Identitätswirrwarr

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JJazzGold
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von JJazzGold »

Milady de Winter hat geschrieben:(10 Sep 2018, 12:37)

Das kommt ja noch dazu. Also ich würde Gott erst mal verklagen, wenn er mich in den Kongo strafversetzen würde...
Kann ich dich irgendwie davon abhalten? Mit Sonnenmilch, Überschallflugzeug, modernen Kommunikationsmitteln, lohnenden Investitionen, grandiosen Ideen, etc?
Stell dir mal vor, was wir beide aus der Situation alles machen könnten. Angefangen bei rund 2 Mio km² mehr Fläche.
Ganz zu schweigen von der nutzbaren Trägheit etablierter Systeme, die anteilig in Schockstarre verfallen, von Zupackenden zügig reformierbar und korrigierbar sind. ;)
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Stoner

Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Stoner »

JJazzGold hat geschrieben:(06 Sep 2018, 20:09)

:D

Es wären ja keine Kongolesen mehr vorhanden, mit denen man sich austauschen würde. Die wären in Deutschland und würden kein deutsch sprechen. Verständigen könnte man sich jeweils problemlos untereinander miteinander.

Aber ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen, nachdem ich mich ein wenig in die Fragestellung bezüglich des Schiffs des Theseus eingelesen habe. Zu kurz, um gründlich darüber nachzudenken, ob sich ein Teil, das seine Identität nicht sich selbst verdankt, sondern externer Verleihung einer Identität, ohne weiteres auf den Menschen und seine eigenständige Suche und Findung von Identität übertragen lässt. Bisher grübel ich ebenfalls noch darüber nach, ob ein Mensch, dessen Teile sukzessive ersetzt werden, seine für sich gefundene Identität behält und ob sich ggfls der wahrgenommene Verlust seiner Identität nicht ausschließlich in den Köpfen Aussenstehender abspielt.
So, nachdem ja vieles geklärt wurde, hier noch etwas zu Ihren Überlegungen hier. Sie stammen von Paul Natterer aus einer Zusammenfassung eines Kapitels aus "Verlust der Tugend" desjenigen, dessen Name hier für meinen Pate stand:
In der Moderne ist menschliches Leben atomistisch fragmentiert und episodisch und hat kein ganzheitliches Telos. Intentionales Handeln und Sprechen hat einen sozialen und geschichtlichen Kontext zur Voraussetzung.
Kontextualisierung ist nicht nur das zentrale Merkmal der Natürlichen Sprache, sondern auch Taten entsprechen Erzählungen und Sprechakten. Die Hermeneutik (Gadamer) zeigt die Wirkungsgeschichte der Tradition, des Gegebenen als Voraussetzung meines Lebens und Bedingung des Handelns, also als moralischen Ausgangspunkt. Die Einheit der Erzählung oder Geschichte hängt nun an der Einheit des Charakters und der Verantwortlichkeit des Selbst, also an der Einheit einer narrativen Suche. Persönliche Identität ist bikonditional zu kohärenter Erzählung, Verstehbarkeit, Verantwortlichkeit und dies wiederum hat zur Voraussetzung, Teil einer Geschichte, Träger einer Tradition zu sein.
Occham

Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Occham »

Ein Land ist ein Land, weil darin Geschichte stattgefunden hat. Krieg... Mord... Totschlag... Und sich deshalb abzugrenzen weiss. Das hat schon was hartes, das verstehen zu müssen. Ob diese Erkenntniss im Sinne des Fadenerstellers war? :| Die einzige Antwort ist also, Geschichte zu inszenieren, nach dem Motto von dem Film "Die Welle".

:)
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imp
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von imp »

Occham hat geschrieben:(10 Sep 2018, 14:06)

Ein Land ist ein Land, weil darin Geschichte stattgefunden hat. Krieg... Mord... Totschlag... Und sich deshalb abzugrenzen weiss. Das hat schon was hartes, das verstehen zu müssen. Ob diese Erkenntniss im Sinne des Fadenerstellers war? :| Die einzige Antwort ist also, Geschichte zu inszenieren, nach dem Motto von dem Film "Die Welle".

:)
Ein Land ist gar kein Subjekt. Geschichte und Tradition in einem Land denken sich die Bewohner - unter Anleitung - selbst aus. Jedes Individuum trägt zu diesem Fantom bei oder untergräbt es.
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Occham

Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Occham »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(10 Sep 2018, 14:20)

Ein Land ist gar kein Subjekt. Geschichte und Tradition in einem Land denken sich die Bewohner - unter Anleitung - selbst aus. Jedes Individuum trägt zu diesem Fantom bei oder untergräbt es.
Dann sagen wir es so, das ein "Individuum" eine Geschichte zwingend notwendig hat.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von imp »

Occham hat geschrieben:(10 Sep 2018, 14:31)

Dann sagen wir es so, das ein "Individuum" eine Geschichte zwingend notwendig hat.
Nein, auch nicht. Ist wie bei Religion und anderen Mythen: Sowas kann man sich anbauen, muss aber nicht.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Stoner »

Occham hat geschrieben:(10 Sep 2018, 14:06)

Ob diese Erkenntniss im Sinne des Fadenerstellers war? :|.

:)
Erkenntnis sollte sich, um solche zu sein, vermutlich nacht danach richten, was im Sinne eines windigen Kopfes ist. Der Blick ins Leben zeigt, dass es leider anders gehandhabt wird.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Occham »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(10 Sep 2018, 14:38)

Nein, auch nicht. Ist wie bei Religion und anderen Mythen: Sowas kann man sich anbauen, muss aber nicht.
Das trifft nur zu, wenn man genug Erfahrung hat. Hat man die nicht, dann BAUT man sich seine Geschichte! Der Film "Die Welle" hat es vorgemacht :D
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Occham »

MäckIntaier hat geschrieben:(10 Sep 2018, 14:38)

Erkenntnis sollte sich, um solche zu sein, vermutlich nacht danach richten, was im Sinne eines windigen Kopfes ist. Der Blick ins Leben zeigt, dass es leider anders gehandhabt wird.
Was ist daran so schwer zu begreifen, das der unwissende Mensch (und JEDER wird unwissend geboren) sich Erfahrung erzwingt???
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(10 Sep 2018, 14:20)

Ein Land ist gar kein Subjekt. Geschichte und Tradition in einem Land denken sich die Bewohner - unter Anleitung - selbst aus. Jedes Individuum trägt zu diesem Fantom bei oder untergräbt es.
1. Niemand denkt sich Geschichte aus - Geschichte wird erlebt/gelebt. Der gestrige Tag und die Ereignissse des gestrigen Tages SIND (bereits) Geschichte!

2. Niemand denkt sich Traditionen aus! Tradtionen sind Handlungsmuster, Sitten, Gebräuche, die sich über bestimmte Zeiträume hinweg entwickeln und (an folgende Generationen) weiter gegeben werden.

3. Wer gibt denn die Anleitung zum "Ausdenken" von Geschichte und Tradition?

Erklär mal!
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von imp »

Dark Angel hat geschrieben:(10 Sep 2018, 16:43)

1. Niemand denkt sich Geschichte aus - Geschichte wird erlebt/gelebt. Der gestrige Tag und die Ereignissse des gestrigen Tages SIND (bereits) Geschichte!
Das ist erkennbar falsch. Alle relevanten Ereignisse der Geschichte von Caligulas Kaiserzeit bis zu Frahms Ostpolitik ändern alle 30 bis 60 Jahre ihren Charakter, sowohl in Schulbüchern als auch bei der Populären Erzählung, in der Geschichtswissenschaft in Maßen auch.

