D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Feindes

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SLclem
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D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Feindes

Beitrag von SLclem »

Im Thread "Der israelisch-palästinensische binationale Staat" wird nicht über psychologische und seelische Zustände oder sonstige "Befindlichkeiten" (scheußliches Wort) beider Seiten diskutiert, die für eine "endgültige" Staatenbildung im palästinensisch-israelischen Staat Voraussetzungen sein könnten (werden – hoffe ich...).

David Grossman hat sich im Buch "Die Kraft zur Korrektur – Über Politik und Literatur"

2007 mit dem Thema beschäftigt. Er war

– Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels 2010,
– Vater von Uri, gefallen im 2. Lebanonkrieg 2006
  • und hat Anfang 2015
– den Boykott des "Israelpreises 2014" mit-initiiert. (Netanjahu wollte "linke" Juri-Mitglieder rauswerfen; wird für 2014 NICHT vergeben)
– Seine politischen Essays werden in Israel stark beachtet.

(Mich schrecken seitenlange Zitat-Tapeten vom Lesen ab; den Text im Zusammenhang würde ich bei Interesse zu-PN-en ...
Auszeichnungen von mir – bitte NICHT en-bloc zitieren!)
Grossman, David, Hanser 2007/8, 'Die Kraft zur Korrektur – Über Politik und Literatur', S. 58-65, hat geschrieben: [wir] würden hin und wieder auch verstehen können ..., dass jener legendäre, bedrohliche, dämonische Feind nichts anderes ist als eine Gemeinschaft von ängstlichen, gepeinigten, verzweifelten Menschen wie wir. Diese Einsicht ist in meinen Augen der zwingende Beginn jenes Prozesses der Ernüchterung und Versöhnung.
...
Schließlich liegt es in der Natur jedes Kriegszustands, die Menschen in gesichtslose Wesen zu verwandeln, eindimensional und ohne eigenen Willen. […]
Die Literatur ... ruft uns dazu auf, uns aus der Umklammerung der „politischen Lage“ zu lösen und unser Recht auf Individualität und Einzigartigkeit zu reklamieren.
...
... die jede Ernüchterung und jede Einsicht begleiten, nämlich dass unserem Talent, uns die Realität selbst so zurechtzubiegen, dass sie auf absolute und perfekte Weise allein auf unsere Bedürfnisse passt, eine Grenze geboten ist.
...
Denn wenn wir uns in den anderen hineinversetzen [...] werden wir ihm nie wieder völlig gleichgültig gegenübertreten. [...] Es wird uns schwerfallen, ihn völlig zu leugnen. Ihn als „Unmenschen“ abzutun. Wir werden uns nicht länger mit der üblichen Leichtigkeit in der wir so geübt sind, davonschleichen vor seinem Leiden, vor seinem Recht, vor seiner Geschichte.
Vielleicht werden wir sogar ein wenig toleranter werden, was seine Fehler anbelangt. Schließlich werden wir auch seine Fehler als einen Teil seiner Tragödie begreifen; übrigens könnten wir – falls uns noch Kraft und Großzügigkeit bleiben – sogar die Bedingungen schaffen, die es unserem Feind erleichtern, sich aus seinen eigenen inneren Fallen zu befreien. Auch wir würden davon profitieren.
...
Über den Feind zu schreiben bedeutet in allererster Linie, über den Feind nachzudenken. Das ist fraglos die Pflicht jedes Menschen, der einen Feind hat, und wenn er sich hundertmal im Recht fühlt. Auch wenn die Bosheit und die Brutalität und der Irrtum des Feindes auf der Hand liegen. Über den Feind nachzudenken (oder zu schreiben) bedeutet nicht, ihn zu rechtfertigen.
...
über den Feind nachdenken. [...] Ihn nicht nur hassen oder fürchten, sondern ihn sich als Menschen oder Gesellschaft oder als Volk vorstellen, dessen Ängste, Hoffnungen, Glauben und Denkweise, Interessen und Wunden andere sind. Den Feind der Nächste sein zu lassen, mit allem, was dazugehört. [...] Es könnte uns helfen, die Realität an sich zu verändern, sodass dieser Feind sukzessive aufhören würde, ein Feind zu sein.
Ich möchte allerdings klarstellen, dass ich nicht davon spreche, „den Feind zu lieben“.
...
Natürlich ist es nicht einfach, die Realität mit den Augen des Feindes zu sehen. [...] Wir riskieren den Verlust unseres Glaubens an uns selbst und daran, dass wir im Recht sind. Es birgt eine Gefahr der Erschütterung unserer „offiziellen Geschichte“ – die in der Regel auch die einzig „legitime“ Geschichte ist –, die ein verängstigtes Volk, ein Volk im Krieg, sich selbst erzählt.

