Ungebremste Dummheit
Was der saudische Kronprinz anfasst, gerät zum Desaster - aktuell zu sehen im Fall Khashoggi. Von allen ethischen Abgründen einmal abgesehen: Wie kann sich ein Herrscherhaus derart lächerlich machen?
Was Mohammed bin Salman , kurz MbS, in den vergangenen Jahren außenpolitisch so angestellt hat, geriet jedesmal zu einem Desaster mit Ansage: angefangen beim Krieg im Jemen, den er 2015 noch als Verteidigungsminister lostrat und der, so versprochen, mittels der saudi-arabischen Luftwaffe die jemenitischen Kontrahenten binnen Wochen in die Unterwerfung zwingen würde. Dreieinhalb Jahre später haben die Jets zwar Wohnviertel, Beerdigungen und zuletzt einen vollbesetzten Schulbus getroffen, geht das ganze Land zugrunde, aber gibt es keinen Sieg.
Als Nächstes machte die Geiselnahme von Libanons Premier Saad Hariri in Riad den Mann im Libanon populärer denn je und damit stärker gegenüber saudischem Druck, einen Krieg mit der Hisbollah zu riskieren - was die Ursprungsidee der Festsetzung nebst inszeniertem Rücktritt Hariris gewesen war.
Auch die bizarre Fehde mit dem reichen Nachbar-Scheichtum Katar, dann der folgende Rachefeldzug gegen Kanada, die Kappung diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen wegen eines einzigen Tweets der kanadischen Außenministerin zur Freilassung von Menschenrechtlern, schürten vor allem Zweifel an der Berechenbarkeit der Regierenden in Riad.
Wie kann man sich so lächerlich machen?
Und nun die mutmaßliche Ermordung Jamal Khashoggis im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Sie ließ sich weder ignorieren noch leugnen, denn man hatte dem Mann ja extra einen Termin gegeben, zu dem er kam, aber nie wieder ging. Zu dem aber, gut zu sehen auf den Bildern der türkischen Überwachungskameras (die eigenen waren alle just ausgefallen), auch das 15-köpfige Empfangskomitee anreiste, das laut türkischen Angaben einen hochrangigen Forensiker nebst Knochensäge umfasste.
Was wiederum die nach tagelangen Totaldementis nachgeschobenen Halbgeständnisse aus Riad umgehend der Lächerlichkeit preisgab, der 59-jährige Khashoggi sei wahlweise bei einem unerwarteten Handgemenge oder im Würgegriff eines Schergen aus der Entourage von MbS gestorben.
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Die Saudis und der Fall Khashoggi
Ungebremste Dummheit
Was der saudische Kronprinz anfasst, gerät zum Desaster - aktuell zu sehen im Fall Khashoggi. Von allen ethischen Abgründen einmal abgesehen: Wie kann sich ein Herrscherhaus derart lächerlich machen?
© DER SPIEGEL Ein Kommentar von Christoph Reuter
AFP
Bild der herrschenden Familie in Riad
Dienstag, 23.10.2018 16:17 Uhr
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Kommentar
König Midas wollte, dass alles zu Gold werde, was er berührte. Allerdings galt das auch für Getränke und Speisen, die Midas anfasste. Er litt bald Hunger und Durst, weil er nicht nachgedacht hatte, was seine Entscheidung für Folgen haben werde. Soweit die Sage, deren Fortsetzung auch schön zum Hause Saud passen würde, konkret zum gegenwärtigen Thronprätendenten Saudi-Arabiens.
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Der Prinz und der Mord
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Denn was der in die Hand nimmt, verändert sich ebenfalls auf die immer gleiche Weise. Nur, dass es nicht zu Gold wird. Was Mohammed bin Salman , kurz MbS, in den vergangenen Jahren außenpolitisch so angestellt hat, geriet jedesmal zu einem Desaster mit Ansage: angefangen beim Krieg im Jemen, den er 2015 noch als Verteidigungsminister lostrat und der, so versprochen, mittels der saudi-arabischen Luftwaffe die jemenitischen Kontrahenten binnen Wochen in die Unterwerfung zwingen würde. Dreieinhalb Jahre später haben die Jets zwar Wohnviertel, Beerdigungen und zuletzt einen vollbesetzten Schulbus getroffen, geht das ganze Land zugrunde, aber gibt es keinen Sieg.
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Als Nächstes machte die Geiselnahme von Libanons Premier Saad Hariri in Riad den Mann im Libanon populärer denn je und damit stärker gegenüber saudischem Druck, einen Krieg mit der Hisbollah zu riskieren - was die Ursprungsidee der Festsetzung nebst inszeniertem Rücktritt Hariris gewesen war.
Auch die bizarre Fehde mit dem reichen Nachbar-Scheichtum Katar, dann der folgende Rachefeldzug gegen Kanada, die Kappung diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen wegen eines einzigen Tweets der kanadischen Außenministerin zur Freilassung von Menschenrechtlern, schürten vor allem Zweifel an der Berechenbarkeit der Regierenden in Riad.
Wie kann man sich so lächerlich machen?
Und nun die mutmaßliche Ermordung Jamal Khashoggis im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Sie ließ sich weder ignorieren noch leugnen, denn man hatte dem Mann ja extra einen Termin gegeben, zu dem er kam, aber nie wieder ging. Zu dem aber, gut zu sehen auf den Bildern der türkischen Überwachungskameras (die eigenen waren alle just ausgefallen), auch das 15-köpfige Empfangskomitee anreiste, das laut türkischen Angaben einen hochrangigen Forensiker nebst Knochensäge umfasste.
Was wiederum die nach tagelangen Totaldementis nachgeschobenen Halbgeständnisse aus Riad umgehend der Lächerlichkeit preisgab, der 59-jährige Khashoggi sei wahlweise bei einem unerwarteten Handgemenge oder im Würgegriff eines Schergen aus der Entourage von MbS gestorben.
DPA
Jamal Khashoggi (Archivbild)
(Eine ausführliche Rekonstruktion des Falls aus dem aktuellen SPIEGEL lesen Sie hier.)
Auch der von einem Fernsehteam am Konsulatseingang gefilmte Putztrupp, der just vor den türkischen Ermittlern kam, womöglich um rasch noch die gröbsten Spuren zu beseitigen, wirft dieselbe Frage auf, die sich nach allen diesen Aktionen von selbst stellt: Wie kurzsichtig kann man sein?
http://m.spiegel.de/politik/ausland/jam ... 34624.html
Da ist was dran