Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

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King Kong 2006
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Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Sykes-Picot und die Auflösung des Nahen Ostens. Wie bereits bekannt wurden die Grenzen in Nahost maßgeblich von Kolonialmächten gezogen. Und nicht gerade nach der Prämisse welches Volk, welche Konfession wo zu finden ist. Darauf wurde keine Rücksicht genommen. Mit dem Ergebnis, daß die Region ein Pulverfass ist. Vieles wächst jetzt zusammen, was zusammengehört, bzw. verschwindet oder entsteht uvm.

Sykes-Picot haben nach dem Zusammenbruch und Niederlage des Osmanischen Reiches alles südlich der heutigen Grenzen der Türkei neu geordnet.
Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessen im Nahen Osten nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt wurden.
Das Geheimabkommen war dem Namen nach geheim. Denn man suggerierte den Arabern, daß sie für ihre Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen würden. Schillernde Figur dabei war Colonel Lawrence, der Lawrence von Arabien, der im Auftrage der Briten die Organisation des Kampfes gegen die Osmanen übernahm. In Wirklichkeit wurden Interessensgebiete der Entente-Mächte Großbritannien und Frankreich abgesteckt, nachdem das Osmanische Reich zusammenbrach. Die russische Revolution sorgte dafür, daß es aufflog und bis heute ein Nährboden für arabische Verschwörungstheorien bildete und nicht zu unrecht befeuerte.
Die Oktoberrevolution von 1917 führte dazu, dass Russlands Ansprüche am Osmanischen Reich verworfen wurden. Die bolschewistische Regierung veröffentlichte daraufhin den Inhalt des geheimen Sykes-Picot-Abkommens am 23. November 1917 in den russischen Tageszeitungen Prawda und Iswestija. Drei Tage später erschien der Inhalt des Abkommens auch in der britischen Tageszeitung The Guardian.[3] Die Veröffentlichung löste große Verärgerung unter den Entente-Mächten und wachsendes Misstrauen bei den Arabern aus, was die Arabische Revolte zusätzlich anstachelte.
Ein Superkrisenherd wurde dabei auch gleich gelegt:
Das später Palästina genannte Gebiet wurde unter internationale Verwaltung gestellt. Dieses Gebiet, das in der Folge Anlass zu heftigen Kontroversen sein sollte, hatte folgende Grenzen:
Im Süden: eine West-Ost-Linie, beginnend auf etwa der halben Strecke von Deir al-Balah nach Gaza bis zum Toten Meer, nördlich von Beerscheba und südlich von Hebron.
Im Osten: vom Toten Meer den Fluss Jordan entlang zum See Genezareth und einige Meilen nördlich des Sees.
Im Norden: im Anschluss an die Ostgrenze eine Linie in west-nordwestlicher Richtung, die fast an den Süden von Safed reicht und etwa in der Mitte zwischen Haifa und Tyros auf das Meer stößt.
Im Westen: das Mittelmeer.

http://de.wikipedia.org/wiki/Sykes-Picot-Abkommen
British-Zionist discussions during the negotiations
http://en.wikipedia.org/wiki/Sykes%E2%8 ... _Agreement
Die Kurden wurden dabei komplett vergessen.

Als kleiner Nebenschwenk, es ging natürlich im Vorfeld des Sykes-Picot Vertrages auch im Rahmen des Industriezeitalters um den Stoff, der die Welt goes around macht. Schon im Vorfeld des ersten Weltkrieges machten die Briten klar, daß sie das Öl in der Region als existentiell für sich definiert hatten. Lange vor den USA. Wie sehr man darauf angewiesen war zeigte der 1. Weltkrieg. Danach orientierte man sich unter diesen Gesichtspunkten ebenfalls in der Region.
The British realised that the railways would be slightly too close to their oilfields in Persia. The British were worried that the Young Turks could block off oil supplies vital for the navy.

The main British commercial interest that the British government insisted was protected, was that of the Right Honorable James Lyle Mackay, Baron Inchcape of Strathnaver. As well as being the foremost shipping magnate of the British Empire, Lord Inchcape was a director of the Anglo-Persian Oil Company and of the D'Arcy Exploration Company. On February 23 a contract was signed in London between Lord Inchcape and the Baghdad Railway Company.[19] In March 1914 the German government was obliged to recognize southern Mesopotamia, as well as central and southern Persia, as the exclusive field of operations of the Anglo-Persian Company.[20]

http://en.wikipedia.org/wiki/Baghdad_Railway
Das Red Line Agreement
Red Line Agreement

Red Line Agreement ist der Name eines Abkommens, dass die Partner der Turkish Petroleum Company (TPC) (ab 1929 Iraq Petroleum Company) am 31. Juli 1928 im belgischen Ostende schlossen. Ziel war die Bildung eines Kartells zur gemeinsamen Erdölgewinnung.

Nachdem das Osmanische Reich den Ersten Weltkrieg verloren hatte, setzten sich die Partner über das „Erbe“ des Osmanischen Reichs auseinander.

Es wird behauptet, Mr. Five Percent, Calouste Gulbenkian hätte eine Landkarte ausgebreitet und mit einem roten Stift die Grenze des Ottomanischen Reichs von 1914 eingezeichnet. Sie umfasste die heutige Türkei, Syrien, Jordanien, Irak, Saudi Arabien und Oman; Kuwait war ausgespart.

Man einigte sich im Red Line Agreement darauf, dass die unterzeichnenden Gesellschaften innerhalb dieses Gebietes nur gemeinsam auf Ölsuche und -förderung gehen konnten; ein alleiniges Agieren sollte nicht möglich sein.

http://de.wikipedia.org/wiki/Red_Line_Agreement
Turkish Petroleum Company

The forerunner of the Iraq Petroleum Company (IPC) was the Turkish Petroleum Company (TPC), which grew out of the growing belief, in the late 19th century, that the lands of the Ottoman Empire contained substantial reservoirs of oil.

http://en.wikipedia.org/wiki/Iraq_Petroleum_Company
Die Sykes-Picot Landkarte
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Sykes-Picot.svg
Der Nahe Osten nach "Sykes-Picot" Staatszerfall zwischen Mittelmeer und Tigris steht bevor

Vor fast einhundert Jahre teilten Mark Sykes und François Georges-Picot den nahöstlichen Teil des Osmanischen Reiches unter sich auf. Die von ihnen festgelegten Grenzen bestimmen die politische Geographie der Region bis heute. Nun bricht diese „Sykes-Picot“-Ordnung zusammen.

Ägypten taumelt einer ungewissen Zukunft entgegen, Syrien versinkt im Bürgerkrieg, der Zerfall des Irak scheint nur noch eine Frage der Zeit. Immer öfter macht das Diktum vom Ende der „Sykes-Picot-Ordnung“ in Nahost die Runde. Fast hundert Jahre ist es her, dass Mark Sykes und François Georges-Picot im Auftrag der britischen Krone und des französischen Präsidenten den nahöstlichen Teil des Osmanischen Reiches unter sich aufteilten - per Geheimabkommen, versteht sich.
Syriens Grenzen sind in Auflösung begriffen

Syriens Grenzen sind in Auflösung begriffen – auch im Osten des Landes. Die Grenzlinie, die eigentlich die syrische Provinz Deir Ezzor vom benachbarten Al-Anbar im sunnitisch dominierten Westen Iraks trennen soll, verliert sich de facto in den Weiten der syrisch-irakischen Wüste. Je länger der Konflikt andauert, desto wahrscheinlicher wird eine Fragmentierung Syriens: in ein vom Assad-Regime beherrschtes „Alawistan“ entlang der Mittelmeerküste, in ein von den Rebellen kontrolliertes Gebiet und schließlich in eine kurdische Enklave im syrischen Nordosten, die dereinst – so die unausgesprochene Hoffnung vieler Kurden – in einem unabhängigen kurdischen Staat aufgehen könnte.

Die zentrifugalen Kräfte in Syrien ebenso wie die Zerfallserscheinungen im benachbarten Irak, in dem die „Autonome Region Kurdistan“ ihre de facto-Unabhängigkeit von Bagdad peu à peu ausbaut, der schiitische Süden - mit Unterstützung aus Teheran – mehr Autonomie fordert und die sunnitische Minderheit immer vernehmlicher gegen die schiitisch dominierte Zentralregierung aufbegehrt, läuten die Post-Sykes-Picot-Ära ein.
Drei prägende Merkmale zeichnen sich allerdings schon heute ab. Erstens: an die Stelle von – mehr oder weniger soliden – Nationalstaaten tritt eine Vielzahl kleinerer Einheiten, die durch eine gemeinsame konfessionelle oder ethnische Identität zusammengehalten werden. Zweitens: Nicht-staatliche Akteure wie Stammesverbände, Milizen und religiöse Gruppierungen gewinnen weiter an Bedeutung. Drittens: Die traditionellen Ordnungsmächte der Region - Syrien, Irak und Ägypten – haben sich durch innere Konflikte bis auf weiteres ins regionalpolitische Abseits manövriert.
Die benachbarten Staaten sollten in der Neuordung miteinbezogen werden. Fragt sich nur wie, diese scheinen ähnlich wie die Konfliktparteien in Nahost selbst, sich nicht verstehen zu können.
Kein Zweifel besteht indessen daran, dass der Syrien-Konflikt durch die kompromisslose Interessenpolitik der externen Mächte weiter angefacht wird. Insofern sollten die Europäer sich trotz aller Rückschläge in Sachen „Genf II“ auch weiterhin dafür einsetzen, alle relevanten Akteure – einschließlich der Golfstaaten und Iran – an einen Tisch zu bringen und Verhandlungen über die Beendigung der Gewalt und die Grundzüge einer Post-Konflikt-Ordnung anzustoßen. Nicht minder dringend ist die Stabilisierung der Nachbarstaaten Syriens, allen voran Jordaniens und Libanons, die angesichts eines nicht abreißenden Flüchtlingsstroms die Grenze ihrer Belastbarkeit längst überschritten haben und mehr denn je auf internationale Hilfe angewiesen sind.

http://www.tagesspiegel.de/meinung/ande ... 37268.html
Diese von den Kolonial- und Siegermächten gezeichneten Staaten wurden bis dato nach dem Abzug dieser mit teilweise roher Gewalt zusammengehalten. Mit ausländischer Unterstützung. Nun beginnen sie aufzubrechen. Muß man davon ausgehen, daß auf längerer Sicht die Landschaft neu gezeichnet wird? In Europa spricht man von dem Europa der Regionen. Funktionieren der Irak und Syrien (+Staaten der arabischen Halbinsel), der Libanon, neu gegründete Staaten, ja sogar das heutige Israel mit seinem Konflikt, überhaupt in der heutigen Form?
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King Kong 2006
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Ein Ergebnis in der Richtung sieht man bereits in der Kurdenfrage, die seinerseits übergangen wurden. Im Irak die kurdische Autonomiebehörde.

Autonome Region Kurdistan
http://de.wikipedia.org/wiki/Autonome_Region_Kurdistan

Eine ähnliche Entwicklung ist in Syrien zu erwarten. In den Landstrichen Syriens, in denen die Kurden die Mehrheit stellen, sind diese quasi bereits autonom und kontrollieren diese. Das hat direkte Auswirkungen auf die Interessen der Türkei, die die größte kurdische Minderheit beherbergen und lange kriegsähnliche Zustände dort kennen.

Turkey says it won't tolerate 'de facto' Kurdish entity in Syria

Read more: http://www.foxnews.com/world/2013/07/22 ... z2ZwymwWow
Die Angst der Türkei vor den syrischen Kurden

Die syrischen Kurden wollen in den von ihnen bewohnten Gebieten im Norden des Bürgerkriegslandes eine Autonomieregierung aufstellen. Für Ankara ein besorgniserregendes Szenario, denn die türkische Führung fürchtet, eine autonome Kurdenregion im Nachbarstaat könnte die Kurden im eigenen Land, und besonders die PKK stärken. Die schickte unterdessen am Freitag eine, wie es hieß, “letzte Warnung” an die türkische Regierung und warnte vor einem Scheitern des Friedensprozesses.

http://de.euronews.com/2013/07/20/die-a ... en-kurden/
Vermutlich halten sich die Kurden Syriens offiziell noch etwas bedeckt, da man die Zeit noch nicht für reif erachtet und dies zu Komplikationen mit Ankara und den USA führen könnte, die im engen Kontakt zur Türkei steht. Faktisch halte ich das für unaufhaltsam.

Auf lange Sicht wird sich dort oder werden sich dort kurdische Autonomie Gebiete entwickeln. Gerade für die Türkei, die südlich dann diese im Rahmen der Nachbarschaft zu Syrien und zum Irak zweifach haben eine besonders pikante Entwicklung hinsichtlich ihrer eigenen kurdischen Minderheit.
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Liegestuhl
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Liegestuhl »

Wie hätte denn die Grenzziehung ausgesehen, wenn man sie nach konfessionellen Gesichtspunkten festgelegt hätte? Ich nehme doch an, dass das deine Kritik ist?
Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Praia61 »

Liegestuhl » Mi 24. Jul 2013, 09:51 hat geschrieben:Wie hätte denn die Grenzziehung ausgesehen, wenn man sie nach konfessionellen Gesichtspunkten festgelegt hätte? Ich nehme doch an, dass das deine Kritik ist?
Dort ein Fleck und da ein Fleck auf der Landkarte verbunden mit Korridoren :eek: :cool:
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King Kong 2006
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Liegestuhl » Mi 24. Jul 2013, 10:51 hat geschrieben:Wie hätte denn die Grenzziehung ausgesehen, wenn man sie nach konfessionellen Gesichtspunkten festgelegt hätte? Ich nehme doch an, dass das deine Kritik ist?
Zunächst einmal bin durchaus realistisch eingestellt und vermutlich hätte ich, wenn ich angestellter Staatsdiener Frankreichs oder GB´s gewesen wäre das gar nicht anders getan. Die Gesichtspunkte Großbritanniens unter denen gezeichnet wurde waren realpolitisch in deren Sinne logisch. Es ist die Aufgabe für seinen Staat das maximale herauszuholen. Auch auf Kosten anderer. Sonst wäre man nicht sehr lange auf diesem Stuhl. Siehe, wie bereits verlinkt:
Dass die dunkle Vergangenheit des Empires weiterer Aufarbeitung bedarf, zeigte diese Woche die Empörung über David Cameron. Der Premierminister hatte am Dienstag in Pakistan auf eine Frage zum Kaschmir-Konflikt geantwortet, Großbritannien trage die Verantwortung für viele Probleme auf der Welt.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/k ... 55914.html
Ich erachte es für wichtig, daß man sich dessen bewußt ist. Wie es so schön heißt, man versteht nicht die Gegenwart und kann nicht die Zukunft (anders) gestalten, wenn man die Vergangenheit nicht kennt. Das ist meine Intention.

Wie sähe die Region aus nach konfessioneller, ethnischer Aufteilung?

Plans for Redrawing the Middle East: The Project for a “New Middle East”
http://www.globalresearch.ca/plans-for- ... -east/3882

Das ist sicher nur ein Ansatz, zudem so manche etwas völlig anderes entwerfen würden. Dieses Bild ist in dieser Form jedoch nicht umsetzbar. Weder politisch noch militärisch. Und auch nicht wünschenswert. Wer wolle einen arabisch-schiitischen Staat, der die gewaltigen Erdölreserven (Süd-)Iraks, Irans, Saudi-Arabiens und Bahrains in einer Hand konzentriert sehen? Saudi-Arabien und der Irak würden wieder zu reinen Wüstenstaaten mit nichts darin. Das ist realpolitischer Wahnsinn. Man kann es jetzt zudem nicht mehr ändern. Jedenfalls nicht in absehbarer Zukunft.

