Sextus Ironicus hat geschrieben:(01 Dec 2017, 15:52)
Etwas anders zu deuten setzt voraus, das man etwas hat, auf dem man aufsetzt. Und das sind die Bedeutungen, die immer schon vorhanden und ein work in progress sind. Die Menge der Sätze ist unendlich, und da sich Bedeutungen durch unser aller Sprechen immer weiter verändern, verändert sich die Kultur auch immer mit. Aber es gibt keinen transkulturellen Standpunkt innerhalb eines Sprachhorizonts, von dem aus wir unabhängige, nicht verbundene Bedeutungen einführen könnten.
Von unabhängigen Deutungen habe ich doch gar nicht gesprochen, sondern explizit auf die geteilte Bedeutung gemeinsamer Sprache verwiesen. Die allerdings kein unbedingt gleiches Ergebnis liefert. Das zeigt auch die Sprachdynamik, die Veränderung setzt beim Individuum und dessen Sprechkreis ein und nimmt über multiplikatorische Verwendung ihren Lauf. Aber nicht jeder Bedeutungswandel setzt sich durch, manche verbleiben im privaten, andere im kleinen Kreis. Wieder andere existierten nur im Individuum. Die gemeinsame Sprache ermöglicht den Austausch darüber.
Assoziationsräume sind für mich rein individuelle Räume, Spielräume im doppelten Sinne des Wortes, in denen der Einzelne mit der Reichweite von Bedeutungen und An- und Verknüpfungsmöglichkeiten spielt. Hier geht es aber um Bedeutungsverhältnisse, in Abhängigkeit von dem, was an Bedeutungen immer schon vorhanden ist.
Ich wollte auf die Mehrdeutigkeit der Assoziation hinaus, auf die geteilte und ineinander verknüpfte Begriffswelt einerseits, die individuelle andererseits. Der Witz ist doch, dass Assoziationen Bedeutungsverhältnisse umreißen und sie dennoch zu völlig anderen Ergebnissen führen können, und zwar weil sie auf vorhandene Bedeutungen rekurrieren. Du assoziierst mit dem Assoziationsraum eine individuelle Spielebene, ich sehe diese, eine Konglomeration von Begriffen, die assoziativ verknüpft sind und auf einer anderen Ebene eine gemeinschaftlich gesellschaftliche Zustandsbeschreibung. Der Assoziationsraum von Assoziation ist ziemlich weit.
Die Gemeinsamkeit liegt immer im Konkreten. Variieren würden aus meiner Sicht nicht die Bedeutungen, sondern das individuelle Erfassen. Das Musikbeispiel halte ich für nicht passend, es ist eine andere Art der Verständigung, eine andere Ebene.
Das sehe ich nicht so und verstehe nicht ganz deine Trennung zwischen Bedeutung und individuellem Erfassen. Die Erfassungsleistung ist die Zuerkennung einer Bedeutung zu einem bestimmten Begriff, die nicht losgelöst von allem geschehen kann, sonst gäbe es keine gemeinsame Sprache. Bedeutungsinterpretationen eines Begriffs oszillieren meinetwegen um einen Begriffskern, auf diesen können sie zurückgeführt werden. Konkret ist da von vornherein nichts, was aber konkretes geteiltes Verständnis auch nicht ausschließt. Wie gesagt, die Gemeinsamkeit lässt erst das Andersverstehen zu. Wie du schon feststelltest, Sprache ist dynamisch, was beweist, dass Bedeutungen (inter-)individuell anders erkannt werden können, je nach konkretem Bezugspunkten, Denkmustern, Umständen, etc und pp.
Musik ist eine Sprache, aber keine konkrete. Von daher war mein Beispiel in gleichem Maße zu- wie unzutreffend. Es sollte den Punkt verdeutlichen.