Populismus - Meinungen - Fakten

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lamb of god
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Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von lamb of god »

Immer wieder kommt aus Ecke x und Ecke y der berüchtigte Vorwurf das a oder b Popoulisten seien. Dabei wird eines völlig ausser Acht gelassen: Der Vorwurf des Populismus ist selbst der größtmögliche Populismus.

Was machen Populisten?
Populisten argumentieren nicht mit rationalen, sondern emotionalen Argumenten. Richtigerweise zählt die Argumentationstheorie Argumente die sich auf Gefühle verschiedenster Art stützen zu den Scheinargumenten. Jeder Politiker hat sich im Laufe seiner Laufbahn als Populist betätgt. Die Schuld daran trägt aber nicht nur die Politik. Das hat etwas mit den Medien zu tun und natürlich auch mit Menschen die selbst auf hochkomplexe Zusammenhänge und damit verbundene Fragen einfache Antworten erwarten. Wenn ein Politiker dann aber nur 30 Sekunden bekommt dem Journalisten zu erklären warum er Gesetz x für richtig ujnd Gesetz y für falsch hält, ist es überhaupt gar nicht möglich auch nur ansatzweise das Thema sachlich zu behandeln was im Weiteren zu dem hier beschriebenem Prozedere führt.
Wiki hat geschrieben:Als Populismus werden auch bestimmte Mobilisierungs- und Konsenssicherungsstrategien politischer Eliten sowie einzelner Führungspersonen bezeichnet. Zentraler Bestandteil solcher Strategien ist die Proklamation politisch relevanter Gewissheiten, existentieller Befindlichkeiten und Selbstverständlichkeiten oder „Wahrheiten“ nationaler, moralischer oder ökonomischer Art, wobei unterstellt wird, dass sie im Alltagsbewußtsein der Bevölkerungsmehrheit vorliegen und daher einer rationalen Erörterung und Begründung nicht bedürfen.
In der Praxis sieht das so aus:
Frau Koch-Mehrin wird für die FDP als Spitzenkandidatin bei der Europawahl antreten und in ihrer Kandidaturede kam auch das Thema Glühbirnen dran und dazu sagte sie
" Diese Eingriffe in die Alltagsentscheidungen der Bürger lehnen wir ab."
Das ist keine sachliche Stellungnahme, sondern legen wir die im obigen Link dargelegten Maßstäbe an, purer Populismus, denn wenn man bspw. das dickste Gesetzbuch unseres Landes, das BGB aufschlägt kann man dort eigentllich blind reintippen wenn man ein Gesetz finden möchte, welches einen Eingriff in die Alltagsentscheidungen der Bürger macht. Nun wird deren Sinn aber in den meisten Fällen kaum in Frage gestellt wird. Wer zum Thema Glühbirne ein paar sachliche Arguumente haben möchte, kann in diesen Thread schauen.

btw
Dieses Eingriffsargument ist übrigens fast genauso beliebig wie das Freiheitsargument, denn jedes Gesetz schränkt irgend eine Freiheit ein.Genausogut könnte man argumentieren, dass man gegen ein Gesetz ist, weil es ein Gesetz ist. Ich warte ja immer auf den Tag, an dem irgend ein FDP-Mensch vor die Leute tritt und fordert, es doch der freien Entscheidung der Menschen zu überlassen ob sie nun bei rot, gelb oder grün über die Ampel fahren.


Anstatt des Vorwurf des Populismus könnte man dem politischem Gegner auch vorwerfen, dass er der Spezies HSS angehört. Trotzdem finden wir diesen Vorwurf fast täglich in den Medien oder auch hier wieder und es gibt leider genügend Menschen die in dieser Meinung welche als Fakt dargestellt wird einen korrektes Argument gegen jemanden sehen.


An dieser Stelle komme ich zum nächsten Punkt. Wir leben in einer Welt in der nachweisbare Fakten zu Meinungen und Meinungen zu Fakten umdefiniert werden. Von John Maynard Keynes stammt der Ausspruch
Ich bilde meine Meinung anhand von Fakten. Ändern sich die Fakten, ändere ich meine Meinung.
Ich würde es begrüßen wenn die Politik auch nach diesem Credo handelte. Nun braucht es keines großen Beweises, dass diederzeitige Politik fernab dieses Credos agiert. Da braucht man nur auf die Finanzkrise zu schauen.In diesem Zusammehang finde ich diesen Kommentar von Lucas Zeise der normalerweise für die FTD schreibt äusserst passend. Dass das möglich ist, liegt vor allem daran, dass die Menschen nicht wissen, dass es sich bei den Fakten tatsächlich um Fakten handelt. Bei der Verwandlung von Meinungen in Fakten. Sieht das noch etwas anders aus.