Man hätte eher zu Zeiten des 1. Weltkrieges die Sache - für die Region - zweckdienlicher angehen müssen. Z.B. die Kurdenfrage. Türkei, Irak, Syrien und Iran haben dort politische, wie militärische Probleme, die einen Rattenschwanz ein Krisen erzeugten. Hätte man einen kurdischen Staat entstehen lassen, dann hätte man dies eventuell sich sparen können. Wobei hätte und könnte in der Geschichte natürlich so eine Sache ist. Aber nur als Beispiel. Ebenso, daß in Syrien die Minderheit der Alawiten herrschten. Im Irak unter Saddam die Minderheit der Sunniten, in Bahrain die Minderheit der Sunniten. Diese müssen sich, um sich zu behaupten durch Gewalt halten. Unterschwellige Gewalt, teilweise offen, die jetzt aufbrechen. Natürlich sind diese Minderheiten schutzbedürftiger und ansprechbarer für starke Außenmächte. Das macht schon Sinn aus dem Blickwinkel der (ex-)Kolonialmächte.
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Mi 24. Jul 2013, 11:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Praia61 »

Man hätte, man hätte :?:
Funktioniert dort das Multi Kulti ( primär verschiedene Religionesausrichtungen) etwa nicht ? :cool:
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Kavenzmann

Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kavenzmann »

Praia61 » Mittwoch 24. Juli 2013, 14:14 hat geschrieben:Man hätte, man hätte :?:
Funktioniert dort das Multi Kulti ( primär verschiedene Religionesausrichtungen) etwa nicht ? :cool:
Sunniten vs. Schiiten sind (untereinander!) in etwa so multi-kulti-fähig wie europäische Lutheraner und Katholiken zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert :D
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nichtkorrekt
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von nichtkorrekt »

Ich dachte Multi-Kulti sei sowas Tolles und eine Bereicherung für uns alle :?: Offensichtlich wollen nicht mal die Araber selbst mit Ihresgleichen bereichert werden, vielleicht sollte man da auch die deutsche bzw. europäische Einwanderungspolitik in Frage stellen.
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King Kong 2006
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Es ist interessant, daß mit der angesprochenen Problematik im Orient Vergleiche mit Konfliktfeldern in Europa gezogen werden. Es gibt bis auf den Fall Israel und dem Nachfolger des Osmanischen Reiches, der Türkei, siehe die Alija und die ethnischen Entwicklungen von Griechen, Armeniern und Türken in Kleinasien, in der Nahostregion aber den Unterschied, daß das sehr, sehr altes "Multikulti" dort ist. Während das Multikulti in Deutschland z.B. sehr jung ist. Die Problematik, die Konflikte und Ursachen sind ganz anders. Was man vielleicht in der Form vergleichen könnte war zuletzt der Jugoslawienkrieg.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Praia61 »

King Kong 2006 » Mi 24. Jul 2013, 14:54 hat geschrieben:Es ist interessant, daß mit der angesprochenen Problematik im Orient Vergleiche mit Konfliktfeldern in Europa gezogen werden. Es gibt bis auf den Fall Israel und dem Nachfolger des Osmanischen Reiches, der Türkei, siehe die Alija und die ethnischen Entwicklungen von Griechen, Armeniern und Türken in Kleinasien, in der Nahostregion aber den Unterschied, daß das sehr, sehr altes "Multikulti" dort ist. Während das Multikulti in Deutschland z.B. sehr jung ist. Die Problematik, die Konflikte und Ursachen sind ganz anders. Was man vielleicht in der Form vergleichen könnte war zuletzt der Jugoslawienkrieg.
Das Multikulti in D ist nicht sehr jung.
D liegt in der Mitte Europas.
Da gab es schon immer Einwanderung.
Nur in der letzten Zeit wirds zu einem Problem :cool:
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Praia61 » Do 25. Jul 2013, 10:03 hat geschrieben: Das Multikulti in D ist nicht sehr jung.
D liegt in der Mitte Europas.
Da gab es schon immer Einwanderung.
Nur in der letzten Zeit wirds zu einem Problem :cool:
Ich finde, daß Deutschland da eigentlich eher ein homogener Staat ist. Abgesehen von der indoeuropäischen Einwanderung, in eine von der Megalithkultur bewohnten Gegend vor langer Zeit.

Deutschland hat stets mehr exportiert an Stämmen, denn importiert. Und wer kam, gehörte einer ähnlichen Sprache und Kultur an. Zuletzt könnte man vielleicht die Ansiedlung von polnischen Arbeitskräften nennen, die bemerkenswert war. Das heutige Mulitikulti Deutschlands ist jüngeren Datums und erst in den Fünfzigern angefahren worden. Die Problematik ist deshalb auch anders, weil wir in Deutschland kein Millionenvolk von z.B. Kurden haben, die seit tausenden Jahren hier wohnen und einen eigenen Staat haben möchten. Es sind Millionen Menschen aus allen Herren Ländern hier eingewandert und haben sich übers ganze Land verteilt - mehr oder weniger. Mit spezifischen Problemen. Das ist die ethnische Komponente.

Die konfessionelle kennt Deutschland schon eher, siehe z.B. der Dreißigjährige Krieg. Das Problem in Nahost ist, daß die Osmanen so lange, danach die Kolonialherren aus dem Westen solche Krisen überdeckt haben. Jetzt wo sie die Hände weggezogen haben, werden sie wieder offenbar und nicht mehr gedeckelt. Sie müssen sich jetzt entfalten. Europa hat seit Jahrhunderten ob Dreißigjähriger Krieg, Nordische Kriege, Siebenjähriger Krieg, Napoleonische Kriege, Preußen-Österreichisch, gegen die Dänen, Preußisch-Französischer Krieg. 1. + 2. Weltkrieg, Jugoslawienkrieg uvm. benötigt, um "reinen Tisch" zu machen. Die Probleme auszubrennen, bis nichts mehr geht. Grenzen gezogen. In Nahost war state buildung, auch begründet durch Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln durch die Osmanen und Kolonialherrschaft nicht möglich. Es gab praktisch keine Staaten. Mag sein, daß man sagen kann, daß dies ein Segen wäre, aber man sieht, über Probleme nicht zu sprechen sie nicht zu lösen bedeutet nur Aufschiebung. Jetzt löst man in Nahost seit Jahrzehnten, was in Europa seit Jahrhunderten ausgefochten wurde.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Praia61 »

Alles bekannt, dennoch bleibt die Frage, weshalb die dort immer noch nicht so weit wie wir.
Weshalb brauchen die dazu so viel länger. :?:
Der Startzeitpunkt war ja etwa gleich.
Zuletzt geändert von Praia61 am Do 25. Jul 2013, 22:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Praia61 » Do 25. Jul 2013, 22:48 hat geschrieben:Alles bekannt, dennoch bleibt die Frage, weshalb die dort immer noch nicht so weit wie wir.
Weshalb brauchen die dazu so viel länger. :?:
Der Startzeitpunkt war ja etwa gleich.
Der Startzeitpunkt zum nation building war in Europa wesentlich früher. Wie ja bekannt ist. Der Irak und Syrien existieren erst zusammengebastelt seit 1920. Danach noch einige Zeit unter Einfluß der ehemaligen Kolonialmächte. Das ist sehr jung. Sie haben sich zudem nicht mal selbst zusammengerauft. Sie sind nach Interessen der Briten und Franzosen zusammengesetzt worden. Ihnen fehlen die Jahrhunderte an Kriegsführung von Nationalstaaten, wie Bürgerkriegen, wie in Europa, was die europäischen Landesgrenzen so gestaltet haben, wie sie jetzt sind.

Was genau meinst du mit noch nicht soweit? Die sozioökonomische Entwicklung der Staaten? Die gesellschaftliche Entwicklung?
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Stabilität durch Energiesicherheit und Verträge und Zusammenarbeit zwischen den Nachbarn.

Wie sehr der Staatenzerfall überregionale Projekte gefährdet sieht man an dem Projekt einer Erdgaspipeline vom Iran zum Mittelmeer an die syrische Küste. Irak und Syrien als Endabnehmer iranischen Erdgases und von der syrischen Küste weiter nach Europa. Dieses Projekt wurde bereits 2010 zwischen Damaskus, Bagdad und Teheran diskutiert. Es ist natürlich überflüssig zu erwähnen, daß Washington davon nicht begeistert ist und ähnliche Anstrenungen unternimmt, wie im Falle der Pipeline Iran-Pakistan-Indien um dieses irgendwie aufzuhalten. Wie das Schicksal es so will, das zeitlich dafür optimal zerfallende und im Bürgerkrieg versinkende Syrien hat das Projekt somit zunächst obsolet gemacht. Zum großen Ärger von Teheran. Qatar, das ebenso recht große Erdgasreserven hält, sogar ein "gemeinsames" Erdgasfeld im Persischen Golf mit dem Iran, war von der Pipeline nicht so begeistert. Dafür ist Qatar mit großer Begeisterung dabei die Bürgerkriegsparteien, die gegen die syrischen Streitkräfte kämpfen zu unterstützen. Zufall?
Iraq, Iran, Syria Sign $10 Billion Gas-Pipeline Deal

AMMAN, Jordan—The oil ministers of Iraq, Iran and Syria Monday signed a preliminary agreement for a $10 billion natural-gas-pipeline deal, the official Iranian News Agency IRNA and other Iranian media reported.

http://online.wsj.com/article/SB1000142 ... 50392.html
Solche großen Projekte sorgen dafür, daß die Staaten besser kooperieren, da viele Menschen und Firmen aus der Region involviert sind und die Zusammenarbeit fördert. Das engere wirtschaftliche Zusammenwachsen verhindert zudem eher kriegerische Auseinandersetzungen, da gegenseitige Abhängigkeiten auch die Nachbarn treffen würde. Sprich, stärkere Verpflechtung, wie in Europa, machen Einzelgänge schwerer. Die Nationalstaaten müssen ihr politisches Agieren, gerade auf dem internationalen Parkett gründlich überdenken, da eine stärkere Vernetzung unmittelbare Auswirkungen auf andere haben können. "Man kann nicht mehr so einfach machen, was man will".

Washington macht kein Geheimnis daraus, das es nicht in deren Interesse ist. Militärisches Intervenieren erschwert dies natürlich. Da Kriegsführungen durch sie dann ebenfalls Auswirkungen auf anderen Staaten hat. Z.B. Unterbrechung der Energieversorung. Regionale Projekte wie die Pipelinevernetzung wird stets mit großen Druck durch Washington angegriffen. Divide et impera.

Syrien zerfällt in einen Schrotthaufen. Wie seinerzeit der Irak. Qatar und die USA können hinsichtlich der Pipelinevernetzung aufatmen.
War against Iran, Iraq AND Syria?

At Asia Times Online and also elsewhere I have been arguing that this prospective Pipelinestan node is one of the fundamental reasons for the proxy war in Syria. Against the interests of Washington, for whom integrating Iran is anathema, the pipeline bypasses two crucial foreign actors in Syria - prime "rebel" weaponizer Qatar (as a gas producer) and logistical "rebel" supporter Turkey (as the self-described privileged energy crossroads between East and West).

The US$10 billion, 6,000 kilometer pipeline is set to start in Iran's South Pars gas field (the largest in the world, shared with Qatar), and run via Iraq, Syria and ultimately to Lebanon. Then it could go under the Mediterranean to Greece and beyond; be linked to the Arab gas pipeline; or both.
Den Plan hat man dennoch nicht fallengelassen.
Before the end of August, three working groups will be discussing the complex technical, financial and legal aspects involved. Once finance is secured - and that's far from certain, considering the proxy war in Syria - the pipeline could be online by 2018. Tehran hopes that the final agreement will be signed before the end of the year.

Tehran's working assumption is that it will be able to export 250 million cubic meters of gas a day by 2016. When finished, the pipeline will be able to pump 100 million cubic meters a day. For the moment, Iraq needs up to 15 million cubic meters a day. By 2020, Syria will need up to 20 million cubic meters, and Lebanon up to 7 million cubic meters. That still leaves a lot of gas to be exported to European customers.

http://www.atimes.com/atimes/Middle_Eas ... 30713.html
Der Irak wird grenznah beliefert.
Iran has signed an agreement to send 850 million standard cubic feet per day (scf/d) of natural gas through a pipeline into Iraq, fueling power stations to feed electricity-starved Iraqis and testing the U.S.'s sanctions regime. In a closed-door ceremony at the Ministry of Electricity in Baghdad, Iranian Oil Minister Rostam Qasemi and Iraqi Electricity Minister Karim Aftan Jumaili signed a four-year gas supply agreement, according to a Monday statement from Iraqi Electricity Ministry

http://www.iraqoilreport.com/energy/nat ... ran-11057/
Ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der alten Kriegsgegner, die einen so blutigen Krieg miteinandergeführt haben.

Die USA ist darüber nicht begeistert.

Washington concerned about Iran-Iraq gas deal
http://www.payvand.com/news/13/jul/1189.html

Es ist sicher übertrieben zu behaupten, daß dies der Kriegsgrund wäre, das wird auch nicht in Artikeln behauptet, aber es ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Stabilität der (noch vorhandenen?) relativ neuen Nationalstaaten erreicht man u.a. durch starke Einbindung in internationale Projekte und Verträge. Sie stabilisieren und verbinden die dortigen Nachbarn. Wie die Energieversorgung hier thematisiert. Man zieht quasi sprichwörtlich am selben Strang (Pipeline). Es ist schon schade, daß dies irgendwie nicht zu klappen scheint. Ganz im Gegenteil. Die Region muß offenbar den weiten Weg gehen, den Europa ging mit vielen Kriegen, bis man einfach nicht mehr kann. Mit diesem Kriegssyrien ist Pipelinebau nicht mehr möglich. Die Energiesicherheit ist nicht gewährleistet solange dort gekämpft wird. Und die meisten Kriegsparteien, gerade die von weit her zugereisten, geht das auch ziemlich am Gesäß vorbei, ob Strom relevant ist und nachbarschaftliche Zusammenarbeit oder nicht.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

“Islamischen Staat in Irak und Syrien“? Was ergibt sich an neuen Schnittmengen?

Syrien teilt sich ähnlich auf, wie der Irak. Der Irak hat einen kurdisch bestimmten Norden, einen sunnitischen Westen und einen schiitischen Süden. Formaljuristisch ein Staat. Faktisch, praktisch vor Ort sieht es anders aus. Syrien beginnt sich ebenfalls in drei Hauptbereiche zu teilen. Einen Küstenstreifen mit starken alawitsch-schiitischen Einfluß, einen Mittelteil unter FSA/Salafisten/Al-Qaida Einfluß und einen kurdischen Nordosten. Sicherlich ist noch nicht das letzte Wort gesprochen und letzte Kugel geschossen, aber es wird wohl rudimentär daraufhinauslaufen. Ob sich diese Teile unter einem nationalstaatlichen Dachverband organisieren können ist jedoch äußerst fraglich. Ich glaube nicht. Text plus Karte:
Syria is gradually breaking into three. The forces of Mr Assad recently seized the initiative but they cannot defeat the opposition and instead are consolidating their grip on the western spine of the country. From Damascus and Homs to Hama and Latakia, the regime is carving out a coastal state. Meanwhile, the rebels are doing the same in the Euphrates valley stretching from Turkey to Iraq through open desert. On July 22nd they took over Khan al-Asal, a town close to Aleppo, a divided northern city. As extreme Islamists among the rebels gain in strength, rumours abound that al-Qaeda-related groups will declare a religious state. Already, they fly black flags above mini-emirates.

Further east, long-persecuted Kurdish groups are using the chaos of the civil war to create an autonomous region. Last week the Democratic Union Party, the Syrian branch of Turkey’s Kurdistan Workers Party (PKK), announced a constitution and a plan to elect a council to administer the area known as Rojava or west Kurdistan. Exactly a year ago they took over policing the area and in early July they kicked out jihadists from the border town of Ras al-Ain.

http://www.economist.com/news/middle-ea ... l-advances
Die Landstriche unter Kontrolle der Al-Qaida/FSA/Salafisten etc. werden vermutlich enorme Probleme bekommen sich zu konsolidieren. Zur Zeit kämpfen sie ja untereinander um Einfluß. Was da noch zu erwarten ist, wird interessant. Vom sunnitischen Teil Iraks pumpen sich irakische Al-Qaida und Salafisten in den Irak. Wenn es hart auf hart kommt, würde ich nicht auf die FSA setzen. Ich bezweifle, daß die FSA das Zeug hat mit denen ernsthaft konkurrieren zu können.

Mittlerweile reden die syrischen Oppositionellen und ihre irakischen Kameraden offen von “Islamischen Staat in Irak und Syrien“.

Wie Al-Kaida in Syrien Kinder indoktriniert
http://blog.zeit.de/radikale-ansichten/ ... ktriniert/

Könnte sein, daß sich ganz neue Synapsen zwischen dem sunnitischen Teil Iraks und dem sunnitischen Teil Syriens entwickeln?
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

In Libyen ist offenbar der Staatsmacht die Kontrolle entglitten. Die Milizen und Stämme haben vor Ort das Sagen.

Man findet dafür in Tripolis diplomatische Töne:
Libyen im Griff der Milizen

Zugleich räumte der Regierungschef seine eigene Hilflosigkeit gegenüber den mächtigen Milizen ein. "Das sind unsere Bürger, und der Staat kann sich mit ihnen nicht auf Kämpfe einlassen, die schreckliche Konsequenzen nach sich ziehen würden."
Im Klartext heißt das, das Tripolis keine Kontrolle mehr hat und die Milizen machen können, was sie wollen. Schon unter Gaddafi waren die Stämme sehr mächtig. So mächtig, daß Gaddafi darauf Rücksicht nehmen mußte. Die Auslieferung eines Hauptverdächtigen im Kontext des Lockerbie-Attentates erwies sich als schwierig, weil dieser Mitglied des mächtigsten Stammes Libyens war.