. Niemand denkt sich Traditionen aus! Tradtionen sind Handlungsmuster, Sitten, Gebräuche, die sich über bestimmte Zeiträume hinweg entwickeln und (an folgende Generationen) weiter gegeben werden.
Traditionen, Trachten und Gesänge haben konkrete Urheber. Ihre Fortschreibung, Modernisierung und Abschaffung sind Willensakte. Das ist beim Oktoberfest wie beim Jodeln, beim Tanztee wie beim Traktortreffen, beim Martinsfest wie beim Maibaum, bei der Love Parade und dem CSD wie beim Burschenschaftertreffen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(10 Sep 2018, 16:52)

Das ist erkennbar falsch. Alle relevanten Ereignisse der Geschichte von Caligulas Kaiserzeit bis zu Frahms Ostpolitik ändern alle 30 bis 60 Jahre ihren Charakter, sowohl in Schulbüchern als auch bei der Populären Erzählung, in der Geschichtswissenschaft in Maßen auch.
Richtig. Je nachdem, wer die Herausgeber der jeweiligen Geschichtsbücher sind. Nichts ist so macht- und politikbesetzt wie die Geschichtsschreibung. Das heißt im Klartext: Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet. Das passiert alle paar Jahrzehnte immer wieder. Objektiv Stattgefundenes und subjektive Widerspiegelung in Publikationen und Reden sind nicht deckungsgleich. Dazwischen liegen Wahrnehmung und Interpretation durch verschiedene Interessengruppen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Realist2014 »

Selina hat geschrieben:(10 Sep 2018, 17:05)

Richtig. Je nachdem, wer die Herausgeber der jeweiligen Geschichtsbücher sind. Nichts ist so macht- und politikbesetzt wie die Geschichtsschreibung. Das heißt im Klartext: Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet. Das passiert alle paar Jahrzehnte immer wieder. .

dann werden bald sicher einige erzählen, dass die CDU die Mauer gebaut hat...
Laut Aussage der linken Ideologen sind alle ökonomisch erfolgreichen dumm, und die wahre Intelligenz tritt sich in der untersten ökonomischen Etage auf die Füße.....daher muss diese Etage ausgebaut werden
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von JJazzGold »

MäckIntaier hat geschrieben:(10 Sep 2018, 13:48)

So, nachdem ja vieles geklärt wurde, hier noch etwas zu Ihren Überlegungen hier. Sie stammen von Paul Natterer aus einer Zusammenfassung eines Kapitels aus "Verlust der Tugend" desjenigen, dessen Name hier für meinen Pate stand:
Merci, das muss ich erst mal sinken lassen.
Schade, dass man sich inzwischen durch nicht themenbezogene Zwischenrufe sehr weit vom einleitenden Beispiel entfernt hat.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(10 Sep 2018, 17:05)

Richtig. Je nachdem, wer die Herausgeber der jeweiligen Geschichtsbücher sind. Nichts ist so macht- und politikbesetzt wie die Geschichtsschreibung. Das heißt im Klartext: Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet. Das passiert alle paar Jahrzehnte immer wieder. Objektiv Stattgefundenes und subjektive Widerspiegelung in Publikationen und Reden sind nicht deckungsgleich. Dazwischen liegen Wahrnehmung und Interpretation durch verschiedene Interessengruppen.
Nein - NICHT richtig!
In den Geschichtswissenschaften zählen Fakten und NICHT Ideologie und/oder Politik und auch KEINE "subjeltive Widerspigelung"!
Geschichtliche Ereignisse finden in einer ganz bestimmten zeitlichen Abfolge statt, da wird gar nichts "neu sortiert" und es wird auch NICHT aufgrund politischer Machtverhältnisse bewertet, sondern anhand vorliegender Faktenlage - für Historiker bedeutet das neu hinzugekommene schriftliche Quellen sind mit der vorherigen Quellenlage zu vergleichen. Selbstverständlich kann das - und NUR das - zu einer Neubewertung geschichtlicher Zusammenhänge führen.
Dazwischen gibt es - in den Geschichtswissenschaften - gar nichts, vor allem KEINE subjektive Beliebigkeit!
Auch in den Geschichtswissenschaften gilt der Grundsatz: Nachvollziehbarkeit, Überprüfbarkeit und Falsifizierbarkeit!

Im Klartext heißt das, das was du da von dir gibst, ist ideologischer Unsinn!
Sorry, aber wenn du so absolut keine Ahnung hast, lass doch einfach mal deine Finger von der Tastatur! :mad:
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(10 Sep 2018, 16:52)
Das ist erkennbar falsch.
NEIN!
Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(10 Sep 2018, 16:52)Alle relevanten Ereignisse der Geschichte von Caligulas Kaiserzeit bis zu Frahms Ostpolitik ändern alle 30 bis 60 Jahre ihren Charakter, sowohl in Schulbüchern als auch bei der Populären Erzählung, in der Geschichtswissenschaft in Maßen auch.
Ereignisse, die bereits stattgefunden haben, können sich NICHT ändern, erst Recht NICHT innerhalb von 30 bis 60 Jahren und auch NICHT in ihrem Charakter (was immer das sein soll)!
Schulbücher hinken dem jeweiligen aktuellen Erkenntnisstand i.d.R. um 20 Jahre hinterher und "populäre Erzählung" hat nichts mit Geschichte zu tun.
Und Wissenschaft - dazu zählen auch Geschichtswissenaften - hat etwas mit Erkenntnis/Erkenntnisgewinn zu tun!



Traditionen, Trachten und Gesänge haben konkrete Urheber. Ihre Fortschreibung, Modernisierung und Abschaffung sind Willensakte. Das ist beim Oktoberfest wie beim Jodeln, beim Tanztee wie beim Traktortreffen, beim Martinsfest wie beim Maibaum, bei der Love Parade und dem CSD wie beim Burschenschaftertreffen.[/quote]
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Dann dürfte es ja auch keine Geschichtsklitterung geben. Die gibt es aber. Tut mir wirklich leid :D

https://wortwuchs.net/geschichtsklitterung/
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(10 Sep 2018, 20:04)

Dann dürfte es ja auch keine Geschichtsklitterung geben. Die gibt es aber. Tut mir wirklich leid :D

https://wortwuchs.net/geschichtsklitterung/
Geschichtsklittelung/Revisionismus wird NICHT von Historikern betrieben, sondern von Leuten wie DIR!
"Geschichtsklitteler"/Revisionisten sind Menschen, die mit historischen Fakten nix am Hut haben, die aus ideologischen Gründen Fakten verdrehen und dann entsprechend ihrem Weltbild zusammen basteln!

Das hat aber absolut nichts mit deiner Behauptung

"Je nachdem, wer die Herausgeber der jeweiligen Geschichtsbücher sind. Nichts ist so macht- und politikbesetzt wie die Geschichtsschreibung. Das heißt im Klartext: Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet. Das passiert alle paar Jahrzehnte immer wieder. Objektiv Stattgefundenes und subjektive Widerspiegelung in Publikationen und Reden sind nicht deckungsgleich. Dazwischen liegen Wahrnehmung und Interpretation durch verschiedene Interessengruppen."

zu tun! DU bist diejenige, die mit dieser Behauptung unterstellt, dies wäre bei Historikern die ganz nomale Verfahrensweise. Dass du damit einen ganzen Wissenschaftsbereich diffamierst, kommt dir nicht ansatzweise in den Sinn!

Schau mal ins Geschichtsforum, dort gibt es einen ganzen Thread zu Geschichtsrevisionismus rechter UND linker Coleur!
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von imp »

Dark Angel hat geschrieben:(10 Sep 2018, 19:34)

NEIN!
Schrei doch nicht gleich. Bring lieber mal nen Argument.
Ereignisse, die bereits stattgefunden haben, können sich NICHT ändern
Was sich ändert ist das Wissen um die vorfindlichen Fakten einerseits, die Bewertung der Fakten im Sinne eines Geschichtsverständnisses andererseits. Da wird aus dem "irren Kaiser" schnell mal ein Pragmatiker mit schmaler Machtbasis in turbulenten Zeiten. Man kann sich einreden, das sei im Sinne eines Fortschrittsmodells zu verstehen. Das ist aber Quatsch. Verständnis der Vergangenheit, erst recht der "politischen" näheren Vergangenheit ist letztlich immer ein Reflex auf die aktuelle politische, gesellschaftliche, kulturelle Situation. Das ist bei den sogenannten identitätsstiftenden Traditionen noch viel augenfälliger, wenn man sich nur nicht einredet, was heute alt und vertraut ist, sei gestern auch schon alt und nicht neu gewesen, sei morgen nicht aus der Mode gekommen sondern alt und vertraut. Identität als Volk ist bloße Spinnerei.

