Claud » Di 1. Mai 2012, 16:09 hat geschrieben:
Gratulation, vortrefflich fehlinterpretiert.
In meinem Beitrag geht es eindeutig alleine um den Punkt, dass jemand zu aller erst irgendwo wohnt, aufwächst und dann mit dem Arbeiten anfängt. Ich schrieb sehr eindeutig nirgendwo was von einen Jobverlust, obwohl dieser aber heute sehr wahrscheinlicher ist, als noch vor einigen Jahrzehnten, zu Zeiten der Stadtflucht.
Überhaupt kommt diese Diskussion einige Jahrzehnte zu spät, zu Zeiten der Stadtflucht und Zersiedlung hätte sie Sinn gemacht.
Dann spricht ja rein gar nichts gegen eine Abschaffung.
Dann fragt man sich aber schon, warum hier von denjenigen, die gegen die Pendlerpauschale sind, gerne Beispiele in die Richtung genannt werden, wo es um ein Häuschen auf dem Lande geht, welches durch die Pendlerpauschale quasi nebenfinanziert wird.
Es ist ja nur eine von vielen Möglichkeiten. Ich kenn auch Pendler, die in Szenevierteln leben, während ihr sicherer Arbeitsplatz in der Peripherie liegt. Macht die Sache nicht besser (von wenigen ökologischen Aspekten abgesehen).
Nochmal, es ist kein Zuschuss, es ist die steuerliche Geltendmachung von Werbungskosten, was jeder Arbeitnehmer machen kann, ob nun Bahn-, Fahrrad- oder Autofahrer. Unter einen Zuschuss würde ich mir hier eine Sozialleistung vorstellen, was letztendlich aber ein andere Thema ist. Mal ganz davon abgesehen, so eine Person, die am Existenzminimum rumkrepelt, müsste ja ein Paradebeispiel für diejenigen sein, die damit argumentieren, es sei günstiger, in die Stadt zu ziehen. Tut diese Person es nicht, blieben ja nur zwei Schlussfolgerungen. Die erste, es lohnt sich doch nicht, oder die zweite, die Person ist offensichtlich nicht des rechnen fähig bzw. unwissend über die wahren Kosten. Und nicht ich habe behauptet, im Umland sei die Armut zuhause. Allerdings sehe ich im Umland nu auch nicht unbedingt vor jedem zweiten Haus einen Cayenne.
Natürlich ist es keinen Zuschuß. Ich meinte nur, daß ich kein Problem damit hab, wenn die häufig genannten, fiktiven Härtefälle, die aufs Pendeln angewiesen sind und ein Umzug kaum zumutbar ist, einen neuen Zuschuß erhalten, so wie Geringverdiener in teuren Städten Wohnungsgeld und so weiter erhalten. Wieso jeder Pendler aber diese Vergünstigung benötigt, konnte mir noch keiner erklären, der sich ansonsten alle Mühe gibt, die Schäden der Pendler zu ignorieren.
Und die voranschreitende Urbanisierung ist in Deutschland sicherlich kein Problem im indischen Maßstab, durchaus doch aber eine Sache, die nicht mal eben von der lockeren Hand geht und die Städte nicht teilweise vor größeren Problemen in Sachen Wohnungsbau, Infrastruktur und soziale Durchmischung stellt.
Pure Luxusprobleme. So lange man noch Milliarden in versinkende Regionen steckt, kann man darüber doch nur schmunzeln, die Urbanisierung würde nennenswerte Probleme verursachen. Selbiges gilt für den oft überbewerteten Wohnungsbau, der bei uns das Wahlthema Nummer 1 war.
Und von welchen Infrastrukturproblemen durch Pendler reden wir eigentlich genau? Die Staus in den Innenstädten werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verschwinden, wenn aus dem Umland keine Pendlerbewegungen mehr vorhanden sind, da die Arbeitsplätze ja sicherlich nicht ihren Standort wechseln werden. Und innerstädtische Pendlerbewegungen werden sich sicherlich nie vermeiden lassen, so fluktuativ ist keine Stadtbevölkerung und die Reserven in Sachen Wohnraum werden dafür nie genügen. Und eine Bahnstrecke, die an Kapazitätsgrenzen betrieben wird, wird sicherlich nicht geschlossen und zeugt eher von mangelnden Willen in Sachen Investition, wofür die Betreiber und der Staat zuständig sind. Derzeit ist es auf dem Lande aber eher der Fall, dass die Kapazitäten zurückgefahren werden und man den Menschen kaum noch eine Wahl lässt, als den MIV oder die Konzentrierung auf wenige öffentlich betriebene Bahnstrecken.
Davon aber abgesehen, schau dir doch die bloße Zahl der Pendler an. Wo soll der Wohnraum entstehen, der auch noch nah am Arbeitsplatz sein muss und den Bedarf an weiterer Infrastruktur nach sich zieht? Wie soll dies möglichst bezahlbar bleiben, wie werden die Raumprobleme gelöst, wie der ÖPNV entsprechend erweitert und eine Gentrifizerung vermieden, welche wiederum andere Probleme nach sich zieht? Wir reden hier immerhin teilweise von Massen, die je Region eine eigene Großstadt ausmachen würde.
Der Arbeitsplatz muß ja nicht in der Nähe der Wohnungen sein, wenn Menschen nicht in der Nähe wohnen wollen. Wie gesagt, von mir aus soll jeder machen, was er für richtig hält. Wenn es aber in die Kategorie "Ich kann mir nicht vorstellen, in der Nähe meines Arbeitsplatzes zu wohnen, weil dort zu viele Menschen sind" geht, weiß ich nicht, wieso der Staat auf die Milliarden verzichten sollte, die man sicherlich auch sinnvoller investieren kann. Gebt uns 'ne halbe Milliarde für 'ne Stadtbahn und wir sind einige Sorgen schon mal los.
Zudem geht es doch nicht nur um irgendwelche Status in der Innenstadt. Beispielsweise gibt mein Bundesland jährlich mehr Geld für Reparaturen an Straßen aus als der gesamte ÖPNV Umsatz macht (nur mal als Beispiel). Und sicherlich ist es ein Unterschied, ob ein Auto täglich 6 oder 60 Kilometer fährt. Zudem entlastet es auch die Hauptstraßen der Stadt. Denk doch auch an die Anwohner, die dort leben. Das sind für gewöhnlich keine begehrten Ecken, sprich, wer dort lebt, ist meist eine arme Sau. Wieso bei der "sozialen Komponente" diese Menschen gerne mit dem eigenen Gestank und Lärm konfrontiert werden, aber man nur vom Pendler spricht, der nicht umziehen "möchte", weiß ich nicht.
Natürlich wird eine volle Bahnstrecke nicht geschlossen. Ein Ausbau findet ja auch schon statt. Ich erwähnte dies ja auch, um zu zeigen, daß die Probleme minimal sind. Wenn ein Pendler nicht in der vollen S-Bahn zehn Stationen fährt, sondern in der halbvollen U-Bahn drei, ist das durchaus ein Unterschied. Die Urbanisierung ist daher weniger das Problem als Pendler. Die entlasten die Infrastruktur halt nicht, sondern belasten sie überdurchschnittlich. Und das muß man nicht unbedingt auch noch mit einer Pauschale ermutigen.