Die Grenzsicherung (die Grenzen an sich?) ist unklarer geworden.
Seit diesem Jahr will die Europäische Union der libyschen Regierung dabei helfen, zumindest die 6000 Kilometer langen Landesgrenzen zu kontrollieren. Insgesamt 110 Polizisten und Experten sollen im Rahmen der Eubam-Mission "bei der Entwicklung einer nachhaltigen integrierten Grenzmanagementstrategie helfen" - so der Auftrag aus Brüssel.
Tatsächlich wird die Grenzsicherung von den Milizen und Stämmen übernommen. Die Staatsgewalt existiert dort nicht mehr.
Doch der Weg bis dahin ist weit: Gegenwärtig sind nur zwei der 25 Grenzübergänge dem libyschen Innenministerium unterstellt, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion zur Eubam-Mission. "Die anderen werden von Milizen und Stammesorganisationen überwacht."
Ob die Stämme dieses Privileg ein durchaus wichtiges Merkmal eine Staates wieder herausrücken bezweifle ich. Und wenn, was ändert das?
Dafür lassen EU und Bundesregierung keinen Zweifel daran, dass sie den libyschen Sicherheitskräften nicht über den Weg traut. Für die Sicherheit der unbewaffneten Polizeibeamten aus Europa sind in Libyen private Sicherheitsfirmen verantwortlich.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/d ... 13739.html
Während des Krieges gegen Gaddafi sah man, daß eine Hauptteilungslinie zwischen Tripolitania im Westen und Cyrenaica im Osten liegt. Tripolis und Bengasi. Oder ethnisch gesehen, zwischen den Arabern im Norden und den Tuaregs im Süden und Berbern im Westen. Wie lange arbeiten sie noch zusammen? Vermutlich solange, solange die Stämme und Milizen einen Nutzen darin sehen in einem Staat zu leben. Sie brauchen vermutlich die Staatsorgane um z.B. Öl und Gas international an den Mann zu bringen. Solange sie nicht eigene Betriebswege und Möglichkeiten gefunden haben, bleiben sie im Staate Libyen. Und Tripolis lässt sie dafür machen, was sie wollen.
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Mo 29. Jul 2013, 19:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Platon »

King Kong 2006 » Mi 24. Jul 2013, 00:52 hat geschrieben:Sykes-Picot und die Auflösung des Nahen Ostens. Wie bereits bekannt wurden die Grenzen in Nahost maßgeblich von Kolonialmächten gezogen. Und nicht gerade nach der Prämisse welches Volk, welche Konfession wo zu finden ist. Darauf wurde keine Rücksicht genommen. Mit dem Ergebnis, daß die Region ein Pulverfass ist. Vieles wächst jetzt zusammen, was zusammengehört, bzw. verschwindet oder entsteht uvm.

Sykes-Picot haben nach dem Zusammenbruch und Niederlage des Osmanischen Reiches alles südlich der heutigen Grenzen der Türkei neu geordnet.

Das Geheimabkommen war dem Namen nach geheim. Denn man suggerierte den Arabern, daß sie für ihre Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen würden. Schillernde Figur dabei war Colonel Lawrence, der Lawrence von Arabien, der im Auftrage der Briten die Organisation des Kampfes gegen die Osmanen übernahm. In Wirklichkeit wurden Interessensgebiete der Entente-Mächte Großbritannien und Frankreich abgesteckt, nachdem das Osmanische Reich zusammenbrach. Die russische Revolution sorgte dafür, daß es aufflog und bis heute ein Nährboden für arabische Verschwörungstheorien bildete und nicht zu unrecht befeuerte.

Ein Superkrisenherd wurde dabei auch gleich gelegt:

British-Zionist discussions during the negotiations
http://en.wikipedia.org/wiki/Sykes%E2%8 ... _Agreement
Die Kurden wurden dabei komplett vergessen.

Als kleiner Nebenschwenk, es ging natürlich im Vorfeld des Sykes-Picot Vertrages auch im Rahmen des Industriezeitalters um den Stoff, der die Welt goes around macht. Schon im Vorfeld des ersten Weltkrieges machten die Briten klar, daß sie das Öl in der Region als existentiell für sich definiert hatten. Lange vor den USA. Wie sehr man darauf angewiesen war zeigte der 1. Weltkrieg. Danach orientierte man sich unter diesen Gesichtspunkten ebenfalls in der Region.
Man sollte vielleicht noch im Kontext einfügen, dass man im Iran erst kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges (1908) ausbeutbare Ölvorkommen entdeckt hatte, man bald darauf seine Flotte von Kohle auf Öl umgestellt hatte, und, dass bei den Interessen der Briten in der Region der Seeweg nach Indien auch noch eine wichtige Rolle spielte. Bekanntlich wurde Indien erst 1947 unabhängig. Der Suez-Kanal sollte ja den Handel nach Indien erleichtern, weswegen die Briten - die ab 1882 in Ägypten herrschten - auch das Gebiet nördlich des Sinai beherrschen wollten. Die Unterstützung der zionistischen Sache mit der Balfour-Erklärung sollte letztlich den Anspruch der Briten auf das entsprechende Gebiet als Schutz- oder später dann Mandatsmacht aufzutreten vergrößern.
Das Mandatsgebiet in Irak steht wohl wiederum eher im Kontext der dortigen Ölvorkommen, die man im Kampf gegen die Osmanen erobert hatte.

Wenn es um die historische Bedeutung der Mandatsherrschaft geht sollte man auch nicht unerwähnt lassen, dass der propagierte Sinn dieser vom Völkerbund abgesegneten Herrschaftsform die war, den dortigen Bewohnern durch den Aufbau staatlicher Institutionen die Möglichkeit zur Selbstverwaltung zu geben. Es war die erklärte Aufgabe der Franzosen und Briten den Staatenbildungsprozess in ihren Mandatsgebieten voranzutreiben. Da wie hier in diesem Strang das Scheitern dieser Prozesse diskutieren sind sie in jedem Fall als in historischer Perspektive Hauptmitschuldige zu bezeichnen.
Das Red Line Agreement

Die Sykes-Picot Landkarte
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Sykes-Picot.svg

Die benachbarten Staaten sollten in der Neuordung miteinbezogen werden. Fragt sich nur wie, diese scheinen ähnlich wie die Konfliktparteien in Nahost selbst, sich nicht verstehen zu können.

Diese von den Kolonial- und Siegermächten gezeichneten Staaten wurden bis dato nach dem Abzug dieser mit teilweise roher Gewalt zusammengehalten. Mit ausländischer Unterstützung. Nun beginnen sie aufzubrechen. Muß man davon ausgehen, daß auf längerer Sicht die Landschaft neu gezeichnet wird? In Europa spricht man von dem Europa der Regionen. Funktionieren der Irak und Syrien (+Staaten der arabischen Halbinsel), der Libanon, neu gegründete Staaten, ja sogar das heutige Israel mit seinem Konflikt, überhaupt in der heutigen Form?
Eine Neuziehen der Grenzen ist heutzutage nicht mehr möglich und würde die Konflikte meines Erachtens auch nicht wirklich beenden sondern nur neu entfachen, sofern sie nicht entlang von stabilen „de facto-Grenzen“ gezogen werden. Etwas was ja in Syrien und Irak gerade nicht der Fall ist.

Ich würde als Ursache für diese Probleme die Bedeutung der ausländischen Mächte betonen. Aufgrund der Fähigkeit des Irans und der Golfstaaten/Saudi-Arabien ihre Schützlinge zu beschützen wird es auch keine Rückkehr zu der Situation kommen, dass eine Gruppe die anderen beherrschen wird. Was es also braucht ist ein Interessenausgleich des Auslands, wie es ihn im Libanon am Ende des Bürgerkrieges gegeben hat (Abkommen von Taif), wo die jeweiligen Protagonisten bei verschiedensten Gelegenheiten demonstriert haben trotz ausländischer Unterstützung für diesen Fall, vor diesem zurück zu schrecken. Siehe auch: [URL=http://en.wikipedia.org/wiki/Doha_Agreement]Doha-Agreement[/URL-.
In so einem Falle hätte man es mit einer Reihe von quasi-autonomen Regionen zu tun, welche zueinander in einem komplexen aber hoffentlich stabil austarierten Machtverhältnis stehen.

Aber wer soll so ein Abkommen vermitteln? Was es braucht ist ein Überparteilicher Vermittler, welcher in der Region präsent ist und selbst von keiner der Konfliktparteien abhängig ist. Und da fallen mir eigentlich nur ein ernsthafter Kandidat ein, welcher in Sachen Überparteilichkeit aber noch Überzeugungsarbeit leisten müsste: Die USA.
Qatar, welches im Libanon zuletzt vermittelt hatte, hat sich sehr klar im Rahmen der Konflikte positioniert, ebenso wie die Türkei und Russland. Die EU käme noch in Frage ist in der Region aber selbst nicht präsent. Ebenso wie die Chinesen und andere aufstrebende Staaten wie Brasilien oder Indien, die die diplomatische Aufwertung des eigenen Landes zwar zu schätzen wüssten, aber wer würde sie ernst nehmen?

Wenn es jemand schaffen könnte, dann die USA. Diese müssten erstmal ihren eigenen Streit mit der Islamischen Republik Iran abkühlen oder gar in Teilen beilegen, könnten dann aber wieder verstärkt als Vermittler in der Region auftreten. Erst recht wenn die diplomatischen Bemühungen im Nahost-Konflikt Früchte tragen würden. Das würde den Führungsanspruch der USA in der Region nahezu unanfechtbar machen und die Region wieder stabilisieren. Aber einfacher gesagt als getan.

Ich denke die Situation, dass die staatliche Integration in Syrien und Irak gescheitert ist bzw. vor dem Scheitern steht, sollte nicht dazu führen, dass man die Staaten auseinander reißen will. Das führt nämlich zu nichts. Eine Deeskalation kann meines Erachtens nur durch überregionale Integration und Interessensausgleich der hinter den regionalen Gruppen stehenden Staaten erreicht werden. Erst wenn diese die Situation durch politische Unterstützung, Waffenlieferungen und Anfeuerungen nicht mehr weiter anheizen, kann sich die Lage verbessern. Auch nach einem Sturz oder Tod von Assad werden die Iraner sehr wahrscheinlich einen Teil ihres Einfluss behalten und im Irak werden die Sunniten und erst nicht die Kurden sich nicht von der Schiitischen Mehrheit beherrschen lassen.
Zuletzt geändert von Platon am Di 30. Jul 2013, 16:34, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Platon »

Der Irak erlebt den blutigsten Monat seit fünf Jahren. Fast 700 Menschen sind durch die neueste Terrorkampagne von al-Qaida getötet worden. Regierungschef Maliki kann die Gewalt nicht stoppen - sondern treibt mit seiner Politik sogar noch mehr Menschen in die Arme der Extremisten.

Ban Ki Moons Appell klingt dramatisch: "Der Irak steht erneut am Scheideweg. Die Politiker haben die Verantwortung, das Land vom Abgrund wegzuziehen", sagte der Uno-Generalsekretär.

Der Grund für seinen Aufruf: Der Irak wird von der schwersten Gewaltserie seit fünf Jahren erschüttert. Bei Autobombenanschlägen in verschiedenen Städten des Landes sind allein am Montag mindestens 80 Menschen getötet worden. Seit Monatsbeginn sind damit landesweit knapp 700 Menschen bei Anschlägen ums Leben gekommen - die meisten von ihnen Zivilisten. Mehr als 1500 Iraker wurden verletzt.

Seit Beginn des Ramadan am 10. Juli ist die Lage im Zweistromland besonders schlimm. Die irakischen Familien, die in Moscheen, Cafés und Restaurants allabendlich das Fasten brechen, sind ein leichtes Ziel für Attentäter. Zudem trichtern radikale Prediger ihren militanten Gefolgsleuten ein, dass Selbstmordattentäter, die ihre "Märtyreroperationen" im Ramadan verüben, im Jenseits besonders belohnt würden.
[...]
http://www.spiegel.de/politik/ausland/i ... 13921.html

Ein Artikel über die Gründe für die neueste Gewalteskalation im Irak. Darin wird deutlich, dass in der Vergangenheit erzielte Erfolge durch schlechte Regierungsführung und Monopolisierung der Macht wieder zunichte gemacht werden. Weil bekanntlich erzielte man 2007 in Zusammenarbeit mit einigen sunnitischen Stämmen in dann recht kurzer Zeit große Erfolge gegen Al-Qaida im Irak, auf die Teilhabe an der Macht warten die Sunniten aber bis heute. Vielmehr wird allzu heftiges Aufmucken als Regungen des alten Baath-Regimes interpretiert und gnadenlos nieder gemacht. Da wundert es nicht, wenn die Extremisten irgendwann wieder zurück kommen. Zumal auch die Situation in Syrien sie im Moment begünstigt.

Es ist ja nicht so als wäre im Irak alles schlecht und als bestünde eine Situation die man allzu analog zum Bürgerkrieg in Syrien verstehen sollte.
Zuletzt geändert von Platon am Mi 31. Jul 2013, 20:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Platon » Mi 31. Jul 2013, 20:47 hat geschrieben: http://www.spiegel.de/politik/ausland/i ... 13921.html

Ein Artikel über die Gründe für die neueste Gewalteskalation im Irak. Darin wird deutlich, dass in der Vergangenheit erzielte Erfolge durch schlechte Regierungsführung und Monopolisierung der Macht wieder zunichte gemacht werden. Weil bekanntlich erzielte man 2007 in Zusammenarbeit mit einigen sunnitischen Stämmen in dann recht kurzer Zeit große Erfolge gegen Al-Qaida im Irak, auf die Teilhabe an der Macht warten die Sunniten aber bis heute. Vielmehr wird allzu heftiges Aufmucken als Regungen des alten Baath-Regimes interpretiert und gnadenlos nieder gemacht. Da wundert es nicht, wenn die Extremisten irgendwann wieder zurück kommen. Zumal auch die Situation in Syrien sie im Moment begünstigt.

Es ist ja nicht so als wäre im Irak alles schlecht und als bestünde eine Situation die man allzu analog zum Bürgerkrieg in Syrien verstehen sollte.
Wenn ich mich recht erinnere wurde die Zusammenarbeit mit sunnitischen Stämmen nicht unerheblich durch finanzielle Zuwendungen der USA erzielt. Z.B. bei den Sons of Iraq.
http://en.wikipedia.org/wiki/Sons_of_Iraq

Von daher steht es zur Debatte, ob darin eine konstruktive Rolle im Sicherheitsdenken im Rahmen einer Partizipation in einem Staat zu verstehen ist, oder eher ein zeitweises Klientelverhalten zur USA, ohne tatsächliche Substanz. Bagdad sah in diesen Kampfformationen eine Gefahr für das Gewaltmonopol des Staates. Die Stämme wiederum fühlen sich natürlich benachteiligt und wollen sich von einer Zentralregierung auch nicht reinreden lassen. So wurde kurzfristig die Al-Qaida bedrängt, jedoch weiter das Gewaltmonopol des Landes unterhöhlt. Mit dem ohnehin verschiedene Gruppen ein Problem haben.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Syrien als Einheit aufgehört zu existieren?
More than 2 years into civil war, Syria effectively split into 3 separate regions

More than two years into Syria's civil war, the once highly-centralized authoritarian state has effectively split into three distinct parts, each boasting its own flags, security agencies and judicial system.
"There is no doubt that as a distinct single entity, Syria has ceased to exist," said Charles Lister, an analyst at IHS Jane's Terrorism and Insurgency Center. "Considering the sheer scale of its territorial losses in some areas of the country, Syria no longer functions as a single all-encompassing unitarily-governed state."
Syria's partition into mini-states is an ominous scenario for a country that sits along the Middle East's most turbulent fault lines. Any attempt to create an official breakaway state could trigger a wave of sectarian killings and have dangerous repercussions in a region where many religious, ethnic and tribal communities have separatist aspirations.
Ein saudischer Beobachter sieht einen klaren Gewinner innerhalb der Nachbarschaft.
Jamal Khashoggi, a Saudi author and columnist, argued in a recent article that at least one of Syria's neighbors will benefit if the dividing lines harden.

"It is an ideal solution for Israel which will benefit from Syria's division into three weak rival states that will never again represent a strategic threat for Israel," he wrote in an article that appeared in the pan Arab Al Hayat newspaper Saturday.