Doch vielleicht könnte man diesen letzten Satz auch umkehren und die Behauptung aufstellen, dass ein Volk sich in einem andauernden Konflikt befindet, gerade weil es in einer bestimmten „offiziellen“ Geschichte gefangen ist ... mitunter über Generationen.
...
Schließlich sieht der Feind in uns, dem Volk, das ihm gegenübersteht, das, was jedes Volk im Umgang mit seinem Feind an den Tag legt: Brutalität, Gewalt, Sadismus, Scheinheiligkeit, Selbstmitleid und doppelte Moral. Wir sind uns oft gar nicht bewusst, was wir alles für unsere Feinde ausstrahlen. Und folglich auch für andere, die keine Feinde sind, und letzten Endes – auch für uns selbst.
[…]
Und wenn dieser [Krieg] beendet wäre, würden wir dieses Verhalten unverzüglich einstellen und wieder zu der moralischen, anständigen Gesellschaft zurückkehren, die wir zuvor waren. Aber es ist denkbar, dass der Feind […] lange vor uns fühlt, wie sehr diese Mechanismen bereits ein Teil unserer Existenz als Volk und Gesellschaft geworden sind.
[…]
Würden wir uns selbst mit den Augen des von uns besetzten Volkes sehen, würden bei uns wohl die Alarmglocken läuten und uns wecken: Es wäre dann vielleicht noch nicht zu spät, zu erkennen, wie groß unsere Defekte und Blindheiten sind. Wir wüssten, wovor wir uns erlösen müssen und wie notwendig es für uns ist, die Lage von Grund auf zu verändern.
Hat jemand erstzunehmende Einwände gegen eines dieser Teilzitate?
Gibt es Ergänzungen?

Übrigens wäre jeder Beitrag, Grossman wäre halt ein "Gutmensch", ziemlich daneben:
Er schreibt sehr scharfe politische Kommentare, ist aber eben auch Literat ...
Moshe Zuckermann zu Israel-Palästina: https://www.youtube.com/watch?v=ROe_T4MQorM
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Re: D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Fei

Beitrag von Gretel »

:thumbup:
Diese Haltung und Anschauung ist das Allerwichtigste in jedem Friedensprozess.


Zur Unterstützung derselben noch zwei weiterere Buchtips:

http://www.amazon.de/Mein-Israel-Pal%C3 ... 3518465783
(mit Leseprobe)

und

edit-Kai Homilius entfernt-MOD
http://www.schattenblick.de/infopool/bu ... ar430.html
Zuletzt geändert von Gretel am Fr 20. Mär 2015, 10:38, insgesamt 3-mal geändert.
Muck watt jü wüllt - de Lüüd snackt doch.
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Re: D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Fei

Beitrag von InDubioProReo »