Traditionen, Trachten und Gesänge haben konkrete Urheber. Ihre Fortschreibung, Modernisierung und Abschaffung sind Willensakte. Das ist beim Oktoberfest wie beim Jodeln, beim Tanztee wie beim Traktortreffen, beim Martinsfest wie beim Maibaum, bei der Love Parade und dem CSD wie beim Burschenschaftertreffen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Stoner »

JJazzGold hat geschrieben:(10 Sep 2018, 19:03)

Merci, das muss ich erst mal sinken lassen.
Schade, dass man sich inzwischen durch nicht themenbezogene Zwischenrufe sehr weit vom einleitenden Beispiel entfernt hat.
Letzteres ist so. Es ist viel Angst und Misstrauen dabei, deshalb müssen Dinge auf einfachste Kategorien zurück geführt werden, und jeder pflegt dabei halt andere Kategorisierungshobbies. In Deutschland gilt der Gedanke nichts, das System, in das er gezwängt werden muss, ist alles. In der Politik zumal, wo Gut und Böse eben mit gesäßtheoretischen Kampfbegriffen belegt werden. Da hat man dann doch jenes Telos, auf das ich nochmal zurückkomme, in einer politisch vulgarisierten Neo-Version.

Nochmal zum Zitat also: "In der Moderne ist menschliches Leben atomistisch fragmentiert und episodisch und hat kein ganzheitliches Telos." Dieses Telos, was hier gemeint war, bezog sich auf die archaische Welt Homers, wo der Mensch eingebettet war in eine Gesellchaft, in der die Vortrefflichkeit darin bestand, sich in allen gesellschaftlich definierten "Disziplinen" als vortrefflich zu erweisen, womit man ein voll anerkanntes Mitglied der Gesellschaft war. Dieses Telos löst sich schon dann auf, wenn am Tempel das Ideal "Erkenne dich selbst" auftaucht. Dann ist das Telos als Konkretes schon weg, weil der Einzelne sich in der vortrefflichen Umsetzung der Vorgaben weder zwangs- noch notwendigerweise mehr erfüllt. Und von da aus ist der Weg dann logisch, dass man in der Moderne über die Selbsterkenntnis zum Konstruktivismus kommt. Aber von dieser Auflösung des Telos ist der Rest dann zu verstehen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Betrachter hat geschrieben:(06 Sep 2018, 10:23)
Man sollte schon trennen zwischen Identität und Identifizierung. Identisch ist jeder Mensch nur mit sich selbst.
Gott sei Dank erkennen noch einige Menschen diese simple Wahrheit und diese eigentlich simple begriffliche Einordnung.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2018, 10:02)

Gott sei Dank erkennen noch einige Menschen diese simple Wahrheit und diese eigentlich simple begriffliche Einordnung.
Das ist doch reine Tautologie oder eine unnötige Verdoppelung.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(11 Sep 2018, 10:15)

Das ist doch reine Tautologie oder eine unnötige Verdoppelung.
Das sehe ich nicht so. "Identität" ist eine Relation und bedeutet nicht nur "Gleichheit, Entsprechung, Äquivalenz in Hinsicht auf irgendwas", zum Beispiel "gleiche Anzahl", "gleiche Masse" usw. sondern wirklich völlige Identität. Ununterscheidbarkeit. Ein und dasselbe Ding seien. Hans Meier ist identisch mit dem Mörder. Er entspricht ihm nicht nur irgendwie. Er ist es. "Identifizierung" dagegen bedeutet lediglich das Anstreben einer solchen Relation.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(10 Sep 2018, 22:41)

Geschichtsklittelung/Revisionismus wird NICHT von Historikern betrieben, sondern von Leuten wie DIR!
"Geschichtsklitteler"/Revisionisten sind Menschen, die mit historischen Fakten nix am Hut haben, die aus ideologischen Gründen Fakten verdrehen und dann entsprechend ihrem Weltbild zusammen basteln!

Das hat aber absolut nichts mit deiner Behauptung

"Je nachdem, wer die Herausgeber der jeweiligen Geschichtsbücher sind. Nichts ist so macht- und politikbesetzt wie die Geschichtsschreibung. Das heißt im Klartext: Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet. Das passiert alle paar Jahrzehnte immer wieder. Objektiv Stattgefundenes und subjektive Widerspiegelung in Publikationen und Reden sind nicht deckungsgleich. Dazwischen liegen Wahrnehmung und Interpretation durch verschiedene Interessengruppen."

zu tun! DU bist diejenige, die mit dieser Behauptung unterstellt, dies wäre bei Historikern die ganz nomale Verfahrensweise. Dass du damit einen ganzen Wissenschaftsbereich diffamierst, kommt dir nicht ansatzweise in den Sinn!

Schau mal ins Geschichtsforum, dort gibt es einen ganzen Thread zu Geschichtsrevisionismus rechter UND linker Coleur!
Ich rede gar nicht von Historikern. Geschichtsbücher werden auch meistens nicht direkt von den Historikern selbst geschrieben, sondern das sind für den Unterricht an diversen Bildungseinrichtungen aufbereitete Erkenntnisse, bearbeitet von Lektoren in Verlagen etcpp. Manchmal handelt es sich auch nur um sehr kleine Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen. Das ist nix Weltbewegendes, sondern völlig normal. Gibt es in allen Gesellschaftssystemen und unter allen möglichen Machtkonstellationen. Auch hier gilt: Wem nutzt eine bestimmte Info, Nachricht, Erkenntnis und warum? Eine hundertpozentig objektive Geschichtsbetrachtung findet man in der Publizistik und im Alltag nicht. Alles, was dazu gesagt und geschrieben wird, ist immer nur eine Annäherung an diese Objektivität. Um solche "Verschiebungen" und "Kommentierungen" zu vermeiden, müsstest du die Bücher von Automaten verfassen lassen. Außerdem ist mein erstes Posting an den User da oben überhaupt nicht als Entgegnung auf deine Bemerkungen gedacht. Du darfst nicht immer alles auf dich beziehen. Du und deine unverrückbaren "einmaligen" Ansichten sind meistens überhaupt nicht gemeint. Das, was du hier kundtust (meist in beleidigendem Tonfall), ist deine Meinung, andere haben eine andere.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(11 Sep 2018, 11:28)

Ich rede gar nicht von Historikern. Geschichtsbücher werden auch meistens nicht direkt von den Historikern selbst geschrieben, sondern das sind für den Unterricht an diversen Bildungseinrichtungen aufbereitete Erkenntnisse, bearbeitet von Lektoren in Verlagen etcpp. Manchmal handelt es sich auch nur um sehr kleine Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen. Das ist nix Weltbewegendes, sondern völlig normal. Gibt es in allen Gesellschaftssystemen und unter allen möglichen Machtkonstellationen.
"Populäre" - allgemeinverständliche Aufarbeitung von wisssenschaftlichen Fachtexten für Unterrichtsmaterialien und/oder Sachbücher oder -artikel haben immer noch nichts mit deiner behaupteten "macht- und politikbesetzt[en] [wie die] Geschichtsschreibung" zu tun! Da finden auch keine "Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen." statt. Allgeinverständliche - heißt auch für den Laien - verständliche Erklärungen haben nichts mit dem von dir behaupteten zu tun!

