Durch diese reichliche Nahrung vermehren sie sich ja so unerhört.
Die Menschheit fühlt das und kämpft dagegen, sie hat, um möglichst das Gespenstische zwischen den Menschen auszuschalten, und den natürlichen Verkehr, den Frieden der Seelen zu erreichen, die Eisenbahn, das Auto, den Aeroplan erfunden, aber es hilft nichts mehr, es sind offenbar Erfindungen, die schon im Absturz gemacht werden, die Gegenseite ist soviel ruhiger und stärker, sie hat nach der Post den Telegraphen erfunden, das Telephon, die Funkentelegraphie.
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* Aus einem Brief an seine Freundin Milena, der er kaum je getroffen hatte. - Die beiden verband ein umfangreicher, tiefer Briefkontakt.

Und? kann hier jemand im Zusammenhang mit dem Forum was damit anfangen?
Nun, da wir wissen, dass Kafka einen mehr oder weniger ( für mich mehr ) unterhaltsamen Sockenschuss hatte, verwundert ein solches Statement - in einem Brief geschrieben - nicht.
Heute würde sich der gute Kafka über die Gespenster der Internets in einem Internetforum ausheulen ....
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von Gretel »

ThorsHamar » Do 8. Mai 2014, 18:48 hat geschrieben: Nun, da wir wissen, dass Kafka einen mehr oder weniger ( für mich mehr ) unterhaltsamen Sockenschuss hatte, verwundert ein solches Statement - in einem Brief geschrieben - nicht.
Heute würde sich der gute Kafka über die Gespenster der Internets in einem Internetforum ausheulen ....
Ich warte geduldig auf intelligentere Beiträge. :)
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ThorsHamar
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von ThorsHamar »

Gretel » Do 8. Mai 2014, 19:50 hat geschrieben: Ich warte geduldig auf intelligentere Beiträge. :)
Solche Beiträge sind zu diesem Plot nicht möglich.
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von Gretel »

ThorsHamar » Do 8. Mai 2014, 19:00 hat geschrieben: Solche Beiträge sind zu diesem Plot nicht möglich.
... sprach das Gespenst. in diesem Falle zu den eher simplen Geistern zu rechnen.
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von ThorsHamar »

Gretel » Do 8. Mai 2014, 20:21 hat geschrieben: ... sprach das Gespenst. in diesem Falle zu den eher simplen Geistern zu rechnen.
Falls es Dir wirklich nicht jetzt schon klar ist, dass ich vollkommen Recht habe, wirst Du es bald lesen können.
Und dann "blätterst" Du hierher zurück ....
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Walter Hofer
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von Walter Hofer »

Man auch tiefer fragen,
wo würde Kafka schreiben ?
und
wäre er user oder besser sogar Mod?
Seine vielen Briefe lassen imho keine Rückschlüsse zu.
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von Gretel »

Walter Hofer » Do 8. Mai 2014, 21:31 hat geschrieben:Man auch tiefer fragen,
wo würde Kafka schreiben ?
und
wäre er user oder besser sogar Mod?
Seine vielen Briefe lassen imho keine Rückschlüsse zu.
:?

tiefer fragen
Zuletzt geändert von Gretel am Do 8. Mai 2014, 22:33, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von ThorsHamar »

Gretel » Do 8. Mai 2014, 22:32 hat geschrieben: :?

tiefer fragen
...siehste? .... :cool:
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Walter Hofer
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Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von Walter Hofer »

Gretel » Do 8. Mai 2014, 22:32 hat geschrieben: :?

tiefer fragen
z.B. Kafkas immer wiederholter Wunsch " eine Ansicht des Lebens" zu gewinnen, auch mit widersprüchlichen Realitäten konfrontiert zu werden.
Zuletzt geändert von Walter Hofer am Do 8. Mai 2014, 23:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Daylight

Re: Was würde Franz Kafka wohl erst zum Internet schreiben?!

Beitrag von Daylight »

Kafka war ein recht junger Mann, als er mit gerade einmal 41 Jahren starb, er war zuerst als Jurist im Versicherungswesen tätig, doch Poet und Idealist, der Mann mit der roten Nelke im Knopfloch. Er hasste die Einfältigkeit der trostlosen Dienstbarkeit des Einzelnen offenbar ähnlich, wie viele solches Tun als „Brotberuf“-Sklave auch heute noch machen und zugleich "hassen" (an sich selbst).
Der sensible, scheue Franz hatte den „falschen Vater“ auch…, Patriarch in Hosenbeinen. Insgesamt war er ein überaus konfliktbelasteter und scheuer, immer auch ein recht einsamer Mensch. Aber Dir, als mutmaßlichem Kafka-Fan, muss ich das sicher nicht weiter erläutern?

Nun, was will ich damit einleiten? Dass er mit jener Deinerseits zitierten Aussage doch auch partiell richtig lag? Seiner Zeit voraus? Ja, auch das.
Aber das ist auch nur Teil der aktuell zu betrachtenden Realität und damit auch hinzunehmender Wahrheit. Oder heiße es Brutalität der Realität?
Kafka war zugleich auch ein Nicht-Täter, will meinen, ein ängstlicher Mensch, boshafte andere Menschen würden diesen auch heute noch der zivilen und tätigen Feigheit bezichtigen.

Zitat: > "Ach", sagte die Maus," die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.
"Du musst nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.<


Kafka war niemals Streiter für seine „Sache“ an real vorderster Front. Er schrieb darüber, zermarterte sich den Kopf darum.
Doch seinerzeit tickten die Uhren auch noch ganz anders. Auch ist er kein Aushängeschild für direkte und offene Kommunikation gewesen, schon damals nicht. Immer und stets mit Bedacht. Selbst im wahren Leben zog er sich vielmehr vor anderen Menschen zurück, als dagegen auf sie zuzugehen, wenn es ihm zu "eng" und "brenzlig" geworden war.

Diese kafkaeske Assoziation also kann auch keinen rückblickenden Maßstab für hiesige oder auch aktuell durchschnittliche Vorgänge oder ähnliche Gegenstände werden, welche zu unserem Leben nun einmal dazu gehören. Kafka lebte in einer gänzlich anderen Zeit, zurückgezogen und scheu-intellektuell. Ängstlich zurückgezogen bis hin zu zeitweiser Isolation.

Auf dieser Basis können wir die aktuellen heutigen Möglichkeiten der virtuellen Kommunikation nicht bewerten. Auch wenn ich diese Assoziation, dieses Zitat, als äußerst interessant erachte. Und auch nicht als „vergebens“ betrachte.
Zuletzt geändert von Daylight am Fr 9. Mai 2014, 02:24, insgesamt 3-mal geändert.
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