Grossmann gehört wohl zu den wenigen israelischer Zeitgeschichte, der den Kern des Konfliktes erkannt und der es auch noch hervorragend geschafft hat seine Gedanken in Worte zu fassen. Mit seiner Nachdenklichkeit, Ehrlichkeit und seiner bedingungslosen Bereitschaft der Selbsterkenntnis und Selbstkritik eröffnet er den Dialog zu ,,den Feinden". Grossmann beschreibt die soziale Situation der Israelis und Palästinenser hervorragend:
Das Gefühl, umzingelt zu sein, und die Angst vor dem, was sich jenseits der Grenzen gegen uns zusammenbraut, zieht automatisch die Versessenheit auf einen Konsens um jeden Preis nach sich - einem Konsens, der mitunter wie das instinktive panische Zusammenpferchen einer sich bedroht fühlenden Schafherde wirkt.(S. 106)
Und zugleich schlussfolgert er:
Wer auf die Gabe des Zuhörens und Einsatzbereitschaft schwört, verpflichtet sich im Grunde, ununterbrochen die simple Tatsache in Erinnerung zu behalten, die man so gerne übersieht: dass in den Rüstungen Menschen stecken. In unseren und in denen unserer Feinde. In der Rüstung der Angst, der Gleichgültigkeit, des Hasses und der Verkümmerung der Seele. [...] Die Literatur - nicht unbedingt dieses oder jenes Buch, sondern die Art des Zuhörens, die echte Literatur bewirkt - ruft uns dazu auf, uns aus der Umklammerung der 'politischen Lage' zu lösen und unser Recht auf Individualität und Einzigartigkeit zu reklamieren. [...] Wenn uns dies gelingt, können wir vielleicht an den Punkt gelangen, an dem - ohne dass wir einander ausradieren müssen, ohne dass der eine vor dem anderen in die Knie gehen muss - die vollkommen entgegengesetzten Geschichten unterschiedlicher Menschen, unterschiedlicher Völker und sogar eingeschworener Feinde gleichzeitig nebeneinander existieren. Nur wenn wir dahin gelangen ' [...] -, werden wir endlich in der Lage sein zu verstehen, dass in ernsthaften politischen Verhandlungen unsere Wünsche sich mit den Wünschen des Feindes treffen müssen und dass wir dazu verpflichtet sind, auch deren Recht und Legitimation anzuerkennen falls sie tatsächlich rechtmäßig und legitim sind. [...] Über den Feind zu schreiben bedeutet in allererster Linie, über den Feind nachzudenken. Das ist fraglos die Pflicht jedes Menschen, der einen Feind hat, und wenn er sich hundertmal im Recht fühlt (S. 58-61).
Hierzu fällt mir ein wie ich finde sehr passendes Zitat ein, dass es mMn in aller Kürze auf den Punkt bringt:
,,Das Prinzip des Dialogs beruht auf der Erkenntnis, dass auch der Andere der uns gegenübersteht und unser Leben berührt, eine Geschichte zu erzählen hat, die vielleicht nicht weniger ergreifend und nicht weniger wirklich ist als unsere."
-Zitat: Martin Buber-
Leider geschieht all das viel zu selten, wobei man umso glücklicher sein kann, dass es unter den Israelis und Palästinensern wohl immer noch Visionäre gibt. Sogenannte ,,Gutmenschen". Erschreckend, dass ,,Gutmensch" teilweise negativ behaftet ist.
Zuletzt geändert von InDubioProReo am Sa 21. Mär 2015, 16:43, insgesamt 1-mal geändert.
,,Der wahre Charakter einer Person wird gemessen an dem, was die Person tun würde, wenn niemals jemand etwas davon erfahren würde".
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Re: D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Fei

Beitrag von SLclem »

Hi,
um das Thema "Die Sicht des Feindes" in Erinnerung zu rufen, folgt hier ein Zitat aus dem Buch "Herr Klee und Herr Feld" des Autors Michel Bergmann. M. Bergmann wurde in einem schweizer Internierungslager als Sohn jüdischer Eltern geboren und absolvierte hier in Frankfurt eine journalistische Ausbildung bei der Frankfurter Rundschau.
Sein Buch, abschließender Teil einer Trilogie, breitet ein Panorama verschiedener Lebenswege (inkl. der Verwandtschaft) aus, ist dabei aber sehr unterhaltend, politisch "erklärend" und sympathisch, finde ich. Vielleicht ein wenig sehr aus Sicht der jüdischen Brüder erzählt, aber nicht unfair.

Das Buch berichtet von zwei Brüdern, die im weit fortgeschrittenen Alter wieder im Elternhaus zusammenleben, wobei der ältere, Moritz, emeritierter Professur für Psychologie ist, der jüngere, Alfred "Freddy Clay", eine Karriere als B-Movie-Star in Italien hatte; u.a. als Vampir in :D Ramon Polinskys :D "Die Nacht der Vampire"...
Da seine (Moritz') Haushälterin mit 65 in ihr Heimatdorf zurückkehrt, suchen und finden sie schließlich eine "Neue", die allerdings eine Palästinenserin aus Hebron ist.

Hier eine kurze Unterhaltung zwischen Alfred und Zamira, die sich hier schon länger kennen:
(S. 234-235, Alfred:)
Alfred nahm den Zettel und begann:
„Dass Sie intelligent, schön und harmoniebedürftig sind, sollte Ihnen nicht entgangen sein, aber es gibt etwas, was Sie belastet und was Sie verunsichert. Es ist der Grund Ihres Misstrauens.“
„Ist nicht schwer zu erraten. Mein Ex und so.“
„Nein, es hat mit Ihrer Kindheit zu tun. Ich denke mit Ihrem Vater.“
Sie sah ihn überrascht an.
„Sie sind ein Hellseher.“
„Wollen Sie es mir sagen?“, fragte er.
Sie blieb stumm und überlegte, ob sie sich ihm anvertrauen sollte. Dann sagte sie leise:
„Mein Vater ist nicht an einer Krankheit gestorben. Er wurde getötet …“