Read more: http://www.foxnews.com/world/2013/08/04 ... z2b23lDoa7
Diese Ansicht teile ich nicht gänzlich. Zum einen ist der Tausch von einem "kontrollierten" Staat zu einem Flickenteppich von unkontrollierten Gebieten mit hoher Extremistenquote kein wirklicher Gewinn. Denn Assad konnte man abschrecken, aus israelischer Sicht, nach sprichwörtlich allen Regeln der Kriegskunst und auch politisch. Milizen und Revoluzzer sind da weniger zu beeindrucken. Deshalb ist sicherlich auch die Zweistaatenlösung aus israelischer Sicht problematisch. Man braucht die Gebiete als Puffer gegen mögliche Angriffe von Gruppierungen mit leichten Waffen. Zuletzt gegen Nationalstaaten, waren/sind sie nicht so sehr relevant. Die kann man besser abschrecken. Gruppen, die im Häuserkämpf und mit Mörsern, leichten Raketen, Panzerfäusten um sich schiessen ist schwerieg. Da braucht man jeden Quadratkilometer als Puffer. Das kann sehr viel ausmachen. Wenn er mit strategisch meint, daß eine relativ große arabische Armee aufgehört hat zu existieren, dann hat er sicher recht. Wie sich allerdings die Gebiete später wieder organisieren, auch waffentechnisch bleibt abzuwarten.
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bennyh

Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von bennyh »

Naja, mal schauen, noch hat sich im Nahen Osten ja nichts auseinandergesplittet. Sykes-Pikot hat bis heute, immerhin fast 100 Jahre, überlebt, und das trotz eines 15 Jahre andauernden Bürgerkrieg im Libanon, eines nach der US-Invasion komplett balkanisierten Iraks, eines territorial seit 75 Jahren gezweiteilten Palästinas, etc.

Ich glaube nicht, dass sich da in den nächsten Jahrzehnten viel an den Staatsgrenzen ändern wird. Da das Prinzip der Nationalstaaten für diese Regionverhältnismäßig "neu" und nicht so tief verwurzelt wie in Europa ist, wird mMn auch der Drang nach Separatismus geringer ausfallen als wir es durch die europäische Brille erwarten würden. Man schaue auf den Irak. Dort sind die Kurden zufrieden mit ihrer autonomen Provinz, was mich bis heute verwundert.
Ich bin sehr skeptisch, was die Theorie des auseinanderbrechenden Orients angeht. Ich denke, die Nationalstaaten "funktionieren" eben vorläufig und für einen Staatszerfall bedarf es schwerwiegender innerer oder äußerer Konflikte, die zurzeit nicht absehbar sind.
Kavenzmann

Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Kavenzmann »

bennyh » Montag 5. August 2013, 19:55 hat geschrieben:Naja, mal schauen, noch hat sich im Nahen Osten ja nichts auseinandergesplittet. Sykes-Pikot hat bis heute, immerhin fast 100 Jahre, überlebt, und das trotz eines 15 Jahre andauernden Bürgerkrieg im Libanon, eines nach der US-Invasion komplett balkanisierten Iraks, eines territorial seit 75 Jahren gezweiteilten Palästinas, etc.
Wie kommst Du jetzt auf 75 Jahre?
Versteh' ich nicht. :?:

Was war denn 1938 im Mandatsgebiet "Palestine"?
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Die kurdische Autonomiebehörde im Irak fühlt sich den Kurden in Syrien, die einen ähnlichen Status anstreben verpflichtet.

Man will vereint gegen die Al-Qaida Rebellen Syriens vorgehen.
Präsident der irakischen Kurden droht mit Eingreifen in Syrien

Bagdad/Damaskus – Der Präsident der autonomen Region Kurdistan im Irak, Massud Barzani, hat eine Intervention irakisch-kurdischer Truppen in Syrien angedroht. In einem Brief vom Samstag heißt es, sollten sich "Berichte bewahrheiten, wonach Frauen und Kinder unschuldiger Kurden von Mord und Terrorismus" durch Al-Kaida-nahe Kämpfer bedroht seien, würde die Region Kurdistan "alle ihre Kapazitäten" zu deren Schutz einsetzen. Nähere Angaben zur Art eines möglichen Eingreifens werden nicht gemacht.

http://derstandard.at/1375626256238/Pra ... -in-Syrien
Das Innenministerium vom Irak spricht indes von offenen Krieg. 800 Tote während des Ramadans.

Die Täter sind aus dem ähnlichen Spektrum wie im Falle Syriens zu finden.
Mehr als 800 Menschen starben während des blutigsten Ramadan der vergangenen Jahre - Innenministerium spricht von "offenem Krieg"

Ziel der Autobombenserie in Bagdad waren vor allem jene Stadtteile, die überwiegend von Schiiten bewohnt werden. Viele der Anschläge der vergangenen Wochen werden sunnitischen Extremisten zugerechnet, die nach dem Sturz der Regierung Saddam Husseins 2003 den Kampf gegen die schiitische Mehrheitsbevölkerung aufnahm.

http://derstandard.at/1375626255818/Ans ... en-wachsen
Auch, wenn die Staatsgrenzen bis dato Bestand haben, sind die Konflikte grenzüberschreitend. Kurden, Sunniten, Alawiten/Schiiten.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Die oppositionelle Islamic State of Iraq and the Levant operiert mittlerweile sehr aktiv in Syrien und Irak. Ein Al-Qaida Ableger. Die Vorgehensweise ist klar. Zerstörung der Staatsstrukturen und Aufbau deren Staates. Das ist Programm.
Al-Qaeda expands in Syria via Islamic State

A rebranded version of Iraq’s al-Qaeda affiliate is surging onto the front lines of the war in neighboring Syria, expanding into territory seized by other rebel groups and carving out the kind of sanctuaries that the U.S. military spent more than a decade fighting to prevent in Iraq and Afghanistan.

In the four months since the Iraqi al-Qaeda group changed its name to reflect its growing ambitions, it has forcefully asserted its presence in some of the towns and villages captured from Syrian government forces. It has been bolstered by an influx of thousands of foreign fighters from the region and beyond.

http://www.washingtonpost.com/world/al- ... story.html
Diese Kämpfer für einen Islamischen Staat im Irak und der Levante operieren zusammen mit der FSA, die ganz offensichtlich ein zunehmend zu vernachlässigbarer Faktor geworden ist. Die FSA ist dennoch wichtig, weil sie der USA die Möglichkeit gibt immerhin noch ein bißchen sich ein jemanden in Syrien halten zu können. Als Ansprechpartner. Das bedeutet aber gleichzeitig die kollegiale Präsenz der Al-Qaida und deren Staat.
Syria and Kurdish massacres: US backed FSA fighting side by side with Al-Qaeda affiliates
The Islamic State of Iraq and the Levant and al-Nusra are both affiliated to al-Qaeda. Yet despite this President Obama continues to support the Free Syrian Army (FSA) which openly fights alongside both terrorist factions. Currently, the FSA is also assisting the Islamic State of Iraq and the Levant and al-Nusra in their ethnic cleansing of Kurds. Recently, hundreds of Kurds have been brutally killed by forces being supported by major NATO and Gulf powers. This includes the slaughter of vast numbers of Kurdish children. Therefore, not only is Obama tainting America with its alignment with terrorist and sectarian forces which are cleansing religious minorities like the Alawites, Christians, and the Shia; but now the Obama administration is tainting itself just like the Erdogan government in Turkey with the ethnic cleansing of Kurds in the north of Syria.
Das Problem ist, daß diese Gruppen nicht bei Assad halt machen. Zur Erinnerung, was die Al-Qaida will. Sie will die Macht in der arabisch-islamischen Welt. Die interessiert nicht Assad und die machen da auch nicht halt.
It doesn’t take a genius to realize that the Islamic State of Iraq and the Levant and al-Nusra are not fully focused on Damascus; on the contrary, they are cleansing religious and ethnic groups in order to install a Sharia Islamic state based on draconian Gulf Islam emanating from Saudi Arabia. This reality means that al-Qaeda, which was behind September 11 and killing thousands of American soldiers in Afghanistan and Iraq, is now an open ally with America in Syria. Of course, Obama and other politicians like John McCain and Lindsey Graham in America can manipulate language openly in order to cover up their deceit. However, video footage and photos clearly show the FSA working side-by-side with al-Qaeda affiliated groups.
Not surprisingly, the recent massacres against Kurdish civilians is being met by denial, silence and trying to cover-up the sectarian and terrorist ratlines. Yet for the Kurds it is clear that certain NATO and Gulf powers are arming their adversaries, while the Kurds in Iraq and the PKK are involved in deals with Prime Minister Erdogan of Turkey.

http://moderntokyotimes.com/2013/08/12/ ... ffiliates/
Es würde mich nicht wundern, wenn die alawitisch-schiitischen und die kurdischen Kräfte versuchen sich dem gemeinsam entgegenzustemmen. Die Kurden sind am state building interessiert. Natürlich ihrem, aber immerhin. Bagdad an der Konsolidierung des Staates und die Alawiten Syriens ebenso. Die Al-Qaida und ihre Ableger sind an Zerstörung von Staaten und die Errichtung des Kalifats auf dessen Ruinen interessiert und werden dann in den nächsten Staat weiter strömen. Die USA wissen das. Vermutlich sind sie deshalb etwas zögerlich mit der Unterstützung der Opposition in Syrien. ;)
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Formt sich jetzt de facto eine neue kurdische Autonomiebehörde im Norden Syriens? Die Claims wollen abgesteckt sein. Wenns geht, die mit Öl zu tun haben. ;)

Die Djihadisten sollen sukzessiv herausgedrängt werden. Diese sind entweder Araber oder gehören zu den Legionen von Djihadistentouristen in Syrien, die mit den arabischen Kollegen zusammenarbeiten. Die kurdische Frage splitet sich schon ethnisch ab, wenn es auch kurdischen Islamisten gibt. Die Araber sollen fliehen.
Kurdish militants tighten grip on Syria's northeast

(Reuters) - Kurdish militants sought to consolidate their control of an oil-producing region in northeastern Syria on Sunday after seizing a border crossing with Iraq from Islamist rebels, activists said.

Fighters linked to the Kurdistan Workers Party (PKK), which has fought in neighbouring Turkey for decades, were clearing pockets of resistance of the al Qaeda-linked Islamic State of Iraq and the Levant, al-Nusra Front, and Ahrar al-Sham in the border town of Yarubiya, Syrian opposition sources said.

"The Kurds are now in control of the Yarubiya border post. They now have a clear route to market the region's oil, which should belong to all Syrians. Thousands of Arabs have fled," said Yasser Farhan, a member of the opposition Syrian National Coalition.
Das klassische Dreigestirn, das sich in Syrien abzeichnet.
"Syria is already becoming divided. The Islamists and the Free Syrian Army have much of the north and east, while Assad and his loyalists are holding out in the centre and the coast," he said.
Die Vernetzung der kurdischen Kräfte in der Region verdichtet sich. Allerdings sind diese vermutlich selbst im Ernstfall so zerstritten und um deren eigenen Machterhalt bemüht, daß ein regelrechter Staat Kurdistan, bestehend aus Teilen Syriens und Iraks noch in den Sternen steht.
"With the Syrian National Coalition remaining silent on al Qaeda and economic conditions deteriorating in the northeast, the Kurds have no one to turn to except the PKK and its allies, and the Iraqi Kurdistan government," he said.

http://uk.reuters.com/article/2013/10/2 ... 2D20131027
Die (Macht-)Teilung in Syrien aus kurdischer Perspektive ist kaum umgehbar. Sie sind eben keine Araber. Man kann sie nicht mehr unter einer arabischen Führung in Damaskus zurückzwingen.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Die Djihadisten in Syrien und Irak werden zu einem transnationalen Problem. Bagdad hat sie im Westen Iraks nicht mehr im Griff. Syrien auch nicht.

In Washington geht man soweit ein ähnliches Szenario wahrzunehmen wie in Afghanistan, das zum 11.September geführt hat. Die machen dort was sie wollen. Und es gibt keine staatliche Gewalt, weder in Syrien noch im Irak, die ihnen Einhalt gebieten kann.
Al Qaeda in Iraq, Syria a 'transnational threat'

Earlier this month, a senior Republican congressman offered a similar assessment. Al Qaeda's affiliates inside Syria are "talking about conducting external operations, which is exactly what happened in Afghanistan, which led to 9/11," said Rep. Mike Rogers, who chairs the House Intelligence Committee.
Iraqi government outgunned in west

The senior Obama administration official also warned about the deteriorating environment in western Iraq, once home to the Awakening, which, along with American support, turned back al Qaeda's advances during the so-called surge.

Prime Minister Maliki "recently met with the Governor of Anbar province to discuss some efforts in terms of counterterrorism and trying to isolate the increasingly strengthening al Qaeda networks in Anbar province," the official explained.

It "is a fact now that al Qaeda has a presence in western Iraq, and it has a presence in terms of camps and training facilities and staging areas that the Iraqi forces are unable to target effectively," the official continued. "Now, that's just a fact that goes to their capabilities."

The Iraqis are unable to effectively target al Qaeda's presence in western Iraq. Some of the "al Qaeda networks that are coming in from Syria and that are based in Iraq now really have heavy weapons." Al Qaeda is targeting "Iraqi unarmored helicopters" with "PKC machine guns."

"Iraqi helicopter pilots [whom] we have trained have been killed by, again, heavy machine gun weaponry," the official said. "And so they're trying to take this threat - take on this threat with equipment that isn't really geared towards doing it effectively."

The senior administration also offered a stunning statistic. In "just last month alone we had ... 38 suicide bombers," the official explained. "Nearly all these suicide bombers - actually, all of them - we think come from the Islamic State of the Iraq [and] in the Levant network."

Read more: http://www.longwarjournal.org/archives/ ... z2jUJt5Nji
Bagdad fragt inzwischen offiziell nach mehr US-Unterstützung im Kampf gegen die Extremisten. Das Problem für Washington in Syrien ist, daß man machtpolitisch und propagandistisch Assad nicht helfen kann... Aber man (Washington) lässt ihn machen.

Es bilden sich Netzwerke der Dijahidisten zwischen Syrien und dem Irak. Es gibt ethnische und konfessionelle Schnittmengen.

Über diese Problematik finden auch Gespräche zwischen Ankara und Teheran statt.
Turkey and Iran said Nov. 1 they had common concerns about the increasingly sectarian nature of Syria’s civil war.

“Sitting here together with the Iranian foreign minister, you can be sure we will be working together to fight these types of scenarios which aim to see a sectarian conflict,” Foreign Minister Ahmet Davutoğlu told a conference in Istanbul on Nov. 1.

http://www.hurriyetdailynews.com/syria- ... sCatID=352
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

"How 5 Countries Could Become 14

Slowly, the map of the Middle East could be redrawn."

De facto haben wir viele Staaten auf der Welt, bei denen die nationalstaatlichen Grenzen unverändert sind, aber vor Ort die Machtverhältnisse unklar und es keine dominierende Staatsgewalt existiert. Formal hat sich an den Grenzen in Syrien nichts geändert. Aber hat Damaskus die Staatsgewalt in allen Gebieten? Kann man dort Steuern einziehen? Wie ist die Bildungspolitik? Die Grenzen kontrollieren? Nein. Dasselbe Problem ähnlich in Afghanistan, Irak, Libyen usw. nur um in der Region zu bleiben.

Aktuell zeichnet sich bei den Staaten Syrien und Irak eine potentielle Vernetzung der kurdischen Gebiete ab und ein sunnitisches Herzland. Der Osten Syriens, der Westen des Iraks. Wenn diese Gebiet unter der Kontrolle radikaler Elemente bleibt, dann kann dies Zündstoff bedeuten. Denn dies sind arme Landstriche. Im Gegensatz zu den Erdölgebieten, die von Kurden und Schiiten bewohnt werden oder alawitischer Küstenstreifen. Bagdad hat praktisch im Westen keine Kontrolle mehr. So, wie Damaskus seinen Osten verloren hat. Dort wird von US-Seite bereits befürchtet, daß sich ein Orkan zusammenbraut, ähnlich wie im unregierbaren Afghanistan oder dem Grenzgebiet zu Pakistan, AfPak. Die Frage ist, ob die USA das alleine durch softpower regulieren kann. Der momentane Globocop. Hat die USA überhaupt noch die softpower für so etwas?

How 5 Countries Could Become 14
Mit dabei Saudi-Arabien, Libyen und Yemen.
http://www.nytimes.com/interactive/2013 ... .html?_r=0
As Syria disintegrates, so too does Iraq

The outcome of these struggles is likely to be a divided Iraq and a divided Syria. Where there are Sunni minorities in Iraq they will be killed or forced to flee. This might well include Baghdad. In the Sunni heartlands al-Qa’ida will grow stronger, though in Syria the movement is vulnerable to a backlash. The governments in Baghdad and Damascus will be strengthened not because they are well liked but because people dread the alternative to them.

http://www.independent.co.uk/voices/com ... 09348.html
Man muß sich die Situation vor Augen halten, daß die Staatsgrenzen durchaus existieren, aber keine zentralisierte Staatsgewalt und viele Gebiete praktisch autonom handeln. Die Türkei und der Iran sind an der nordöstlichen Grenze dessen und werden vermutlich ein Bollwerk darstellen (müssen). Das Mittelmeer der EU vorgelagert. Früher waren die innerasiatischen Steppen unheimlich und riesige Sammelbecken von Reitervölkern, die dann über den Orient und Europa, wie China hereingebrochen sind. Zur Zeit ist wohl eher der Nahe Osten unheimlich. Weniger wegen ABC-Waffen, sondern von den Umwälzungen her und was daraus exportiert werden kann. Die Grenzen sind eben teilweise von den Kolonialmächten unmöglich gezogen worden. Das wird sich unter Schmerzen wieder einrenken. Und die können einen ziemlich radikalisieren.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Der Irak war schon kaputt, weil er nie heile war? Was haben die Briten konstruiert und die USA verschlimmbessert?
US spent trillions and left Iraq in violent pieces

Ten years on, a study by Brown University concluded that the war cost the United States $2.2 trillion (£1.4 trillion).

