Kardux hat geschrieben:(21 Oct 2018, 08:03)
Für Israel gibt es zwei Formen von Sicherheitsinteressen: die langfristigen und die kurzfristigen. Die Langfristigen können nur in einem halbwegs moderaten und demokratischen Nahen Osten gewahrt werden. Davon ist die ganze Region aber weit entfernt. Und das ist der springende Punkt. Deshalb fokusiert man sich jetzt auch auf die Kurzfristigen. Und da ist es völlig belanglos wie ein temporärer Verbündeter (in dem Fall Saudi Arabien) im Inneren oder Äußeren agiert. Israel weiß ganz genau mit wem es sich abgibt. Für sie ist die "Aufklärung" in diesem Mord völlig irrelevant - es war ein Auftragsmord. Darüber gab und gibt es keine Zweifel. Dieser Mord ändert aber gar nichts an der Konstellation im Nahen Osten. Israel ist an seiner Sicherheit interessiert und nicht am medial hochgepuschten Tod eines saudischen Oppositionellen. Die empörte Türkei bringt genauso Oppositionelle brutal um (auch im Ausland) und der Iran sowieso (auch im Ausland). Man könnte hier noch sagen, dass die Vorgehensweise der Saudis dilletantisch war. Genauso ja auch bei der Geiselnahme von Hariri. Typisch Saudi Arabien eben. Wieso agieren sie dilletantisch? Weil sie es sich erlauben können.
Da ist wohl einiges dran, an dem, was Sie sagen.
Zunächst,
Liquidationen durch Geheimdienste gab es schon früher, etwa durch den Mossad, Schin Bet oder CIA - Golda Meir ließ die Terroristen von München 1972 konsequent verfolgen - und es gab auch schon immer wieder mal sog. Pannen.
Die Aktion gegen Jamal Kaschoggi war wahrscheinlich eine Operation des Geheimdienstes und womöglich auch eine Panne.
Der jetzige PR-Krieg dürfte wohl kaum beabsichtigt gewesen sein, insofern ist von irgendeiner Art von Panne auszugehen. Unklar ist, inwieweit Kronprinz MBS informiert war und ob ein Teil des saudischen Geheimdienstes möglicherweise eigenmächtig gehandelt hat.
Ungewöhnlich ist es nicht unbedingt, wenn Geheimdienstler weitgehendst autonom operieren und die Ziele nur sehr grob mit der Regierung abgesprochen sind.
Die Konstellation im Nahen Osten ist unverändert, das bringen Sie sehr hübsch auf den Punkt.
Israel ist an seiner strategischen Sicherheit interessiert, kurz-, mittel- und langfristig.
Die "Achse" - Führer Khamenei, GenMaj Soleimani, Gauleiter Nasrallah und Konsorten - sind weiterhin an der Landbrücke und am Terrorismus interessiert und die Golfstaaten an der Eindämmung des gegnerischen Sichelschnitts.
Die
Europäer sollten an ihrer strategischen Sicherheit interessiert sein, ebenfalls kurz-, mittel- und langfristig. Die Situation in den Nachbarregionen ist zumindest besorgniserregend.
Zur Appeasementpolitik bezüglich des Atomdeals gibt es geteilte Auffassungen. Jerusalem, Washington und Riad verfolgen jedenfalls ein anderes Strategiekonzept.
Nach Ansicht des relativ bekannten Regierungsberaters Daniel Schueftan seien lediglich Israel und die USA dazu in der Lage, den Iran noch aufzuhalten.
Grundsätzlich gilt es, vier Ziele anzuvisieren - Bekämpfung des Terrorismus, Nonproliferation, Eindämmung des Mullah-Irans und humane Lebensbedingungen für die lokalen Bevölkerungen der Region.