Ein Terraner hat geschrieben:(10 Mar 2018, 12:46)
Wie wärst du denn mit diesem völlig legitimen Anliegen umgegangen? Ich höre nur immer das man es so nicht macht, wie macht man es denn richtig?
"Richtig" oder "falsch" gibt es hier in meinen Augen nicht. Ich kann Dir nur sagen, was ich vom Verhalten des Mannes halte (das habe ich hier getan). Ich kann Dir gerne sagen, wie ich mich verhalten würde, aber das ist auch nicht allgemeingültig.
Zunächst einmal würde ich mir nicht zwingend einen kleinen (katholich geprägten) Ort aussuchen, in den ich ziehe, wenn ich ein relativ ausgeprägtes Problem mit Religion habe. Im Bericht steht, die Familie zog vor 7 Jahren dort hin. D.h. die Tochter war da ggf. schon unterwegs. Aber selbst wenn nicht, dann war wohl ein Kinderwunsch vorhanden. Da informiere ich mich dann, wie es eigentlich um die schulische Situation an meinem neuen Wohnort bestellt ist. Ein Blick auf die Homepage des Ortes gab mir da Auskunft über die Grundschule und sonstige Einrichtungen. Da steht übrigens, dass die Teilnahme am Religionsunterricht oder den Schulgottesdiensten höchst freiwillig ist.
So. Also entweder ich bin der Meinung, ich kann mein potenziell kommendes Kind in die einzige Schule mit Namen "Christophorus" schicken, oder nicht. Scheint nicht geschehen zu sein. Nun denn, sind wir im Heute: die Dramatik, mit der einzelne Szenen in dem Bericht geschildert wurden, sind für mich haarsträubend:
E. sei z.B. von der Schule heimgekommen und habe ihrem Vater traurig mitgeteilt, dass sie für Gott hätte klatschen und singen müssen. Sie habe sich unter Tränen dafür geschämt, dass sie sich nicht getraut habe, dies zu verweigern. In der Schule, so konnte Alex Stier klären, sei E. von ihrer Klassenlehrerin zur Übergabe einer Spende an die Schule und den anwesenden Pfarrer Röhr gebracht worden. Dabei habe der Pfarrer das kreationistische Missionslied "Laudato si" angestimmt. E. habe aus "Angst vor Strafe" mitgesungen und mitgeklatscht.
Bei anderer Gelegenheit sei der 80. Geburtstag des Pfarrers auf dem Schulgelände gefeiert worden. E. sei wenig begeistert gewesen, weil sie eigentlich Pause gehabt hätte. Trotzdem habe sie sich mit anderen Kindern zum Geburtstagsständchen aufstellen müssen. An diesem Tag habe Schnee gelegen, sodass sich der Pfarrer als Dank an Gott für den Schnee erneut "Laudato si" wünschte. Alle Kinder hätten geklatscht und gesungen. Diesmal verweigerte sich E., doch erneut voller Angst vor Strafe, weil sie nicht mitmachte.Das Mädchen ist sechs Jahre alt!
Und dann das hier vom Autor:
So kam ich in das verschlafene Nest. Dörflicher Eindruck, viele Fachwerkhäuser, ein gediegenes Idyll könnte man wohlwollend sagen. Das offenbar unvermeidliche Kruzifix – unangemessen groß – empfing mich, als wolle es die Einfahrt gottloser Gesellen verhindern. Alex Stier und seine Familie begrüßten mich nicht mit einer ausgemergelten Leiche, sondern mit freundlichem Lächeln. Ich lernte auch die Kinder kennen, den zweijährigen Sohn und E. Beide sind offen, freundlich und wie alle Kinder verspielt. Was mir besonders auffiel: Sie sind außerordentlich selbstbewusst, was man bei Kindern diesen Alters selten antrifft.
Da muss ich laut lachen. Der Zweijährige und die Sechsjährige sind außerordentlich selbstbewusst. Yeah, right. Deshalb hat das außergewöhnlich selbstbewusste Mädchen auch mehrfach geheult, wenn für "Gott" oder den furchterregenden Pfarrer geklatscht oder gesungen wurde.
Meine Fresse. Ich wünsche allen Beteiligten mal ein Schuljahr 60km weiter nördlich. Da relativieren sich dann vielleicht die dramatischen Probleme, die man in dem kleinen Kaff am der Bergstraße hat.
Noch mal: er kann verlangen, dass seine Tochter vom Religionsunterricht und den Schulgottesdiensten befreit wird. Das bietet die Schule auch an, siehe Webseite der Gemeinde/Schule. Dass die Schule Christophorus heißt, oder halt mal der Pfarrer vorbeikommt, weil katholisch geprägte Gemeinde, ist der Kompromiss, den ich bereit wäre, einzugehen. Und dass das, was für das Mädchen angeblich die Hölle war (glaube ich nicht mal, es sei denn, sie ist wirklich übelst indoktriniert worden), normaler Alltag dort ist, das würde ich meinem außergewöhnlich selbstbewussten Kind erklären. Das bedeutet nich lange nicht, dass man es für sich selber annimmt oder gut finden muss. Aber ich würde mir die Mühe machen, meinem Kind zu erklären, dass auch Religion in unterschiedlichen Ausprägungen einen Platz im Leben unterschiedlicher Menschen hat. Und auch, warum gerade in dieser Schule oder diesem Ort ggf. etwas mehr dabon vorhanden ist als woanders. Aber wenn ich daraus ein Drama machen möchte, dann kann ich das natürlich. Problemlos, wie man sieht.
Fazit: ich würde den Kompromiss, wie oben geschildert, suchen - oder von vorneherein nicht dort hin ziehen. Wenn ich höchst empfindlich auf Fluglärm reagiere, ziehe ich nicht nach Offenbach oder Kelsterbach. Ich meide im Grunde das ganze Gebiet bzw. sämtliche Einflugschneisen, je nach Grad der Empfindlichkeit. Ans Ende der Landebahn zu ziehen und dann erst mal gegen Fluglärm und Flughafenausbau zu demonstrieren gehört nicht zu meinem Stil. Das ist für mich pures Querulantentum, und diese Haltung verachte ich. Und so sehe ich den Typen auch. Das Thema ist austauschbar.
Und der Autor passt für mich in dem Fall auch wie Faust aufs Auge.