Selina hat geschrieben:(11 Sep 2018, 11:28) Auch hier gilt: Wem nutzt eine bestimmte Info, Nachricht, Erkenntnis und warum? Eine hundertpozentig objektive Geschichtsbetrachtung findet man in der Publizistik und im Alltag nicht.
Nein - das gilt genau NICHT!
Es geht eben NICHT darum von wem die Erkenntnis stammt und auch NICHT wem sie nutzt und erst recht nicht warum, sondern darum welche Schlussfolgerungen sich aus der Erkenntnis ergeben.
Das ist dein grundlegender Fehler - nicht zwischen Nachricht und Überbringer der Nachricht unterscheiden zu können und unterscheiden zu wollen!
Du unterstellst "Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen., möglicherweise, weil die Darstellung(en) deinem Verständnis widersprechen!
Die behaupteten "Verschiebungen, kleine Umbenennungen und kleine Deutungsänderungen." müssen nachgewiesen, belegt werden können und dazu muss man auch belegen welche genau, wo genau und durch wen genau, wie ist die ursprüngliche Bedeutung.
Genau DAS kannst du jedoch nicht und damit bleibt deine Behauptung eine Unterstellung!
Selina hat geschrieben:(11 Sep 2018, 11:28)Alles, was dazu gesagt und geschrieben wird, ist immer nur eine Annäherung an diese Objektivität. Um solche "Verschiebungen" und "Kommentierungen" zu vermeiden, müsstest du die Bücher von Automaten verfassen lassen. Außerdem ist mein erstes Posting an den User da oben überhaupt nicht als Entgegnung auf deine Bemerkungen gedacht. Du darfst nicht immer alles auf dich beziehen. Du und deine unverrückbaren "einmaligen" Ansichten sind meistens überhaupt nicht gemeint. Das, was du hier kundtust (meist in beleidigendem Tonfall), ist deine Meinung, andere haben eine andere.
Mit genau dieser Aussage beweist du nur, dass du keinerlei Ahnung davon hast, WIE Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten. Die Bewertung geschichtlicher Ereignisse in ihrem geschichtlichen Gesamtkontext und die entsprechenden Kommentare/Interpretationen haben nicht das geringste mit mangelnder Objektivität und noch viel weniger mit "Macht haben und/oder Politik" zu tun und auch nicht mit "subjektiver Widerspiegelung"!
In KEINEM Wissenschaftsbereich gibt es "unverrückbare[n] "einmalige[n]" Ansichten"! Neue Erkenntnisse werden in der scientific Community IMMER mit den bisherigen verglichen/abgeglichen und diskutiert - sehr oft lange und kontrovers!
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Ich rede überhaupt nicht davon, "wie Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten". Das ist gar nicht mein Thema. Ich rede von Verzerrungen und Umschreibungen von Geschichte, die es immer schon gab. Geschichtsklitterung gibt es in allen Gesellschaften. Das geht gar nicht von den jeweiligen Wissenschaftlern aus, sondern oft von Politikern, Publizisten und anderen so genannten Multiplikatoren. Interessante Beispiele für fotografische Geschichtsklitterung findet man hier in dem relativ alten Spiegel-Text:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13520825.html
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Laertes »

Interessantes Gedankenexperiment. Allerdings: Menschen sind keine Spielsteine. Der Mensch wird geformt durch Interaktion. Mit anderen Menschen. Mit seiner Umwelt. Verpflanzt man den Menschen in eine andere Umwelt, ändert er sich. Zwangsläufig. Identität entsteht ebenfalls aus Interaktionen. Ich empfinde mich deutsch, weil ich in Deutschland unter Deutschen vom etwas zum Ich wurde. Wäre ich im Kongo geboren und aufgewachsen, wäre ich einerseits derselbe und anderseits ein anderer. Verpflanzt man mich in den Kongo, werde ich weniger deutsch und weniger mein ich von heute und mehr kongolesisch und mehr mein ich von morgen. Absurd: Die Idee der Mensch habe nur eine einzige, oder auch nur eine primäre Identität. Man lese Amartya Sen: Die Identitätsfalle.
"Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann."
(Ernst-Wolfgang Böckenförde)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2018, 10:22)

Das sehe ich nicht so. "Identität" ist eine Relation und bedeutet nicht nur "Gleichheit, Entsprechung, Äquivalenz in Hinsicht auf irgendwas", zum Beispiel "gleiche Anzahl", "gleiche Masse" usw. sondern wirklich völlige Identität. Ununterscheidbarkeit. Ein und dasselbe Ding seien. Hans Meier ist identisch mit dem Mörder. Er entspricht ihm nicht nur irgendwie. Er ist es. "Identifizierung" dagegen bedeutet lediglich das Anstreben einer solchen Relation.
Richtig. Am lustigsten ist es, wenn sich Menschen mit Institutionen identifizieren, die ihnen schaden. Etwa mit dem Staat, der so schöne Gesetze macht wie Hartz IV. Damit werden Millionen schikaniert, nicht wenige davon sind stramme Nationalisten. Sie halten viel auf ihre "nationale Identität". Und sind ständig enttäuscht.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 00:10)

Ich rede überhaupt nicht davon, "wie Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten". Das ist gar nicht mein Thema. Ich rede von Verzerrungen und Umschreibungen von Geschichte, die es immer schon gab. Geschichtsklitterung gibt es in allen Gesellschaften. Das geht gar nicht von den jeweiligen Wissenschaftlern aus, sondern oft von Politikern, Publizisten und anderen so genannten Multiplikatoren. Interessante Beispiele für fotografische Geschichtsklitterung findet man hier in dem relativ alten Spiegel-Text:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13520825.html
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Laertes hat geschrieben:(12 Sep 2018, 00:43)

Interessantes Gedankenexperiment. Allerdings: Menschen sind keine Spielsteine. Der Mensch wird geformt durch Interaktion. Mit anderen Menschen. Mit seiner Umwelt. Verpflanzt man den Menschen in eine andere Umwelt, ändert er sich. Zwangsläufig. Identität entsteht ebenfalls aus Interaktionen. Ich empfinde mich deutsch, weil ich in Deutschland unter Deutschen vom etwas zum Ich wurde. Wäre ich im Kongo geboren und aufgewachsen, wäre ich einerseits derselbe und anderseits ein anderer. Verpflanzt man mich in den Kongo, werde ich weniger deutsch und weniger mein ich von heute und mehr kongolesisch und mehr mein ich von morgen. Absurd: Die Idee der Mensch habe nur eine einzige, oder auch nur eine primäre Identität. Man lese Amartya Sen: Die Identitätsfalle.
Was ist denn "deutsch"- außer der Sprache natürlich? Wenn du rechnest, rechnest du dann deutsch? Liebst du deutsch? Hast du einen deutschen Geschmack?
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 07:54)
Richtig. Am lustigsten ist es, wenn sich Menschen mit Institutionen identifizieren, die ihnen schaden. Etwa mit dem Staat, der so schöne Gesetze macht wie Hartz IV. Damit werden Millionen schikaniert, nicht wenige davon sind stramme Nationalisten. Sie halten viel auf ihre "nationale Identität". Und sind ständig enttäuscht.
Es scheint häufig nicht mehr anders zu gehen. Es gibt zum Beispiel diese sogenannte "Fassadendebatte". Worum gehts da: Die Alice Salomon Hiochschule für Sozialberufe in Berlin-Hellersdorf vergibt seit einigen Jahren einen Poetikpreis. Den bekam 2011 der deutsch-bolivianische, 1925 geborene Lyriker Eugen Gomringer. Und man brachte sein kurzes Gedicht "avenidas" an der Südfassade des Hochschulegebäudes an. In diesem Gedicht ("avenidas/avenidas y flores/flores/flores y mujeres/avenidas/avenidas y mujeres/avenidas y flores y mujeres y/un admirador") werden Frauen mit Blumen verglichen und der Autor outet sich als Bewunderer beider Phänome. Der Asta der HS fand das sexistisch, unzeitgemäß und setzte sich (schließlich erfolgreich) für die Überpinselung dieses Textes durch ein anderes Gedicht ein. Es gab eine große Debatte in den Medien. Von einem barbarischen Akt war die Rede, Vergleiche mit dem Umgang der Nazis mit entarteter Kunst wurden gezogen. Was ist das eigentliche Problem der ganzen Angelegentheit: Öffentliche Äußerungen werden immer als Bekenntnisse aufgefasst. So als würde sich die gesamte Hochschule, die Stadt Berlin oder auch ganz Deutschland quasi ein T-Shirt mit dem abgedruckten Text überziehen. Dabei ist Lyrik, Kunst allgemein sowohl von seiten des Künstlers als auch von Seiten des Rezipienten immer eine persönliche, individuelle Angelegenheit. Einen Text als solchen, so wie er eben ist, wahrzunehmen und nicht auch gleichzeitig als Identifizierung mit irgendetwas ... das scheint kaum noch denkbar zu sein.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Realist2014 »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 07:54)

