Europafreund1990 hat geschrieben:(25 May 2018, 14:49)
Hallo liebes Forum
Ich mache mir so Gedanken über meinen Zustand meines lebens. In mir tauchen da diverse Fragen auf .
Ich lebe seit 5 jahren in einer Einrichtung für psych. Kranke. Wie ist dann die Grundstruktur bei einer lebensform "psych. Krank"? Heisst das automatisch dass das leben des patienten ungültig ist? Ich fühle mich geistig wie in der Schwebe zu meinem wahren Selbstbewusstsein.
Ich denke immer dass man durch Stigma und Dogmatismen für unbefähigt erklärt wird. Warum wird von vornherein ausgeschlossen das man nicht geschäftsfähig ist? Wer bestimmt das? Was hat ein Beschluss oder ein Einwilligungsvorbehalt für rechtliche Konsequenzen.
Warum darf man sich mit dem Stigma psychischkrank nicht weiterentwickeln? Ich strebe so nach geistigen Wachstum und Fühle mich selbstbewusster und stabiler. Bisher fühlte sich mein Leben taub und unwirksam an. Es fühlt sich so an als wenn.meine Handlungen nichtig erklärt würden. Das lässt mich denken das man nicht mehr aktiv handeln darf um eine bessere Situation herbeizuführen.
Ich hab das Sprintzensyndrom und mir wurde depression und Schizophrenie ausgestellt. Jetzt denk ich das mich diese krankheitsbilder ein leben lang verfolgen und ich ohnmächtig bin was daran zu verbessern.was kann oder darf ich an meiner Position verändern?
Liebe Grüsse
Europafreund1990
Hallo!
Du bist psychisch krank? Ich auch. Na und? Aber natürlich kannst du dich weiter entwickeln. Bei mir wurde irgendwann auch einmal eine Schizophrenie diagnostiziert. Aber spielt das für mein Menschsein eine Rolle? Bin ich weniger wert?
Wenn du als nicht geschäftsfähig giltst, dann muss sicher was vorgefallen sein. Bemühe dich, den Betreuern zu zeigen, dass du mit Geld umgehen kannst. Mehr kann ich zu diesem Unterpunkt nicht sagen, da ich nie als geschäftsunfähig gegolten habe. Auf jeden Fall solltest du es vermeiden, irgendwelche Schulden zu machen.
Darüber hinaus: Wenn du rauchst, lass ab von den Zigaretten. Diese ruinieren nicht nur deine körperliche Gesundheit, sondern auch deine Finanzen. Hör auf die Psychiater und Psychologen. Spiel niemals eigenmächtig mit den Medikamenten herum, indem du sie entweder vergisst, einzunehmen, oder aber absichtlich weglässt. Dies ist der sichere Weg zurück in die Psychiatrie! Und diese ist die Hölle, aus der du nur mit einer noch höheren Medikamentendosis herauskommst.
Und weiter zu dem Punkt Weiterentwicklung: Auch ich habe schon in einem Wohnheim für psychisch Kranke Menschen gelebt. Das ist zwar nicht so schön. Es gibt aber einen Weg nach draußen, wenn du 1. die Ressourcen dazu hast und 2. den unbedingten Willen dazu. Ich selbst habe seinerzeit auch zuerst auf normalen Wohngruppen gelebt. Als die Panikattacken weniger häufig wurden und ich psychisch stabiler, bin ich auf eine Rehawohngruppe gezogen, in der man wieder lernt, trotz psychischer Einschränkungen einen Haushalt zu führen. Diesen Zwischenschritt gehen nicht alle. Aber wenn man dann in eine Außenwohngruppe kommt und mitten in einer Stadt lebt, ist das von großen Vorteil. Je selbstständiger du bist, umso weniger brauchen die Heilerziehungspfleger dir Druck zu machen. Wenn du noch fitter werden willst, gibt es noch das Ambulant betreute Wohnen. Aber ganz auf irgendwelche Betreuungsmöglichkeiten würde ich nicht verzichten.
Und auch, was das Arbeiten betrifft, gibt es mehr als nur die Behindertenwerkstatt. Ich kenne deinen Stand nicht. Aber so eine WfbM taugt auf jeden Fall gut, um sich wieder zu stabilisieren. Das Geld, das man dort verdient, ist anfangs natürlich gering. Aber besser als gar nichts ist es allemal. Wenn du tatsächlich mal fitter bist, gibt es so etwas wie Integrationsfirmen, die einen beschäftigen können. Oder man versucht sich in geschütztem Rahmen an einer Ausbildung. Dazu kann ich dir aber nicht viel sagen, da ich nicht weiß, wie dein Bildungsabschluss ist. Auf jeden Fall gibt es in jeder Hinsicht Entwicklungsmöglichkeiten als psychisch kranker Mensch! Man braucht nur einen eisernen Willen, viel Geduld und eine hohe Bereitschaft, trotz allem möglichst selbstverantwortlich mit sich und der Krankheit umzugehen. Aber was wäre die Alternative? In einem Wohnheim zu vergammeln, bis man irgendwann mal stirbt? Soll das das wahre Leben sein?
Ich für meinen Teil bin ja Atheist und glaube nicht an ein Leben nach dem Tod. Von daher erachte ich es für wichtig, möglichst immer selbstständiger zu werden, damit man das Leben irgendwann möglichst mit viel Lebensqualität genießen kann. So ein Heim kann einem Schutz bieten, solange man es braucht. Aber das wahre Leben spielt nun mal außerhalb des Heims. Und gerade, weil wir nur ein einziges Leben leben dürfen, ist dieses so wertvoll. So etwas darf man nicht vergeuden.
Auf jeden Fall lohnt es sich immer, möglichst hochmotiviert zu kämpfen, damit es einem immer besser geht. Dazu braucht es auch die totale Bereitschaft, auf die Krankheit einzugehen, sie anzunehmen und zu lernen, mit ihr umzugehen. Ich weiß von vielen, denen das zu unbequem ist. Sie wollen lieber Kette rauchen und sich nicht mit ihrer Krankheit beschäftigen müssen. Solche Leute sitzen aber in der Regel bis an ihr Lebensende im Heim. Es ist aber der harte und steinige Weg, der am sichersten da raus führt. Und nur wenn man lernt, auf sich selbst aufzupassen und achtsam mit sich umzugehen, während man gleichzeitig immer weiter seine Grenzen erweitert, kommt man voran.
Privat lohnt es sich auf jeden Fall, sich ein Hobby zu suchen. Auch das ist besser, als den lieben langen Tag nur blöd rumzusitzen und eine Zigarette nach der anderen zu verqualmen, während man sich in Selbstmitleid suhlt. Wer kämpft, kann auf jeden Fall gegen die Krankheit gewinnen. Wer den Kampf nicht aufnimmt, der hat schon verloren. Das Ergebnis sind nicht Stillstand, sondern man fällt immer mehr zurück und fühlt sich wie in einer Abwärtsspirale psychisch immer schlechter.
Das Grundgerüst jedes Kampfes sind die Medikamente. Wenn der Psychiater sieht, dass der Kampf erfolgreich geführt wird und es dem Patienten immer besser geht, wird die Dosis auch mal reduziert. Aber da muss auch der Patient mitkämpfen bzw. mitmachen. Wenn man sich dagegen auf die faule Haut legt und darauf wartet, dass die Psychopharmaka von alleine dafür sorgen, dass es einem besser gehen soll, dann klappt das nicht.