Maltrino hat geschrieben:(11 Dec 2017, 22:36)
Es ist heute einfach in vielen Bereichen so, dass Leute die nie Medizin studiert haben, aber in ihrem Leben bestimmte Erfahrungen gemacht haben, oder aus irgendeinem Grunde sich jahrelang mit einem Thema beschäftigt haben, mehr Ahnung haben als (einzelne) studierte Fachkräfte. Es ist einfach so.
Ich persönlich würde würde statt "Es ist einfach so" lieber sagen "Es könnte gut sein". Im Fall der Fäller würde ich mich definitiv lieber von einem studiertem Arzt untersuchen und behandeln lassen, als von dir - der bestimmt über allerhand Wissen und Know-how verfügt, aber keinerlei praktische Erfahrung besitzt.
Es ist einfach so, dass es Mediziner gibt, die Patienten behandeln, die die Erlaubnis haben eine Behandlung durchzuführen, die bestimmte Sachen einfach nicht wissen, obwohl das Wissen vorhanden ist.
Irren ist menschlich - Und Ärzte sind Menschen. Und du kannst über unendlich viel Wissen verfügen, deswegen musst du es aber nicht immer zum richtigen/notwendigen Zeitpunkt abrufbereit haben. Vieles wird einem erst danach bewusst/fällt einem erst später ein. Und dann ärgert man sich mehr oder weniger - kennst du bestimmt auch.
Andererseits braucht es auch kein umfangreiches Wissens-Studium oder diverse Doktortitel, sondern vielmehr schlicht-schnödes Allgemeinwissen, um dem einen oder anderen Arztbesuch, bzw. entsprechende medizinische Bahandlung vermeiden zu können. "Gesunde Lebensweise" und Blabla - naja...
Ich bin Raucher und habe gut 20 Kilo Übergewicht und bin Sportmuffel - aber es geht mir gesundheitlich gut! Mein Vater ist Veganer, trinkt und raucht nicht und fährt viel Fahrrad - ihm geht es allerdings gesundheitlich nicht gut. Das muss jeweils aber nicht so bleiben! Und ob alles mit allem zusammenhängt, ist auch nicht sicher zu sagen. Es gibt also keinerlei Garantie. Braucht sich keiner was einbilden. In der Regel kommt am Ende sowieso alles anders, als man denkt.
Was hat das aber alles mit dem Mangel an Pflegekräften (dein Thread-Titel!) zuschaffen? Bei mir im Pflegeheim mangelt es an Personal, nicht an Wissen! Unsere Fachkräfte sind alle gut ausgebildet und verfügen tw. über zig Weiterbildungen und Qualifikationen, selbiges Wissen sie auch gerne und regelmäßig weitergeben - und das alles auch glaubwürdig, weil sie eben nicht nur Pflege studiert haben, sondern diese auch tagtäglich praktisch ausüben (heute... nee, gestern - also Montag hatte bspw. unsere Pflege-Schülerin im 3. Lehrjahr ihren Praxisbesuch - ihre Lehrerin hat ihr diverse Abzüge in der Benotung gegeben, weil ihr theoretisches Wissen nicht mit der praktischen Handlung unserer Schülerin übereinstimmte! Lisa hat bspw. vergessen, nach der Körpereinreibung des Bewohners SOFORT das Ölfläschchen wieder zu verschließen! Skandal, der Bewohner hätte das Öl ja für etwas trinkbares halten können! Komisch aber, dass die Lehrerein das Weihnachtsgesteck auf dem Nachttisch nicht für gefährlich hielt, obgleich es mit u. a. mit künstlichen Früchten geschmückt ist, die der Bewohner ja verschlucken könnte... In der Theorie ist ALLES möglich - die Praxis ist aber REAL und Tatsache ist, dass der betroffene Bewohner noch nicht derart dement ist, dass er nicht ein Ölfläschchen von einer Sprudelflasche unterscheiden könnte. Aber sowas interessiert Studierte/Lehrbeauftragte/reine Wissens-bzw. Theoriemenschen ohne jedwede praktische Erfahrung herzlich wenig. Die besagte Lehrerein ist eben ein solcher Mensch. Zum Glück haben wir eine Pflegedienstleitung, die selbst, als sie vor zwei Jahren das PDL-Amt übernahm, über 20 Jahre praktische Erfahrung vorzuweisen hat und über diese Problematik sehr gut bescheid weiß, zumal sie selber Opfer derselben wurde und als bisherige Schüler-Beauftragte regelmäßig damit konfrontiert war.