Der Bulldozer näherte sich dem kleinen Haus. Einige Frauen rannten ihm entgegen, schrieen. Sie versuchten, auf die israelischen Soldaten einzureden, die neben dem Caterpillar herliefen. Der senkte die Schaufel und kam nun dem Haus gefährlich nah. Die Soldaten zeigten keine Reaktion. Plötzlich tauchten ein paar Männer auf, darunter auch Rafid Latif, Zamiras Vater. Sie umringten die Soldaten, diskutierten mit ihnen. Rafid, der in Israel arbeitete, sprach hebräisch und es gelang ihm, zuerst mit einem Offizier und dann mit dem Baggerfahrer zu sprechen. Das Haus, so erklärte er, sei zwar ohne Baugenehmigung errichtet worden, aber inzwischen habe die Eigentümerin einen Antrag gestellt, über den in zwei Monaten beschieden würde. Eine Frau kam und zeigte den Soldaten ein Papier. Nach ein paar Minuten gaben sich alle die Hand und die Soldaten und der Bulldozer zogen sich zurück. Rafid wurde umringt, geküsst und umarmt, alle bedankten sich bei ihm. Zwei Stunden später wurde er erschossen und vor seiner Haustür abgelegt. Dort fand ihn seine kleine Tochter Zamira. Ihr Vater sprach hebräisch, hatte in Israel gearbeitet und sich mit den Israelis arrangiert. Für die Fanatiker der Fatah war er ein Kollaborateur, ein Verräter.
„Wie sind Sie damit fertig geworden?“, fragte Alfred.
„Man hat mir erzählt, das waren die Israelis und er ist ein Märtyrer. Erst später habe ich die Wahrheit erfahren.“
Sie erhob sich.
„Ich muss in die Küche.“ […]
... sowie eine "Rede" des Professors auf einem Empfang im fränkischen Geburtsortes ihres Vaters:
(S. 313-314, Moritz:)
"Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, ich hatte nicht vorgehabt, hier etwas zu sagen, aber nun ist es mir ein Bedürfnis, einiges von dem, was ich soeben gehört habe, zu relativieren. Es war ja nicht so, dass die Nazis wie eine Heuschreckenplage über das Land kamen, sondern sie verkörperten den Geist des Volkes. Wir nennen sie Nazis, aber es waren Deutsche, Bayern, Franken, Zirndorfer. […]
ich habe Briefe von [meinem Vater …], der uns erzählte, wie aus guten Nachbarn hämische Feinde wurden, wie besagter Onkel … hier im sogenannten braunen Haus fast totgeschlagen wurde von seinen eigenen Kameraden aus dem Sportverein. […]
unserem Großvater Jakob, der hier in der Stadt ein angesehener Mann, Mitglied des örtlichen Schützenvereins und ein Wohltäter war, [konnte man] lange vormachen, dass er persönlich mit den Angriffen auf Juden nicht gemeint wäre und dass man ihn und seine Frau Caroline verschonen würde. Bis man sie schließlich in einen Güterwagen stopfte, nach Riga verfrachtete, wo sie sofort erschossen wurden.

Was nun die Hand angeht, lieber Herr Wieland, die mein Bruder und ich zur Versöhnung reichen sollen, so müssen wir Sie enttäuschen. Wir müssen uns nicht versöhnen, denn wir haben keinen Kontakt miteinander. Sie persönlich haben keine Schuld, die heutigen Zirndorfer ebenso wenig. Sie beweisen uns, dass Sie Verantwortung empfinden für das, was geschehen ist, das ist lobenswert. Aber wir können keine Absolution erteilen oder im Namen der toten Juden verzeihen, das könnten nur die Ermordeten selbst tun. Vielen Dank für diesen freundlichen Empfang."
Das erste Gespräch lässt Zweifel daran aufkommen, dass wirklich die normalen Palästinenser Feinde der Israelis seien, das zweite, die "Rede", sagt etwas über das heutige deutsch-jüdische Verhältnis aus ...
Moshe Zuckermann zu Israel-Palästina: https://www.youtube.com/watch?v=ROe_T4MQorM
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Tom Bombadil
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Re: D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Fei

Beitrag von Tom Bombadil »

Gibt es auf der anderen Seite auch solche Autoren, wie groß ist deren Einfluss und wie hoch ihre Lebenserwartung?
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Re: D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Fei

Beitrag von Zvi Back »

SLclem » Fr 20. Mär 2015, 09:37 hat geschrieben: Hat jemand erstzunehmende Einwände gegen eines dieser Teilzitate?
Gibt es Ergänzungen?

Übrigens wäre jeder Beitrag, Grossman wäre halt ein "Gutmensch", ziemlich daneben:
Er schreibt sehr scharfe politische Kommentare, ist aber eben auch Literat ...
Für mich hat das etwas von der Bergpredigt.
Der würde wohl auch keiner widersprechen, nur bringt uns das
einen Millimeter weiter? Ich weisst nicht so recht.

