Ich habe mir jetzt diese Reihe auf youtube komplett angesehen, dazu die Diskussion dazu auf der Arte-Seite.
http://www.arte.tv/de/Blick-nach-Vorn-- ... 15340.html
Der Film ist wie ich finde aufwendig und gut gemacht und überaus interessant, weil er nicht einfach aus einer israelischen oder palästinensischen Position erzählt sondern versucht aus der Sicht eines britischen Soldaten bzw. einer jungen Besucherin die Dinge zu betrachten. Letzteres fand ich besonders gut weil vertraut, da mir von der Uni einige solcher Mädchen, später werden es ja Frauen, bekannt sind. In der Realität wäre diese Odyssee aber natürlich so nicht möglich gewesen, sie wäre vorher ausgewiesen, eingesperrt oder erschossen worden, aber es dient natürlich der Erzählung und es muss so sein.
Was mir besonders aufgefallen ist, dass je länger der Film dauert umso mehr bezieht er Stellung und bevorzugt eindeutig eine arabische Haltung bis hin dazu, dass man aktiv auf arabischer Seite kämpft und sein Leben einsetzt. Die Gewalt beider Seiten wird eindeutig unterschiedlich dargestellt, zum einen quantitativ zum anderen qualitativ. Die palästinensische Gewalt ist Freiheitskampf, die Israelische Vertreibung und Terror gegen Zivilisten. Das wird nicht von Anfang an so behauptet, je länger der Film dauert umso mehr nimmt die Darstellung allerdings diese Position ein.
Durch die zunehmende Parteinahme der Hauptprotagonisten und damit auch des Films für eine arabische Sicht auf die Geschichte kommt es dann auch dazu, dass der israelische Diskurs zu den Ereignissen entweder überhaupt nicht thematisiert wird oder vorrausgesetzt und als falsch bzw. übertrieben dargestellt wird. Besonders am Ende wenn das Selbstmordattentat der Palästinenserin kaum mehr ist als ein Fernsehbericht, ein Plakat und ein natürlich kontraproduktiver Emotionsausbruch während hinterher die Vergeltungsmaßnahmen als sinnlose, übertriebene und durch nichts zu rechtfertigende Maßnahme dargestellt wird.
Diese zunehmende Parteinahme gipfelt dann in den Schlussszenen und es wird eine Thema ausgebreitet, auf welchen die ganze Serie ausgerichtet ist und welche in der Diskussion merkwürdigerweise nicht erkannt wird. Denn letztlich propagiert die Serie die These, dass die Briten Schuld an der Nakba sind und dementsprechend Abbitte tun sollen indem sie das Rückkehrrecht der Palästinenser unterstützen.
Die Möglichkeit eine übergeordnete Position einzunehmen wird also im Verlauf der Serie zugunsten einer eindeutig pro-arabischen und anti-israelischen Position aufgegeben.
Was die Debatte angeht zwischen Lüders und diesem Denis Peschanski ist es schade, dass man die meiste Zeit überhaupt gar nicht über den Film spricht sondern über den Verweis auf eine allgemein geführte Diskussion zu einer Debatte zum Nahost-Konflikt kommt und dabei die Möglichkeit versäumt die eigentlich interessanten Aspekte und Stärken des Films zu debattieren. Nämlich die Frage wer sich in der Situation des Krieges wie positioniert und warum. Der Franzose spricht das ja einmal an, es ist unglaublich interessant zu schauen warum nimmt der Sohn der Gastfamilie diese im Grunde schizophrene Position ein, der Vater wiederum eine andere und die Folgen davon. Im Falle der Hauptprotagonisten ist es auch interessant, obwohl das Ganze letztlich ein fortlaufender und fast geradliniger Prozess ist zu einer pro-arabischen Haltung.
Im ersten Teil der Debatte wird über die Nakba diskutiert, im zweiten über die Gleichsetzung der Terroranschläge von Hamas und Irgun, im Dritten und sehr kurzen letzten Teil über die lediglich ausschnittartige Darstellung der zeitgenössischen israelischen Gesellschaft.