Upps, jetzt bin ich ein bisschen abgekommen - ich wollte eigentlich sagen, dass bei uns in der Einrichtung viel Wissen verfügbar ist - nur fehlt es an Wissbegierigen! Das hat verschiedene Gründe (nicht nur Bezahlung und Anerkennung). Ich denke, heutzutage geht der Trend hin zu flexiblen Arbeitszeiten - kann der Pflegeberuf in keinsterweise bieten! Der Bewohner/Patient ist Mensch und nicht Maschine; wenn er um sechs Uhr morgens aufsteht, sich waschen, anziehen und anschließend frühstücken will, dann will er das "jetzt" und nicht "irgendwann". Heißt, es MUSS eine Pflegekraft um diese Zeit bereitstehen, sie kann nicht sagen, ach heute schlafe ich mal aus und fange erst um zehn Uhr mit der Arbeit an. In der großen Regel müssen wir in der Pflege unseren Alltag an die Arbeitszeiten anpassen - und nicht umgekehrt, wie es heutzutage junge, bzw. zukünftige Arbeitnehmer gerne hätten, dass sich die Arbeit ihrem Alltag anpasst. Problemfeld diesbezüglich besonders Wochenenden/Feiertage. Einige junge MitarbeiterInnen haben damit ein Riesenproblem. Sie wollen Freitagabends mit ihren Freunden (die alle was anderes arbeiten und wochenends/feiertags frei haben) feiern gehen, was trinken, die Nacht durchmachen. Blöd dann, wenn sie am Samstag Frühdienst haben, während sie eigentlich in dieser zeit ihren Schlaf nachholen wollen. Was machen sie? Richtig sie melden sich kurzfristig krank! Und damit "glaubwürdig" erscheint, auch gleich noch für Sonntag. Kurzfristig jemand zufinden, der einspringt, ist schwer - wir müssen also unterbesetzt arbeiten, worunter die Pflegequalität und folglich der oder die zu Pfegende leidet. In den letzten zwei, drei Jahren, hat dies extrem zugenommen; viele junge Pflege-Anwärter schmissen aufgrund dessen die Ausbildung. Oder sie sind gegangen worden, weil die Fehlzeiten überhauf nahmen und ein gewisses System ersichtlich wurde. Wir haben auch schon gut und gerne ein Dutzend Pflege-Anwärter kündigen müssen, weil sie nicht bereit waren, während der Arbeitszeiten auf ihre Smartphonerei zu verzeichten. Oh, da ist grade ein Bewohner gestützt - der muss jetzt warten, meine beste Freundin hat grade Beziehungsprobleme! Kein Witz!
Ich hatte letzten Sommer einen Praktikanten, der hauptsächlich auch nur in einer stillen Ecke rumsaß und auf seinem Smartphone tippte - ich habe ihn drauf angesprochen, dass er sich doch (wenn ihm langweilig sei/er keine konkrete Aufgabe habe) zu den Bewohner setzen kann um sich wenigstens mit ihnen zu unterhalten - Antwort: "Aber mir hat jemand geschrieben, da muss ich doch antworten!" Nein, habe ich gesagt, nicht während der Arbeitszeit, sondern in der Pause oder nach Feierabend. War das falsch oder gemein von mir? Jedenfalls hat der Kerl am nächsten Tag sein Praktikum abgesagt.
Da ich auch in der Mitarbeitervertretung unserer Einrichtung bin, habe ich ich mal der PDL nachgefragt, wie es mit Bewerbungen aussieht - eigentlich könnte man sich nicht beklagen; Bewerbungen, bzw. Anfragen haben wir zuhauf. Nur keine qualitativen. Allerdings will kaum jemand direkt in der Pflege arbeiten, höchsten in der Betreuung/Alltagsbegleitung - wenn man ihnen aber dann mitteilt, dass bei uns hierzu auch kleinpflegerische Tätigkeit gehören (Toilettengänge! Evt. Inko- und Kleidungswechsel!), dann ist das Interesse, bei uns zu arbeiten, schnell wieder verflogen. Pfui, eklig, bäh!
Du hast vorgeschlagen, dass die ganzen jungen Studierwilligen in der Medizin, dort eingesetzt werden könnten/sollten, wo sie eher gebraucht würden - in der Pflege. Ich habe dir die Frage schon mal gestellt: Könntest du in der Pflege arbeiten, bist ja auch nur so ein Studierter, oder Studierender? Reicht dein theoretisches Wissen wirklich für die Praxis aus? Wenn ja, ran ans Werk! In der Pflege findest du immer einen Platz, auch wenn du diesen Beruf nicht gelernt hast (haben wir auch einige bei uns im Haus und dass sind richtige Goldstücke!) - wenn du willst, kannst du auch! Aber nur weil du könntest, musst du nicht wollen - ansonsten wärst du ja wohl schon längst in der praktischen Pflege tätig, gelle?
Also, wie sieht's aus?
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner