Die Gesetzesverschärfung ist nach Maas notwendig, um der immer weiter steigenden Zahl der Angriffe gegen Polizisten Rechnung zu tragen.Laut Entwurf des „Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ soll die Mindeststrafe bei „tätlichen Angriffen“ auf drei Monate Freiheitsstrafe erhöht werden; Höchststrafe bleibt fünf Jahre.
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„Tätliche Angriffe“ sind bereits strafbar – so etwa als versuchte oder tatsächliche Körperverletzung oder Nötigung, wozu auch Schubsen oder Anrempeln gehören. Zu einer Verletzung oder Schmerzen muss es dabei nicht kommen. Der zu ahnende „Angriff“ muss zudem nicht mehr während einer sogenannten Vollstreckungshandlung passieren, etwa einer Festnahme. Stattdessen soll das Gesetz für die gesamte Dienstzeit von PolizistInnen gelten.
In weniger schweren Fällen waren bisher Geldstrafen möglich und üblich. Die soll es künftig nicht mehr geben. Stattdessen soll ein besonders schwerer Fall vorliegen, wenn TäterInnen eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führen – selbst wenn „keine Verwendungsabsicht besteht“.
Sehr gut. Der Justizminister zeigt endlich die Bereitschaft, die Beamten, die tagtäglich ihren Kopf hinhalten, die zigfach Angriffe gegen sich erdulden müssen, zu schützen. Eine begrüßenswerte Initiative.In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, 2015 seien 64.400 Polizisten Opfer von Straftaten geworden – etwa 5.000 mehr als noch zwei Jahre zuvor.
Hm, wobei....
Typische Nörgler, Gutmenschen und Sozialarbeiterpack. Was könnte es da schon für Gründe geben? Alleine die Zahl der Opfer zeugt doch von Handlungserfordernis.KritikerInnen werten den Gesetzentwurf deshalb als Angriff auf das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Bürgerrechts-NGOs wie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein und die Humanistische Union kritisieren ihn als ungeeignet und verfassungswidrig. Auch die Berufsverbände Deutscher Richterbund, Neue Richtervereinigung und der Deutsche Anwaltsverein sehen das Vorhaben kritisch.
Achso, naja, okay. Vielleicht gibt es keinen Dringlichkeitsbedarf, aber Rettungskräfte und Polizisten benötigen Schutz. Wie kann man nur da nur Initiativen zur Verbesserung des Schutzes kritisieren?Die Statistik sagt nichts über die tatsächliche Anzahl der Fälle aus, sondern ausschließlich über die Anzahl der gemeldeten polizeilichen Opfer.
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Übertriebene Zahlen seien „systemimmanent“, kritisieren Bürgerrechtler, „weil nicht erfasst wird, wenn ein Verfahren eingestellt wurde oder mit einem Freispruch endete und sich der Vorwurf nicht bestätigt hat“. Von mehr Angriffen auf Polizisten könne nicht die Rede sein, zugenommen habe die Dramatisierung durch die Polizeigewerkschaften.
Zudem enthalten die 64.400 Fälle alle Delikte von einfachen Widerstandshandlungen und Beleidigungen (44.120 Fälle) über Körperverletzung bis hin zu Totschlag und Mord (kein Fall). Die Zahl der registrierten Widerstandshandlungen ist dabei nicht gestiegen, sondern zurückgegangen.
http://taz.de/Gesetzentwurf-zum-Schutz- ... /!5401997/Angriffe jeder Art auf PolizistInnen werden schon heute vom Strafrecht abgedeckt. Die Neuregelung würde dazu führen, PolizistInnen gegenüber der Normalbevölkerung zu privilegieren.
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Der Paragraf 113 des Strafgesetzbuches – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – sollte ursprünglich dazu dienen, TäterInnen zu schützen.
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Der Kriminologe Tobias Singelnstein spricht von einem „Privileg der Exekutive, das man sonst eher in autoritären Staaten findet“.
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Doch mit deren Privilegierung werden Begehrlichkeiten geweckt: Auch LehrerInnen haben sich schon mit der Forderung nach besonderem Schutz zu Wort gemeldet.
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Kritiker meinen, die Gesetzesvorlage sei reine Symbolpolitik. Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg, ist überzeugt: „Das wird keine Verbesserungen für PolizistInnen bringen.“
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Der Rechtswissenschaftler Henning Ernst Müller von der Universität Regensburg äußert die Sorge, dass der Polizei in der Interaktion mit den Bürgern „ein weiteres Mittel an die Hand gegeben wird, sich per Gegenanzeige von einer Strafverfolgung bei unverhältnismäßiger Polizeigewalt zu schützen“.
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Konsequenzen wird das Gesetz vor allem für „TäterInnen“ haben – denn PolizistInnen, die allenthalben dazu angehalten würden, sich als Opfer zu melden, „werden jetzt viel mehr anzeigen“, davon ist Polizeiwissenschaftler Behr überzeugt. Er erwartet als Ergebnis des Gesetzes deutlich steigende Anzeigenzahlen – die wiederum Anlass für weitere Gesetzesverschärfungen sein könnten.
Vorratsdatenspeicherung, Netzwerkdurchsuchungsgesetz, Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuch - Heiko Maas bleibt seiner Linie treu, Bürgerrechte für zweifelhafte Vorhaben mit zweifelhafter Wirksamkeit einzuschränken. Die Einschränkung der Bürgerrechte ist hier implizit gegeben, einerseits durch die rechtliche Besserstellung von Polizisten oder Rettungskräften. Vor dem Gesetz sind alle gleich - naja okay, wenn jeder den gleichen Anwalt hätte -, das gilt nicht mehr nach dem Gesetzesentwurf. Schubst Hannes Mirko, den Nachbarn, ohne Folgeverletzungen und prozessiert der letztere, passiert...nichts. Schubst Hannes Mirko, den Polizisten, ohne Folgeverletzungen und prozessiert der letztere, dann sind dafür mindestens 3 Monate Gefängnis vorgesehen. (vice versa passiert...nichts.)
Zweitens wird damit der Kriminalisierung von Demonstrationen Vorschub geleistet. Wenn es keine biedere Bockwurstveranstaltung des DGB ist, kann es emotional heiß her gehen. Das gilt beileibe nicht nur für Demos der Antifa o.ä., Stuttgart 21 mag als Beispiel dienen für Demonstrationen, die unerwünscht sind, bei denen die Polizei vielleicht dir Order hat, härter vorzugehen, einzuschüchtern usw. Es reicht dafür allerdings auch aus, dass Polizisten selbst aggressiv auftreten. Wer in solchen Situationen sich zum Schubsen hinreißen lässt, kann sich auf die Strafe freuen.
Das war übrigens auch der Gedanke für den §113StGB
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ht/seite-5"Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" (Paragraf 113 StGB) ist ein Tatbestand, der ursprünglich den Täter privilegieren sollte, der sich in einer emotional meist aufgewühlten Situation einer (meist bewaffneten und überlegenen) "Staatsmacht" gegenüber sieht und in Erregung, Angst, Wut überreagiert. Darüber denkt heute kaum noch jemand ernsthaft nach. Die aktuelle Debatte dreht diesen Ursprung vielmehr einfach um und behauptet, Polizisten und andere Vollstreckungsorgane seien "besonders" schutzwürdig, besondere Opfer.