Despite the blood and treasure America spent in Iraq it now has very little influence there, and Iraq is in almost as much of a mess now as it was at the height of the civil war that raged through most of the country.

Iraq is broken. It's broken because it was never fixed.
Dabei bietet der BBC-Bericht selbst einen kleinen Exkurs, wie bereits in dem Thread erwähnt.
How the US and UK baked sectarian strife into the Iraqi state

Like many colonial powers, in the early 20th Century the British brought in or co-opted people from the minority community, in Iraq's case Sunni Muslims, to run the institutions of state on their behalf.

The following century the Americans again allocated seats at the top table based on faith.

This time the majority Shia were put in the driving seat.

When Saddam was overthrown the Sunnis went from the top to the bottom of the heap. Since the US left, there's been little attempt to correct that.

"We sectarianised the country in a way that it had not been before," former US diplomat in Iraq and Yemen Barbara Bodine told me.

"You could be the best Sunni in the whole world, but... your chances of actually moving into a position of real power was very much circumscribed."

http://www.bbc.co.uk/news/world-us-canada-24730270
So konstruiert man natürlich tickende Zeitbomben. Zeitbombenstaaten sozusagen. Mit erheblicher Splitterwirkung. Wenn man Syrien zusammenkleben will, was nur mit brutaler breiter militärischer Intervention geht, was bereits definitiv auseinandergekämpft ist, dann wird das auch interessant. Ich sehe schon Djihadisten neben syrischen Generälen und kurdischen Separatisten in Gremien sitzen... Zumindest in der Fantasie.

Der Premier von Irak, Maliki, besprach sich mit Obama. Wie wird man dieser Al-Qaida und Co. Herr, die im Irak, vor allen Dingen im Westen zu Syrien wütet?
US President Barack Obama and Iraqi Prime Minister Nouri Maliki have discussed how to counter a "more active" al-Qaeda in the country.

http://www.bbc.co.uk/news/world-us-canada-24775713
Obama beurteilte militärische Hilfe für den Irak abschlägig. Flasche leer sozusagen in der Region. Nicht mal Hilfe für den Irak, der bekanntlich befreit ist. Der FSA in Syrien hat Obama ja auch die Hilfe gestrichen. Im Falle Iraks, weil man sich nicht mehr leisten kann sich da wieder zu verstricken. Im Falle der FSA in Syrien, weil man sich nicht auf Dauer erlauben kann aufs falsche Pferd zu setzen. Wohin das geführt hat, hat man gesehen, z.B. bei Saddam oder den Taliban.
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Di 5. Nov 2013, 20:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Wie wird ein Flickenteppich von "Staaten" verhindert? Falls sich die Grenzen bzw. das Interesse von zu gründenden Staaten oder zumindest autonomen Gebieten an ethnischen Faktoren ausmacht, kann man dies durchaus praktikabel nennen. Was aber, wenn in Bürgerkriegsstaaten Interessensgruppen und Gangs ihre lokalen Reiche ausrufen? In Syrien machen sich Gruppen aus dem Irak breit. Hier ganz in der Nähe zur türkischen Grenze.
Milizen gegen Assad: Irakische Qaida baut Macht im Norden Syriens aus

Ein Emir soll regieren, die Scharia herrschen. Direkt an der Grenze zur Türkei will die irakische Qaida einen Gottesstaat erschaffen. Ihre Kämpfer sind im Norden Syriens zur bestimmenden Macht geworden - wer ihnen in die Quere kommt, wird umgebracht.
Radikale haben im Laufe des Konflikts in Syrien an Einfluss gewonnen. Isis ist die extremste Gruppe unter ihnen. Ihr Ziel ist es, Theokratien zu schaffen nach dem Vorbild des Kalifats unter dem muslimischen Propheten Mohammed. Die Macht soll darin vom "Emir" ausgehen, einem Isis-Vertreter. Die Gesetze sollen von Gott stammen. Sie sollen der Auslegung entsprechen, die Isis aus dem Koran und den islamischen Schriften macht. Isis empfiehlt Frauen die Burka.
Ihre Nachschubwege haben sie abgesichert durch Attacken auf Grenzposten, die in der Hand rivalisierender Milizen waren.

Die Isis-Krieger sind zum Großteil keine Syrer. Die Gruppe hat ihren Ursprung im benachbarten Irak, wo sie die US-Soldaten bekämpfte und sich zur Zentralführung von al-Qaida bekannte
Syrien ist zum beliebtesten Ziel für Möchtegern-Gotteskrieger geworden, auch für Deutsche, da es vergleichsweise simpel und billig erreichbar ist. Isis hat in den Grenzprovinzen der Türkei ein gut funktionierendes Logistiknetz aufgebaut, über das sie Neuankömmlinge zu ihren Einheiten in Syrien lotsen oder ihren Kämpfern eine Auszeit in der Türkei organisieren.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/i ... 31017.html
Kann die Türkei dies unterbinden? Am Anfang konnte davon ausgegangen werden, daß Ankara im Rahmen der sunnitischen Interessen der AKP und Erdogans "moderate" Kräfte unterstützte. Mittlerweile ist von moderat keine Rede mehr. Was dazu führte, daß Ankara und Teheran sich an einen gemeinsamen Tisch setzten, um die Entwicklung zu besprechen.

Wenn Ankara dies nicht unterbinden kann, selbst wenn sie es wollten, sieht man daran, wie problematisch die Grenzkontrollen, die Kontrolle der eigenen Territorien sein kann. Ähnliche Beispiele sind die PKK/PJAK im Nordirak, die lt. Arbil bzw. Bagdads nicht zu handhaben sind, trotz Proteste aus Ankara und Teheran. Oder die Grenzprobleme Irans zu AfPak, wo Islamabad und Kabul stets ihr bestes versprechen, aber es vor Ort kaum Verbesserungen gibt. Vermutlich ist es eine Mischung aus allem, wegsehen, Instrumentalisierung und tatsächlicher Hilflosigkeit. Die Djihadisten haben ein Logistiknetz in der Südtürkei aufgebaut. Einem NATO-Land. Anfangs sicher anders gedacht.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Subutai »

King Kong 2006 » Mi 24. Jul 2013, 09:42 hat geschrieben: Auf lange Sicht wird sich dort oder werden sich dort kurdische Autonomie Gebiete entwickeln. Gerade für die Türkei, die südlich dann diese im Rahmen der Nachbarschaft zu Syrien und zum Irak zweifach haben eine besonders pikante Entwicklung hinsichtlich ihrer eigenen kurdischen Minderheit.
Ich halte es für sehr viel wahrscheinlicher, dass diese kurdischen Autonomiegebiete unter türkischem Einfluss fallen werden, da ihr überleben zur 100% von der Türkei abhängen wird. Diese Entwicklung sieht man sehr deutlich schon in Nordirak, die Pipelines führen alle in die Türkei, die Wirtschaft ist unter absoluter türkischer Kontrolle. Und wenn die Türkei es will, kann es die Kurden dort jeder Zeit fallen lassen und sie den schiiten und sunnitischen Arabern zum frass vorwerfen.

Letzendlich werden die Friedensverhandlungen mit den Kurden in der Türkei dazu führen, dass die Türkei zur einer Schutzmacht für die Kurden wird und als Gegenleistung alle Pipelines in Richtung Türkei gehen und türkische Unternehmer freie Hand in den Kurdengebieten haben werden. Eine Win-Win-Situation.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Subutai » So 10. Nov 2013, 10:25 hat geschrieben: Ich halte es für sehr viel wahrscheinlicher, dass diese kurdischen Autonomiegebiete unter türkischem Einfluss fallen werden, da ihr überleben zur 100% von der Türkei abhängen wird. Diese Entwicklung sieht man sehr deutlich schon in Nordirak, die Pipelines führen alle in die Türkei, die Wirtschaft ist unter absoluter türkischer Kontrolle. Und wenn die Türkei es will, kann es die Kurden dort jeder Zeit fallen lassen und sie den schiiten und sunnitischen Arabern zum frass vorwerfen.

Letzendlich werden die Friedensverhandlungen mit den Kurden in der Türkei dazu führen, dass die Türkei zur einer Schutzmacht für die Kurden wird und als Gegenleistung alle Pipelines in Richtung Türkei gehen und türkische Unternehmer freie Hand in den Kurdengebieten haben werden. Eine Win-Win-Situation.
Natürlich ist es pragmatisch für Ankara, Teheran und Bagdad das beste aus der Situation zu machen. Deshalb machen sie alle mit der kurdischen Autonomiebehörde Geschäfte. Mit "weiteren Autonomiebehörden", die potentiell entstehen könnten, würden sie auch Geschäfte machen. Allerdings sehe ich die Kurden als die großen Gewinner der eingetretenen Veränderung in der Region. Das Handelsvolumen mit dem Iran beträgt zur Zeit 4 Mill. und steigend. Die Türkei wird eher nicht zur Schutzmacht aufsteigen. Dazu müsste man einen Schützenswerten haben und selbst jemand sein, der sich notfalls gegen eine Supermacht in einer Krise durchsetzen kann.

Vermutlich kann Arbil sehr gut zwischen der Türkei, Irak und Iran manövrieren. Sie brauchen keinen Schutz. Der Irak ist zu zersplittert, als das er genügend Kraft aufbringen könnte gegen die kurdische Autonomiebehörde. Sie wollen keinen Ärger zusätzlich, wenn sie es vermeiden können. Sie haben nicht einmal Kraft sich selbst zu bekämpfen und so zu einen. Der Iran hat im großen und ganzen recht passable Beziehungen zu Arbil. Das rührt noch vom Alliertenstatus gegen Saddam her. Man hat persönliche Kontakte. Man regt sich über die PJAK/PKK auf, aber der Iran ist weit davon entfernt einen Krieg deswegen mit der Behörde oder dem Irak anzufangen. Die Türkei mußte ebenfalls die Erfahrung machen, daß substantielle Kraftentfaltung an den Örtlichkeiten und den USA gescheitert sind. Und wenns hart auf hart kommt, dann will Ankara Milliarden verdienen, zusammen mit den Kurden und nicht Milliarden verpulvern in einer unnötigen Auseinandersetzung. Mit der Zeit vernetzen sich die Firmen aus den Nachbarländern mit der kurdischen Autonomiebehörde immer mehr. Dann wird es für Teheran, Bagdad und für Ankara von immer größerem Interesse, daß das auch weiter so läuft. Sonst brechen Märkte und Verdienstmöglichkeiten weg. Einfach den Hut nehmen ist einfacher gesagt als getan. 2012 war das Handelsvolumen zwischen der Türkei und der Autonomiebehörde 12 Mill. Dollar schwer. Das schießt man nicht sprichwörtlich in den Wind. Auch nicht Ankara.

Bestenfalls wachsen die ökonomischen Beziehungen. Und da greift stets immer die Notwendigkeit sich nicht gegenseitig in die Suppe zu spucken. Man will Kohle verdienen. Das geht mit guten Geschäftsbedingungen am besten. Aus zentralisierter Sicht von Vielvölkerstaaten ist die Entwicklung nicht gut gelaufen für Ankara, Teheran und Bagdad. Das muß man klar sehen. Aber man kann wohl gute Geschäfte machen. In einem Klima der Gewaltätigkeit ist das schwierig. Interessant ist nun die weitere kurdische Entwicklung in Syrien. Das ist vor allen Dingen für die Türkei zu beobachten, weil dann ein großer kurdischer Streifen an der türkischen Grenze entsteht. Vermutlich ist das Engagement Ankaras für die Rebellen auch daher zu sehen. Die werden sich aber in den kurdischen Gebieten nicht durchsetzen. Richtig Streß wird es geben, wenn die große kurdische Minderheit in der Türkei und im Iran in Bewegung gerät. Das könnte zu einer großen Krise werden, die von den genannten Staaten nicht einfach so hingenommen werden würde. Vermeiden ließe sich da wohl nichts.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Subutai »

King Kong 2006 » So 10. Nov 2013, 13:11 hat geschrieben:
Natürlich ist es pragmatisch für Ankara, Teheran und Bagdad das beste aus der Situation zu machen. Deshalb machen sie alle mit der kurdischen Autonomiebehörde Geschäfte. Mit "weiteren Autonomiebehörden", die potentiell entstehen könnten, würden sie auch Geschäfte machen. Allerdings sehe ich die Kurden als die großen Gewinner der eingetretenen Veränderung in der Region. Das Handelsvolumen mit dem Iran beträgt zur Zeit 4 Mill. und steigend. Die Türkei wird eher nicht zur Schutzmacht aufsteigen. Dazu müsste man einen Schützenswerten haben und selbst jemand sein, der sich notfalls gegen eine Supermacht in einer Krise durchsetzen kann.

Vermutlich kann Arbil sehr gut zwischen der Türkei, Irak und Iran manövrieren. Sie brauchen keinen Schutz. Der Irak ist zu zersplittert, als das er genügend Kraft aufbringen könnte gegen die kurdische Autonomiebehörde. Sie wollen keinen Ärger zusätzlich, wenn sie es vermeiden können. Sie haben nicht einmal Kraft sich selbst zu bekämpfen und so zu einen. Der Iran hat im großen und ganzen recht passable Beziehungen zu Arbil. Das rührt noch vom Alliertenstatus gegen Saddam her. Man hat persönliche Kontakte. Man regt sich über die PJAK/PKK auf, aber der Iran ist weit davon entfernt einen Krieg deswegen mit der Behörde oder dem Irak anzufangen. Die Türkei mußte ebenfalls die Erfahrung machen, daß substantielle Kraftentfaltung an den Örtlichkeiten und den USA gescheitert sind. Und wenns hart auf hart kommt, dann will Ankara Milliarden verdienen, zusammen mit den Kurden und nicht Milliarden verpulvern in einer unnötigen Auseinandersetzung. Mit der Zeit vernetzen sich die Firmen aus den Nachbarländern mit der kurdischen Autonomiebehörde immer mehr. Dann wird es für Teheran, Bagdad und für Ankara von immer größerem Interesse, daß das auch weiter so läuft. Sonst brechen Märkte und Verdienstmöglichkeiten weg. Einfach den Hut nehmen ist einfacher gesagt als getan. 2012 war das Handelsvolumen zwischen der Türkei und der Autonomiebehörde 12 Mill. Dollar schwer. Das schießt man nicht sprichwörtlich in den Wind. Auch nicht Ankara.