Dabei hat mir der Franzose besser gefallen, weil Lüders im Grunde einen deutschen gemäßigten anti-Israelischen Diskurs herunter rattert, indem er auf die mutmaßlichen Lebenslügen der Pro-Zionisten hinweist und halt den üblichen Kram erzählt. Dazu mit dem Fauxpas das Zitat: „Ein Volk ohne Land und ein Land ohne Volk“ zum einen falsch zu verstehen (es behauptet nicht, dass Palästina menschenleer ist sondern es erklärte in Palästina würde kein eigenes Volk leben im Sinne wie die Juden, die Deutschen oder die Franzosen ein Volk sind), es Theodor Herzl zuzuschreiben (was schlichtweg falsch ist) und seine Bedeutung für die Zionisten überzubewerten. (die wussten sehr wohl, dass in Palästina Menschen leben).
Demgegenüber hat der Franzose versucht die Sache wissenschaftlich zu verstehen und die Ereignisse in den jeweiligen Kontext einzuordnen. Und das bringt mich zu einem allgemeinen Punkt was die Behandlung des Nahost-Konflikts angeht.
Denn man muss sich klarmachen, dass die Debatte zum Nahost-Konflikt intellektuell langweilig ist und zu nichts führt. Wenn man sich heute Diskussionen über den Nahost-Konflikt z.B. aus den 50ern, 60ern oder 70ern ansieht, die Einwanderungswellen, das Verhältnis zu den Arabern, den Holocaust, die darauf folgende Einwanderung, Staatsgründung, 6-Tage-Krieg usw. dann fällt einem auf, dass die Argumente heute nach wie vor die Gleichen sind.
Aus diesem Grunde ist der europäische Diskurs über den Nahost-Konflikt wie er auch hier im Forum 35 geführt wird sterbenslangweilig. Wir kennen die jeweiligen Positionen alle seit Jahren und sie werden sich auch in den nächsten 10-20 Jahren nicht nennenswert verändern.
Das eigentlich Interessante sind immer die Sichtweise der Bewohner und Akteure vor Ort. Wie sie ihre Welt wahrnehmen und interpretieren. Wichtig ist nicht die Wahrheit, wichtig sind die unterschiedlichen Perspektiven der Akteure die man erstmal begründen und in ihren Kontext setzen muss. Die unterschiedlichen Narrative welche entwickelt und weiterentwickelt werden. Weil erst wenn man diese versteht, versteht man überhaupt was es mit der ganzen Sache auf sich hat. Andernfalls reproduziert man einfach den deutschen Diskurs, was auf Dauer nichts bringt.
Manche der hier in diesem Strang aufgelisteten Filme sind in dieser Hinsicht hilfreich. Insbesondere die israelischen Filme welche aufzeigen wie die Israelis selbst den Nahost-Konflikt wahrnehmen. Es gibt Filme wie Jenin Jenin (
youtube;
Wikipedia) welche letztendlich nur Hass verbreiten und Sympathie für eine Seite wecken wollen oder Filme wie Exodus (1960) welche bestenfalls historisch interessant sind – die bringen einen aber nicht wirklich weiter.
Viel mehr hat mir diese Woche ein Vortrag von Dan Schueftan gebracht, dessen Erklärungen in meinen Augen wenig hilfreich sind die Realitäten und Entwicklungen in der Region zu verstehen, die allerdings eine authentische israelische Position darstellen. (in Kürze: die arabische Welt, die Israel umgibt, ist geprägt von Instabilität und Gewalttätigkeit, Israel kann in dieser Umwelt nur durch Stärke überleben und Verhandlungen und Abkommen sind von daher nicht das Ergebnis von Dialog und Verständnis wie in Europa sondern Ausdruck israelischer Stärke. Dies kann oder will Europa nicht begreifen, weswegen es von Israel Kompromissbereitschaft und eine lasche Haltung wünscht. Was sich wiederum aus der europäischen Erfahrung ergründen lässt, da dort nach dem 2ten Weltkrieg und der Vernichtung des Gegners Nazi-Deutschland das Andere besiegt wurde und Dialog so möglich wurde, zumal man kulturell ohnehin näher lag, es geht noch weiter aber das soll genügen. (
hier ein Vortrag auf youtube von ihm)
Aus diesen Überlegungen heraus fand ich den Film oder die Serie am Anfang total toll, weil man wirklich gesehen hat wie verändern sich die Sichtweisen der Akteure, warum verändern sie sich auf diese oder jene Art und welches Handeln ergibt sich daraus. Man kann ja sprichwörtlich zusehen wie dies bei allen möglichen Leuten passiert - wunderbar - aber je länger der Film dauert umso einseitiger wird die pro-arabische Sichtweise in der Darstellung bevorzugt was die Sache dann ganz einfach unnötig einseitig und langweilig weil einfach verflacht macht.
Dieser Beitrag ist sehr gut.