Ich glaube für westlich sozialisierte Menschen, wie auch die
Israelis, lässt die "Kultur" der Kriegsführung die meisten Menschen
hilflos zurück.
Dieses ständige Töten völlig unbeteiligter Personen macht es in
meinen Augen eben völlig unmöglich den Gegner verstehen zu können,
weil man sich auch für sich selbst so ein Handeln für schlicht undenkbar
hält.
Keiner von uns würde Emphathie empfinden oder nach Verständnis
rufen, wenn ein Mann aus Kiew sich in Moskau in der Metro in
die Luft jagt.
Es ist eben auch und vor allem ein Problem, dass die Denkweise verschiedener
Jahrhunderte aufeinander trifft und die letztendlich nicht vereinbar sind.
Wo auch immer auf der Welt.
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Re: D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Fei

Beitrag von JJazzGold »

SLclem » Fr 20. Mär 2015, 10:37 hat geschrieben:Im Thread "Der israelisch-palästinensische binationale Staat" wird nicht über psychologische und seelische Zustände oder sonstige "Befindlichkeiten" (scheußliches Wort) beider Seiten diskutiert, die für eine "endgültige" Staatenbildung im palästinensisch-israelischen Staat Voraussetzungen sein könnten (werden – hoffe ich...).

David Grossman hat sich im Buch "Die Kraft zur Korrektur – Über Politik und Literatur"


Denn wenn wir uns in den anderen hineinversetzen [...] werden wir ihm nie wieder völlig gleichgültig gegenübertreten. [...] Es wird uns schwerfallen, ihn völlig zu leugnen. Ihn als „Unmenschen“ abzutun. Wir werden uns nicht länger mit der üblichen Leichtigkeit in der wir so geübt sind, davonschleichen vor seinem Leiden, vor seinem Recht, vor seiner Geschichte.
Vielleicht werden wir sogar ein wenig toleranter werden, was seine Fehler anbelangt. Schließlich werden wir auch seine Fehler als einen Teil seiner Tragödie begreifen; übrigens könnten wir – falls uns noch Kraft und Großzügigkeit bleiben – sogar die Bedingungen schaffen, die es unserem Feind erleichtern, sich aus seinen eigenen inneren Fallen zu befreien. Auch wir würden davon profitieren.
...

Diese Sichtwese verlangt einen Menschen, der nur in minimaler Auflage und unter speziellen Konditionen lebend gibt.

Die Mehrheit der Menschen, ob gerade einem Gräuel entkommen, oder jahrelang mit Greuel konfrontiert, ist nicht in der Lage und nicht gewillt, den Feind und seine Verbrechen in ihrer eventuellen Ursache zu betrachten, zu recherchieren, zu akzeptieren und großmütig zu vergeben, von den Greueln der mongolischen Horden, über die Weltkriege bis zu den Greueltaten der Islamistischen Sadisten.

Grossmann setzt auf einen übermenschlichen Menschen, der nachweislich existiert, aber eben nicht in Menge, und der ab und zu als politische Leitfigur die Macht, den Willen, die Logik und das Charisma hat, einen Staat auf seinem, diesem verstehenden, vergebenden, verhandelnden, Weg mitzunehmen. Aber auch das funktioniert nur, wenn auf der anderen Seite ebenso die Macht, den Willen, die Logik und das Charisma vorhanden sind, wie auch der Wille, den Feind und seine Verbrechen in ihrer eventuellen Ursache zu betrachten, zu recherchieren, zu akzeptieren und großmütig zu vergeben, historisch eine höchst seltene Kombnation.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: D. Grossman: Israel–Palästina-Konflikt Die Sicht d. Fei

Beitrag von SLclem »

Tom Bombadil » Di 31. Mär 2015, 07:09 hat geschrieben:Gibt es auf der anderen Seite auch solche Autoren, wie groß ist deren Einfluss und wie hoch ihre Lebenserwartung?
Doch, doch, es gibt auch bei den Rechten in Israel Schriftsteller, guck einfach mal bei "IsraelHayom.com", da findest Du vielleicht eher etwas nach Deinem Geschmack. Einige der dortigen Schreiber sind vermutlich auch Schriftsteller...

Übrigens schreiben für die liberaleren Zeitungen Israels auch Menschen arabischer Herkunft, auch Palästinenser, wenngleich wohl viele von Ihnen im Ausland leben.

Die Lebenserwartung in Israel soll ziemlich hoch sein, meine ich gelesen zu haben ...
Moshe Zuckermann zu Israel-Palästina: https://www.youtube.com/watch?v=ROe_T4MQorM
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