Richtig. Am lustigsten ist es, wenn sich Menschen mit Institutionen identifizieren, die ihnen schaden. Etwa mit dem Staat, der so schöne Gesetze macht wie Hartz IV. Damit werden Millionen schikaniert, nicht wenige davon sind stramme Nationalisten. Sie halten viel auf ihre "nationale Identität". Und sind ständig enttäuscht.

Interessant, dass manche die zur Verfügung Stellung des bedarfsgerechten und somit sozial gerechten Existenzminimums an arbeitsfähige und deren Zugehörigen in den Bedarfsgemeinschaften als "Schikane" einordnen.

Sollte man das nach deiner Vorstellung ersatzlos streichen?
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Aus „Der Verlust des Mitgefühls“ von Arno Gruen:


„Menschen, die ihre Identität aus einer Identifikation mit Macht und ihren Symbolen beziehen, verlieren den Boden ihres Menschseins unter ihren Füßen, und ihr Selbstverständnis dient dann der Perpetuierung eines Gesellschaftssystems, das auf Macht basiert. Der Teufelskreis beginnt.

Eine zusätzliche Gefahr geht von der »bürokratischen« Persönlichkeit aus, in der Pflicht das Gewissen und Identifikation mit Macht die Identität ersetzt. Denn hier passieren Gewalt und Mord auf hoch-organisierter Ebene und nur aus ihrer technologischen Machbarkeit heraus. In Wahrheit verdecken aber solche Vorgehensweisen nur die Entfremdung vom Mitgefühl.“
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Realist2014 hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:14)

Interessant, dass manche die zur Verfügung Stellung des bedarfsgerechten und somit sozial gerechten Existenzminimums an arbeitsfähige und deren Zugehörigen in den Bedarfsgemeinschaften als "Schikane" einordnen.

Sollte man das nach deiner Vorstellung ersatzlos streichen?
Die Frage kann man politisch-inhaltlich berechtigterweise stellen. Hier ist sie aber eher ein Beispiel für diesen Identifizierungswahn. Nicht: Kritisch distanziert. Sondern zunehmend häufig: Bist Du dagegen oder dafür? Reflexhafte Grenzziehungen würde ich das nennen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:12)

Es scheint häufig nicht mehr anders zu gehen. Es gibt zum Beispiel diese sogenannte "Fassadendebatte". Worum gehts da: Die Alice Salomon Hiochschule für Sozialberufe in Berlin-Hellersdorf vergibt seit einigen Jahren einen Poetikpreis. Den bekam 2011 der deutsch-bolivianische, 1925 geborene Lyriker Eugen Gomringer. Und man brachte sein kurzes Gedicht "avenidas" an der Südfassade des Hochschulegebäudes an. In diesem Gedicht ("avenidas/avenidas y flores/flores/flores y mujeres/avenidas/avenidas y mujeres/avenidas y flores y mujeres y/un admirador") werden Frauen mit Blumen verglichen und der Autor outet sich als Bewunderer beider Phänome. Der Asta der HS fand das sexistisch, unzeitgemäß und setzte sich (schließlich erfolgreich) für die Überpinselung dieses Textes durch ein anderes Gedicht ein. Es gab eine große Debatte in den Medien. Von einem barbarischen Akt war die Rede, Vergleiche mit dem Umgang der Nazis mit entarteter Kunst wurden gezogen. Was ist das eigentliche Problem der ganzen Angelegentheit: Öffentliche Äußerungen werden immer als Bekenntnisse aufgefasst. So als würde sich die gesamte Hochschule, die Stadt Berlin oder auch ganz Deutschland quasi ein T-Shirt mit dem abgedruckten Text überziehen. Dabei ist Lyrik, Kunst allgemein sowohl von seiten des Künstlers als auch von Seiten des Rezipienten immer eine persönliche, individuelle Angelegenheit. Einen Text als solchen, so wie er eben ist, wahrzunehmen und nicht auch gleichzeitig als Identifizierung mit irgendetwas ... das scheint kaum noch denkbar zu sein.
Ich kenne die Geschichte, da gings um überzogenen Feminismus, der ist ja sehr populär unter Studenten. Das ist freilich Blödsinn, wenn der Vergleich von Frauen mit Blumen als "sexistisch" gedeutet wird.
Allerdings kann durchaus irgendein Text an der Fassade einer staatlichen Einrichtung etwas über diese Einrichtung aussagen. Man denke an "Dem deutschen Volke" am Reichstag. Ob das nun jeder für sich akzeptiert und gar meint, sich damit identifizieren zu müssen, ist eine ganz andere Sache, als wenn die Institution das propagiert. Aber nochmal zu dem Gedicht. Wenn schon so ein harmloses Poem solche Aufregung verursacht, was wäre erst los, wenn da ein Gedicht von Erich Fried stünde, ein politisches Gedicht?
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:24)

Ich kenne die Geschichte, da gings um überzogenen Feminismus, der ist ja sehr populär unter Studenten. Das ist freilich Blödsinn, wenn der Vergleich von Frauen mit Blumen als "sexistisch" gedeutet wird.
Allerdings kann durchaus irgendein Text an der Fassade einer staatlichen Einrichtung etwas über diese Einrichtung aussagen. Man denke an "Dem deutschen Volke" am Reichstag. Ob das nun jeder für sich akzeptiert und gar meint, sich damit identifizieren zu müssen, ist eine ganz andere Sache, als wenn die Institution das propagiert. Aber nochmal zu dem Gedicht. Wenn schon so ein harmloses Poem solche Aufregung verursacht, was wäre erst los, wenn da ein Gedicht von Erich Fried stünde, ein politisches Gedicht?
Es gibt einen aktuellen Beitrag in der Reihe "Essay und DIskurs" des Deutschlandradios. Titel: "#Metoo-Debatte: Das komplizierte Verhältnis der Geschlechter". Deswegen bin ich auch auf das Beispiel gekommen. Darin heißt es zur "Fassadendebatte" (aus meiner Sicht ganz richtig):
Die Distanzierung und die Objektivierung, die der poetischen Arbeit vorausgehen und sie begleiten, sie machen ja Mühe - und die haben Frauen kaum je auf sich genommen. Die richtige Antwort auf das Gedicht von Gomringer wäre ein Gesang der Frauen zum Preise männlicher Schönheit, erotischer Attraktivität, sinnlicher Ausstrahlung.
https://www.deutschlandfunk.de/metoo-de ... _id=424409
Der heute 93-jährige Autor Gomringer reiste an und verteidigte sein Werk. Seine Kritikerinnen indes blieben hart. Er wisse nicht, wie Frauen heute fühlen.
Das grundlegende Missverständnis besteht darin, dass ein Gedicht in der Regel nicht von den Gefühlen anderer sondern von den eigenen Gefühlen getragen wird. Und da besteht nun der ZUsammenhang zum "Identitätswirrwarr". Zu großen Teilen sehe ich das Problem in der allgemein verlorengegangenen Fähigkeit des Perspektivwechsels. Genau diese Fähigkeit ist nötig, um zwanghafte Bekenntnisse für oder gegen irgendwas zu vermeiden.