Bestenfalls wachsen die ökonomischen Beziehungen. Und da greift stets immer die Notwendigkeit sich nicht gegenseitig in die Suppe zu spucken. Man will Kohle verdienen. Das geht mit guten Geschäftsbedingungen am besten. Aus zentralisierter Sicht von Vielvölkerstaaten ist die Entwicklung nicht gut gelaufen für Ankara, Teheran und Bagdad. Das muß man klar sehen. Aber man kann wohl gute Geschäfte machen. In einem Klima der Gewaltätigkeit ist das schwierig. Interessant ist nun die weitere kurdische Entwicklung in Syrien. Das ist vor allen Dingen für die Türkei zu beobachten, weil dann ein großer kurdischer Streifen an der türkischen Grenze entsteht. Vermutlich ist das Engagement Ankaras für die Rebellen auch daher zu sehen. Die werden sich aber in den kurdischen Gebieten nicht durchsetzen. Richtig Streß wird es geben, wenn die große kurdische Minderheit in der Türkei und im Iran in Bewegung gerät. Das könnte zu einer großen Krise werden, die von den genannten Staaten nicht einfach so hingenommen werden würde. Vermeiden ließe sich da wohl nichts.
Dass der Iran auch gute Konntakte zu den Kurden in NI hat will ich nicht bestreiten, auch nicht dass die Kurden als Gewinner aus dem Sturz von Saddam hervorgegangen sind. Die Türkei ist aber entgegen aller Erwartungen als einer der größten Gewinner aus der Sacher hervorgegangen, da wir unsere Energiesicherheit dadurch sehr erhöht haben und sich ein riesen Markt für uns aufgetan hat. Aber ich würde die Fähigkeit der Kurden zwischen Iran, Irak und der Türkei zu lavieren nicht ganz so überbewerten. Da der Iran, aufgrund der geografischen Bedingen, nicht den gleichen Zugang für die Weltmärkte bieten kann wie die Türkei, der Irak existiert in meinen augen nicht mehr, die schiitischen und sunnitischen Araber werden sich dort noch lange kloppen. Aber letzendlich ist die Türkei der Mächtigster und fortschrittlichster Staat dort und entgegen deiner Aussage gibt es auch keine Supermacht, das sich dort ernsthaft engagieren möchte, da waren nur die Amis und die ziehen sich zurück. Russland ist keine Weltmacht und hat nicht die Fähigkeiten dort eine echte Bedrohung darzustellen.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Subutai » So 10. Nov 2013, 21:48 hat geschrieben: Dass der Iran auch gute Konntakte zu den Kurden in NI hat will ich nicht bestreiten, auch nicht dass die Kurden als Gewinner aus dem Sturz von Saddam hervorgegangen sind. Die Türkei ist aber entgegen aller Erwartungen als einer der größten Gewinner aus der Sacher hervorgegangen, da wir unsere Energiesicherheit dadurch sehr erhöht haben und sich ein riesen Markt für uns aufgetan hat. Aber ich würde die Fähigkeit der Kurden zwischen Iran, Irak und der Türkei zu lavieren nicht ganz so überbewerten. Da der Iran, aufgrund der geografischen Bedingen, nicht den gleichen Zugang für die Weltmärkte bieten kann wie die Türkei, der Irak existiert in meinen augen nicht mehr, die schiitischen und sunnitischen Araber werden sich dort noch lange kloppen. Aber letzendlich ist die Türkei der Mächtigster und fortschrittlichster Staat dort und entgegen deiner Aussage gibt es auch keine Supermacht, das sich dort ernsthaft engagieren möchte, da waren nur die Amis und die ziehen sich zurück. Russland ist keine Weltmacht und hat nicht die Fähigkeiten dort eine echte Bedrohung darzustellen.
Die Diversifizierung der Energielieferung, jetzt auch aus dem Nordirak ist sicher als wichtig für die Türkei zu bezeichnen. Es gibt sicherlich mehrere große Gewinner. Es ist wohl einfacher die Verlierer zu verorten. Neben der alten sunnitischen Elite im Irak ist es die USA. Dabei ist vielleicht nicht einmal der Irak primär zu erwähnen, sondern der verspielte Kredit der USA in der regionalen und globalen Betrachtung. Einen mächtigsten Staat kann man in der Region nicht benennen. Es gibt mehrere Staaten in der Region, die mehr oder weniger einflußreich sind, aber nicht so sehr, daß sie Teile der Region dominieren können. Der Titel mächtigster Staat ist eher einsam, ohne besonders abzustrahlen. Weder die Türkei hat die Kraft z.B. Syrien, Irak und Iran ihren Willen aufzuzwingen, noch der Iran der Türkei, Irak und Syrien, usw. Saudi-Arabien wird ohnehin maßlos überschätzt und ist ein Papiertiger. Die Unruhe in der Region geht auch auf ein Fehlen eines überwältigend starken Kernstaates (Begriff nach Huntington) zurück. Das Osmanische Reich hätte man zuletzt benennen können. Die Türkei ist damit nicht zu vergleichen.

Die KRG ist nicht ohne die Türkei von der Welt abgeschnitten. Sie ist Bestandteil des Iraks und über den Irak mit der Welt verbunden. Und über den Iran. Wenn sich das Verhältnis des Westens zum Iran entspannt wird sich das verbessern. Der Iran bietet für den Irak und die KRG bereits, auch für die Türkei, den Weg nach Asien (Zentralasien, Subkontinent, Ferner Osten) und in den Indischen Ozean. Die Türkei ist größter Handelspartner der KRG, aber das ist eben nicht 100 %. Die Türkei wird sich auch noch stärker vernetzen, somit besteht gegenseitige Abhängigkeit. Man kann nicht einfach die Türen zumachen. Damit schadet sich auch die Türkei. Für den Binnenmarkt, den Export in die KRG und für die Endabnehmer über die Türkei hinaus, die langfristige Verträge über die Abnahme von z.B. Erdöl aus dem Nordirak abschliessen. Der reibungslose Ablauf dieser Verträge gebietet einen kontinuierlichen, gesicherten Handel mit dem Irak/KRG. Das muß berücksichtigt werden. Das sind beide Seiten einer Medaille. Zum einen kann der verstärkte Handel Einflußmöglichkeiten eröffnen, aber gleichzeitig gebietet er ein vorrauschauendes, risikoarmes Verhalten, um dies weiterhin aufrecht erhalten zu können. Rücksichten auf Partner.

Wenn man sich als Schutzmacht definiert, und ich wüßte nicht, daß Ankara dies für die KRG oder "die Kurden" macht, dann muß man Willens und in der Lage sein diese zu schützen. Vor den Legionen der Djihadisten in Syrien und Irak, vor den Anmarsch der Zentralregierung des Iraks oder des Irans. Egal wie unrealistisch dies sein mag. Aber Ankara hätte dann die Pflicht als Schutzmacht sich dem notfalls aktiv entgegenzustellen. Ich halte es für gewagt dies so zu sehen. Ich sehe auch keine Aktivitäten als Schutzmacht, auch nicht in der Zukunft. Zur Zeit fühlen sich die Kurden Syriens ziemlich bedroht von den Djihadisten.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

King Kong 2006 » So 10. Nov 2013, 14:11 hat geschrieben:
Natürlich ist es pragmatisch für Ankara, Teheran und Bagdad das beste aus der Situation zu machen. Deshalb machen sie alle mit der kurdischen Autonomiebehörde Geschäfte. Mit "weiteren Autonomiebehörden", die potentiell entstehen könnten, würden sie auch Geschäfte machen. Allerdings sehe ich die Kurden als die großen Gewinner der eingetretenen Veränderung in der Region. Das Handelsvolumen mit dem Iran beträgt zur Zeit 4 Mill. und steigend. Die Türkei wird eher nicht zur Schutzmacht aufsteigen. Dazu müsste man einen Schützenswerten haben und selbst jemand sein, der sich notfalls gegen eine Supermacht in einer Krise durchsetzen kann.

Vermutlich kann Arbil sehr gut zwischen der Türkei, Irak und Iran manövrieren. Sie brauchen keinen Schutz. Der Irak ist zu zersplittert, als das er genügend Kraft aufbringen könnte gegen die kurdische Autonomiebehörde. Sie wollen keinen Ärger zusätzlich, wenn sie es vermeiden können. Sie haben nicht einmal Kraft sich selbst zu bekämpfen und so zu einen. Der Iran hat im großen und ganzen recht passable Beziehungen zu Arbil. Das rührt noch vom Alliertenstatus gegen Saddam her. Man hat persönliche Kontakte. Man regt sich über die PJAK/PKK auf, aber der Iran ist weit davon entfernt einen Krieg deswegen mit der Behörde oder dem Irak anzufangen. Die Türkei mußte ebenfalls die Erfahrung machen, daß substantielle Kraftentfaltung an den Örtlichkeiten und den USA gescheitert sind. Und wenns hart auf hart kommt, dann will Ankara Milliarden verdienen, zusammen mit den Kurden und nicht Milliarden verpulvern in einer unnötigen Auseinandersetzung. Mit der Zeit vernetzen sich die Firmen aus den Nachbarländern mit der kurdischen Autonomiebehörde immer mehr. Dann wird es für Teheran, Bagdad und für Ankara von immer größerem Interesse, daß das auch weiter so läuft. Sonst brechen Märkte und Verdienstmöglichkeiten weg. Einfach den Hut nehmen ist einfacher gesagt als getan. 2012 war das Handelsvolumen zwischen der Türkei und der Autonomiebehörde 12 Mill. Dollar schwer. Das schießt man nicht sprichwörtlich in den Wind. Auch nicht Ankara.

Bestenfalls wachsen die ökonomischen Beziehungen. Und da greift stets immer die Notwendigkeit sich nicht gegenseitig in die Suppe zu spucken. Man will Kohle verdienen. Das geht mit guten Geschäftsbedingungen am besten. Aus zentralisierter Sicht von Vielvölkerstaaten ist die Entwicklung nicht gut gelaufen für Ankara, Teheran und Bagdad. Das muß man klar sehen. Aber man kann wohl gute Geschäfte machen. In einem Klima der Gewaltätigkeit ist das schwierig. Interessant ist nun die weitere kurdische Entwicklung in Syrien. Das ist vor allen Dingen für die Türkei zu beobachten, weil dann ein großer kurdischer Streifen an der türkischen Grenze entsteht. Vermutlich ist das Engagement Ankaras für die Rebellen auch daher zu sehen. Die werden sich aber in den kurdischen Gebieten nicht durchsetzen. Richtig Streß wird es geben, wenn die große kurdische Minderheit in der Türkei und im Iran in Bewegung gerät. Das könnte zu einer großen Krise werden, die von den genannten Staaten nicht einfach so hingenommen werden würde. Vermeiden ließe sich da wohl nichts.
Ich denke, dass Du dich in diesem Punkt wirklich verkalkulierst. Denn eines scheinst Du zu übersehen: ob die syrischen Kurden eine Autonomie genießen werden können, hängt nur indirekt von ihnen selbst ab. Entscheiden wird darüber am Ende auch nicht Assad selbst oder andere politische Vertreter aus der syrischen Opposition, sondern Ankara. Der Anführer der PYD, Salih Muslim, hat bemerkenswert oft der türkischen Hauptstadt einen Besuch abgestattet in den letzten Monaten - auf Einladung des türkischen Außenministeriums. Hinter geschlossenen Türen verhandelt die Türkei bereits mit der kurdischen PYD über ihren Autonomiestatus in Syrien, wie in den türkischen Medien berichtet wurde.

Außerdem übersiehst Du weiterhin außerordentlich Wichtiges: die nordirakische Regierung unter Barzani unterstützt die syrischen Kurden durchaus - aber nicht die Führungsriege der PYD. Ganz im Gegenteil sogar, erste Konflitke um die Vorherrschaft in den Kurdengebieten taten sich auf. Vor Kurzem erst untersagte Barzani der türkischen Kurdenpartei über den Nordirak nach Syrien einzureisen, um Gespräche mit der PYD zu führen. Überdies positioniert Barzani selber sich auf der Seite der Türkei. Er ist kein Freund der Iraner - selbstredend auch die syrische PYD nicht - aber dafür ein Freund Erdogans und sein Gast während eines wichtigen Parteiktages.

Teheran ist bekanntermaßen Unterstützer der schiitischen Zentralregierung in Bagdad. Vor wenigen Wochen standen sich Kämpfer der irakischen Kurdenregierung und Truppen der Zentralregierung noch gegenüber und bereit, in den Krieg zu ziehen. Selbst wenn die Türkei öffentlich alles dementiert, was in diese Richtung geht, in diesem Konflikt stand und steht sie auf Seiten der Kurden. Sie war auch dazu bereit, Bagdad zu umgehen und allein die Kurden als Ansprechpartner zu akzeptieren, was einer De-Facto-Anerkennung eines unabhängigen Kurdistans gleichkäme.
Der Konflikt um Iraks Ölstadt Kirkuk eskaliert: Kurdische Peschmerga-Kämpfer und Truppen von Premier Maliki stehen sich vor den Toren der Stadt gegenüber. Die Regierungssoldaten haben Schießbefehl. Keine Seite scheint zu Konzessionen bereit.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/i ... 99134.html
Von einer freundlichen Haltung gegenüber dem Iran kann ich bei den Kurden beim besten Willen auch um der alten Zeiten wegen nichts erkennen, man vermeidet offen Konflikte, mehr aber auch nicht. Die Zusammenarbeit zwischen Erbil und Ankara erreicht zeitgleich neue Dimensionen. Kürzlich erst hat der Nordirak 2 PKK-Kämpfer der Türkei überstellt. Die Türkei ihrerseits leistet großzügig Entwicklungshilfe, z.B. werden staatliche Behörden und Mitarbeiter von türkischen Beamten geschult und Hilfestellungen bei Struktur- und Organisationsarbeiten geleistet. Das ist nur ein winziges Beispiel. Von den Gefängnissen über Universitäten bishin zum Regierungspalast - alles bauen die Türken dort. Was Ankara da macht, ist nichts anderes als Geburtshilfe für Kurdistan.
Der Bau einer eigenen Pipeline würde es der Autonomen Region Kurdistan nun ermöglichen, seine Ölexporte massiv auszubauen – und damit auch die finanzielle und politische Unabhängigkeit von Bagdad. Die irakische Zentralregierung betrachtet eigenständige kurdische Ölexporte als illegal und äußert regelmäßig Bedenken, dass der wachsende Handel zwischen der KRG und der Türkei eine Spaltung des Iraks vorantreiben könnte.

(...)

Der Nordirak wird indes auch für die Türkei immer wichtiger. Eine Studie der Bahçeşehir-Universität prognostizierte bereits, dass der Nordirak zum wichtigsten Exportmarkt für die Türkei werden wird.
http://dtj-online.de/turkei-baut-olpipe ... arbil-2094

Ehrlich gesagt: die Türkei treibt die Teilung des Iraks und die Gründung eines Kurdistans im Südosten voran. Das sage nicht nur ich, das kritisieren die USA auch unterschwellig.

Weiterhin sollen beim Staatsbesuch des US-Außenministers die Situation im Irak und die PKK thematisiert werden. Insbesondere die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Nordirak werden unter die Lupe genommen. Im Vorfeld hatte der türkische Präsident Gül sein Erstaunen über einen mutmaßlichen Positionswechsel Washingtons geäußert. Er könne eine Widersprüchlichkeit erkennen. Die USA forderten seit Jahren gute Beziehungen zwischen Ankara und Erbil. „Jetzt wo alles so gut läuft, spüre ich ein Unbehagen“, meint Abdullah Gül.

http://www.deutsch-tuerkische-nachricht ... sition-zu/

Anfang dieses Jahres kritisierte Kerry die Kurden im Nordirak und forderte sie auf, nicht einseitig (mit der Türkei) Schritte zu unternehmen.

Öcalan gab zu Beginn der Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK bereits zu Protokoll, dass er keine Loslösung irgendwelcher Gebiete von der Türkei anstrebe. Vielmehr ginge es ihm um "kulturelle Autonomie". Es kann sich also nur um die Sprache handeln, den kulturell unterscheidet sich ein türkischer und kurdischer Bauer in Ostanatolien kaum voneinander.

Ich vermute, dass er von der Erdogan-Regierung fordern wird, ein Kurdistan außerhalb der türkischen Staatsgrenzen anzuerkennen und seine Souveränität zu schützen, also das, was die Regierung die ganze Zeit bereits betreibt. Das würde auch erklären, warum der Prozess nicht abreißt, obwohl offensichtlich aktuell nichts geschieht - zumindest öffentlich nicht.

Ich denke, dass viele westliche Analysten und Beobachter am Ende ihr Türkei-Kurdistan-Bild radikal ändern werden müssen.

But Turkey is hatching a different plan for its section of the Kirkuk-to-Ceyhan pipeline. Its souring relations with the government in Baghdad have spurred it to cultivate new ties with the Iraqi Kurds’ regional government in Erbil, which oversees the oil and gas that Turkey’s growing economy craves. A wide-ranging energy deal is in the works that will see state-backed Turkish firms and Western oil majors plough money into Kurdish infrastructure and oilfields, connecting them to Turkey and the world beyond. The deal could eventually allow for up to 2m b/d of Kurdish oil exports to go through Turkey.

http://www.economist.com/news/middle-ea ... erous-game
TURKEY’S CHANGING
RELATIONS WITH IRAQ
Kurdistan Up, Baghdad Down
© 2012 by The Washington Institute for Near East Policy
http://www.washingtoninstitute.org/uplo ... cus122.pdf
Zuletzt geändert von palulu am Mo 11. Nov 2013, 01:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

@Palulu
Teheran ist bekanntermaßen Unterstützer der schiitischen Zentralregierung in Bagdad. Vor wenigen Wochen standen sich Kämpfer der irakischen Kurdenregierung und Truppen der Zentralregierung noch gegenüber und bereit, in den Krieg zu ziehen. Selbst wenn die Türkei öffentlich alles dementiert, was in diese Richtung geht, in diesem Konflikt stand und steht sie auf Seiten der Kurden. Sie war auch dazu bereit, Bagdad zu umgehen und allein die Kurden als Ansprechpartner zu akzeptieren, was einer De-Facto-Anerkennung eines unabhängigen Kurdistans gleichkäme.
Teheran versucht mit der KRG und Bagdad zu operieren. Dabei hatte Teheran tatsächlich auch die Integrität der KRG vor Augen. Zwar beschoß die iranische Armee auch Ziele der PJAK/PKK im Nordirak, äußerte sich aber mehrmals gegenüber Ankara so, daß man es für besser hielte, wenn türkische Truppen es nicht versuchen sollten tief in den Nordirak einzudringen und sich dort aufzuhalten. Die USA entwickelten sehr viel Druck auf Ankara sich zurückzuziehen. Somit verfiel Ankara auf eine andere Strategie. Sicherlich sieht Ankara den Irak weitesgehend aus seinem politischen Einflußbereich verloren. Somit schaut man automatisch auch auf die KRG, wenn es da Konflikte gibt, aber Teheran hat damit diese nicht aus den Augen verloren. Man steht der KRG nicht feindlich gegenüber. Ganz im Gegenteil. Es gibt gute Beziehungen zur KRG und zu Bagdad (beide haben ja auch Kontakte als Staat miteinander). Somit ist das Argument, daß die KRG nur auf die Türkei zählen kann und sonst isoliert wäre, keinesfalls stichhaltig. Und das wird ja so dargestellt.
Ahmed Hussein, spokesperson of the KRG’s Ministry of Commerce and Industries, told Rudaw that the volume of trade with Turkey is $7 billion dollars, making it Erbil’s top trade partner. He said Iran ranks second with $4 billion dollars worth of trade.
- See more at: http://rudaw.net/NewsDetails.aspx?pagei ... t10ze.dpuf
Dabei nimmt Teheran auch nicht unbedingt Rücksicht auf Bagdad.
Kurdistan Opens Oil Trade Route Via Iran

Posted on 11 August 2013.