Auch hier ein Beispiel
Der gestern abgestrafte TSG sagte letze Woche in einem FR-Interview zur Vermögenssteuer
Aber das Volumen der Vermögenssteuer beträgt etwa ein bis zwei Milliarden Euro - wir reden aber gerade von 20 Milliarden Euro Investitionen.
Schauen wir zurück. Zu einer Zeit als die SPD selbst noch die Vermögenssteuer wieder einführen wollte hatte man sich Gedanken darüber gemacht wie diese verfassungsrechtlich ausgestaltbar wäre und welche Einnahmen man zu erwarten hätte. Schon damals 1998 bezifferte man die vermuteten Einnahmen auf ca. 4Mrd€. Inzwischen sind 10 Jahre in's Land gegangen und laut SBA wuchsen die Unternehmens und Vermögenseinkommen real um ca 50%(nominal ca. 90%). Diese Zahlen wurden unabhängig vom SBA von der Buba und dem Sachverständigenrat bestätigt. Was die SPD damals genau vorhatte läßt sich nicht sagen, da nach Ammtsantritt vvon Schröder weder ein Gesetzentwurf noch sonstwas eingebracht wurde, aber es muss sich um eine äusserst krude Berechnungsmethode gehandelt haben, wenn laut TSG eine durch Zunahme bedingte erhöhte Steuerpflicht zu einem derartigem Sinken der Einnahmen führen soll. Wahrscheinlicher ist aber, dass TSG vom Thema Vermögenssteuer einfach keine Ahnung hat. Ich werfe dem Otto-Normalleser nicht vor wenn er das von TSG gesagte für bare Münze nimmt. Ich werfe dem Fragesteller aber vor, dass er das völlig unkomentiert läßt. Vermutlich hat der Fragesteller genauso wenig Ahnung von der Materie. Nach meinen Berechnungen lande ich heute Pi*'Daumen bei etwa 10-12 Mrd€. Zum Vergleich: Das DIW kam in seinen Berechnungen in 2002 auf Einnahmen aus Vermögenssteuer von ca. 16Mrd€.

Der entscheidente Punkt zu diesem Einwurf ist aber, dass die völlig unqualifizierte Meinung eines TSG wie ein Fakt dasteht und das sie vor allem deswegen, weil dieser Meinung weder widersprochen, nachgehakt oder zumindest mal gefragt wurde, wie er auf diese Zahlen kommt. Das hier Geschilderte können wir in vielen Bereichen sehen. Durch simple Umdefinitionen werden Statistiken geschönt, Bilanzen kaschiert etc. Das wäre für sich nicht mal schlimm. Schlimm wird es erst wenn solche Lügengebäude Grundlage der handelnden Politik werden. Im Effekt braucht man sich nicht darüber zu wundern wenn darauf fussende Gesetze, Verordnnungen etc. nicht im Geringsten zu der Wirkung führen die sie bezwecken sollen und Situationen sogar verschlimmern.
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Der Neandertaler
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Re: Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo lamb of god.
Das, was Du kritisierst, also die Unentschlossenheit in manchen Überlegungen bzw. Gesetzen, rührt in erster Linie daher, daß Politik durch ihr Handeln einen Augleich schaffen muß oder will. Und genau dies ist das Problem.

Politik lebt vom Kompromis, und der Drang oder das Verlangen danach wird in Zukunft immer stärker, je mehr Parteien entstehen. Zu Adenauers Zeiten hatten wir ein Drei-Parteien-System, in dem es erstens viel einfacher war sich in Opposition zu befinden, bzw. sich von einander abzugrenzen. Und zweitens: Kompromisse zu finden war wesentlich einfacher, da die Welt etwas "einfacher" war. Heutzutage haben wir fünf bzw. sechs Parteien im Parlament, wodurch die Abgrenzung wesentlich schwerer ist. Wer heute z.B. nicht über Umweltschutz spricht, ist schlichtweg "dumm"; zu früheren Zeiten, als die "Grünen" gegründet wurden, war dies anders.

Grundsätzlich gebe ich Dir allerdings recht. Politiker sprechen zu schnell - ohne ausreichende, hintergründige Fakten. Allerdings ist auch zu fragen:
  • Wollen das nicht Teile der Bevölkerung?
  • Ist nicht die Vereinfachung der recht komplizierten Vorgänge verschiedener Vorhaben, bzw. Zusammenhänge, ist dies nicht oberstes Gebot eines Politikers?
  • Erwarten wir dieses Verhalten nicht von unserer Elite? Egal, ob Politiker oder Wissenschaftler.
Erinnere Dich nur an die Versprechungen der "Linkspartei", der FDP oder der "Rechten". (um nicht einseitig zu argumentieren)
Wird nicht z.B. mit Abkürzungen - inflationsartig - um sich geworfen? Als Folge von Vereinfachungen.
  • Jedes Volk bekommt die Politiker, die es verdient.
Populismus ist ja nicht per se schlecht; es bezeichnet lediglich eine „Volksnähe“. Schlimm wird's erst, wenn damit - durch charismatische Persönlichkeiten, emotional - die Unzufriedenheit, Ängste und aktuelle Konflikte instrumentalisiert werden. Wenn damit an Instinkte appelliert wird und einfache Lösungen propagiert werden, wobei verantwortungsethische Gesichtspunkte und Aspekte der praktischen Realisierbarkeit weitgehend außer Acht gelassen werden.
Solche Bewegungen entstehen in erster Linie bei raschem gesellschaftlichen Wandel.
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Kibuka
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Re: Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von Kibuka »