Ein wirklich freier Mensch hat seine Ansichten, vertritt die auch und bedarf keiner ausdrücklichen Identifizierung mit irgendetwas. Und aus dieser Nichtzwanghaftigkeit heraus kann er auch versuchsweise die Perspektive anderer Menschen oder Menschengruppen einnehmen.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Realist2014 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:18)

Die Frage kann man politisch-inhaltlich berechtigterweise stellen. Hier ist sie aber eher ein Beispiel für diesen Identifizierungswahn. Nicht: Kritisch distanziert. Sondern zunehmend häufig: Bist Du dagegen oder dafür? Reflexhafte Grenzziehungen würde ich das nennen.
Falsche Interpretation

Die Frage war natürlich hinsichtlich EINER von möglichen "Alternativ-Optionen" zu verstehen . Also nix mit Grenzziehung
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:47)

Es gibt einen aktuellen Beitrag in der Reihe "Essay und DIskurs" des Deutschlandradios. Titel: "#Metoo-Debatte: Das komplizierte Verhältnis der Geschlechter". Deswegen bin ich auch auf das Beispiel gekommen. Darin heißt es zur "Fassadendebatte" (aus meiner Sicht ganz richtig):

https://www.deutschlandfunk.de/metoo-de ... _id=424409

Das grundlegende Missverständnis besteht darin, dass ein Gedicht in der Regel nicht von den Gefühlen anderer sondern von den eigenen Gefühlen getragen wird. Und da besteht nun der ZUsammenhang zum "Identitätswirrwarr". Zu großen Teilen sehe ich das Problem in der allgemein verlorengegangenen Fähigkeit des Perspektivwechsels. Genau diese Fähigkeit ist nötig, um zwanghafte Bekenntnisse für oder gegen irgendwas zu vermeiden.

Ein wirklich freier Mensch hat seine Ansichten, vertritt die auch und bedarf keiner ausdrücklichen Identifizierung mit irgendetwas. Und aus dieser Nichtzwanghaftigkeit heraus kann er auch versuchsweise die Perspektive anderer Menschen oder Menschengruppen einnehmen.
Gefühle sind Gefühle- und die sind meist Geschmackssache. Es gibt keine falschen Gefühle. Doch mit Gefühlen allein schreibt man keinen Gedichte.
Dazu braucht man Gedanken- und die können richtig und falsch sein. Frauen sind keine Blumen, aber wem der Vergleich schmeckt- bittesehr. Darüber lässt sich gar nicht diskutieren. Für einen anderen sind Frauen vielleicht bunte Vögel, naja.

Ein kluger Mensch mag sich teilweise mit anderen Menschen identifizieren, die er mag. Etwa beim Sex, wenn die eigene Lust durch die des anderen steigt und man kaum noch weiß, wer da gerade gestöhnt hat. Darum heißt es auch "Vereinigung". Danach ist jeder wieder nur mit sich selbst "identisch".
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 07:58)

"Man kann sogar die Vergangenheit ändern. Die Historiker beweisen es immer wieder." (Jean Paul Sartre)
Genau. Und es gibt unzählige weitere Beispiele für Geschichtsklitterung. Auch in der jüngeren Vergangenheit, wo Dinge aus Wendenzeiten massenhaft geschönt worden sind, was dann wiederum zu viel Frust vor allem bei etlichen Ostdeutschen führte. Ich glaube, wenn man die Dinge, die nach der Wende schiefgelaufen sind (neben denen, die richtig gut waren), stattdessen immer beim Namen genannt hätte, wäre die heutige Frustration vieler so genannter "Abgehängten" beiweitem nicht so groß und die eine oder andere Demo nicht so aggressiv. Das hat aber nix mit dem "Lügenpresse"-Gebrülle der Rechtspopulisten zu tun, sondern eher mit einem langfristigen Ausbleiben kritischer, Widersprüche einbeziehender Nachwendebetrachtung in den meisten Medien.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 09:43)

Genau. Und es gibt unzählige weitere Beispiele für Geschichtsklitterung. Auch in der jüngeren Vergangenheit, wo Dinge aus Wendenzeiten massenhaft geschönt worden sind, was dann wiederum zu viel Frust vor allem bei etlichen Ostdeutschen führte. Ich glaube, wenn man die Dinge, die nach der Wende schiefgelaufen sind (neben denen, die richtig gut waren), stattdessen immer beim Namen genannt hätte, wäre die heutige Frustration vieler so genannter "Abgehängten" beiweitem nicht so groß und die eine oder andere Demo nicht so aggressiv. Das hat aber nix mit dem "Lügenpresse"-Gebrülle der Rechtspopulisten zu tun, sondern eher mit einem langfristigen Ausbleiben kritischer, Widersprüche einbeziehender Nachwendebetrachtung in den meisten Medien.
Bei der Demo am 4. November 1989 in Berlin- Ost sagte Heiner Müller, dass nach der "Wiedervereinigung" das Leben für die meisten noch härter wird.
Er wurde ausgebuht. Dabei sagte er durchaus das Richtige.
Im Zusammenhang mit der DDR- Geschichte wissen die meisten Leute in D heute noch sehr wenig Wahres. Natürlich hat der Staat der BRD kein Interesse daran, dass Sozialismus richtig erklärt wird, auch nicht daran, dass über die Fehler der "Realsozialisten" Wahrheiten verbreitet werden. Sonst wäre das schwierig mit der Identifizierung der lieben Bürger mit "ihrem" Staat.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von JJazzGold »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 09:43)

Genau. Und es gibt unzählige weitere Beispiele für Geschichtsklitterung. Auch in der jüngeren Vergangenheit, wo Dinge aus Wendenzeiten massenhaft geschönt worden sind, was dann wiederum zu viel Frust vor allem bei etlichen Ostdeutschen führte. Ich glaube, wenn man die Dinge, die nach der Wende schiefgelaufen sind (neben denen, die richtig gut waren), stattdessen immer beim Namen genannt hätte, wäre die heutige Frustration vieler so genannter "Abgehängten" beiweitem nicht so groß und die eine oder andere Demo nicht so aggressiv. Das hat aber nix mit dem "Lügenpresse"-Gebrülle der Rechtspopulisten zu tun, sondern eher mit einem langfristigen Ausbleiben kritischer, Widersprüche einbeziehender Nachwendebetrachtung in den meisten Medien.
Gutes Beispiel für die Frage bezüglich des Schiffs des Theseus. Wieviele Bretter müssen entfernt werden, um einen Identitätsverlust zu erzeugen? Etliche Ostdeutsche haben demnach ihre Identität verloren und einige waren bis heute nicht in der Lage eine Identität zu etablieren. Was zwangläufig dazu führt, dass sie auch von aussen als identitätsverlustig wahrgenommen werden.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Laertes »

Betrachter hat geschrieben:(12 Sep 2018, 08:00)

Was ist denn "deutsch"- außer der Sprache natürlich? Wenn du rechnest, rechnest du dann deutsch? Liebst du deutsch? Hast du einen deutschen Geschmack?
Was ist deutsch an deiner Art, zu denken?
Warum wird bei der Aussage „ich bin deutsch“ jedesmal nur der Begriff des Deutschseins in Frage gestellt?
Natürlich hält der keiner radikalen Dekonstruktion stand. Die beiden anderen Begriffe (Ich und Sein)
allerdings genau so wenig.