Kurdistan Opens Oil Trade Route Via Iran

According to The Express Tribune, Iraq’s Kurdistan region is exporting crude oil by truck to an Iranian port for shipping to Asia, using a trade route that is likely to anger both Baghdad and Washington.

http://www.iraq-businessnews.com/2013/0 ... -via-iran/
Ankara sieht nach den ersten Sorgen, daß sie mit der KRG gute Geschäfte machen kann. Es ist halt eben so, die Hand, die du nicht abschlagen kannst, die must du schütteln.
Von einer freundlichen Haltung gegenüber dem Iran kann ich bei den Kurden beim besten Willen auch um der alten Zeiten wegen nichts erkennen, man vermeidet offen Konflikte, mehr aber auch nicht. Die Zusammenarbeit zwischen Erbil und Ankara erreicht zeitgleich neue Dimensionen. Kürzlich erst hat der Nordirak 2 PKK-Kämpfer der Türkei überstellt. Die Türkei ihrerseits leistet großzügig Entwicklungshilfe, z.B. werden staatliche Behörden und Mitarbeiter von türkischen Beamten geschult und Hilfestellungen bei Struktur- und Organisationsarbeiten geleistet. Das ist nur ein winziges Beispiel. Von den Gefängnissen über Universitäten bishin zum Regierungspalast - alles bauen die Türken dort. Was Ankara da macht, ist nichts anderes als Geburtshilfe für Kurdistan.
Also, da muß ich widersprechen. Die "freundliche Haltung" Arbils ging schon einmal soweit, daß man sich sogar US-Truppen in den Weg gestellt hat, als diese ein iranisches Konsulat überfielen.
It was also reported that U.S. troops attempted to detain people at the Arbil airport that same day, but Kurdish forces intervened. Iraqi Foreign Minister Hoshyar Zebari said that there was almost a confrontation between U.S. and Kurdish troops at the airport but that "a massacre was avoided at the last minute."[5]

http://en.wikipedia.org/wiki/U.S._raid_ ... e_in_Arbil
Also, wenn man sich für seine iranischen Partner sogar mit US-Truppen anlegt, dann sollte man schon von einer "positiven" Haltung ausgehen. ;)

Der Iran ist diplomatisch und wirtschaftlich in der KRG stark vertreten, mit vielen Abkommen und Kooperationen. Von daher sehe ich weder eine Feindschaft zwischen "den Kurden" der KRG und dem Iran noch eine ausschließliche Ausrichtung auf die Türkei, die, wenn sie wegbricht, die KRG isoliert. Das ist nicht richtig. Die Türkei macht es richtig. Nachdem sie auf massiven US-Widerstand traf, macht sie nun gute Geschäfte mit der KRG. Nur das bedingt eine gegenseitige Abhängigkeit. Immerhin gibt es neben rund 1500 türkischen Firmen auch 400 aus dem Iran. Insgesamt sollen 17 000 internationale Firmen dort vertreten sein. Wobei natürlich die iranisch-irakischen wirtschaftlichen Beziehungen erheblich größer sind, als die nur zur KRG
Ehrlich gesagt: die Türkei treibt die Teilung des Iraks und die Gründung eines Kurdistans im Südosten voran. Das sage nicht nur ich, das kritisieren die USA auch unterschwellig.
Erscheint ja nicht unlogisch. Nur muß man sagen, daß das was einmal in den Brunnen gefallen ist, etwas anderes ist, als das was noch kommen mag. Sprich in Syrien und in der Türkei. Die kurdische Frage. Ich glaube nicht, daß es eine breite Mehrheit in der politischen Klasse in Ankara gibt, die immer mehr selbständige kurdische Gebiete, gar eine großes Kurdistan ernsthaft präferieren oder anstreben. Ankara macht nur jetzt - nach mehreren politischen und militärischen Fehlanläufen im Nordirak - jetzt das naheliegendste.

Kurz zusammengefasst, ich glaube, daß Ankara, Teheran, Damaskus und Bagdad grundsätzlich nichts von Separation wissen wollen. Was geschehen ist, damit versucht jeder mehr oder weniger pragmatisch umzugehen. Kulturelle Autonomie ist quasi im Irak erreicht. Erreichbar in der Türkei und es gibt tatsächlich seit langer Zeit eine Provinz im Iran die heißt auch einfach Kordistan, mit Universitäten (z.B. Kurdistan University of Medical Sciences u. University of Kurdistan), die alle entsprechende Namen tragen, weil dort mehrheitlich Kurden leben. Der Iran hat neben der politischen Komponente, sprich dem Widerstand auch der Kurden gegen die Islamische Republik, die Revolutionsjahre die vielleicht entspannendste Haltung aller Vielvölkerstaaten dort gegenüber den Kurden, da werden die Provinzen auch namentlich so benannt. Die schweren Konflikt wie die Türkei und der Irak dort hatten, gab es in der massiven Form im Iran nicht.

Ich erkenne nicht ein "umschwenken" der türkischen Haltung in der Kurdenfrage von einer massiven Ablehnung zu einer "Schutzmacht". Dafür sehe ich keine Anzeichen oder Kriterien erfüllt. Ich sehe durchaus den Schwenk von einer Ablehnung zu einer pragmatischen Haltung bedingt durch den Handel. Da scheint die Türkei tatsächlich sehr erfolgreich zu sein. Von daher kann ich mir auch nicht vorstellen, daß man im Ernstfall bei einem Disput dies alles risikiert. Sprich, man kann diese Beziehungen jederzeit kappen u.ä.
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Mo 11. Nov 2013, 10:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Tut mir leid, aber in Bezug auf das Verhältnis zwischen Ankara und Erbil bist Du nicht ganz auf dem neuesten Stand. Deine Argumente waren vor 4 oder 5 Jahren richtig, das sind sie aber gewiss nicht mehr. Weder wissenschaftlich noch aus den neuesten Zeitungsartikeln lässt sich deine Sichtweise belegen.
Zuletzt geändert von palulu am Do 14. Nov 2013, 22:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Hier, z.B.:

Iraq’s Kurdish region pursues ties with Turkey — for energy revenue and independence

IRBIL, Iraq — As the rest of Iraq descends into a crisis of deepening violence, the autonomous enclave of Kurdistan is enlisting the help of an unlikely ally, Turkey, to reach for a long-delayed dream of independence.

http://www.washingtonpost.com/world/mid ... story.html

Als hätte die Washington Post meine Beiträge hier gelesen. :D
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Jetzt kommt es Schlag auf Schlag:

Iraq Kurd chief visits Turkey after peace process stalls

ANKARA: Turkey’s prime minister will hold talks on Saturday with Iraqi Kurdish leader Massud Barzani aimed at restarting a stalled peace process, with decades-old divisions between Ankara and the Kurds far from over.

The talks — branded “historic” by Prime minister Recep Tayyip Erdogan — come at a sensitive time for the Turkish government after a peace deal with Kurdish rebels stalled in September.

Erdogan said he and Barzani, who is highly respected by Turkey’s own Kurds, would meet in the Kurdish-majority province of Diyarbakir in Turkey’s southeast.

“The choice of the city, the cradle of Kurds, is certainly symbolic,” a source close to the government said.

http://gulftoday.ae/portal/727e42da-393 ... 0e885.aspx

Man beachte den Ort - nicht Istanbul, nicht Ankara, sondern Diyarbakir.

Barzani’s Diyarbakır Visit Could be Game Changer for the Kurds
- See more at: http://rudaw.net/english/kurdistan/1311 ... ONPnP.dpuf
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

palulu » Do 14. Nov 2013, 23:58 hat geschrieben:Tut mir leid, aber in Bezug auf das Verhältnis zwischen Ankara und Erbil bist Du nicht ganz auf dem neuesten Stand. Deine Argumente waren vor 4 oder 5 Jahren richtig, das sind sie aber gewiss nicht mehr. Weder wissenschaftlich noch aus den neuesten Zeitungsartikeln lässt sich deine Sichtweise belegen.
Die Thesen, die aufgestellt wurden und die ich nicht als stichhaltig sehe, waren, daß die KRG einzig und alleine auf die Türkei zählen kann und das die Beziehungen einfach gekappt werden könnten (es besteht neben Interessen Ankaras die nicht zu tun, auch eine immer stärker werdenden gegenseitige Abhängigkeit) und die KRG dann komplett isoliert wäre, das ist weder der Irak, dessen Bestandteil die KRG ist noch gilt das für den Partner Iran. Oder den Geschäftsbeziehungen der KRG zur Welt. Das die Türkei die Schutzmacht der KRG ist halte ich auch nicht für stichhaltig. Da sehe ich die Kriterien nicht erfüllt und das Verhalten Ankaras sah/sieht auch nicht wie das einer Schutzmacht aus. Von dir wurde eingebracht, daß das Verhältnis der KRG zu Teheran eher feindlich, denn freundlich ist, das sehe ich auch nicht als gegeben an. Diese angesprochenen Punkte sehe ich eben anders. Und einige andere. ;)

Das habe ich geschrieben. Das die Türkei nach den anfänglichen militärischen Interventionen jetzt gute Geschäfte macht ist unbestritten. Die Türkei ist derzeit größter Handelspartner der KRG. Das ist nach mehreren anderen Versuchen offenbar der richtige Weg. Das wurde übrigens von Beobachtern schon vor Jahren so prognistiziert, als das Verhältnis Ankaras und Erbils eher militärischer Natur war. Früher oder später wird der geschäftliche Nutzen klar ersichtlich und automatisch eintreten.

Was ich persönlich eher interessant finde ist, daß das Bild, das ich aus den Medien über die Türkei, von Regierungsseite oder in Foren von türkischen Mit-Usern erhalten habe, sich z.T. um 180 Grad gedreht hat. Vorher wurde sich sehr gegen eine zunehmend autonome KRG ausgesprochen und das man das "rückgängig" machen könnte usw. Und als man sah, daß das nicht geht, sondern, daß der Laden relativ gut läuft, man die Sichtweise nun so ausdrückt, daß das eben daran liegt, daß die Türkei eine Schutzmacht wäre und das dies eigentlich immer der Plan war. Und wenn man vorher das schwierige Thema "Kurdistan" (aus türk. Sicht) im Rahmen eines angedachten militärischen containments sah, das man jederzeit kontrollieren könnte, dann erklärt man es jetzt eben durch eine kontrollierbare Situation wirtschaftlicher Natur. Dabei kommt aber auch eine gegenseitige Abhängigkeit zum Tragen. Hauptsache, man hat es unter Kontrolle. Wie hieß es in einem Stallonefilm? "Wenn du nicht irgendwann das Problem kontrollierst, kontrolliert dich irgendwann das Problem". Kurdistan war immer und ist noch ein Problem für die Türkei. Ein großes Thema, das man kontrolliert haben und vor allen Dingen gesehen haben will. ;)
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Ich wußte gar nicht, daß sich in Tripolis immer noch von staatlicher Seite nicht kontrollierte Kampfeinheiten, sprich Milizen aufhalten?
Libyen: Milizen schießen auf Demonstranten - viele Tote und Verletzte
Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 waren die Milizionäre zunächst als Helden gefeiert worden, doch weigern sie sich seitdem, ihre Waffen abzugeben oder sich in die neuen Sicherheitskräfte einzugliedern. Die Milizen bekämpfen sich auch gegenseitig und widersetzen sich der Aufforderung der schwachen Zentralregierung, die Hauptstadt Tripolis zu verlassen. Im Oktober wurde Ministerpräsident Seidan zeitweise von Bewaffneten entführt.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/l ... 33916.html
Es gibt immer noch keine Staatsmacht in Libyen.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von UncleSams_Berater »

Erdogan selbst lässt einen Kurdenstaat im Irak entstehen :D
Mal sehen was die Zentralregierung in Badgad dazu sagt...

Auch noch interessant war vor paar Wochen:
Anti-Terror-Kampf: Maliki fordert von Obama mehr Militärhilfe

Es ist eine lange Wunschliste, die Iraks Premier bei einem Besuch in Washington vorlegte: Drohnen, Kampfhubschrauber, moderne Waffensysteme. US-Präsident Obama sicherte eine engere Kooperation zu, vor allem im Kampf gegen das Terrornetzwerk al-Qaida. Doch feste Zusagen machte er nicht.

Washington - US-Präsident Barack Obama hat den irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki am Freitag in Washington empfangen. Wichtigste Themen auf der bilateralen Agenda sind die gemeinsame Terrorbekämpfung, Militärhilfen sowie die Lage in Iraks Nachbarland Syrien und im Nahen Osten. Das Treffen fand unter dem Eindruck der zunehmenden Gewalt in dem Land statt.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/m ... 31373.html
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Der zerfallene Staat Syrien.

Damaskus kontrolliert im wesentlichen die größten Städte und die Landstriche mit dem größten Bevölkerungsanteil. Im wesentlichen im Westen des Landes zum Mittelmeer hin. Die Rebellengruppen die größten Landstriche. Vor allen Dingen im Norden und Osten. Die Kurden Landstriche im Norden.

Die Islamische Staat Irak und Levante (ISIL) versucht im Norden die Kontrolle zur Grenze zur Türkei zu erlangen, was sie automatisch mit den Kurden in Konflikt bringt.

Mapping Competing Strategies in the Syrian Conflict
http://www.noria-research.com/2013/11/0 ... -conflict/
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Assad-Getreue, Islamisten, Rebellen, Kurden - Syrien zerfällt zunehmend in verschiedene Herrschaftsbereiche. Vom Zentralstaat Assads bleibt nur wenig übrig. Eine Karte zeigt die wichtigsten Einflusszonen.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/b ... 34610.html

Ankara revidiert seine Haltung im Syrien-Konflikt - der türkische Außenminister rief alle Konfliktparteien zu Waffenruhe während der Friedensverhandlungen auf; das Land lässt keine ausländischen Kämpfer mehr über die Grenze nach Syrien.
http://www.berliner-zeitung.de/politik/ ... 67200.html

Dass das den Kurden zugute kommen wird, ist klar.
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Subutai
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von Subutai »

Die Geschäftsbeziehungen zu einem vom sanktionenbefreitem Iran scheint für die Türkei mehr wert zu sein, als ein Fall des Assadregimes um jeden Preis. Vielleicht kann man aber auch eine Einigung erziehlen, wenn beide Seiten merken, dass ein totaler Sieg über den Anderen nicht möglich ist, und sie die Nase voll vom Krieg haben. Bis dahin wird man den Konflikt in Syrien auf mittlerer Flame köcheln lassen. Aber an einen Zerfall Syriens glaube ich nicht, die äußere Kräfte lassen das nicht zu, da zerfällt eher der Irak.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Es formt sich eine neuer "Staat". Bzw. eine Region, die sich der Staatsgewalt Bagdads und Damaskus entzieht. Mit eigener Struktur.

Eine Frage, die ungern gestellt wird, aber fast die dringlichste ist, ist, wie man das Zurückdrehen kann. Nicht, weil sich alte, womöglich überholte Grenzen verändern, sondern weil dort etwas entsteht, was großes Konfliktpotential hat und nichts gutes verheißt.