lamb of god hat geschrieben:Im Effekt braucht man sich nicht darüber zu wundern wenn darauf fussende Gesetze, Verordnnungen etc. nicht im Geringsten zu der Wirkung führen die sie bezwecken sollen und Situationen sogar verschlimmern.
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lamb of god
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Re: Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von lamb of god »

Kibuka hat geschrieben:
Willkommen in der deutschen Realität 2009!
Leider ist es nicht die von 2009 sondern insb. die von 2004. Wir erinnern uns: Herr Hartz wurde ja ursprünglich beauftragt ein auf dem Volkswagenmodell konziipiertes Gesetz zu erarbeiten. Dass aber das was in einem Betrieb funktiomniert in einer Volkswirtschaft weder so noch in leicht abgewandelter Form funktionieren kann, sollte doch eigentlich klar sein. Aber! EDie Menschen die damals davor warnten wurden und werden permanent als Populisten verunglimpft. Dass inzwischen jeder, aber auch wirklich jeder Punkt genauso eintraf wie die "Populisten" voraussagten, interessierrt überhaubt niemanden. Vielmehr ein Paradebeispiel dafür, wie aus einer Meinung ein Fakt gemacht wurde.

@Der Neandertaler

Alles auf Jedes Volk bekommt die Politiker, die es verdient zu reduziern bringt doch nichts. Gerade eine Einrichtung wie dieses Forum sollte z.B. auch Teilhabe am politischen Bildungsprozess besitzen. Das wird aus meine Warte schon in der iomnsicht erfüllt, da viele Aspekte und Fakten, die hier regelmäßig diskutiertb werden, in der veröffentlichten Diskussion niemals auftauchen.
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Re: Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo lamb of god.
Mit meinem Ausspruch, den Du zitierst, versuchte ich nicht etwas zu reduzieren, sondern er war lediglich auf den Zusammenhang der "Verkürzung", durch: Politiker etc., bezogen. Selbstverständlich gehören da auch, wie Du feststelltest, die Medien zu:
Wenn ein Politiker dann aber nur 30 Sekunden bekommt dem Journalisten zu erklären warum er Gesetz x für richtig ujnd Gesetz y für falsch hält, ist es überhaupt gar nicht möglich auch nur ansatzweise das Thema sachlich zu behandeln was im Weiteren zu dem hier beschriebenem Prozedere führt.
Diese Fragestellung bzw. Verkürzung ist aber nicht nur Anspruch der Medien; sie können nur schreiben, was (ihre) Leser lesen.
Warum gibt es z.B. die BILD mit ihren riesigen, fast einsilbigen, recht verkürzten Schlagzeilen - ohne weitergehende Hintergrundberichte?
Weil es recht viele Bürger gibt, die diese Medien konsumieren. Teils, weil sie es müssen (aus Zeitmangel), teils aber auch, weil sie es wollen (kaum jemand hat Lust, sich in komplexe Themengebiete einzuarbeiten). Stattdessen werden Probleme anderen - Politikern, Medien - zur Lösung, respektive Aufarbeitung zugeschoben.

Dieses Phänomen kannst Du aber nicht nur innerhalb der Bevölkerung beobachten.
Z.B.:
Nach der Zustimmung der Abgeordneten des Bundestages zu der EU-Verfassung/Lissabon-Vertrages, wurden die Abgeordneten gefragt, ob sie wüßten, worüber sie abgestimmt hätten.
Kaum jemand hatte dien Text gelesen. Sie hatten sich auf die Parteispitze verlassen; was zum Teil auch an dem Fraktionszwang liegt, richtig.
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Re: Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von lamb of god »

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lamb of god
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Re: Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von lamb of god »

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Enigma
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Re: Populismus - Meinungen - Fakten

Beitrag von Enigma »

damit wäre dre vorwurf des neoliberalismus (gemeint ist ein totschlagargument welches soziale kälte bedeuten soll) populismus :hat:
[url=http://www.youtube.com/watch?v=LTQqFGLDdJ0]Do you think that money is the root of all evil?[/url]
[url=http://studentsforliberty.org/wp-conten ... sm-PDF.pdf]The Morality of Capitalism[/url]
Gez. Francisco d'Anconia
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