Die Selbstgewissheit meiner Identität bedarf keiner Vorausgehenden Definition dessen womit ich mich identifiziere. Identität endteht, indem ich Zuschreibungen bejahe: Bin ich deutsch? Ja! Bin ich Vater? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Familie? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Arbeitskollegen? Ja! Diese innerlichen Bejahungen stiften Identität, nicht die rationale Defintion oder Dekonstruktion der emotional bejahten Begriffe.
"Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann."
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Betrachter »

Laertes hat geschrieben:(12 Sep 2018, 10:28)

Warum wird bei der Aussage „ich bin deutsch“ jedesmal nur der Begriff des Deutschseins in Frage gestellt?
Natürlich hält der keiner radikalen Dekonstruktion stand. Die beiden anderen Begriffe (Ich und Sein)
allerdings genau so wenig.

Die Selbstgewissheit meiner Identität bedarf keiner Vorausgehenden Definition dessen womit ich mich identifiziere. Identität endteht, indem ich Zuschreibungen bejahe: Bin ich deutsch? Ja! Bin ich Vater? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Familie? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Arbeitskollegen? Ja! Diese innerlichen Bejahungen stiften Identität, nicht die rationale Defintion oder Dekonstruktion der emotional bejahten Begriffe.
Was haben deine Arbeitskollegen und deine Vaterschaft mit "Deutschsein" zu tun? Und ws ist mit dem schönen WIR, wenn auch deine Kollegen um Arbeitsplätze konkurrieren? Deine Identität hast du nur mit dir selbst. Womit du dich identifizierst, ist doch sehr von der Tageslaune und äußeren Verhältnissen abhängig.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 00:10)

Ich rede überhaupt nicht davon, "wie Geschichtswissenschaften funktionieren, wie Historiker arbeiten". Das ist gar nicht mein Thema. Ich rede von Verzerrungen und Umschreibungen von Geschichte, die es immer schon gab. Geschichtsklitterung gibt es in allen Gesellschaften. Das geht gar nicht von den jeweiligen Wissenschaftlern aus, sondern oft von Politikern, Publizisten und anderen so genannten Multiplikatoren. Interessante Beispiele für fotografische Geschichtsklitterung findet man hier in dem relativ alten Spiegel-Text:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13520825.html
Lesen und (vor allem) verstehen!
Ich schrieb:
"Geschichtsklitteler"/Revisionisten sind Menschen, die mit historischen Fakten nix am Hut haben, die aus ideologischen Gründen Fakten verdrehen und dann entsprechend ihrem Weltbild zusammen basteln!


und weiter schrieb ich:
"Schau mal ins Geschichtsforum, dort gibt es einen ganzen Thread zu Geschichtsrevisionismus rechter UND linker Coleur!"

Ändert aber nichts an der Tatsache, dass deine Behauptung in ihrer Verallgemeinerung eine Unterstellung bleibt und die Beweispflicht für jeden konkreten Fall von Geschichtsklittelung/Geschichtsrevisionismus bei demjenigen liegt, der die Behauptung aufstellt!
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Geschichtsklittelungen/Geschichtsrevisionismus aufgedeckt und richtig gestellt wird.
Womit deine Behauptung:

"Je nachdem, wer gerade die politische Macht hat, so werden auch geschichtliche Ereignisse neu sortiert und neu bewertet."

ad absurdum geführt ist.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Laertes hat geschrieben:(12 Sep 2018, 10:28)

Warum wird bei der Aussage „ich bin deutsch“ jedesmal nur der Begriff des Deutschseins in Frage gestellt?
Natürlich hält der keiner radikalen Dekonstruktion stand. Die beiden anderen Begriffe (Ich und Sein)
allerdings genau so wenig.

Die Selbstgewissheit meiner Identität bedarf keiner Vorausgehenden Definition dessen womit ich mich identifiziere. Identität endteht, indem ich Zuschreibungen bejahe: Bin ich deutsch? Ja! Bin ich Vater? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Familie? Ja! Gehöre ich zum „wir“ meiner Arbeitskollegen? Ja! Diese innerlichen Bejahungen stiften Identität, nicht die rationale Defintion oder Dekonstruktion der emotional bejahten Begriffe.
Und am Ende dieses Identitätsstiftungsprozesses (Familie, Kollektiv, Muttersprache usw.) steht die triviale Relation "Ich ≡ Ich". Die hätte ich auch ohne diese Mühe aufstellen können.

Die eigene Selbstergründung und Selbspositionierung kann völlig ohnen diesen (trivialen) Identitätsbegriff erfolgen. Das was man da meint zu "haben" hat man sowieso und ohnehin.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Selina »

JJazzGold hat geschrieben:(12 Sep 2018, 09:53)

Gutes Beispiel für die Frage bezüglich des Schiffs des Theseus. Wieviele Bretter müssen entfernt werden, um einen Identitätsverlust zu erzeugen? Etliche Ostdeutsche haben demnach ihre Identität verloren und einige waren bis heute nicht in der Lage eine Identität zu etablieren. Was zwangläufig dazu führt, dass sie auch von aussen als identitätsverlustig wahrgenommen werden.
Ich weiß nicht genau, ob "Identität" da der richtige Begriff ist. Denn die meisten Ostdeutschen - also die, die ich kenne - sind sich ihrer Herkunft, ihres Charakters, ihres Könnens, ihres Tuns und Wollens schon sehr bewusst. Sie haben ihre Identität nicht verloren. Einige bezeichnen das dann sogar als ne Art Ostidentität. Ich selbst verwende jedoch diesen Begriff der Identität nicht, weil der in meinen Augen heute zu oft missbraucht wird, um bestimmte ideologische und politische Absichten damit zu kennzeichnen. Siehe Debatten um die so genannte "kulturelle Identität" und um den so genannten "Kampf der Kulturen". Ich würde eher sagen, die von mir gemeinten Ostdeutschen werden nicht einbezogen, nicht gefragt, nicht auf Augenhöhe betrachtet, sondern immer nach wie vor noch als die, die voller Dankbarkeit auf die Banane reichende Hand schauen müssen. Die sich wegen des von allen (Ost und West) gezahlten Solis zu schämen bzw. ewig zu verneigen haben etcpp. Dabei wollen sie nur mitreden können, nach ihrer Meinung gefragt werden, damit sie das Empfinden dafür kriegen, Demokratie mitgestalten zu können. Schließlich haben sie etwas getan, was ihnen so schnell keiner nachmachen kann: Mit einer friedlichen Revolution eine alte Herrschaftskaste hinweggefegt. Nun wollen sie natürlich auch endlich mal ankommen in der Demokratie. Was ihnen auf allen Gebieten sehr schwer gemacht wird: In der Wirtschaft, im Sozialen, Kulturellen, Sportlichen und und und. Es geht nicht um Passivität. Nein, die, die ich meine, engagieren sich schon, sind ehrenamtlich tätig oder gehen zum Teil zwei Jobs nach oder verdienen sich zur Rente was dazu, weil die nicht reicht. Nee, die machen schon alle viel, trotzdem fühlen sie sich immer noch nicht angekommen und angenommen in der viel gepriesenen Demokratie. Das hat knallharte Ursachen, die nüscht mit den oft als "Jammerossis" bezeichneten Menschen selbst zu tun haben. Darüber lohnt es sich schon, einmal länger nachzudenken. Das meine ich alles keinesfalls als Polemik gegen Ihre Worte. Mehr so als Ergänzung ;)
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 13:16)

Und am Ende dieses Identitätsstiftungsprozesses (Familie, Kollektiv, Muttersprache usw.) steht die triviale Relation "Ich ≡ Ich". Die hätte ich auch ohne diese Mühe aufstellen können.