Wer bekommt, wie die Djihadisten in den Griff? Die syrische Armee schafft das vermutlich nicht (wie die irakische). Wenn das nicht gelingt haben wir Afghanistan am Mittelmeer. Terror- und Ausbildungsstützpunkte, organisierte Kriminalität in einem unkontrollierbaren Ausmaß. Das ist der springende Punkt. Ähnlich unkontrollierbar, ohne Ansprechpartner, wie in Afghanistan/Pakistan. Das in EU-Nähe. Die Türkei ist sicher nicht wohl dabei und Israel auch nicht. Es ist eine ernsthafte Frage, wie man mit diesem Problem, das sich ausbreitet und verfestigt, fertig wird. Wohl gemerkt, in AfPak wird militärisch - wenn auch ohne großen Erfolg - darauf reagiert. Offenbar ist die Luft raus dasselbe in Syrien zu versuchen, auch mit dem Irak will die USA nicht mehr viel zu tun haben. Zumal man Assad auf dem Boden hat, der Paroli bieten kann. Selbst die USA lassen ihn machen. Nur, der wird ohne aktive US-Hilfe mit der Situation nicht fertig. Definitiv nicht.
Al Qaida in Syrien

Ein Afghanistan am Mittelmeer

12.12.2013 · Al Qaida nutzt das Machtvakuum, das der syrische Bürgerkrieg schafft, um dort einen islamischen Staat aufzubauen. Der Terrorkampf zieht dorthin mehr Dschihadisten als an den Hindukusch.

Abu Bakr al Baghdadi ist erfolgreicher als sein Vorbild Usama Bin Ladin. Anders als der Gründer von Al Qaida gebietet der Iraker aus Samarra über einen islamischen Staat. Er ist selbst erfolgreicher als sein Mentor Abu Musab Zarqawi. Denn der im Jahr 2006 getötete Führer von „Al Qaida im Irak“ herrschte nur über ein „Emirat“ innerhalb der irakischen Provinz Anbar. Der 42 Jahre alte al Baghdadi, vom dem keine Fotos existieren, herrscht aber über einen Staat, der bestehende Grenzen aufhebt: den „Islamischen Staat im Irak und in (Groß-)Syrien“ (Isis), der seinen Terror von der syrischen Provinzhauptstadt Raqqa am Oberlauf des Euphrat bis hinab in die irakische Provinz Anbar ausweitet und der seine Präsenz in Mossul, der zweitgrößten Stadt des Iraks, ausbaut.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich dieser islamische Staat dem Westen zuwendet. Der gefährlichste Arm von Al Qaida diskutiere bereits darüber, wann er den Westen angreifen solle, sagt Mike Rogers, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses in Washington. In einer Titelgeschichte der amerikanischen Zeitschrift „Time Magazine“ über Isis wird er mit den Worten zitiert: „Das hatte sich genau in Afghanistan ereignet und führte zu 9/11.“

Syrien hat in zweieinhalb Jahren so viele ausländische Kämpfer angezogen wie Afghanistan in zweieinhalb Jahrzehnten“, sagte ein nicht genanntes Mitglied der Regierung Obama zu „Time“. Die neu Rekrutierten kommen aus der ganzen islamischen Welt, von Albanien über den Kaukasus bis auf die arabische Halbinsel, auch aus Europa. Sie schwören ihren Eid nicht mehr auf al Zawahiri, den Führer von Al Qaida, der sich in Afghanistan oder Pakistan versteckt. Sie schwören ihn auf al Baghdadi und den „Islamischen Staat im Irak und (Groß-)Syrien“.
Baghdadis Krieger kontrollieren Grenzübergänge zur Türkei, sie haben Ölfelder und Raffinerien in ihre Gewalt gebracht, verteilen Weizen, Nahrungsmittel und Ölprodukte, betreiben in Raqqa Schulen, die der religiösen Umerziehung dienen, und eine Buslinie. Die Versorgung erfolgt entlang des Euphrat über Schwesterstädte im Irak; Amerikaner nennen die Route den „Rattenkorridor“.

Ein sicheres Rückzugsgebiet

Wäre Baghdadi finanziell von Al Qaidas Führung abhängig, er würde sich nicht so klar von Zawahiri distanzieren. Geld fließt aus in Mossul erpressten Schutzgeldern und dem Verkauf von Erdöl, private Geber aus den Golfstaaten, vor allem Kuweit, lassen Bargeld nach Raqqa bringen.
Al Qaida hat mit dem „Islamischen Staat im Irak und (Groß-)Syrien“ ein sicheres Rückzugsgebiet geschaffen, das sich entlang des „Rattenkorridors“ weit in den Irak erstreckt. Die Staatsgrenzen der Vergangenheit sind dort aufgehoben. Je stabiler dieses Gebilde wird, desto größer wird die Gefahr für den Westen.

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 04655.html
Die Situation ist ernst, so ernst, daß sogar die USA und Israel Assad in Ruhe lassen. Selbst nach seinem angeblichen Giftgaseinsatz, bei dem eine postulierte rote Linie für die USA überschritten wurde, machte man nichts. Wie wird man mit dieser Opposition fertig? Natürlich ist es ein Balanceakt dies so zu konstruieren, daß man damit nicht automatisch Assad unterstützt. Das sieht nicht gut aus. Naja, dazu hat man ja Russland und den Iran. Womöglich sind die USA und Israel sogar dankbar darum. Das ist Arbeitsteilung. Das meine ich durchaus ernst. Zumal beide Seiten ihr Gesicht wahren, die einen mit ihre blütenweisen Weste, die anderen mit dem Habitus entschlossenen, unbeeinflußbarem Handelns. Mit Sicherheit sind sie im Gespräch zu diesem Thema. Jetzt ist guter Rat teuer.
Zuletzt geändert von King Kong 2006 am Fr 13. Dez 2013, 21:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von palulu »

Kann es sein, dass die Türkei u.a. deshalb die Kurdengebiete als eine Art "Pufferzone" unterstützt und aufbaut?

Man kann das alles im Übrigen auch anders sehen. Endlich verschwinden die künstlichen Staatsgrenzen. Überspitzt ausgedrückt könnte man auch sagen, dass in dem großen arabisch-sunnitischen Gebiet zwischen Syrien und dem Irak ein Staat aus sich heraus entsteht.

Oder, es entsteht eine Art islamischer Staat, der durch die Zusammenarbeit internationaler Islamisten erst ermöglicht wird.
Zuletzt geändert von palulu am Sa 14. Dez 2013, 04:57, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

palulu » Sa 14. Dez 2013, 02:53 hat geschrieben:Kann es sein, dass die Türkei u.a. deshalb die Kurdengebiete als eine Art "Pufferzone" unterstützt und aufbaut?

Man kann das alles im Übrigen auch anders sehen. Endlich verschwinden die künstlichen Staatsgrenzen. Überspitzt ausgedrückt könnte man auch sagen, dass in dem großen arabisch-sunnitischen Gebiet zwischen Syrien und dem Irak ein Staat aus sich heraus entsteht.

Oder, es entsteht eine Art islamischer Staat, der durch die Zusammenarbeit internationaler Islamisten erst ermöglicht wird.
Auf jeden Fall ist das sinnig was die Türkei macht. Mit einem geordneten, ansprechbaren "Kurdistan" läuft es sicher besser als andersherum. Ich gehe davon aus, daß Erdogan eine Rolle für die Türkei vorsah, die einem sunnitisch-islamischen Kernstaat vorsah. Eine Alternative zu Saudi-Arabien. Deshalb das große Engagement für die Muslimbrüder in Ägypten, für die Palästinenser (Gazaflottille) oder die Opposition in Syrien. Das hat sich in der Form nicht erfüllt. Mursi wurde gestürzt was jetzt zu einem frostigen Verhältnis zur Militärjunta (Freunde Riads) in Kairo geführt hat, man ist mit Israel sprichwörtlich auf dem Meer über die Palästinenser kollidiert und die Opposition in Syrien hat sich zu einem Alptraum entwickelt, der sogar die Türkei bedroht.

In diesem Kontext ist eine funktionierende kurdische Autonomiebehörde durchaus sinnig. Sie verspricht mehr Ruhe. Und Business. Natürlich steht das Damoklesschwert der kurdischen Bewegungen auch in der Türkei über Ankara, aber man kann sich entscheiden, das unaufhaltsame Mitanzuschauen und Energie daran zu verschwenden oder aktiv - im eigenen Sinne - dort mitzugestalten. Und das tut Ankara recht erfolgreich.

Die von den Kolonialmächten aus dem Erbe des Osmanischen Reiches gebastelten Staaten sind künstlich. Ich halte es weniger für eine Problem, sie unbedingt am Leben zu erhalten, denn mit den Krisen fertig zu werden, die aus schweren Geburtswehen entstehen. Gegen einen neuen mehrheitlich arabisch-sunnitischen Staat ist gar nichts einzuwenden. Wie gegen einen möglichen kurdischen. Nur, wenn dort ein "zweites Afghanistan" entsteht, dann haben wir ein Problem. Wenn Ankara einen prosperierenden kurdischen Staat dazwischen hat, dann sieht das auch besser aus.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Die US-Iran-Russland Formation versucht das Kalifat, das praktisch schon aus Ostsyrien und Westirak besteht runterzudrücken. Und Damaskus und Bagdad zu erhalten.

Die USA stoppten bereits die Hilfe an die Anti-Assad Kräfte. Der Irak, der bereits eng mit dem Iran kooperiert in Sicherheitsfragen bekommt jetzt US-Kampfdrohnen zur Bekämpfung. Es fehlt noch die aktivere Hilfe für Damaskus. Was sich propagandistisch natürlich schwer für Washington umsetzen lässt. Dafür lässt man Russland und den Iran vor. Und in Ruhe.
US and Iran’s First Joint Military Venture: Fighting al Qaeda in Iraq

With the Geneva Nuclear Accord still far from implementation a month after it was signed in Geneva, the United States and Iran are moving into stage two of their rapprochement: They are now fighting together to crush Al Qaeda terror in Iraq,
Their mission is to foil Al Qaeda’s drive to spread its first independent state in the Middle East across the Iraqi-Syrian frontier. Its Iraqi and Syrian branches - ISIS and the Nusra Front - have declared a holy war to this end under their commanders Abu Bakr Al-Baghdadi and Abu Mohammed al-Golani.

The Anbar province of Western Iraq is the scene of he fiercest combat close to Iraq’s borders with Syria and Jordan.

To counter Al Qaeda’s superiority in speed and surprise, the US has sent the Iraqi army Hellfire surface-to-air missiles. They are already in use against al Qaeda camps on the Syrian border. Next, Washington is sending out small, long-endurance unmanned aerial ScanEagles. These drones are best suited to combat in Anbar’s deep wadis and the halophyte thickets lining the Euphrates River.

In this topsy-turvy scenario, Washington and Tehran share another surprising motive: to save the Assad regime in Damascus from Al Qaeda’s long arms.

Russian Foreign Minister Sergey Lavrov noted approvingly on Dec. 26: “Attitudes are changing in Western countries; they are becoming more realistic in their approach towards the Syrian crisis. The threat of terrorism in Syria, of jihadists coming to power, of creating a caliphate with extremist laws, these are the main problems.”

Since the Syrian chemical issue was addressed in September, Russian-Iranian-American collaboration is going strong.

http://debka.com/article/23558/US-and-I ... da-in-Iraq
Eine ähnliche Zusammenarbeit ist in Afghanistan (wieder) zu erwarten. Das neue Kalifat stellt eine direkte Bedrohung Irans und Russlands dar. Und der US-amerikanischen Interessen.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Was ist dran am Kalifat?

Al-Qaida und Co. im Vormarsch und im Moment kann sie keiner stoppen. Weder US-Drohnen, US-Hellfire-Raketen für die irakische Armee, noch die syrische Armee oder russische, amerikanische und iranische Militärberater für Damaskus und Bagdad. Die syrischen und irakischen Oppositiongruppen konstituieren sich. Rette sich wer kann? Vermutlich in territoriale Abgrenzung. Das Kalifat und die anderen arabischen und kurdischen Gebiete. Das Kalifat wird in erster Linie sunnitisch-arabische Staaten in Sachen Infiltration bedrohen. Aber auch Israel, die Türkei und den schiitischen Iran und die Südflanke Russlands. Naja, bis New York sind sie auch schon gekommen.
Al Qaeda’s most significant victory in the Syrian war was achieved this week in the Iraqi arena. Its Iraq and Syrian branch (ISIS), under the command of Abu Bakr al-Baghdadi, resoundingly defeated the Iraqi army which two weeks ago launched a major offensive to relieve the country of the jihadist grip. Baghdadi’s troops were able to throw back the Iraqi army’s crack 7th and 1st divisions and keep going to capture large sections of Ramadi and Falluja, the key Sunni cities of western and central Iraq.
This victory enabled ISIS to forge a territorial chain of control stretching from Ramadi in central in Iraq, 110 km west of Baghdad, all the way to the northern Syrian town of Al-Raqqah, 160 km from Aleppo.

It also brought the Iraqi military offensive to a standstill. Soldiers downed arms and fled and units still intact started falling back toward Baghdad, dumping their heavy weapons to hasten their retreat.
1. There is no military force in the region capable of going into Iraq and stopping al Qaeda’s advance, which was allowed to happen in consequence of the US army’s precipitate exit from the country three years ago.
2. Al Qaeda’s fortunes in Syria, Lebanon and Egypt’s Sinai Peninsula have received a major boost. The Sinai affiliates in particular are in close touch with Al Baghdadi.

http://debka.com/article/23571/Al-Qaeda ... nd-Falluja
Al Qaidas Offensive

Durch den Bürgerkrieg in Syrien gerät auch der benachbarte Irak immer stärker in den Strudel der Gewalt. In welche Richtung entwickelt sich die Region?

http://www.tagesspiegel.de/politik/gewa ... 86408.html
Islamisten verkünden im Irak Gottesstaat

Der irakischen Regierung entgleitet immer mehr die Kontrolle: Islamistische Rebellen halten in den Städten Ramadi und Falludscha Einzug. Dort verkünden sie den Gottesstaat.

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/nah ... y/18428381
Die USA hätten die Firepower zumindest diesem Kalifat arg zuzusetzen. Zu gewinnen, das wäre eine andere Frage. Und sie haben wirtschaftlich und politisch keine Kraft mehr, ob sie noch als Supermacht klassifiziert werden können steht im Raum. Der Iran macht was er kann in Syrien, das hält zumindest die Distanz zum Kalifat. Aber mehr als Militärberater und Spezialequipment (electronic warfare, Aufklärung usw.), ähnliches wie die USA im Falle Iraks (und mit dem Auge auf Syrien) geht auch nicht. Russland kann auch nicht mehr machen. Frankreich kann viel reden und GB hat gleich abgewunken. Berlin ist eh ein besonderer Fall. Das wars.

Die schmerzhafte Geburt eines überfälligen Staates? Innerhalb der Kunststaaten Syrien und Irak? Und wie unterstützt man die Kräfte gegen das Kalifat? Moskau und Teheran werden das alleine nicht wuppen und machen sich für manche zudem noch dadurch unsympathisch. Nicht nur bei Al-Qaida und Co. Die USA haben ein Propagandaproblem. Auf der einen Seite unterstützen sie Bagdad gegen diese Gruppen. Und Damaskus, das genau gegen dieselben ankämpft nicht. Jedenfalls nicht offen. Immerhin haben die USA die Unterstützung für die Anti-Assad Kräfte eingestellt und lassen Moskau und Teheran dort machen, was sie können. Während sich die USA mit Teheran eher auf Bagdad konzentriert. Bagdad wirkt propagandistisch positiver für die USA. Immerhin ein befreites, demokratisches Land.
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Re: Staatenzerfall in Nahost? Die Ära nach Sykes-Picot

Beitrag von King Kong 2006 »

Hört! Hört! Der Springerverlag äußerst sich. Ausgerechnet der Stürmer.
Die Partisanen al-Qaidas erobern den Nahen Osten
Von Michael Stürmer

Keine Grenze ist vor ihnen sicher, es drohen Massenflucht und Zerstörung. Was mit der amerikanischen Invasion Iraks begann, wird zum Flächenbrand, der dem Dreißigjährigen Krieg ähnelt.
Was heute von dort gemeldet wird, Vorrücken der Al-Qaida-Verwandten, Massenflucht der Bewohner und summarisches Eingreifen der irakischen Armee, gehört zu den unbeabsichtigten und niemals in ihrer Zerstörungskraft erahnten Spätfolgen jener Intervention.
Zugleich kündigt sich ein neuer, wilder, von außen kaum bestimmbarer und schon gar nicht kontrollierbarer Zustand an. Der Nahe und Mittlere Osten, wie ihn die geographischen Handbücher zeigen, mit sauber gezeichneten Grenzlinien gemäß dem Erbe des Osmanischen Reiches und der späten Kolonialzeit, steht zur Verteilung an im blutigen self-service.
Im Irak, wo seit der Machtergreifung des Saddam Hussein die Sunniten obenauf waren, sind es heute die Schiiten, die die Macht haben und sich wehren müssen gegen die islamistische Invasion von innen und außen. Was in der Anbar-Provinz passiert, ist nur der Anfang.

http://www.welt.de/debatte/kommentare/a ... Osten.html
Irgendwann holt jeden die Realität ein. Man kann eine bestimmte Linie nicht an den Realitäten vorbei schreiben. Auf ewig.

Nunja, mal sehen, wie sich Washington, Teheran, Moskau und die in Bedrängnis geratenen in Damaskus und Bagdad schlagen werden.
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