Die eigene Selbstergründung und Selbspositionierung kann völlig ohnen diesen (trivialen) Identitätsbegriff erfolgen. Das was man da meint zu "haben" hat man sowieso und ohnehin.
Nee kann nicht, weil Identität eben NICHT nur Selbstergründung und Selbstwahrnehmung ist, sondern IMMER Selbstwahrnehmung PLUS Außenwahrnehmung ist.
Identität ist ein bzw DAS Unterscheidungs-/Abgrenzungsmerkmal einzelner Individuen voneinander. Nicht nur ICH unterscheide mich von von anderen, auch andere stellen diese Unterschiede fest bzw unterscheiden.
Identität wird NICHT "gestiftet", sondern vom Individuum selbst entwickelt und dazu gehört auch, wie es von anderen wahrgenommen wird.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(12 Sep 2018, 14:12)

Nee kann nicht, weil Identität eben NICHT nur Selbstergründung und Selbstwahrnehmung ist, sondern IMMER Selbstwahrnehmung PLUS Außenwahrnehmung ist.
Identität ist ein bzw DAS Unterscheidungs-/Abgrenzungsmerkmal einzelner Individuen voneinander. Nicht nur ICH unterscheide mich von von anderen, auch andere stellen diese Unterschiede fest bzw unterscheiden.
Identität wird NICHT "gestiftet", sondern vom Individuum selbst entwickelt und dazu gehört auch, wie es von anderen wahrgenommen wird.
Selbstverständlich gibt es "Selbstwahrnehmung" und "Fremdwahrnehmung". Uns es mag durchaus auch einen Antrieb geben, beides möglichst in Übereinstimmung zu bringen, eine möglichste Äquivalenz herzustellen. Oder in einigen Fällen auch gerade nicht. Nicht als der zu erscheinen, der man eigentlich ist. "Identisch" wird aber beides jedenfalls niemals sein. Wesentlich für mich ist, dass Identität (nicht Identifizierung) eine Relation und keine Eigenschaft oder Einzelobjekt ist. Man also immer sagen müsste, was denn nun womit (oder mit wem) identisch sein soll. Es muss eine linke und eine rechte Seite der Relation benannt werden.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von JJazzGold »

Selina hat geschrieben:(12 Sep 2018, 13:21)

Ich weiß nicht genau, ob "Identität" da der richtige Begriff ist. Denn die meisten Ostdeutschen - also die, die ich kenne - sind sich ihrer Herkunft, ihres Charakters, ihres Könnens, ihres Tuns und Wollens schon sehr bewusst. Sie haben ihre Identität nicht verloren. Einige bezeichnen das dann sogar als ne Art Ostidentität. Ich selbst verwende jedoch diesen Begriff der Identität nicht, weil der in meinen Augen heute zu oft missbraucht wird, um bestimmte ideologische und politische Absichten damit zu kennzeichnen. Siehe Debatten um die so genannte "kulturelle Identität" und um den so genannten "Kampf der Kulturen". Ich würde eher sagen, die von mir gemeinten Ostdeutschen werden nicht einbezogen, nicht gefragt, nicht auf Augenhöhe betrachtet, sondern immer nach wie vor noch als die, die voller Dankbarkeit auf die Banane reichende Hand schauen müssen. Die sich wegen des von allen (Ost und West) gezahlten Solis zu schämen bzw. ewig zu verneigen haben etcpp. Dabei wollen sie nur mitreden können, nach ihrer Meinung gefragt werden, damit sie das Empfinden dafür kriegen, Demokratie mitgestalten zu können. Schließlich haben sie etwas getan, was ihnen so schnell keiner nachmachen kann: Mit einer friedlichen Revolution eine alte Herrschaftskaste hinweggefegt. Nun wollen sie natürlich auch endlich mal ankommen in der Demokratie. Was ihnen auf allen Gebieten sehr schwer gemacht wird: In der Wirtschaft, im Sozialen, Kulturellen, Sportlichen und und und. Es geht nicht um Passivität. Nein, die, die ich meine, engagieren sich schon, sind ehrenamtlich tätig oder gehen zum Teil zwei Jobs nach oder verdienen sich zur Rente was dazu, weil die nicht reicht. Nee, die machen schon alle viel, trotzdem fühlen sie sich immer noch nicht angekommen und angenommen in der viel gepriesenen Demokratie. Das hat knallharte Ursachen, die nüscht mit den oft als "Jammerossis" bezeichneten Menschen selbst zu tun haben. Darüber lohnt es sich schon, einmal länger nachzudenken. Das meine ich alles keinesfalls als Polemik gegen Ihre Worte. Mehr so als Ergänzung ;)

In einer Diskussion über die Frage, worauf beruht Identität, wann droht sie verloren zu gehen und inwieweit kann sie oktroyiert werden, wird sich der Begriff Identität schwerlich vermeiden lassen. Insofern war das Beispiel Kongo nur geographisch weiter entfernt, als die ehemalige DDR. Wäre, nur als Beispiel, Selina, nicht aufregen, 1970 schagartig die DDR Bevölkerung nach Westdeutschland transferiert und die gesamte westdeutsche Bevölkerung in die DDR transferiert worden, hätten sich auf beiden Seiten etliche Identitätskrisen ergeben, durch die äusseren Umstände wie z.B. Geographie und Politik, bedingt durch externen Einfluss. Gesellschaft ist in der Beziehung belanglos. Die wäre nur durch nicht vollständigen Austausch relevant. Nur ist das genau passiert, es war kein vollständiger Austausch, es war eine Vermischung, es änderten sich zwei von drei Faktoren, Politik und Gesellschaft und das hat nachvollziehbar Identitätskrisen ausgelöst.
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Re: Identitätswirrwarr

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2018, 15:06)

Selbstverständlich gibt es "Selbstwahrnehmung" und "Fremdwahrnehmung". Uns es mag durchaus auch einen Antrieb geben, beides möglichst in Übereinstimmung zu bringen, eine möglichste Äquivalenz herzustellen. Oder in einigen Fällen auch gerade nicht. Nicht als der zu erscheinen, der man eigentlich ist. "Identisch" wird aber beides jedenfalls niemals sein. Wesentlich für mich ist, dass Identität (nicht Identifizierung) eine Relation und keine Eigenschaft oder Einzelobjekt ist. Man also immer sagen müsste, was denn nun womit (oder mit wem) identisch sein soll. Es muss eine linke und eine rechte Seite der Relation benannt werden.
Identität hat für jeden Menschen auch etwas mit Identifizierung zu tun und IST damit ein Merkmal/eine Eigenschaft des Individuums.
ob dir das nun gefällt oder nicht.
"Die psychische Identität stellt keine wie auch immer geartete eindeutige Essenz oder ein unveränderliches Wesen dar. Im Gegenteil: Identität als psychologisches Konzept geht geradezu davon aus, dass sich ein Mensch mit etwas „identifiziert“, also ein äußeres Merkmal einer bestehenden Gruppenidentität als sein eigenes Wesensmerkmal annimmt. In gewisser Hinsicht erscheint dies als notwendiger Prozess zur Heranbildung einer eigenen Persönlichkeit, aber es bleibt stets ein Element der Fremdbestimmung und Zuschreibung. Die soziale Identität hingegen wird einer Person durch die Gesellschaft zugeschrieben und umfasst alle Eigenschaften die diese Identität enthält. Eine soziale Identität ist eng mit der Übernahme bestimmter Rollen innerhalb einer (sozialen) Gruppe verbunden. Eine Rolle kann die berufliche Arbeit sein. Identitätsentwicklung verläuft im Spannungsprozess zwischen Selbstverwirklichung und den Anforderungen der Gesellschaft. Bildung von Identität ist das Ausbalancieren der personalen und sozialen Dimension, es erfordert vom Individuum seine eigenen Wertmaßstäbe, Bedürfnisse und Interessen einzubringen und sich gleichzeitig auf die Anforderungen und Erwartungen der Umwelt einzulassen." .
Quelle


Menschen identifizieren sich MIT etwas, was er als SEIN Wesensmerkmal annimmt. Was du da zu Identität zusammenschreibst, ist Nonsens!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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